VwGH 84/17/0208

VwGH84/17/020824.10.1986

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Kramer, Dr. Wetzel und Dr. Puck als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Traumüller, über die Beschwerde des Dr. JV in S, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Oberwart vom 28. November 1984, Zl. II-V-9/1-1984 (mitbeteiligte Partei: Gemeinde Schachendorf), betreffend Friedhofsgebühren, zu Recht erkannt:

Normen

AbgRallg;
BAO §289 Abs2;
LAO Bgld 1963 §213 Abs2;
LAO Bgld 1963 §70 Abs2;
LAO Bgld 1963 §70 Abs3 lita;
AbgRallg;
BAO §289 Abs2;
LAO Bgld 1963 §213 Abs2;
LAO Bgld 1963 §70 Abs2;
LAO Bgld 1963 §70 Abs3 lita;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Burgenland hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.780,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 4. Juli 1983 wurden dem Beschwerdeführer Friedhofsgebühren in Höhe von S 3.350,-- vorgeschrieben.

Die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers wurde zunächst mit Berufungsvorentscheidung vom 30. Jänner 1984 und in der Folge auf Grund des vom Beschwerdeführer gestellten Vorlageantrages mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 30. April 1984 als unbegründet abgewiesen.

Auf Grund der gegen den zuletzt genannten Bescheid erhobenen Vorstellung des Beschwerdeführers hob die Bezirkshauptmannschaft Oberwart gemäß den §§ 77 und 79 Bgld. Gemeindeordnung den angefochtenen Bescheid auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde.

Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 19. November 1984 wurde sodann der Abgabenbescheid des Bürgermeisters vom 4. Juli 1983 aufgehoben "und gemäß § 213 Landesabgabenordnung - LAO, LGBl. Nr. 2/1963 i.d.g.F. in Zusammenhalt gemäß § 76 Bgld. Gemeindeordnung, LGBl. Nr. 37/1965 i. d.g.F. zur neuerlichen Entscheidung an den Bürgermeister als Abgabenbehörde I. Instanz verwiesen".

Dagegen erhob der Beschwerdeführer am 20. November 1984 neuerlich Vorstellung.

Der über diese Vorstellung ergangene, nunmehr angefochtene Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Oberwart vom 28. November 1984 hat im wesentlichen folgenden Wortlaut:

"Über die Vorstellung des Dr. JV, S, gegen den Bescheid des Gemeinderates als Abgabenbehörde II. Instanz vom 30. 4. 1984, Zl. 795-1983, ergeht nachstehender

Spruch:

Gemäß §§ 77 und 79 Bgld. Gemeindeordnung, LGBl. Nr. 37/1965 i. d.g.F. wird der angefochtene Bescheid aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde verwiesen."

In der Begründung dieses Bescheides wird zunächst auf die Sachverhaltsdarstellung der Vorstellungsentscheidung vom 22. Mai 1984 verwiesen und sodann ausgeführt, mit der nunmehr auf Grund dieser Entscheidung ergangenen Berufungsentscheidung des Gemeinderates vom 19. November 1984 sei der Bescheid des Bürgermeisters aufgehoben und zur neuerlichen Entscheidung an die Abgabenbehörde I. Instanz verwiesen worden. In der vorliegenden Vorstellung werde diese kassatorische Entscheidung bekämpft und darauf hingewiesen, dass gemäß § 213 LAO meritorisch zu entscheiden gewesen wäre. Gemäß § 213 LAO habe die Abgabenbehörde II. Instanz, sofern die Berufung nicht gemäß § 208 zurückzuweisen sei, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie könne aber auch die Abgabenbehörde I. Instanz zur Erlassung einer Berufungsvorentscheidung anweisen, sofern in dem anhängigen Verfahren eine solche noch nicht ergangen sei. Dadurch, dass die Abgabenbehörde II. Instanz weder meritorisch entschieden noch die Abgabenbehörde I. Instanz angewiesen habe, eine Berufungsvorentscheidung zu erlassen, habe sie Rechte des Vorstellungswerbers verletzt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid (offenkundig wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes) aufzuheben.

Die belangte Behörde und die mitbeteiligte Gemeinde erstatteten je eine Gegenschrift, in der sie den Antrag stellen, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt zunächst vor, er habe mit seiner Vorstellung vom 20. November 1984 den Bescheid des Gemeinderates vom 19. November 1984 und nicht jenen vom 30. April 1984 angefochten, welcher mit dem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Oberwart vom 22. Mai 1984 bereits aufgehoben und daher nicht mehr existent gewesen sei.

Gemäß § 70 Abs. 2 und Abs. 3 lit. a der Burgenländischen Landesabgabenordnung, LGBl. Nr. 2/1963, hat jeder Bescheid unter anderem den Spruch und von Ausnahmen abgesehen, eine Begründung zu enthalten. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Bescheid einer Verwaltungsbehörde als ein Ganzes zu beurteilen. Spruch und Begründung bilden eine Einheit; bestehen Zweifel über den Inhalt des Spruches, so ist zu dessen Deutung auch die Begründung heranzuziehen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 27. September 1968, Zl. 1654/67, vom 11. Februar 1971, Slg. Nr. 7967/A, und vom 24. März 1980, Zl. 1962/79). Hiebei ist jeder Spruch im Zweifel im Sinne des angewendeten Gesetzes auszulegen ("gesetzeskonforme" Bescheidauslegung; vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. April 1965, Zl. 152/65, sowie Walter-Mayer, Grundriss des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts3, Seite 138).

Im Beschwerdefall kann nun kein Zweifel darüber bestehen, dass die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid über die der Vorstellung des Beschwerdeführers vom 20. November 1984 gegen den Bescheid des Gemeinderates vom 19. November 1984 entscheiden wollte. Dies geht aus der oben wiedergegebenen Begründung des angefochtenen Bescheides eindeutig hervor und konnte auch für den Beschwerdeführer nicht zweifelhaft sein, zumal der Bescheid des Gemeinderates vom 30. April 1984 bereits mit Vorstellungsentscheidung vom 22. Mai 1984 aufgehoben worden war. Dem Umstand, dass die belangte Behörde in der Einleitung ihres Bescheides irrtümlich den Bescheid des Gemeinderates vom 30. April 1984 nannte, kommt demgegenüber keine wesentliche Bedeutung zu.

Mit Recht erachtet sich der Beschwerdeführer jedoch durch die oben wiedergegebene, tragende und daher mit Bindungswirkung ausgestattete Begründung des angefochtenen Bescheides in seinen Rechten verletzt.

Gemäß § 213 Abs. 1 der Burgenländischen Landesabgabenordnung hat die Abgabenbehörde zweiter Instanz, sofern die Berufung nicht gemäß § 208 zurückzuweisen ist, immer in der Sache zu entscheiden. Sie kann aber auch die Abgabenbehörde erster Instanz zur Erlassung einer Berufungsvorentscheidung anweisen, sofern in dem anhängigen Verfahren eine solche noch nicht ergangen ist.

Nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 24/1983 ist die Abgabenbehörde zweiter Instanz berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde erster Instanz zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Berufung als unbegründet abzuweisen.

Durch die auf Grund der zuletzt genannten Novelle erfolgte Einfügung des Wortes "aufzuheben" im § 213 Abs. 2 leg. cit. wurde zwar ebenso wenig wie durch die entsprechende Einfügung im § 289 Abs. 2 BAO durch die BAO-Novelle 1980 eine Aufhebung des angefochtenen Bescheides unter gleichzeitiger Zurückverweisung an die I. Instanz ermöglicht; lediglich eine ersatzlose Behebung des angefochtenen Bescheides ist zufolge dieser Gesetzesänderung zulässig (vgl. Ellinger-Wetzel, BAO, S. 219).

Jedoch hat die belangte Behörde offenbar übersehen, dass im vorliegenden Verfahren bereits eine Berufungsvorentscheidung ergangen ist. Ihr Hinweis, die Abgabenbehörde zweiter Instanz habe Rechte des Beschwerdeführers dadurch verletzt, dass sie weder meritorisch entschieden, noch die Abgabenbehörde erster Instanz angewiesen habe, eine Berufungsvorentscheidung zu erlassen, kann zumindest auch so verstanden werden, dass die Abgabenbehörde zweiter Instanz durch eine Anweisung im zweitgenannten Sinne Rechte des Beschwerdeführers nicht verletzt hätte, dass es daher der Abgabenbehörde zweiter Instanz im Beschwerdefall noch freistünde, der Abgabenbehörde erster Instanz die Anweisung zur Erlassung einer Berufungsvorentscheidung zu erteilen. Eine solche Anweisung entspräche jedoch, wie erwähnt, nicht der Rechtslage.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243, insbesondere auf deren Art. III Abs. 2.

Hinsichtlich der oben erwähnten, nicht in der Sammlung seiner Erkenntnisse und Beschlüsse veröffentlichten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes wird auf Art. 14 Abs. 4 seiner Geschäftsordnung, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Wien, am 24. Oktober 1986

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