VwGH 85/08/0065

VwGH85/08/006527.6.1985

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident DDr. Heller und die Hofräte Dr. Liska, Dr. Knell, Dr. Puck und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Gerscha, in der Beschwerdesache des E in G als Rechtsträger des Diakonissenkrankenhauses X, vertreten durch Dr. Alfred Haslinger, Rechtsanwalt in Linz, Kroatengasse 7, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 3. September 1984, Zl. SV-990/18-1984, betreffend Ergänzungsbescheid zum Einspruchsbescheid vom 6. Juni 1984, betreffend Beitragsnachverrechnung und Beitragszuschlag nach dem ASVG (mitbeteiligte Partei: Oberösterreichische Gebietskrankenkasse in Linz, Gruberstraße 77), den Beschluss gefaßt:

Normen

B-VG Art144 Abs3;
VerfGG 1953 §27 Abs3;
VwGG §33 Abs1;
B-VG Art144 Abs3;
VerfGG 1953 §27 Abs3;
VwGG §33 Abs1;

 

Spruch:

Das Verfahren wird eingestellt.

Der Bund (Bundesminister für soziale Verwaltung) hat der beschwerdeführenden Partei zu Hd. des Beschwerdevertreters Aufwendungen in der Höhe von S 6.950,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Zur Vorgeschichte dieses Beschwerdefalles wird auf die Sachverhaltsdarstellung im hg. Erkenntnis vom 15. Oktober 1984, Zl. 84/08/0153, verwiesen. Darnach hat der Verwaltungsgerichtshof einen von der beschwerdeführenden Partei dieses Verfahrens angefochtenen Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 6. Juni 1984, Zl. SV-990/16-1984, betreffend Beitragsnachverrechnung und Beitragszuschlag nach dem ASVG, aufgehoben. Unberührt von dieser Aufhebung blieb ein "Ergänzungsbescheid" des Landeshauptmannes vom 3. September 1984. Zn den Entscheidungsgründen wurde dargelegt, aus welchen Gründen es sich hiebei um keinen Berichtigungsbescheid handelte; ferner wurde zum Ergänzungsbescheid, der freilich nicht Gegenstand des damaligen Verfahrens war, bemerkt, daß er als unselbständiger Annex das rechtliche Schicksal des Einspruchsbescheides selbst teile, weil er erkennbar nur als unselbständiger Bescheid gewollt gewesen sei.

1.2. Auch hinsichtlich des Inhaltes von Spruch und Begründung des ergänzenden Bescheides des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 3. September 1984 wird auf Punkt 1.4. der Sachverhaltsdarstellung im hg. Erkenntnis vom 15. Oktober 1984, Zl. 84/08/0153, verwiesen.

1.3. Dieser Ergänzungsbescheid wurde von der beschwerdeführenden Partei mit Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof, zur Post gegeben am 15. Oktober 1984, bekämpft.

Mit Beschluß vom 21. Februar 1985, B 785/84, hat der Verfassungsgerichtshof die Behandlung dieser Beschwerde abgelehnt und die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. Dieser Beschluß samt der abgetretenen Beschwerde ist am 12. April 1985 beim Verwaltungsgerichtshof eingelangt.

1.4. In einer über Aufforderung durch den Verwaltungsgerichtshof erstatteten Äußerung vom 4. Juni 1985 erklärte die beschwerdeführende Partei, daß im gegenständlichen Verfahren durch das hg. Erkenntnis vom 15. Oktober 1984, Zl. 84/08/0153, Klaglosstellung eingetreten sei, da der in Beschwerde gezogene "Ergänzungsbescheid" als unselbständiger Annex das rechtliche Schicksal des Einspruchsbescheides, der dem genannten Erkenntnis aufgehoben worden sei, geteilt habe.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich bereits in seinem Erkenntnis vom 10. Oktober 1984, Zl. 84/08/0153, mit dem rechtlichen Verhältnis des Bescheides des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 6. Juni 1984 zum hier angefochtenen "Ergänzungsbescheid" vom 3. September 1984 auseinandergesetzt. Was den angefochtenen Ergänzungsbescheid - der nicht Gegenstand des damaligen Beschwerdeverfahrens war - anlangte, hat der Gerichtshof bemerkt, daß dieser Bescheid als inhaltlich unselbständiger Annex das Schicksal des Hauptbescheides vom 6. Juni 1984 teile.

Der Verwaltungsgerichtshof legt diese Rechtsauffassung der Entscheidung im vorliegenden Beschwerdeverfahren zugrunde.

Dies hat zur Folge, daß der angefochtene "Ergänzungsbescheid" vom 3. September 1984 mit Zustellung des hg. Erkenntnisses vom 15. Oktober 1984 am 29. November 1984 seine normative Existenz verloren hat.

Bemerkt wird, daß der an die Stelle der beiden genannten Bescheide getretene Ersatzbescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 5. Februar 1985 Gegenstand des hg. Beschwerdeverfahrens zur Zl. 85/08/0042 ist.

2.2. Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 16. November 1979, Zl. 2756/77, Slg. N. F. Nr. 9970/A = ZfVB 1980/5/1688, ausgesprochen hat, ist aus dem Gebrauch der Worte "die Beschwerde" sowohl im Art. 144 Abs. 2 (nunmehr: Abs 3) B-VG als auch in § 87 Abs. 3 VfGG abzuleiten, daß es sich in den Fällen einer abgetretenen Beschwerde um die Einbringung einer Beschwerde handle, welche sukzessive zuerst vom Verfassungsgerichtshof und dann vom Verwaltungsgerichtshof zu behandeln sei; die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes zur Behandlung der Beschwerde werde durch den im Zuge des verfassungsgerichtlichen Verfahrens beantragten Abtretungsbeschluß des Verfassungsgerichtshofes begründet. Aus dieser Verzahnung des prozessualen Geschehens hat der Verwaltungsgerichtshof in der genannten Entscheidung gefolgert, daß ein Abtretungsantrag durch den Beschluß des zuständigen Gemeindeorganes über die Beschwerdeführung vor dem Verfassungsgerichtshof gedeckt sei, ohne daß es einer gesonderten Beschlußfassung über die Stellung des Abtretungsantrages bedürfte. Dieser Lösung liegt die weitere Rechtsauffassung zugrunde, daß es hinsichtlich der Rechtzeitigkeit der Willensbildung über die Beschwerdeführung auf den Zeitpunkt der Beschwerdeeinbringung vor dem Verfassungsgerichtshof ankommt.

Der Verfassungsgerichtshof ist in seinem jüngst ergangenen Erkenntnis vom 27. Februar 1985, G 53, 57/83, G 75, 116/84, noch darüber hinausgegangen, indem er - was die Rechtzeitigkeit der Beschwerde anlangt - nicht nur auf den Zeitpunkt der Einbringung der Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof abstellt, sondern diesbezüglich auch eine selbständige Prüfungsbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes bezüglich dieser Prozeßvoraussetzung der abgetretenen Beschwerde verneint. Wegen der verfassungsrechtlich vorgegebenen und prozeßtechnisch vom einfachen Gesetzgeber aktualisierten Verzahnung der beiden auf einem einzigen Schriftsatz beruhenden Rechtsbehelfe entfalte der Ausspruch des Verfassungsgerichtshofes auf Beschwerdeabtretung an den Verwaltungsgerichtshof für diesen Bindung im Bereich der genannten, zeitlich und sachlich in das verfassungsgerichtliche Beschwerdeverfahren eingebetteten Prozeßvoraussetzung. Es komme nicht etwa auf die Rechtzeitigkeit der beim Verfassungsgerichtshof eingebrachten Beschwerde, auf eine von ihm getroffene Entscheidung über einen wegen Versäumung der Beschwerdefrist erhobenen Wiedereinsetzungsantrag, auf die Rechtzeitigkeit des nach der (abweisenden) Sachentscheidung durch den Verfassungsgerichtshof eingebrachten Antrages auf Beschwerdeabtretung an den Verwaltungsgerichtshof und ähnliche Umstände an, sondern ausschließlich darauf, daß der Verfassungsgerichtshof die Beschwerdeabtretung an den Verwaltungsgerichtshof tatsächlich ausspreche.

2.3. Es kann für die hier in Rede stehende Prozeßvoraussetzung des Vorliegens eines tauglichen Beschwerdegegenstandes dahingestellt bleiben, ob die These des Verfassungsgerichtshofes über die Bindung des Verwaltungsgerichtshofes an den verfassungsgerichtlichen Beschluß auf Beschwerdeabtretung, was die Rechtzeitigkeit der Beschwerde anlangt, zutrifft oder ob nicht auch diese Prozeßvoraussetzung vom Verwaltungsgerichtshof selbständig zu prüfen ist. Die Beurteilung der Tauglichkeit des Beschwerdegegenstandes durch den Verfassungsgerichtshof jedenfalls steht mit dieser besonderen, vom Verfassungsgerichtshof herausgestellten, verfahrensrechtlichen Situation in keinem Zusammenhang. Weder dem Ablehnungsbeschluß (wo es ja begrifflich zu einer solchen Qualifikation durch den Verfassungsgerichtshof gar nicht gekommen ist) noch dem Abtretungsbeschluß des Verfassungsgerichtshofes kann eine für den Verwaltungsgerichtshof bindende Wirkung hinsichtlich der Qualifikation des Beschwerdegegenstandes beigemessen werden.

Was freilich den der Beurteilung durch den Verwaltungsgerichtshof zugrundezulegenden Zeitpunkt anlangt, so ist der Verwaltungsgerichtshof - dem oben wiedergegebenen Gedanken des zitierten Erkenntnisses Slg. N. F. Nr. 9970/A/1979 folgend, daß es sich in den Fällen einer Sukzessivbeschwerde "und die Einbringung einer Beschwerde handelt" - der Auffassung, daß es auf den Einbringungszeitpunkt beim Verfassungsgerichtshof und nicht auf jenen des Einlangens der abgetretenen Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof ankommt.

2.4. Da im Zeitpunkt der Beschwerdeeinbringung vor dem Verwaltungsgerichtshof der angefochtene Bescheid dem Rechtsbestand angehörte, in der Folge jedoch durch die Wirkung des hg. Erkenntnissen vom 10. Oktober 1984, Zl. 84/08/0153, mit 29. November 1984 seine normative Existenz verloren hat, ist Klaglosstellung erfolgt, die ungeachtet ihres Eintretens noch vor der Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof von diesem wahrzunehmen war.

Die Beschwerde war infolgedessen gemäß § 33 Abs. 1 VwGG als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen.

2.5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 und 56 VwGG in Verbindung mit Art. I Z. 3 und Art. III Abs. 2 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985. Im Hinblick auf das Kostenbegehren in der Äußerung der beschwerdeführenden Partei vom 4. Juni 1985 konnte - ungeachtet des Umstandes, daß die schon vor einer allfälligen Verfügung nach § 36 Abs. 1 VwGG erfolgte Klaglosstellung dem § 56 erster Satz VwGG zu unterstellen wäre - nur der begehrte um ein Viertel niedrigere Pauschbetrag im Sinne des § 56 zweiter Satz VwGG, jedoch betragsmäßig aufgewertet gemäß Art. III Abs. 2 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985 zugesprochen werden.

Wien, am 27. Juni 1985

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