Spruch:
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.060,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien (Verkehrsamt) vom 20. Dezember 1982 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 73 (vollständig: Abs. 1) KFG 1967 die Lenkerberechtigung für die Gruppe B entzogen. Gleichzeitig wurde gemäß § 73 Abs. 2 KFG 1967 verfügt, daß ihm "eine neue Lenkerberechtigung erst nach Ablauf von zwei Jahren, das ist vom Tage der Abgabe des Führerscheines gerechnet, erteilt werden darf". Ihm wurde ferner gemäß § 75 Abs. 4 KFG 1967 die unverzügliche Ablieferung seines Führerscheines aufgetragen. Einer allfälligen Berufung wurde die aufschiebende Wirkung gemäß § 64 Abs. 2 AVG 1950 aberkannt.
Innerhalb der Berufungsfrist gab der Beschwerdeführer zwei an die Behörde erster Instanz gerichtete, auf den genannten Bescheid Bezug nehmende Schreiben zur Post. Das erste Schreiben hat folgenden Wortlaut: "Teile höflichst mit, daß ich wie schon seinerzeit bei der Fahrzeugkontrolle festgestellt wurde, den Führerschein nicht vorweisen konnte, da ich diesen im Sommer anscheinend verloren habe. Da ich der Meinung war, wenn dieser gefunden wird, so werde ich von der Behörde in Kenntnis gesetzt, habe ich auch keine Verlustmeldung gemacht, da dies auch einerseits mit finanziellen Unkosten verbunden ist. Demnach teile ich dies der zuständigen Behörde mit, daß ich das Schreiben vom 24. 12. 82", gemeint ist offensichtlich der ihm am 24. Dezember 1982 zugestellte Bescheid vom 20. Dezember 1982, "zur Kenntnis genommen habe."
Das zweite Schreiben wurde ausdrücklich als Berufung bezeichnet. Darin wendet sich der Beschwerdeführer mit der Begründung gegen die Entziehung der Lenkerberechtigung, daß seine Verkehrsunzuverlässigkeit nicht erwiesen sei; er ersuche ferner um Nachsicht im Hinblick auf seine finanzielle Lage, da er ohne Lenkerberechtigung "in eine ungewisse Zukunft blicken" müsse.
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 4. Februar 1983 wurde der Berufung keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid dahingehend abgeändert, daß dem Beschwerdeführer "gemäß § 73 Abs. 2 KFG 1967 nach Ablauf von 15 Monaten eine neue Lenkerberechtigung erteilt werden darf, und zwar vom Tage der Abgabe des Führerscheines an gerechnet". Dieser - unangefochten gebliebene - Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am
18. oder 21. Februar 1983 zugestellt.
Am 11. März 1983 wurde dem Beschwerdeführer eine mit 4. März 1983 datierte "Androhung einer Zwangsstrafe" (Formular 56 zu 5 VVG der Verwaltungsformularverordnung 1951) zugestellt. Darin wurde ihm vorgehalten, einer Verpflichtung aus dem Bescheid des Landeshauptmannes von Wien "vom 24. 2. 1983" (richtig: 4. Februar 1983) auf Rückstellung des Führerscheines nicht nachgekommen zu sein. Für den Fall, daß er dieser Verpflichtung nicht "unverzüglich 1983" entspreche, wurde ihm eine Geldstrafe von S 5.000,-- angedroht.
Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 30. März 1983 wurde über den Beschwerdeführer die angedrohte Geldstrafe verhängt, ihm aufgetragen, den Führerschein "unverzüglich 1983" zurückzustellen und für den Fall der neuerlichen Nichtentsprechung eine Geldstrafe von S 10.000,-
angedroht; dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 7. April 1983 zugestellt.
In der Zwischenzeit hatte der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 17. März 1983, bei der Behörde eingelangt am 31. März 1983, unter Bezugnahme auf die Androhung vom 4. März 1983 folgende Mitteilung gemacht: "Ich habe im Laufe des Vorjahres im Sommer aller Voraussicht meinen Führerschein verloren und dies dem Fundamt bekanntgegeben, leider wurde dieser nicht zurückgestellt, weder an mich noch an das Fundamt, daher sehe ich mich keinesfalls in der Lage, den Führerschein an das zuständige Amt zurückzugeben, daher ersuche ich nochmals höflichst mir bekanntzugeben, resp. um eine Stellungnahme ihrerseits und um Abstandnahme der Androhung einer Geldstrafe ....." In der Folge erhob er gegen den Bescheid vom 30. März 1983 Berufung, in der er ausführte, daß ihm die Abgabe des Führerscheines nicht möglich sei.
Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 4. Mai 1983 wurde über den Beschwerdeführer eine (weitere) Zwangsstrafe von S 10.000,-- verhängt, ihm wiederum aufgetragen, den Führerschein "unverzüglich 1983" zurückzustellen, sowie eine weitere Zwangsstrafe, nämlich eine Haft von sieben Tagen, angedroht. Auch gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung.
Mit den angefochtenen Bescheiden wurden die Berufungen abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, daß das Vorbringen des Beschwerdeführers, er sei gar nicht mehr im Besitze des Führerscheines, unglaubwürdig sei, dies vor allem deswegen, weil der Beschwerdeführer keine Verlustanzeige erstattet habe.
In seiner Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes der angefochtenen Bescheide und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Bescheide. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Bei der dem Beschwerdeführer aufgetragenen Zurückstellung des Führerscheines handelt es sich um eine "Handlung, die wegen ihrer eigentümlichen Beschaffenheit sich durch einen Dritten nicht bewerkstelligen läßt" im Sinne des § 5 VVG 1950. Hinsichtlich der Vollstreckung der Verpflichtung zur Vornahme einer solchen Handlung sieht § 5 Abs. 2 VVG 1950 u.a. vor, daß die Vollstreckung mit der Androhung des für den Fall der Saumsal zur Anwendung kommenden Nachteiles zu beginnen hat. Das angedrohte Zwangsmittel ist nach fruchtlosem Ablauf der für die Vornahme der Handlung gesetzten Frist sofort zu vollziehen. Gleichzeitig ist für den Fall der Wiederholung oder des weiteren Verzuges ein stets schärferes Zwangsmittel anzudrohen.
Voraussetzung für die Verhängung einer Zwangsstrafe nach § 5 VVG 1950 ist demnach u. a., daß die für die Vornahme der Handlung gesetzte Frist "fruchtlos abgelaufen" ist. Es muß daher entweder im Titelbescheid oder spätestens in der nach § 5 Abs. 2 erster Satz VVG 1950 ausgesprochenen Androhung eine Leistungsfrist gesetzt werden. Das Unterbleiben einer solchen Fristsetzung zieht die Rechtswidrigkeit der Vollstreckungsakte nach sich (VwSlg. N.F. Nr. 8378/A/1973). Im gegenständlichen Fall hat der Titelbescheid das verbum legale "unverzüglich" übernommen. Es hätte aber in der Androhung der Zwangsstrafe der Setzung einer bestimmten Frist bedurft, wie dies das Formular 56 zu § 5 VVG 1950 der Verwaltungsformularverordnung 1951 etwa in Form einer datumsmäßigen Bestimmung der Leistungsfrist auch vorsieht.
Dessenungeachtet wurde aber sowohl in der Androhung nach § 5 Abs. 2 erster Satz VVG 1950 als auch in der Androhung der jeweils nächsten Zwangsstrafe im Zusammenhang mit den angefochtenen Vollstreckungsverfügungen (Verhängung von Zwangsstrafen) keine konkreten Leistungsfristen gesetzt, sondern die zeitliche Komponente der Leistungspflicht mit "unverzüglich 1983" bestimmt. Der Sinn dieser Wendung ist unklar; wie immer sie aber zu verstehen ist, bewirkt sie die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide. Entweder setzt sie eine unbestimmte Leistungsfrist in Gang oder sie ist als "unverzüglich, aber jedenfalls im Jahre 1983" zu lesen. Im ersteren Fall wäre überhaupt keine Vollstreckung zulässig, im zweiten Fall nicht vor Ablauf des 31. Dezember 1983.
Die angefochtenen Bescheide sind daher schon aus diesen Gründen gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufzuheben.
Bei diesem Ergebnis brauchte nicht geprüft zu werden, ob die Auffassung der belangten Behörde, das Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend den Verlust des Führerscheines sei von vornherein als unglaubwürdig anzusehen, schlüssig ist.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981. Das Mehrbegehren war abzuweisen, da das VwGG 1965 den Ersatz von Barauslagen des Beschwerdeführers nicht vorsieht, die Kosten für die Herstellung der dem Verwaltungsgerichtshof vorzulegenden Unterlagen vielmehr im Schriftsatzpauschale nach der zitierten Verordnung enthalten sind.
Wien, am 17. Dezember 1984
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