Normen
BAO §303 Abs4;
BewG 1955 §64 Abs2 Z2;
BewG 1955 §77 Abs1 Z1;
BAO §303 Abs4;
BewG 1955 §64 Abs2 Z2;
BewG 1955 §77 Abs1 Z1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 9.930,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Auf Grund vertraglicher Vereinbarung aus der Zeit nach dem ersten Weltkrieg ist einer Aktiengesellschaft das Recht eingeräumt, auf der Zweitbeschwerdeführerin gehörigen Liegenschaften Bodensubstanzen abzubauen, wofür die Aktiengesellschaft ein laufendes Entgelt zu entrichten hat. Das sich daraus ergebende Recht der Zweitbeschwerdeführerin auf wiederkehrende Leistungen wurde in den Vermögensteuererklärungen zum 1. Jänner 1975, zum 1. Jänner 1976 und zum 1. Jänner 1977 jeweils als sonstiges Vermögen mit einem Kapitalwert von 32 Mio Schilling ausgewiesen. Vermögensteuerbescheide auf Grundlage dieses Wertes erwuchsen in Rechtskraft.
Bei einer späteren abgabenbehördlichen Prüfung vertrat der Prüfer hingegen die Auffassung, dass die wiederkehrenden Leistungen mit höheren Beträgen zu kapitalisieren seien, nämlich
zum 1. Jänner 1975 mit | S | 94,964.481,-- |
zum 1. Jänner 1976 mit | S | 124,284.330,-- |
zum 1. Jänner 1977 mit | S | 129,790.490,--. |
Das Finanzamt erließ im wieder aufgenommenen Verfahren neue Vermögensteuerbescheide, denen es die vom Prüfer ermittelten Kapitalwerte zu Grunde legte.
Die Beschwerdeführer bekämpften mit Berufung lediglich die Wiederaufnahme des Verfahrens mit dem Einwand, dass dem Finanzamt das Zufließen von Einnahmen aus dem Abbauvertrag dem Grunde und der Höhe nach bekannt gewesen sei und sich nunmehr keine neue Tatsachen ergebe, sondern sich bloß die Rechtsansicht des Finanzamtes in Bezug auf die Kapitalisierung der Einnahmen geändert habe.
Die belangte Behörde gab der Berufung der Beschwerdeführer mit dem angefochtenen Bescheid teilweise Folge und sprach aus, dass der Bescheid über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend die Veranlagung zur Vermögensteuer ab 1. Jänner 1975 und der Vermögensteuerbescheid ab 1. Jänner 1975 ersatzlos aufgehoben würden. Im übrigen wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführer als unbegründet ab und änderte die Vermögensteuerfestsetzungen zum 1. Jänner 1976 und zum 1. Jänner 1977 geringfügig zum Nachteil der Beschwerdeführer ab. Bezüglich der Wiederaufnahme des Verfahrens zu den Stichtagen 1. Jänner 1976 und 1. Jänner 1977 legte die belangte Behörde im entscheidungswesentlichen Teil der Begründung des angefochtenen Bescheides folgendes dar:
Da das Finanzamt bei der Feststellung des Wertes des bestehenden Rechtes lediglich einen anderen Jahresbetrag und Vervielfacher angenommen habe und damit bloß in der rechtlichen Wertung eines dem Grund und der Höhe nach unveränderten Sachverhaltes von seinem bisher eingenommenen Standpunkt abgegangen sei, wären die Beschwerdeführer im Recht, wenn sie einwenden, dass aus dem Titel der Bewertung der Forderung aus dem Abbauvertrag keine neuen Tatsachen hervorgekommen seien und daher die Wiederaufnahme des Verfahrens der gesetzlichen Deckung entbehre. Sie würden jedoch übersehen, dass zum 1. Jänner 1976 und zum 1. Jänner 1977 neben der Neuermittlung des Kapitalwertes des Rechtes auf den Abbauzins bei der Ermittlung des Gesamtvermögens auch eine Änderung der Abzüge vorgenommen worden sei, die ihre Begründung in einer aus der Nachforderung an Einkommensteuer für die Jahre 1975 und 1976 (durch die Betriebsprüfung) resultierenden Schuld finde. Dieser Umstand stelle aber eine neue Tatsache dar, deren Berücksichtigung zu einem im Spruch anders lautenden Bescheid geführt hätte. Da die somit gerechtfertigte Wiederaufnahme des Verfahrens zur Festsetzung der Vermögensteuer ab 1. Jänner 1976 und 1. Jänner 1977 zur gänzlichen Aufhebung der früheren Bescheide geführt habe, könnten im wieder aufgenommenen Verfahren alle Bescheidelemente, also auch solche, die durch die neu hervorgekommenen Tatsachen gar nicht berührt würden, geändert werden.
Nach der Aktenlage betragen die Nachforderungen an Einkommensteuer für die Jahre 1975 und 1976 auf Grund der Betriebsprüfung S 27.060,-- bzw. S 33.631,--, die Nachforderungen an Vermögensteuer zum 1. Jänner 1976 S 688.388,-- und zum 1. Jänner 1977 S 965.670,--.
Vorliegende Beschwerde macht sowohl inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides als auch dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Die Beschwerdeführer fechten die Berufungsentscheidung der belangten Behörde ausdrücklich nur insoweit an, als durch sie ihrer Berufung gegen die Wiederaufnahme der Verfahren zur Festsetzung der Vermögensteuer ab dem 1. Jänner 1976 und ab dem 1. Jänner 1977 keine Folge gegeben worden ist.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die Beschwerdeführer halten dem angefochtenen Bescheid entgegen, bei der von der belangten Behörde als neue Tatsache gewerteten Einkommensteuernachforderung durch die Betriebsprüfung handle es sich um keine neu hervorgekommene Tatsache, die allein eine Wiederaufnahme des Vermögensteuerverfahrens rechtfertige, sondern um eine unbeachtliche neu entstandene Tatsache. Der Verwaltungsgerichtshof teilt diese Auffassung aus folgenden Gründen nicht:
Einkommensteuerschulden bilden für die Höhe der Vermögensteuer und damit für die Vermögensteuerfestsetzung maßgebliche Sachverhaltselemente und damit Tatsachen im Sinne des § 303 Abs. 4 BAO (siehe § 64 Abs. 2 und § 77 Abs. 1 Z. 1 des Bewertungsgesetzes 1955 - BewG -, weiters Twaroch-Wittmann-Frühwald, Kommentar zum Bewertungsgesetz, Anmerkung 2 zu § 64 Abs. 2, sowie die hg. Erkenntnisse vom 17. Dezember 1973, Zl. 873/73, vom 20. September 1983, Zl. 82/14/0247, vom 4. Oktober 1983, Zlen. 82/14/0315, 83/14/0060, und vom 30. Mai 1984, Zl. 84/13/0090). Bei der zu veranlagenden Einkommensteuer, um deren Wertung als Wiederaufnahmsgrund es im Beschwerdefall geht, entsteht nun der Abgabenanspruch und damit auch die Abgabenschuld grundsätzlich schon mit Ablauf des Kalenderjahres, für das die Veranlagung vorgenommen wird (siehe § 4 Abs. 2 lit. a Z. 2 BAO und die Kommentierung bei Stoll, BAO-Handbuch), wobei § 39 Abs. 1 EStG 1972 korrespondierend mit der zuletzt zitierten Bestimmung der Bundesabgabenordnung vorsieht, dass die Einkommensteuer nach Ablauf des Kalenderjahres (Veranlagungszeitraumes) nach dem Einkommen veranlagt wird, das der Steuerpflichtige in diesem Veranlagungszeitraum bezogen hat. Das bedeutet auf Grund der Vorschrift des § 77 Abs. 1 Z. 1 im Zusammenhalt mit § 64 Abs. 2 Z. 2 BewG, dass im Beschwerdefall die Einkommensteuer für 1975 bei der Veranlagung der Vermögensteuer zum 1. Jänner 1976 sowie die Einkommensteuer für 1975 und 1976 bei der Veranlagung der Vermögensteuer zum 1. Jänner 1977 als Schuld berücksichtigt werden musste (vgl. nochmals das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. September 1983, Zl. 82/14/0247, und Twaroch-Wittmann-Frühwald, a.a.O., Anmerkung 2 zu § 77 Abs. 1 Z. 1).
Die für die Vermögensteuerfestsetzung bedeutsamen Einkommensteuerschulden entstehen in ihrer dem Gesetz entsprechenden Höhe unabhängig vom Zeitpunkt der bescheidmäßigen Einkommensteuerfestsetzungen mit Ablauf der betreffenden Kalenderjahre. Diese Schulden können für die Vermögensteuerveranlagungen auch ohne bescheidmäßige Konkretisierung (z.B. auf Grund eigener Berechnungen des Abgabepflichtigen - siehe Twaroch-Wittmann-Frühwald, a.a.O., Anmerkung 5 zu § 64 Abs. 2) geltend gemacht und bei den Vermögensteuerfestsetzungen gemäß § 77 Abs. 1 Z. 1 im Zusammenhalt mit § 64 Abs. 2 Z. 2 BewG auch berücksichtigt werden. Ergibt sich nach einer rechtskräftigen Vermögensteuerfestsetzung später auf Grund eines Einkommensteuerbescheides - und sei dies auch nach Wiederaufnahme des Einkommensteuerveranlagungsverfahrens im Gefolge einer Betriebsprüfung - eine höhere Steuer, so kommt damit hervor, dass die Einkommensteuerschuld mit Ablauf des betreffenden Kalenderjahres nicht mit dem ursprünglich berücksichtigten, sondern mit dem nunmehr festgesetzten Betrag (bereits) entstanden war. Es entsteht also durch die Steuernachforderung für sich keine neue Tatsache, sondern es kommt lediglich die Tatsache neu hervor, dass die Einkommensteuerschuld bereits zum Jahresablauf und damit auch noch vor der ersten (rechtskräftigen) Vermögensteuerveranlagung mit einem höheren als dem ursprünglich angenommenen Betrag entstanden war (siehe auch bei im wesentlichen vergleichbarer Rechtslage Rössler-Troll-Langner13, Kommentar zum (deutschen) Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, Erläuterung zu § 105 BewG, insbesondere Rz 25, sowie das hg. Erkenntnis vom 28. September 1956, Zl. 3373/54).
2. Ob die belangte Behörde, wie die Beschwerdeführer meinen, das ihr in § 303 Abs. 4 BAO eingeräumte Ermessen fehlerhaft übte, lässt sich anhand des angefochtenen Bescheides nicht feststellen, weil der Bescheid keinerlei den Gesichtspunkten des § 20 BAO gerecht werdende Begründung enthält. Darin liegt allerdings, und hier ist den Beschwerdeführern beizupflichten, ein auch durch die Ausführungen in der Gegenschrift nicht sanierbarer Begründungsmangel (siehe zuletzt das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. April 1985, Zl. 83/16/0182). Eine Begründung für die Ermessensübung im Sinne der verfügten amtswegigen Wiederaufnahme wäre, jedenfalls deshalb geboten gewesen, weil es - auch hier sind die Beschwerdeführer im Recht - nicht unmittelbar einsichtig ist, dass unter Bedachtnahme auf § 20 BAO verhältnismäßig geringfügige neue Tatsachen, die sich zu Gunsten der Beschwerdeführer auswirken, verhältnismäßig hohe Nachforderungen auf Grund neuer rechtlicher Wertung von im seinerzeit rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren bereits bekannten Tatsachen rechtfertigen sollen. Damit ist aber auch nicht auszuschließen, dass die belangte Behörde, hätte sie ihrer Begründungspflicht in diesem Punkt entsprochen und Erwägungen über die rechtmäßige Ermessensübung angestellt, zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.
3. Der belangten Behörde unterlief sohin ein Verfahrensmangel (siehe Punkt 2), auf Grund dessen der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG und die Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243, insbesondere auf deren Art. III Abs. 2.
Wien, am 29. Oktober 1985
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