VwGH 84/03/0394

VwGH84/03/039430.1.1985

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leibrecht und die Hofräte Dr. Baumgartner und' Dr. Leukauf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hinterwirth, über die Beschwerde des MM in I, vertreten durch Dr. Hanns Forcher-Mayr, Rechtsanwalt in Innsbruck, Anichstraße 6, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 3. Oktober 1984, Zl. IIb2-M-4/1049-84, betreffend Ansuchen um Nachsicht oder Minderung der wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung verhängten Strafen, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §13a;
VStG §51 Abs4;
VwGG §41 Abs1;
AVG §13a;
VStG §51 Abs4;
VwGG §41 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abgewiesen

Begründung

Das von der Bundespolizeidirektion Innsbruck am 29. Mai 1984 verwendete Formular Lager Nr. 49 enthält drei Rubriken. In der Rubrik I ist festgehalten, dass der Beschwerdeführer die Richtigkeit der ihm vorgehaltenen Anzeige zugibt. In der mit Straferkenntnis überschriebenen Rubrik II wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, er habe am 23. April 1984 um

22.15 Uhr in Innsbruck, Ing. Etzelstraße, als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw's 1) die im Ortsgebiet zulässig Höchstgeschwindigkeit überschritten, 2) die Durchführung des Alkotestes verweigert. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach zu 1) § 20 Abs. 2 StVO und zu 2) § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO begangen. Gemäß zu 1) § 99 Abs. 3 lit. a StVO und zu 2) § 99 Abs. 1 lit.b StVO wurden gegen den Beschwerdeführer Geldstrafen in der Höhe von zu 1) S 500,-- (Ersatzarreststrafe 25 Stunden) und zu 2) S 12.000,-- (Ersatzarreststrafe 15 Tage) verhängt. Ferner wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 64 Abs. 2 VStG ein Verfahrenskostenbeitrag von S 1.250,-- auferlegt. Im Anschluss an die Rechtsmittelbelehrung findet sich die Rubrik III dieses Formulars mit der Überschrift "Niederschrift". In dieser vom Beschwerdeführer unterfertigten Niederschrift erklärte der Beschwerdeführer, dass er das unter Rubrik I festgehaltene Geständnis bestätigt und dass ihm das Straferkenntnis samt der Rechtsmittelbelehrung verkündet wurde. Der Beschwerdeführer erklärte ferner, dass er binnen 14 Tagen um Strafmilderung ansuchen werde.

Innerhalb der Berufungsfrist brachte der Beschwerdeführer ein Ansuchen um Nachsicht oder wenigstens Milderung der mit dem Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Innsbruck vom 29. Mai 1984 verhängten Geldstrafen gemäß § 51 Abs. 4 VStG 1950 und des Verfahrenskostenbeitrages gemäß § 66 VStG 1950 ein. Zur Begründung des Antrages brachte der Beschwerdeführer vor, er habe den Alkotest verweigert, weil er tatsächlich überhaupt keinen Alkohol zu sich genommen gehabt habe, ja grundsätzlich nie Alkohol trinke, weil er an einer chronischen Nieren-Blasenerkrankung leide. Er habe am Tattage starke Kopfschmerzen gehabt, die zur Tatzeit nach einem vollen Arbeitstag ihn nervlich sehr belasteten. Zwar sei er in der Lage gewesen, seinen Personenkraftwagen ordnungsgemäß zu lenken, doch sei er der von den beiden Polizeibeamten in völlig überflüssiger verbaler Heftigkeit geführten Amtshandlung nervlich nicht gewachsen gewesen, sodass er - auch im Hinblick auf ständige behördliche Kontrollen in finanzamtlicher, gewerberechtlicher usw. Beziehung - sich vielleicht auch zu jener gereizten, in der Anzeige angegebenen Äußerung hinreißen habe lassen, ohne dass aber der Inhalt dieser Äußerung den Tatsachen entspreche. Diese Umstände zusammen mit seinem infolge schlechten Geschäftsganges geringfügigen monatlichen Einkommen - laut der von ihm vorzulegenden Bilanz verblieben ihm für die Bestreitung seines Lebensunterhaltes monatlich S 5.500,-- - begründeten ein "Überwiegen rücksichtswürdiger Umstände", sodass die Nachsicht oder wenigstens erhebliche Milderung der ihm auferlegten Geldstrafen und des Verfahrenskostenbeitrages im Sinne der zitierten Gesetzesbestimmungen gerechtfertigt sei.

Mit Bescheid vom 3. Oktober 1984 wies die Tiroler Landesregierung das Ansuchen des Beschwerdeführers gemäß § 51 Abs. 4 VStG 1950 als unbegründet ab. Zur Begründung des Bescheides wurde ausgeführt, die gnadenweise Nachsicht oder Milderung einer Strafe sei nur bei Überwiegen rücksichtswürdiger Umstände zulässig. Die erstinstanzliche Entscheidung sei hinsichtlich des Schuldspruches unangefochten geblieben. Es sei jedoch auch darauf verzichtet worden, die Strafbemessung mittels Einspruch bzw. Berufung gegen die Strafhöhe anzufechten. Die Behörde habe daher lediglich zu prüfen gehabt, inwieweit das Vorliegen überwiegend rücksichtswürdiger Gründe im Sinne des § 51 Abs.4 VStG 1950 eine Strafmilderung oder gänzliche Strafnachsicht rechtfertige. Die im Ansuchen vorgebrachten Gründe reichten jedoch für eine Anwendung des Gnadenrechtes nicht aus. Da im übrigen eine unrichtige Handhabung der Strafbemessungsgrundsätze durch die Erstbehörde nicht hervorgekommen sei, sei wie eingangs zu entscheiden gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Der Beschwerde ist außer einer Ausfertigung des angefochtenen Bescheides auch eine Fotokopie des eingangs erwähnten Formulares Lager Nr. 49 der Bundespolizeidirektion Innsbruck sowie der Anzeige der Bundespolizeidirektion Innsbruck, Wachzimmer Hötting, vom 24. April 1984 angeschlossen, in der es heißt, dass der Beschwerdeführer den Alkotest mit folgender Begründung verweigert habe: "Ihr habts mich sowieso erwischt und ich habe auch zu viel getrunken. Nehmts mir ruhig den Führerschein. Ich bin auch zu schnell gefahren." Auf der Anzeige ist der handschriftliche Vermerk "1 x (82) § 5/1, 24/1 a 9020" angebracht.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten auf inhaltlich und verfahrensmäßig rechtsrichtige Erledigung seines Ansuchens als verletzt. In Ausführung des so bezeichneten Beschwerdepunktes trägt der Beschwerdeführer zur inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides vor, er habe die Erklärung, dass er binnen 14 Tagen um Strafmilderung ansuchen werde, ausschließlich auf das Anraten des Verhandlungsleiters unterschrieben, der ihm ausdrücklich auch eine positive Erledigung seines Ansuchens in Aussicht gestellt habe. "Ohne diese Motivation des Verhandlungsleiters" hätte er als Rechtsunkundiger, der allein der Strafbehörde gegenübergestanden sei, die exorbitanten Straf- und Verhandlungskostenbeiträge niemals berufungslos hingenommen, geschweige denn, dass er sich - entgegen der in seinem Nachsichts- bzw. Milderungsansuchen wiedergegebenen Tatsachenlage - im Sinne der Anzeige schuldig bekannt hätte. Im Vertrauen auf die Belehrung des Verhandlungsleiters habe er gehofft, auf dem von ihm angegebenen Weg am raschesten wieder Ruhe zu finden. Im Hinblick auf die "Motivation" seines Ansuchens durch den Verhandlungsleiter werde aber wohl auch angesichts des § 13 a AVG 1950 in der gegenwärtigen Fassung sein Vertrauen auf die Anleitung insofern als rechtlich geschützt angesehen werden müssen, als ihm auch insofern ein rechtlicher Anspruch auf meritorische Erledigung seines Ansuchens erwachsen sei und die zur Entscheidung über dieses Ansuchen berufene belangte Behörde ihm nicht das zum Nachteil anrechnen hätte dürfen, was er, dem Verhandlungsleiter vertrauend, an Verfahrensschritten unterlassen habe möge. Denn durch § 13 a AVG 1950 sei eine umfassende Manuduktionspflicht der Verwaltungsbehörde gegenüber den Verfahrensparteien eingeführt worden, auf die der Verfahrenspartei ein subjektiver Rechtsanspruch zustehe. Unter diesem Gesichtswinkel verstoße der angefochtene Bescheid insofern gegen den mit der Handhabung des § 13 a AVG 1950 untrennbar verbundenen Grundsatz von Treu und Glauben, wenn die belangte Behörde gegen sein Nachsichts- bzw. Milderungsansuchen ins Treffen führt, er hätte weder den erstinstanzlichen Schuldspruch noch die Strafbemessung angefochten.

Der Beschwerdeführer verkennt die Rechtslage, wenn er meint, aus dem ihm nach § 13 a AVG 1950 zustehenden Recht auf die zur Vornahme von Verfahrenshandlungen nötigen Anleitungen im Falle einer solchen Anleitung einen Rechtsanspruch auf eine Entscheidung bestimmten Inhaltes ableiten zu können. Die Belehrungspflicht der Behörde nach § 13 a AVG 1950 ist auf verfahrensrechtliche Angelegenheiten eingeschränkt und bezieht sich nicht auf die Belehrung in der Sache selbst. (Vgl. dazu die Erläuterungen in 160 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates, XV. GP.) Im übrigen steht einer weiteren Auseinandersetzung mit diesem Beschwerdevorbringen, insbesondere ob und welche Anleitung vom Behördenorgan dem Beschwerdeführer gegeben wurde und welche rechtlichen Folgen sich allenfalls daraus für den Beschwerdeführer ergeben hätten, das Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG entgegen. Das vom Beschwerdeführer gemäß § 51 Abs. 4 VStG 1950 gestellte Ansuchen enthielt nämlich keinerlei Hinweise darauf, dass ihn zur Stellung bloß eines Ansuchens um Nachsicht oder zumindest Milderung der verhängten Geldstrafen nicht die im Ansuchen angeführten Gründe, sondern ausschließlich die Anleitung des Behördenorgans - wie er nun erstmals in der Beschwerde einwendet - bewogen habe. Gegenteiliges wird vom Beschwerdeführer auch in der vorliegenden Beschwerde nicht behauptet. Im Hinblick auf. den Inhalt des Antrages bestand für die belangte Behörde auch gar kein Anlass zu diesbezüglichen Ermittlungen. Nun sind aber gemäß § 41 VwGG auch Rechtsausführungen, insofern sie die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides unter Einbeziehung von Sachverhaltselementen dartun wollen, die in das abgeführte Verfahren nicht einbezogen wurden, im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtlich. (Vgl. u.a. Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. Jänner 1953, Zl. 2163/51, Slg. Nr. 2805/A, und vom 21. Dezember 1970, Zl. 181/70, Slg. Nr. 7937/A.)

Zur Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bringt der Beschwerdeführer vor, die belangte Behörde habe es unterlassen, sich mit den in seinem "Nachsichts- bzw, Milderungsgesuch" enthaltenen Ausführungen auseinander zu setzen. Sie habe es bei der inhaltslosen Floskel bewenden lassen, dass die im Ansuchen vorgebrachten Gründe für eine Anwendung des Gnadenrechtes nicht ausreichten. Warum dies der Fall sei, habe sie nicht gesagt. Insofern verstoße der angefochtene Bescheid gegen die Bestimmung des § 58 Abs. 2 AVG 1950.

Aus diesem Vorbringen bleibt es verwehrt, der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen. Die belangte Behörde hat sich zwar in der Begründung ihres Bescheides bloß mit dem Hinweis begnügt, dass die im Ansuchen vorgebrachten Gründe für eine Ausübung des Gnadenrechtes nicht ausreichten, ohne die für diese Annahme maßgebenden Erwägungen dazulegen. Die Begründung des angefochtenen Bescheides ist insoweit - hierin ist dem Beschwerdeführer beizupflichten - mangelhaft. Begründungsmängel führen aber nur dann zu einer Aufhebung des angefochtenen Bescheides, wenn sie wesentlich sind. Dies trifft im Beschwerdefall allerdings aus folgenden Gründen nicht zu:

Den vom Beschwerdeführer der Beschwerde angeschlossenen Beilagen ist - wie sich aus dem Vorstehenden ergibt - zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer bereits im Jahre 1982 wegen einer Übertretung des § 5 Abs. 1 StVO rechtskräftig bestraft wurde, und zwar mit einer Geldstrafe von S 8.000,-weil er - wie im kurzen Wege bei der Bundespolizeidirektion Innsbruck erhoben wurde - am 15. August 1982 ein Kraftfahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt hat. Dies hinderte den Beschwerdeführer nicht, im April 1984 neuerlich in dieser Richtung straffällig zu werden, nämlich als Lenker eines Kraftfahrzeuges die von ihm verlangte Durchführung des Alkotests zu verweigern, weshalb er von der Bundespolizeidirektion Innsbruck mit Straferkenntnis vom 29. Mai 1984 wegen der Übertretung des § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO zu einer Geldstrafe von S 12.000,-- verurteilt wurde. Die zweimalige Bestrafung wegen eines Alkoholdeliktes im Sinne der angeführten Bestimmungen innerhalb eines Zeitraumes von nicht einmal zwei Jahren ist so schwer wiegend, dass dadurch die vom Beschwerdeführer als rücksichtswürdig, geltend gemachten Umstände aufgewogen werden, weshalb selbst unter Bedachtnahme auf das vom Beschwerdeführer in seinem Ansuchen um Nachsicht oder wenigstens Milderung der verhängten Geldstrafen behauptete geringe monatliche Einkommen von einem Überwiegen rücksichtswürdiger Umstände nicht gesprochen werden kann. Die belangte Behörde hätte daher selbst dann, wenn ihr der vorstehend aufgezeigte Begründungsmangel nicht unterlaufen wäre, zu keinem anderen Bescheid kommen können.

Da sohin schon der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Bei diesem Ergebnis hatte eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, zu entfallen.

Wien, am 30. Jänner 1985

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