Normen
ASVG §8 Abs4;
BewG 1955 §31a idF 1977/320;
BKVG 1965 §2;
BPVG 1971 §2;
BSVG §2 Abs2;
BSVG §23 Abs3 litd;
BSVG §23 Abs5;
B-VG Art2;
B-VG Art7 Abs1;
LAG §5 Abs1;
ASVG §8 Abs4;
BewG 1955 §31a idF 1977/320;
BKVG 1965 §2;
BPVG 1971 §2;
BSVG §2 Abs2;
BSVG §23 Abs3 litd;
BSVG §23 Abs5;
B-VG Art2;
B-VG Art7 Abs1;
LAG §5 Abs1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für soziale Verwaltung) hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 9.270,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1.1. Mit Bescheid vom 6. August 1979 sprach die beschwerdeführende Sozialversicherungsanstalt der Bauern aus, daß der Bemessung der vom Mitbeteiligten zu leistenden Sozialversicherungsbeiträge für die von Dipl.-Ing. EG - Forst- und Gutsverwaltung X - zugepachteten Flächen vom 1. Oktober 1970 bis 30. Juni 1973 zwei Drittel des Hektarsatzes von S 5.890,--, vom 1. Juli 1973 bis 31. Dezember 1976 zwei Drittel des Hektarsatzes von S 6.690,-- und ab 1. Jänner 1977 zwei Drittel des Hektarsatzes von S 7.359,-- zugrunde zu legen seien. Die Entscheidung wurde auf § 12 Abs. 3 lit. d B-PVG und § 23 Abs. 3 lit. d BSVG gestützt.
Der Mitbeteiligte erhob Einspruch.
1.2. Mit Bescheid vom 19. Jänner 1982 gab der Landeshauptmann von Steiermark diesem Einspruch statt und sprach aus, daß der Beitragsbemessung nicht ein um zwei Drittel des anteilsmäßigen Ertragswertes der vom Mitbeteiligten von der Forst- und Gutsverwaltung X gepachteten Fläche erhöhter Einheitswert, sondern unter Hinweis auf § 20 Abs. 5 BSVG der für den Gemeindebereich K ortsübliche Hektarsatz von S 3.000,-- zugrunde zu legen sei.
Der Mitbeteiligte habe seit Jahren von der genannten Forst- und Gutsverwaltung landwirtschaftlich genutzte Flächen zugepachtet (bis 1973 5,7 ha, seit 1973 1,5 ha). Im Bescheid der Sozialversicherungsanstalt sei von den vom Finanzamt Weiz für den verpachteten Betrieb festgestellten Hektarsätzen ausgegangen worden. Hingegen betrage der vom genannten Finanzamt für den Mitbeteiligten auf den 1. Jänner 1974 festgestellte landwirtschaftliche Hektarsatz S 2.900,--. Die vom Mitbeteiligten gepachteten Flächen grenzten an seinen eigenen Betrieb an und hätten eine Durchschnittsneigung von 26 %; sie seien zu 80 % maschinell (Traktor) nicht bewirtschaftbar. Der Bürgermeister der Gemeinde K habe mitgeteilt, daß der Durchschnitt der Hektarsätze für die Gemeinde K etwa S 3.000,-- betrage; es gebe in dieser Gemeinde keinen Betrieb mit einem landwirtschaftlichen Hektarsatz von über S 6.000,--.
Bei der Bildung des Versicherungswertes nach § 23 Abs. 3 BSVG (und der entsprechenden vorher in Geltung gestandenen Bestimmungen) sei im Falle von Pachtungen und Verpachtungen ausdrücklich vom Ertragswert der gepachteten bzw. verpachteten Fläche die Rede. Was unter dem Ertragswert zu verstehen sei, werde durch den Gesetzgeber im BSVG nicht näher definiert. § 32 des Bewertungsgesetzes 1955 (im folgenden: BewG 1955) bestimme als Ertragswert das 18fache des Reinertrages, welchen ein landwirtschaftlicher Betrieb seiner wirtschaftlichen Bestimmung gemäß im Jahresdurchschnitt nachhaltig erbringen könne. Gerade im vorliegenden Fall werde offenbar, daß bei Mischhektarsätzen für den verpächterischen Betrieb der tatsächliche Ertragswert einer aus diesem Betrieb herausgelösten Teilfläche wesentlich vom verpächterischen Einheitswert abweichen könne. Aus diesem Grund sei der tatsächliche Ertragswert der zugepachteten Fläche der Beitragsvorschreibung des Pächters zugrunde zu legen. Dies ergebe sich aus der unterschiedlichen Formulierung des § 23 Abs. 1 BSVG, der vom Versicherungswert des landwirtschaftlichen Betriebes des Beitragspflichtigen spreche, während im § 23 Abs. 3 lit. c und d BSVG vom Ertragswert die Rede sei. In Ermangelung der Kenntnis des tatsächlichen Ertragswertes der vom Mitbeteiligten zugepachteten Fläche sei unter Bedachtnahme auf § 20 Abs. 5 BSVG der ermittelte ortsübliche Hektarsatz heranzuziehen gewesen.
1.3. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird. Die beschwerdeführende Sozialversicherungsanstalt der Bauern erachtet sich in ihrem Recht verletzt, im Sinne des § 23 Abs. 3 lit. d BSVG bzw. des § 17 Abs. 5 lit. d B-KVG und § 12 Abs. 3 lit. d B-PVG die Beitragsgrundlagen der Höhe nach festzustellen. In der Beschwerdebegründung heißt es, daß die Zugrundelegung durchschnittlicher Hektarsätze in der Umgebung des zugepachteten Betriebes im § 23 Abs. 3 lit. d BSVG nicht gedeckt sei, da dort von der Anwendung von Vergleichsmaßstäben keine Rede sei. Dementsprechend stütze sich der Bescheid des Landeshauptmannes auf § 20 Abs. 5 BSVG. Diese Bestimmung sei allerdings nicht anwendbar, da diese Norm ausschließlich dafür bestimmt sei, dem Versicherungsträger auch dann eine Entscheidung zu ermöglichen, wenn der Versicherte seinen Auskunftsverpflichtungen nicht nachkommen könne oder wolle. Hier könne aber dem Versicherten überhaupt keine Verletzung der Auskunftspflicht vorgehalten werden und es stünden alle übrigen für die Entscheidung im Sinne des § 23 Abs. 4 lit. d BSVG maßgeblichen Unterlagen ohnedies zur Verfügung; sämtliche Einheitswerte der zugepachteten Grundstücke seien bekannt.
Gemäß § 23 BSVG sei angeordnet, daß für die Feststellung der Beitragsgrundlagen die Einheitswerte der Liegenschaften, die vom Versicherten bearbeitet würden, heranzuziehen seien. Die Feststellung der Höhe des Einheitswertes obliege ausschließlich den Finanzbehörden. Die von diesen festgestellten Einheitswerte seien für das Verfahren vor den Versicherungsbehörden bindend. Mangels Definition des Begriffes "Ertragswert" im § 23 Abs. 3 lit. d BSVG sei das BewG 1955 heranzuziehen. Darnach aber entspreche der "Ertragswert" jenem Wert, der von den Finanzbehörden als "Hektarsatz" für den Eigentümer der zugepachteten Liegenschaften festgestellt worden sei.
1.4. Der Landeshauptmann von Steiermark legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.
2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
2.1. § 23 BSVG lautet auszugsweise:
"§ 23.
(1) Grundlage für die Bemessung der Beiträge in der Kranken- und Pensionsversicherung ist für die gemäß § 2 Abs. 1 Z. 1 Pflichtversicherten, soweit im folgenden nichts anderes bestimmt wird, der Versicherungswert des land(forst)wirtschaftlichen Betriebes (monatliche Beitragsgrundlage).
(2) Der Versicherungswert ist ein Hundertsatz des Einheitswertes des land(forst)wirtschaftlichen Betriebes. Hiebei ist von dem zuletzt festgestellten Einheitswert des land(forst)wirtschaftlichen Betriebes auszugehen; ...
(3) Bei Bildung des Versicherungswertes gemäß Abs. 2 sind in den nachstehenden Fällen folgende Werte als Einheitswerte zugrunde zu legen:
......
c) bei Verpachtung einer land(forst)wirtschaftlichen Fläche ein um den anteilsmäßigen Ertragswert der verpachteten Fläche verminderter Einheitswert;
d) bei Zupachtung einer land(forst)wirtschaftlichen Fläche ein um zwei Drittel des anteilsmäßigen Ertragswertes der gepachteten Fläche erhöhter Einheitswert;
.....
(5) Änderungen des Einheitswertes gemäß Abs. 3 lit. b, c und d sowie durch sonstige Flächenänderungen werden mit dem ersten Tag des Kalendermonates wirksam, der der Änderung folgt. Sonstige Änderungen des Einheitswertes werden mit dem ersten Tag des Kalendervierteljahres wirksam, das der Zustellung des Bescheides der Finanzbehörde erster Instanz folgt. Im übrigen ist Abs. 3 entsprechend anzuwenden."
Die im Beschwerdefall gleichfalls noch anzuwendenden Bestimmungen des § 17 Abs. 5 lit. d B-KVG und § 12 Abs. 3 lit. d B-PVG hatten einen dem § 23 Abs. 3 lit. d BSVG entsprechenden Regelungsinhalt.
Wenn im folgenden nur § 23 BSVG zitiert wird, dann gilt diese Bezugnahme in gleicher Weise auch für die die früheren Beitragszeiträume betreffenden Bestimmungen des B-KVG und B-PVG.
2.2.1. Bewertungsgesetz 1955 und BSVG (§ 5 Abs. 1 Landarbeitsgesetz - LAG, BGBl. Nr. 140/1948 in der Fassung BGBl. Nr. 782/1974) knüpfen an verschiedene Betriebsbegriffe an. Eine Einheitswertfestsetzung nach dem BewG 1955 für Zwecke der Pflichtversicherung und der Beitragsbemessung in der Sozialversicherung der Bauern ist zweifellos dort ein taugliches Instrument, wo die Betriebsbegriffe übereinstimmen (z.B. bei eigenbewirtschafteten Betrieben). Keine Kongruenz dieser Art gibt es hingegen bei Betrieben im Sinne des LAG, die z. B. - wie im Beschwerdefall - aus einem Eigenbetrieb und zugepachteten Flächen bestehen. In einem solchen Fall ist nämlich Bewertungsgegenstand nach dem BewG 1955 nur der Eigenbetrieb, während die zugepachteten Flächen in der Bewertung des Betriebes des Verpächters Berücksichtigung finden.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 29. September 1986, Zl. 85/08/0175, ausgesprochen und begründet hat, hat § 31a BewG 1955 in der Fassung BGBl. Nr. 320/1977 über die Feststellung eines Pächteranteiles einen ausschließlich auf das Abgabenrecht, und zwar das Vermögensteuerrecht, bezogenen Inhalt. Auch sind Pächteranteile unter S 20.000,-- für den einzelnen Pächter nicht festzustellen. Festzuhalten ist, daß schon aus dem zuletzt genannten Grund jedenfalls ein Pächteranteil dieser Art nicht festgesetzt wurde.
2.2.2. § 23 Abs. 3 und 5 BSVG sehen vielmehr eine eigenständige Bildung der Versicherungswerte, und zwar "Modifikationen" der sich nach dem BewG 1955 ergebenden Einheitsbewertung für jene Fälle vor, in denen die Regelungen des BewG 1955 zum Zwecke der Sozialversicherung unter anderem wegen des verschiedenen Betriebsbegriffes nicht tauglich sind (vgl. die Erläuterungen zur Regierungsvorlage betreffend das B-PVG, 1411 BlgNR, XI. GP.; hg. Erkenntnis vom 4. Juni 1982, Zl. 81/08/0051 = ZfVB 1983/3/1255).
Ein Fall dieser Art ist im § 23 Abs. 3 lit. d BSVG vorgesehen. Dabei ist von den für die Pachtflächen in Betracht kommenden Ertragswerten, und zwar von den in den Einheitswertbescheiden betreffend den verpachteten Betrieb zugrunde gelegten Hektarsätzen auszugehen (vgl. schon das hg. Erkenntnis vom 29. September 1986, Zl. 85/08/0175, S. 9). Für eine eigenständige Ermittlung eines Ertragswertes durch den Sozialversicherungsträger, etwa durch Vergleich mit den (wiederum steuerlichen) Ertragswerten der den gepachteten Flächen benachbarten Liegenschaften, bleibt kein Raum, da § 23 Abs. 3 lit. d BSVG auf den "anteilsmäßigen Ertragswert der gepachteten Fläche" und nicht auf "den Ertragswert" dieser Fläche abstellt; die "Anteilsmäßigkeit" kann sich aber nur auf den Ertragswert (Hektarsatz) beziehen, der der Einheitsbewertung für den Verpächterbetrieb (das ist für den Eigentümer der vom Beitragspflichtigen zugepachteten Flächen) zugrunde gelegt wurde.
2.2.3. Gemäß § 20 Abs. 5 BSVG ist der Versicherungsträger dann, wenn die Unterlagen fehlen, unvollständig sind oder ihre Vorlage verweigert wird, berechtigt, die für das Versicherungsverhältnis maßgebenden Umstände auf Grund anderer Ermittlungen oder unter Heranziehung der Daten gleichgelagerter oder ähnlicher Betriebe (Versicherungsverhältnisse) festzustellen.
Für die Heranziehung dieser Bestimmung besteht vor dem Hintergrund des zu Punkt 2.2.2. Ausgeführten kein Anlaß. Sie kommt überdies auch deswegen nicht zur Anwendung, weil im vorliegenden Fall die Unterlagen weder fehlen noch unvollständig sind noch ihre Vorlage verweigert wurde.
2.2.4. Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der im § 23 Abs. 3 lit. d BSVG vorgesehenen Regelung sind bei einer typisierenden Betrachtungsweise und unter Mitberücksichtigung des Gesichtspunktes der Einfachheit und Vollziehbarkeit der Wertermittlung nicht entstanden, zumal der Gesetzgeber durch einen Abschlag von einem Drittel des anteilsmäßigen Ertragswertes der zugepachteten Flächen u.a. auch diese mögliche Unschärfe bedacht hat. Daß es ungeachtet dessen in besonderen Fällen zu Härten in der Vollziehung dieser Norm kommen mag, läßt die Regelung als solche noch nicht unsachlich erscheinen.
2.3. Aus diesen Erwägungen folgt, daß der belangte Landeshauptmann von Steiermark dem angefochtenen Bescheid zu Unrecht eine auf eigene Ermittlungen gestützte und vom § 23 Abs. 3 lit. d BSVG abweichende Ertragsfestsetzung zugrunde gelegt und daher den Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet hat.
2.4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 2 VwGG in Verbindung mit Art. I Z. 1 und Art. III Abs. 2 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.
2.5. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Wien, am 18. Dezember 1986
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