VwGH 84/15/0055

VwGH84/15/005513.12.1984

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Seiler, Dr. Großmann, Dr. Schubert und Dr. Wetzel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Schöller, über die Beschwerde der EH in S, vertreten durch Dr. Klaus Reisch, Rechtsanwalt in Kitzbühel, Franz Reisch-Straße 11 a, gegen den Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Linz von 2. Februar 1984, Zl. Jv 615-33.4/84, betreffend Nachlaß von Gerichtsgebühren, zu Recht erkannt:

Normen

GEG §9 Abs2;
GEG §9 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 9.350,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführerin wurde vom Bezirksgericht Zell/See mit Zahlungsauftrag vom 21. Dezember 1983 ein Betrag von S 19.852,-- zur Zahlung vorgeschrieben. Diese Gebühren resultieren aus einem Unterhaltsprozeß, den die Beschwerdeführerin gegen ihren geschiedenen Ehegatten geführt hat. Dieses Verfahren endete mit Vergleich vom 17. Mai 1983. In diesem Vergleich verpflichtete sich der geschiedene Ehemann der Beschwerdeführerin, ihr einen Betrag von S 120.000,--, einen Prozeßkostenbeitrag von S 45.000,-- und ab 1. Juni 1983 einen monatlichen Unterhaltsbetrag von S 7.000,-- zu bezahlen. In diesem Verfahren genoß die Beschwerdeführerin Verfahrenshilfe. Mit Beschluß vom 25. Oktober 1983 verfügte das Bezirksgericht Zell/See gemäß § 71 ZPO die Nachzahlung der aufgelaufenen Gerichtsgebühren in dem oben angeführten Ausmaß im Hinblick auf den abgeschlossenen Vergleich. Dem dagegen von der Beschwerdeführerin erhobenen Rekurs wurde keine Folge gegeben.

In dem von der Beschwerdeführerin an den Präsidenten des Oberlandesgerichtes Linz erhobenen Nachlaßansuchen gemäß § 9 Abs. 2 GEG wies die Beschwerdeführerin neben ihrer Einkommenslage auch darauf hin, daß sich ihr Gesundheitszustand in den letzten Jahren wesentlich verschlechtert habe, sodaß ihre Bedürfnisse hinsichtlich "der Anschaffung von kostspieligen Heilmitteln und der Unterziehung von Heilbehandlungen und Kuren" beträchtlich gestiegen seien. Im übrigen habe sie vor der vergleichsweisen Unterhaltserhöhung im Juni 1983 laufend finanzielle Unterstützung durch ihren Sohn erhalten und müsse nunmehr aus den Rückstandszahlungen die Unterstützungsbeiträge zurückzahlen. Sie sei daher keinesfalls in der Lage, den ihr zur Zahlung auferlegten Gerichtsgebührenbetrag ohne Beeinträchtigung ihres notwendigen Unterhaltes zu leisten. Auf Ersuchen der belangten Behörde nahm das Gemeindeamt Saalfelden mit der Beschwerdeführerin ihre Angaben zu dem von ihr begehrten Gebührennachlaß in einer Niederschrift auf. Hiebei gab die Beschwerdeführerin noch ergänzend an, daß sie einen Hälftehausanteil an einem Einfamilienhaus besitze, dessen Einheitswert S 453.000,--beträgt, daß sie aber noch andere Zahlungsverpflichtungen habe. U. a. müsse sie an die Bausparkasse Wüstenrot monatlich S 2.000,-- Darlehnsrückzahlung leisten, für Grundsteuer, Stromkosten, Müllabfuhr, Wasserzins, Kanalbaukosten etc. müsse sie monatlich S 689,42 und für Versicherungen monatlich S 312,-- bezahlen. Weiters müsse sie auch noch die Kosten für Rundfunk, Fernsehrundfunk etc. sowie die Krankenversicherungsbeiträge und die Heizkosten von ihrem monatlichen Unterhaltsbetrag von S 7.000,-- begleichen.

Mit dem nunmehr mit Beschwerde angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Antrag der Beschwerdeführerin, die ihr mit Zahlungsauftrag vom 21. Dezember 1983 der Einbringungsstelle beim Oberlandesgericht Linz vorgeschriebenen Gebühren und Kosten von zusammen S 19.862,-- gemäß § 9 Abs. 2 GEG nachzulassen, nicht statt. Hingegen wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 9 Abs. 1 leg. cit. die Abstattung dieses Betrages in Teilbeträgen, und zwar eine Rate von S 882,-- und 38 Raten zu je S 500,--, fällig am Ersten eines jeden Monates, beginnend mit 1. März 1984, gegen jederzeitigen Widerruf bei Terminverlust unter Aufrechterhaltung bereits bestehender Pfandrechte bewilligt. In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des § 9 Abs. 2 GEG aus, eine besondere Härte sei in der Regel dann anzunehmen, wenn durch die Einbringung der notdürftige Unterhalt des Zahlungspflichtigen und der Personen, für die er nach dem Gesetz zu sorgen verpflichtet ist, gefährdet würde. Die Beschwerdeführerin sei Hälfteeigentümerin des Einfamilienhauses EZ. 232, KG. X, mit einem Einheitswert per 1. Jänner 1983 von S 453.000,-- und beziehe einen monatlichen Unterhalt von S 7.000,-- netto. Die ratenweise Abstattung sei daher zumutbar.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Die Rechtswidrigkeit des Inhaltes erblickt die Beschwerdeführerin darin, daß die belangte Behörde bei Beurteilung der Frage, ob die Einbringung der der Beschwerdeführerin vorgeschriebenen Gebühren mit besonderer Härte für sie verbunden wäre, nicht die Grundsätze für die Bewilligung der Verfahrenshilfe zugrunde gelegt habe. Die Beschwerdeführerin rügt ferner, daß die belangte Behörde auch nicht alle von ihr vorgebrachten Gründe, die für einen Nachlaß der vorgeschriebenen Gebühren sprechen würden, festgestellt habe. Bei vollständiger Überprüfung des erforderlichen Sachverhaltes und richtiger rechtlicher Beurteilung wäre nach Ansicht der Beschwerdeführerin hervorgekommen, daß die Einbringung der Gebühren, und zwar auch deren ratenweise Abstattung, mit besonderer Härte für sie verbunden wäre. Letztlich meint die Beschwerdeführerin, die belangte Behörde wäre nicht berechtigt gewesen, die ihr gemäß § 9 Abs. 1 GEG bewilligte Ratenzahlung unter Terminverlust zu stellen. Es handle sich dabei um eine wesentliche Beeinträchtigung der Rechte des Zahlungspflichtigen, der dadurch der jederzeitigen Willkür der Behörde ausgesetzt wäre. Mit der Verfahrensrüge wirft die Beschwerdeführerin der belangten Behörde vor, sie habe ein völlig unzulängliches Ermittlungsverfahren geführt und sei überdies nicht auf die von ihr im Antrag vorgebrachten Gründe eingegangen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde und die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 2 GEG 1962 können auf Antrag Gebühren und Kosten nachgelassen werden, wenn die Einbringung mit besonderer Härte für den Zahlungspflichtigen verbunden wäre oder wenn der Nachlaß im öffentlichen Interesse gelegen ist. In dem angefochtenen Bescheid ist das Vorliegen einer besonderen Härte allein mit dem Satz verneint worden "Die Zahlungspflichtige ist Hälfteeigentümerin des Einfamilienhauses EZ. 232, KG. X, mit einem Einheitswert per 1. Jänner 1983 von S 453.000,-- und bezieht einen monatlichen Unterhalt von S 7.000,-- netto. Die ratenweise Abstattung ist daher zumutbar."

Geht man von dieser Begründung des angefochtenen Bescheides aus, dann ist die von der Beschwerdeführerin erhobene Rechtsrüge schon deshalb nicht begründet, weil bei einer derartigen Vermögenslage, wie sie in diesem Bescheid festgestellt worden ist, der belangten Behörde nicht entgegengehalten werden kann, wenn sie daraus geschlossen hat, daß die Einbringung der vorgeschriebenen Gebühren nicht mit einer besonderen Härte im Sinne des § 9 Abs. 2 GEG 1962 verbunden sei. Die Frage, ob die Behörde im Nachlaßverfahren die Grundsätze für die Gewährung der Verfahrenshilfe anzuwenden hat oder nicht, kann auch nicht im Sinne der Beschwerdeausführungen beantwortet werden, zumal der unbestimmte Gesetzesbegriff "besondere Härte" sich keineswegs mit den Kriterien, die für die Gewährung der Verfahrenshilfe gelten, decken muß und überdies im vorliegenden Fall ein durch den Abschluß des Vergleiches geänderter Sachverhalt vorlag, der sogar dazu geführt hat, daß die Verfahrenshilfe gemäß § 71 ZPO widerrufen worden ist. Soweit die Beschwerdeführerin aber meint, es hätte die belangte Behörde in die Bewilligung der Entrichtung der Gebührenschuld in Teilbeträgen nicht einen Terminverlust aufnehmen dürfen, übersieht sie, daß § 9 Abs. 1 GEG dies sogar ausdrücklich anordnet. Der angefochtene Bescheid ist daher nicht mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.

Hingegen ist die Verfahrensrüge berechtigt. Wenngleich der belangten Behörde darin beizupflichten ist, daß die Gesetzesbestimmung des § 9 Abs. 2 GEG die Entscheidung darüber, ob und in welchem Ausmaß eine Gerichtsgebühr zu erlassen ist, in das Ermessen der Behörde stellt, verletzt ein über ein Nachlaßansuchen ergangener abweislicher Bescheid Verfahrensvorschriften, wenn Feststellungen über den entscheidungswesentlichen Sachverhalt unterlassen werden (siehe Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. September 1961, Zl. 1957/59, u.a.). Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin sowohl in ihrem Ansuchen um Nachlaß der Gebühren als auch im nachfolgenden Ermittlungsverfahren eine Reihe von Gründen dafür angeführt, daß die Einbringung der vorgeschriebenen Gebühren für sie eine besondere Härte darstellen würde. So hat die Beschwerdeführerin unter anderem ihren besonders schlechten Gesundheitszustand, der erhöhten Aufwand für Medikamente und Kuren erfordern würde, sowie besondere Belastungen aus dem ihr gehörigen Hausanteil ins Treffen geführt. Dessenungeachtet hat die belangte Behörde in ihrem Bescheid lediglich das monatliche Einkommen der Beschwerdeführerin und den Einheitswert der ihr gehörigen Liegenschaftshälfte festgestellt und zur Grundlage für ihre Entscheidung genommen, ohne irgendein Ermittlungsverfahren über das den Antrag begründende Vorbringen der Beschwerdeführerin durchzuführen oder wenigstens in der Begründung des angefochtenen Bescheides zu erwähnen, warum auf dieses Vorbringen bei der gegenständlichen Entscheidung keine Rücksicht genommen wurde. Es ist aber rechtswidrig, einen Nachlaßantrag bloß mit der Begründung abzuweisen, daß die ratenweise Abstattung zumutbar ist. Es müssen im Einzelfall Feststellungen getroffen werden, die es ermöglichen, die Entscheidung zu überprüfen, daß die Voraussetzungen für einen Nachlaß im Hinblick auf die Bestimmungen des § 9 Abs. 2 GEG nicht gegeben sind (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. November 1967, Zl. 780/67).

Da aber nicht ausgeschlossen werden kann, daß die belangte Behörde bei Vorliegen der von der Beschwerdeführerin für ihr Ansuchen vorgebrachten Gründe zu einem anderslautenden Bescheid hätte kommen können, haften dem angefochtenen Bescheid wesentliche Verfahrensfehler an, die zu seiner Aufhebung gemäß § 42 Abs. 2 lit. c Z. 2 und 3 VwGG 1965 führen mußten.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981.

Wien, am 13. Dezember 1984

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