VwGH 84/06/0119

VwGH84/06/011929.11.1984

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Straßmann und die Hofräte Mag. Onder, DDr. Hauer, Dr. Würth und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hinterwirth, über die Beschwerde des OS in S, vertreten durch Dr. Josef Tschikof, Rechtsanwalt in Spittal a.d. Drau, Hauptplatz 14, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 27. März 1984, Zl. 8BauR1-348/1/1983, betreffend ein Baubewilligungsverfahren (mitbeteiligte Parteien: 1. MP in S, 2. Gemeinde S, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §66 Abs2;
AVG §66 Abs4;
BauO Krnt 1969 §13;
BauO Krnt 1969 §14;
BauO Krnt 1969 §18;
BauRallg impl;
AVG §66 Abs2;
AVG §66 Abs4;
BauO Krnt 1969 §13;
BauO Krnt 1969 §14;
BauO Krnt 1969 §18;
BauRallg impl;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Kärnten hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Auf Grund des Ansuchens des Beschwerdeführers um Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung von zwei Tennisplätzen auf dem Grundstück Nr. 164/1, KG. S, beraumte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde am 1. März 1983 für 9. März 1983 eine mündliche Verhandlung an, zu welcher der Mitbeteiligte als Nachbar unter Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 42 AVG 1950 geladen wurde. Bei der an dem genannten Tag durchgeführten Verhandlung rügte der Mitbeteiligte zunächst, daß er die Ladung erst am 4. März 1983 erhalten habe und dadurch seinen Rechtsanwalt nicht hätte konsultieren können. Grundsätzlich habe er gegen die Errichtung der Tennisplätze nichts einzuwenden, wenn die notwendigen Lärmschutzmaßnahmen (z.B.: ein bepflanzter Erdwall an der Nordgrenze) errichtet würden. Eine endgültige Stellungnahme werde er bis 16. März 1983 abgeben. Der technische Amtssachverständige erachtete das Bauvorhaben unter gleichzeitiger Vorschreibung einer Reihe von Auflagen als genehmigungsfähig. Unter anderem sollte im Interesse des Anrainerschutzes vorgeschrieben werden, an der Nordseite der Tennisplätze eine Lärmschutzmaßnahme bis zur Höhe des bestehenden Zaunes des Mitbeteiligten (zirka 1,2 m Höhe) zu errichten, wobei die Errichtung eines Erdwalles vorgeschlagen wurde. Hiezu stellte der Beschwerdeführer fest, daß die Errichtung des Erdwalles ein Vorschlag sei.

In einem Schriftsatz vom 13. März 1983 brachte der Mitbeteiligte vor, daß mit der Errichtung von zwei Tennisfreiplätzen zweifellos eine örtlich unzumutbare Umweltbelastung zu erwarten sei. Der Bauwerber sei durch entsprechende Auflagen im Sinne der Kärntner Bauordnung anzuhalten, so wirkungsvolle Lärmschutzmaßnahmen vorzukehren, daß eine wesentliche Störung der benachbarten Liegenschaften ausgeschlossen werde. Als solche Maßnahme sei im Zuge der Bauverhandlung die Aufschüttung eines Erdwalles entlang der Nordgrenze der beiden Tennisplätze beantragt worden, der etwa 1,20 m hoch sein und auf der Nordseite mit Strauchwerk bepflanzt werden solle. Als weitere Maßnahme käme in Betracht, das Niveau der Tennisplätze möglichst tief zu wählen. Abschließend ersuchte der Mitbeteiligte, eine möglichst eindeutige Festlegung des Standortes der beiden Tennisplätze in der Baubewilligung vorzunehmen, zumal dieser Standort nicht durch rote Pflöcke gekennzeichnet worden sei und der Bauwerber sich diesbezüglich nicht habe festlegen wollen.

Nach einer Äußerung des Beschwerdeführers zu diesem Schriftsatz erließ der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde am 2. Mai 1983 den Baubewilligungsbescheid, in welchem die Situation der Tennisplätze laut Lageplan mit einem bestimmten Abstand von der Nordwestecke und einem bestimmten Niveau festgelegt wurde. Die Vorschreibung Pkt. 12 dieses Bescheides lautet, wie folgt:

"An der Nordseite der Tennisplätze ist eine Lärmschutzmaßnahme bis in Höhe des bestehenden Zaunes (zirka 1,2 m Höhe) zu errichten. Vorgeschlagen wird die Errichtung eines Erdwalles."

In seiner dagegen rechtzeitig erhobenen Berufung wendete der Mitbeteiligte ein, daß die Errichtung der Tennisplätze widmungswidrig und nach den Bestimmungen des Gemeindeplanungsgesetzes unzulässig sei, weil leicht vorauszusehen sei, daß der Betrieb dieser beiden Tennisplätze für das benachbarte Kurgebiet eine örtlich unzumutbare Umweltbelastung mit sich bringen werde. Auch sei damit eine erhebliche Wertminderung seines unmittelbar nördlich angrenzenden Grundstückes verbunden. Auf Grund der Bestimmung des § 364 ABGB habe er das Recht, vom Bauwerber eine wirksame Lärmschutzmaßnahme gegen seine Liegenschaft hin zu fordern. Insbesondere bemängelte der Mitbeteiligte, daß die Vorschreibung bezüglich Situierung zu unbestimmt sei und diese Formulierung durch den klaren und eindeutigen Auftrag zu ersetzen sei, daß der Schnittpunkt der Nord- und Westgrenze des westlichen der beiden geplanten Tennisplätze 2,5 m südlich der Parzellengrenze 164/7 und 164/8 einzurichten sei und daß außerdem die Nordflucht der beiden Tennisplätze parallel zur Nordflucht der bestehenden Tennishalle zu verlaufen habe. Nach Punkt 12 der Auflagen und Bedingungen bleibe es in der derzeitigen Fassung dem Ermessen des Bauwerbers überlassen, in welcher Form der an und für sich angeordnete Lärmschutz errichtet werde. Er befürchte daher, daß nur ein Alibi - Lärmschutz installiert werden könnte. Zur Wahrung der Erholungsfunktion seiner Liegenschaft ersuche er daher, den diesbezüglichen Vorschlag durch die strikte Anordnung zu ersetzen, als Lärmschutzmaßnahme entlang der Nordseite der beiden Tennisplätze einen zaunhohen (120 cm ab Geländeoberkante), nordseitig mit dichtem Strauchwerk bepflanzten Erdwall aufzuschütten, damit die Gewähr bestehe, daß die Schallwellen der Ballschläge so nach oben abgeleitet werden, daß eine Lärmbelästigung für die Bewohner seiner Liegenschaft hintangehalten werde.

Dieser Berufung gab der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde mit Bescheid vom 13. Oktober 1983 Folge, behob gemäß § 66 Abs. 2 AVG 1950 den erstinstanzlichen Bescheid und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Baubehörde erster Instanz. Die Begründung der Berufungsbehörde läßt sich dahin zusammenfassen, daß die Lärmschutzmaßnahme an der Nordgrenze nicht präzise formuliert und somit diese Bescheidauflage nicht exequierbar sei. Es sei daher das Verfahren so mangelhaft geblieben, daß die Durchführung einer neuerlichen mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheine.

Der dagegen vom Beschwerdeführer erhobenen Vorstellung gab die Kärntner Landesregierung mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 27. März 1984 keine Folge. Die Gemeindeaufsichtsbehörde vertrat die Ansicht, das bisherige Ermittlungsverfahren vor der Behörde erster Instanz habe nicht ergeben, ob und warum ein Lärmschutz unter Berücksichtigung der Flächenwidmung erforderlich sei. Es fehle eine sachverständige Feststellung über das Ausmaß der zu erwartenden Lärmbeeinträchtigung. Der vorgeschriebenen Auflage mangle es somit an der notwendigen Grundlage und außerdem sei die Lärmschutzmaßnahme nicht konkretisiert. Handle es sich bei dem Vorschlag der Errichtung eines Erdwalles offenbar um eine unter mehreren Möglichkeiten, so seien jedoch die anderen nicht einmal bezeichnet worden. Welches Ausmaß an Lärmreduktion herbeigeführt werden solle, bleibe unbestimmt. Eine solche unbestimmte Auflage könnte auch nicht vollstreckt werden, so daß daher das Rechtsschutzinteresse des Anrainers in keiner Weise gewahrt erscheine. Die Frage der Lärmbeeinträchtigung und allenfalls daraus resultierende notwendige Auflagen könnten nur an Ort und Stelle unter Bei-ziehung der erforderlichen Sachverständigen beurteilt werden. Auch die im Auflagepunkt 11 vorgeschriebene Lärmschutzwand sei nicht näher beschrieben worden. Der Mitbeteiligte habe weiter als Berufungswerber die unklare Bestimmung der Situierung des Bauvorhabens bemängelt und dies mache eine nochmalige Überprüfung durch einen Sachverständigen erforderlich. Es werde aber auch zu prüfen sein, ob die Tennisanlage unter Bedachtnahme auf die örtlichen Gegebenheiten und den Charakter als Kurgebiet eine unzumutbare Umweltbelastung mit sich bringe. Der von der Baubehörde erster Instanz erhobene Sachverhalt lasse sohin eine ausreichende Ermittlung der in Betracht kommenden Tatsachen und deren Erhärtung durch Beweise unter dem Gesichtspunkt der anzuwendenden baurechtlichen Bestimmungen nicht erkennen. Eine neuerliche Verhandlung sei daher schon auf Grund des Berufungsvorbringens begründet. Eine Verletzung von Rechten des Beschwerdeführers sei folglich durch den Bescheid des Gemeindevorstandes nicht gegeben.

In seiner dagegen an den Verwaltungsgerichtshof erhobenen Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Aufrechterhaltung des erstinstanzlichen Baubewilligungsbescheides verletzt, wie dem Beschwerdevorbringen insgesamt zu entnehmen ist. Er beantragt, der Beschwerde stattzugeben und auszusprechen, daß eine Verletzung seiner Rechte stattgefunden habe. Über diese Beschwerde sowie über die von der belangten Behörde und dem mitbeteiligten Nachbarn erstatteten Gegenschriften hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Nach § 66 Abs. 2 AVG 1950 kann die Berufungsbehörde den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz verweisen, wenn der der Berufungsbehörde vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, daß die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint. Durch diese gesetzliche Regelung sollte vor allem bewirkt werden, daß die früher übliche große Zahl der kassatorischen Entscheidungen wesentlich eingeschränkt wird und ein im Stadium der Berufung befindliches Verfahren möglichst auch zu einer Berufungsentscheidung in der Sache führt. Die Zurückverweisung des Verfahrens in ein von der unteren Instanz zu besorgendes Stadium soll daher nur ausnahmsweise möglich sein. Es soll vermieden werden, daß die mit dem Zurücktritt eines Verfahrens in ein früheres Stadium verbundenen Rechtsfolgen, wie etwa die Wiedereröffnung des Instanzenzuges, zu einer Verlängerung des Verfahrens führen (vgl. etwa Vf Slg. 7327). Sind daher Ergänzungen des bisher durchgeführten Ermittlungsverfahrens notwendig, so hat die Berufungsbehörde die Frage zu prüfen, ob der für die Erledigung der Sache maßgebende Sachverhalt nur in Form von Rede und Gegenrede aller an der Sache beteiligten Personen und aller sonst für seine Ermittlung (Erhebung der Tatsachen und deren Erhärtung durch Beweise) in Betracht kommenden Personen festgestellt werden kann und diese Personen daher gleichzeitig versammelt werden müssen, oder ob sich zur Ergänzung des Ermittlungsverfahrens ein einfacherer Weg anbietet. Der Verwaltungsgerichtshof hat schon wiederholt ausgesprochen, daß die Berufungsbehörde nur in jenen Fällen kassatorisch vorgehen darf, in welchen die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint (vgl. etwa das Erkenntnis vom 15. Februar 1951, Slg. N.F. Nr. 1926/A). Der Gerichtshof hat auch ausgesprochen, der Bauwerber besitze einen Rechtsanspruch darauf, daß die Berufungsbehörde den erstinstanzlichen Baubewilligungsbescheid nur im Falle der Voraussetzungen des § 66 Abs. 2 AVG 1950 behebt (vgl. etwa das Erkenntnis vom 18. November 1980, Zl. 2285/80), wird doch im Falle einer neuerlichen Durchführung der mündlichen Verhandlung vor der Behörde erster Instanz dem Nachbarn die Möglichkeit neu eröffnet, Einwendungen zu erheben.

Betrachtet man unter diesen Gesichtspunkten das auf Verwaltungsebene durchgeführte Verfahren, so zeigt sich, daß der Mitbeteiligte rechtzeitig ausschließlich Einwendungen betreffend eine zu befürchtende Lärmbelästigung erhoben hat und daher Gegenstand des Berufungsverfahrens ausschließlich die Frage sein durfte, ob die Baubehörde erster Instanz diesem Vorbringen des Nachbarn ausreichend Rechnung getragen hat oder nicht (vgl. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. N.F. Nr. 10.317/A). Der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde behob dementsprechend ausschließlich deshalb den erstinstanzlichen Baubewilligungsbescheid, weil die Vorschreibung Punkt 12 als nicht ausreichend präzise formuliert angesehen worden ist. War aber sohin im Berufungsverfahren ausschließlich die Frage zu prüfen, ob der erstinstanzliche Baubewilligungsbescheid ausreichend der Einwendung des Mitbeteiligten hinsichtlich dessen Befürchtungen über eine Lärmbelästigung Maßnahmen zu verlangen, so übersieht er, daß dem Nachbarn auf die Durchführung solcher Maßnahmen außerhalb des Baubewilligungsverfahrens nach den Bestimmungen des Kärntner Baurechtes kein Rechtsanspruch zusteht.

Auf Grund der dargelegten Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die Bestimmungen der §§ 47 ff VwGG 1965 sowie die Verordnung BGBl. Nr. 221/1981. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft den Antrag auf Zuerkennung einer den pauschalierten Schriftsatzaufwand übersteigenden Umsatzsteuer.

Wien, am 29. November 1984

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