VwGH 84/04/0212

VwGH84/04/021211.6.1985

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Baumgartner, Dr. Griesmacher, Dr. Weiss und DDr. Jakusch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Berger, über die Beschwerde des WT in W, vertreten durch Dr. Wolfgang Broesigke, Rechtsanwalt in Wien VI, Gumpendorfer Straße 14/22, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 12. September 1984, Zl. MA 63-T 222/84, betreffend Feststellung und Untersagung einer Gewerbeausübung gemäß § 340 Abs. 7 GewO 1973, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §68 Abs1;
GewO 1973 §340 Abs1;
GewO 1973 §340 Abs7;
AVG §68 Abs1;
GewO 1973 §340 Abs1;
GewO 1973 §340 Abs7;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 6./7. Bezirk, vom 25. Juni 1984 wurde gemäß § 340 Abs. 7 GewO 1973 festgestellt, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Ausübung des am 27. März 1984 vom Beschwerdeführer angemeldeten Gewerbes "Instandsetzung von Schuhen (§ 103 Abs. 1 lit. c Z. 9 GewO 1973)" im Standort W, X-straße 30, nicht vorliegen und die Ausübung des Gewerbes untersagt.

Einer dagegen erhobenen Berufung des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 12. September 1984 gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 keine Folge gegeben und der erstbehördliche Bescheid bestätigt. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer sei von der Ausübung des Gewerbes "Instandsetzung von Schuhen" am 25. April 1983 rechtskräftig ausgeschlossen worden. Im bezughabenden Berufungsbescheid vom 25. März 1983 habe die Berufungsbehörde den Ausschluss (in Bestätigung des erstinstanzlichen Bescheides) damit begründet, dass der Beschwerdeführer zweifach wegen des Verbrechens des Betruges (mit Urteilen des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 15. Juli 1971 zu vier Monaten Kerker und vom 9. August 1975 zu acht Monaten Kerker) und darüber hinaus wegen der Übertretung des Diebstahles (mit Urteil des Strafbezirksgerichtes Wien vom 27. Februar 1968 zu 48 Stunden Arrest) verurteilt worden sei. Da eine weitere Verurteilung durch das Kreisgericht Korneuburg vom 25. Februar 1976 wegen Verbrechens des Raubes - unter Bedachtnahme auf ein ausländisches Urteil wegen Diebstahles und Ausweismissbrauches vom 2. Juli 1974 fünf Monate Freiheitsstrafe - zu sechs Jahren Freiheitsstrafe und zwei Verurteilungen durch den Jugendgerichtshof vom 19. Juli 1967 und vom 28. Juni 1971 wegen Verletzung der Unterhaltspflicht zu drei Wochen und drei Monaten strengem Arrest einen Mangel des Beschwerdeführers an sittlichen Hemmungen erkennen ließen, sei die Berufungsbehörde zur Auffassung gelangt, dass nach der Persönlichkeit des Beschwerdeführers zu befürchten sei, er würde erneut anderen Personen Schaden am Eigentum zufügen, wozu das angestrebte Gewerbe, etwa bei Abschluss von Geschäften mit anderen Unternehmern oder Übernahme von Schuhen von Kunden, Gelegenheit biete. Diese Befürchtungen habe auch der Umstand nicht zu zerstreuen vermocht, dass die letzte strafbare Handlung bereits neun Jahre zurückgelegen sei, zumal seit der Entlassung des Beschwerdeführers aus der Strafhaft erst zwei Jahre verstrichen seien. Die Entlassung des Beschwerdeführers sei nach seinen persönlichen Angaben im vorangegangenen Verfahren am 5. Jänner 1981 erfolgt. Dieses Vorbringen stimme mit der Strafregisterauskunft im Vorverfahren überein. Möge auch seit Rechtskraft des vorangegangenen Ausschließungsbescheides (in der Fassung des Berufungsbescheides vom 25. März 1983) ein Zeitraum von etwa eineinhalb Jahren vergangen sein, so befindet sich der Beschwerdeführer erst rund drei Jahre und neun Monate in Freiheit, ohne neuerlich straffällig geworden zu sein. Angesichts der mehrfachen Verurteilungen des Beschwerdeführers, der Schwere der Verfehlungen und des Umstandes, dass die zur Beurteilung der Persönlichkeit maßgeblichen Straftaten mit einem Gesamtausmaß von mehr als sieben Jahren Freiheitsstrafe belegt worden seien, könne nach einem Verstreichen von nicht ganz vier Jahren noch nicht auf einen nachhaltigen Sinneswandel des Beschwerdeführers geschlossen werden. Schließlich hätten sich die gegen fremdes Eigentum und Vermögen gerichteten Angriffe auf einen Zeitraum von mehr als sechs Jahren erstreckt. Laut den im Akt befindlichen Urteilsprüchen sei der Diebstahl zwischen 1. und 24. Dezember 1967, die Betrugshandlungen am 15. März 1968, im April, Juni sowie am 17. Juli 1970, ferner am 26. August 1971 und der Raub am 28. Dezember 1973 verübt worden. Hinsichtlich der ausländischen Verurteilungen sei der Berufungsbehörde die Tatzeit nicht bekannt. Dass seit Rechtskraft des vorangegangenen Ausschließungsbescheides eineinhalb Jahre verstrichen seien, stelle demnach keine Änderung des maßgebenden Sachverhaltes in einem entscheidungswidrigen Punkt dar, sodass dieser Ausschließungsbescheid weiterhin bindend sei. Da nach § 85 Z. 8 GewO 1973 die Gewerbeberechtigung des Beschwerdeführers "Instandsetzen von Schuhen" mit dem Ausschluss von der Gewerbeausübung geendet habe und die bindende Wirkung des Ausschließungsbescheides dem neuerlichen Erwerb einer solchen Gewerbeberechtigung entgegenstehe, habe die Erstinstanz zu Recht festgestellt, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Ausübung des angemeldeten Gewerbes nicht vorlägen und habe deshalb auch die Gewerbeausübung zu Recht untersagt. Auf die vom Beschwerdeführer angeregte Aufhebung des Ausschließungsbescheides gemäß § 68 Abs. 2 AVG 1950 stehe nach § 68 Abs. 7 AVG 1950 niemandem ein Anspruch zu; die Berufungsbehörde habe sich deshalb nicht veranlasst gesehen, auf diese Anregung einzugehen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, der Beschwerde keine Folge zu geben.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Seinem gesamten Vorbringen zufolge erachtet sich der Beschwerdeführer in dem Recht auf Nichtergehen des angefochtenen Feststellungs- und Untersagungsbescheides in Ansehung seiner Gewerbeanmeldung als verletzt. Er bringt hiezu unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit bzw. einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vor, es sei nicht richtig, wenn der angefochtene Bescheid vermeine, dass der seinerzeit erfolgte Ausschluss von der Ausübung des gegenständlichen Gewerbes Rechtskraftwirkung für das neuerliche Anmeldungsverfahren habe. Es erstrecke sich vielmehr die Rechtskraft des seinerzeitigen Ausschlusses lediglich auf die am 1. Februar 1982 erfolgte frühere Anmeldung und nicht auf weitere. Überdies habe dieser Bescheid als entscheidende Begründung für den Ausschluss vom angemeldeten Gewerbe die Befürchtung ins Treffen geführt, dass der Beschwerdeführer weitere Straftaten begehen könnte. Es werde dort erwähnt, dass nach der verhältnismäßig kurzen Zeit von zwei Jahren noch nicht mit Sicherheit auf einen nachteiligen Sinneswandel des Beschwerdeführers geschlossen werden könne. Nunmehr sei jedoch neuerlich Zeit vergangen und es seien seit Beendigung der Straftat nahezu vier Jahre verstrichen. Er sei weder straffällig geworden noch habe es einen Anstand bei der Ausübung seines Gewerbes gegeben. Es sei somit die damalige Befürchtung nicht aufrechtzuerhalten und es hätten sich daher wesentliche Sachverhaltsmerkmale der seinerzeitigen Entscheidung geändert, sodass auch eine allfällige Rechtskraftwirkung einer anderen Entscheidung nicht mehr im Wege stehe. Im übrigen sei der Gewerbeausschluss schon damals nicht gerechtfertigt gewesen und käme auf ein völliges Berufsverbot eines straffällig gewordenen Menschen hinaus. Des weiteren sei die rechtliche Beurteilung des angefochtenen Bescheides auch im Hinblick darauf nicht zutreffend, da ein allenfalls von der Behörde zu verfügender Ausschluss von der Gewerbeausübung einen Endigungsgrund gemäß § 85 Z. 8 GewO 1973 darstelle und das Vorliegen von Gewerbeausschließungsgründen nicht gemäß § 340 Abs. 7 leg. cit. festzustellen, sondern der Ausschluss gemäß § 13 leg. cit. zu verfügen sei. Dies deshalb, da die Umstände gemäß § 13 nicht unmittelbar von Gesetzes wegen wirksam seien, sondern erst auf Grund eines konstitutiven behördlichen Ausschlusses. Es sei daher auch die dem § 340 GewO 1973 zu Grunde liegende Prüfung der gesetzlichen Voraussetzungen nicht auf diesen Fall anzuwenden und die nunmehrige bescheidmäßige Feststellung daher jedenfalls rechtlich verfehlt.

Nach § 13 Abs. 1 GewO 1973 ist u. a. von der Ausübung des Gewerbes auszuschließen, wer (Z. 1) wegen einer vorsätzlichen, mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohten Handlung oder (Z. 2) wegen einer aus Gewinnsucht begangenen oder gegen die öffentliche Sittlichkeit verstoßenden sonstigen strafbaren Handlung von einem Gericht verurteilt worden ist, wenn die Verurteilung noch nicht getilgt ist und nach der Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Persönlichkeit des Verurteilten die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes zu befürchten ist.

Gestützt auf diese Bestimmungen hatte die belangte Behörde mit in Rechtskraft erwachsenem Berufungsbescheid vom 25. März 1983 den Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 1 GewO 1973 von der Ausübung des am 1. Februar 1982 angemeldeten Gewerbes "Instandsetzung von Schuhen (§ 103 Abs. 1 lit. c Z. 9 GewO 1973)" unter sachverhaltsmäßiger Bedachtnahme auf die auch im nunmehr angefochtenen Bescheid angeführten Verurteilungen ausgeschlossen.

Einer neuen Sachentscheidung steht die Rechtskraft eines früher in der gleichen Angelegenheit ergangenen Bescheides gemäß § 68 Abs. 1 AVG 1950 nur dann nicht entgegen, wenn in den für die Entscheidung maßgebenden Umständen eine Änderung eingetreten ist (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 8. November 1955, Slg. N. F. Nr. 3874/A). In diesem Zusammenhang ist der Begriff "Identität der Sache" in erster Linie aus einer rechtlichen Betrachtungsweise heraus zu beurteilen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 26. Februar 1974, Zl. 500/72). Weiters besteht der der materiellen Rechtskraft fähige Abspruch eines Bescheides nicht nur aus dem Spruch des Bescheides allein, sondern aus dem Spruch in Verbindung mit der Begründung, insoweit sich aus ihr der von der Behörde angenommene maßgebende Sachverhalt, d. i. der als Anknüpfungspunkt für die rechtliche Beurteilung dienende Sachverhalt, ergibt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. März 1980, Slg. N. F. Nr. 10.074/A).

Zufolge dieser Rechtslage hatte daher die belangte Behörde entgegen der Meinung des Beschwerdeführers dessen mit dem vorangeführten Bescheid vom 25. April 1983 rechtskräftig ausgesprochenen Gewerbeausschluss aus Gründen des § 13 Abs. 1 GewO 1973 in ihre Erwägungen einzubeziehen. Ausgehend davon kann aber der belangten Behörde unter Bedachtnahme auf den Inhalt dieser Bestimmung keine Rechtswidrigkeit angelastet werden, wenn sie bei der dargestellten Sachlage zu dem Schluss kam, dass allein der vom 25. April 1983 bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides verstrichene Zeitraum nicht als maßgebliche Sachverhaltsänderung angesehen werden konnte, die zu einer Aufhebung der Bindung an den vorangeführten Ausschließungsbescheid geführt hätte. Dies hat aber weiters zur Folge, dass die belangte Behörde im besonderen Fall der ihr im Falle einer Gewerbeanmeldung nach § 340 Abs. 1 GewO 1973 obliegenden Prüfung, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Ausübung des angemeldeten Gewerbes durch den Anmelder vorliegen, davon auszugehen hatte, dass der mit dem vor angeführten Bescheid vom 25. April 1983 - konstitutiv - ausgesprochene Gewerbeausschluss nunmehr der neuerlichen Gewerbeanmeldung des Beschwerdeführers schon im Zeitpunkt der Anmeldung entgegenstand, was aber den auf § 340 Abs. 7 GewO 1973 gestützten Ausspruch des angefochtenen Bescheides als nicht rechtswidrig erscheinen lässt.

Da sohin der belangten Behörde weder eine rechtswidrige Anwendung des Gesetzes angelastet werden kann noch ihr auch ein Verfahrensmangel unterlaufen ist, erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981.

Wien, am 11. Juni 1985

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