VwGH 83/11/0168

VwGH83/11/016823.5.1984

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Knell, Dr. Dorner und Dr. Waldner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Gyenge, über die Beschwerde des RB in W, vertreten durch Dr. Johannes Schriefl, Rechtsanwalt in Wien III, Esteplatz 7, gegen den Bescheid des Bundesministers für Verkehr vom 3. Juni 1983, Zl. 52.394/1-IV-1/83, betreffend Entziehung der Fahrlehrerberechtigung, zu Recht erkannt:

Normen

KFG 1967 §109 Abs1 litb;
KFG 1967 §117 Abs1;
KFG 1967 §109 Abs1 litb;
KFG 1967 §117 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 8. April 1983 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 117 Abs. 1 in Verbindung mit § 109 Abs. 1 lit. b KFG 1967 die ihm mit den Bescheiden derselben Behörde vom 17. Jänner 1973 und vom 12. Juni 1978 erteilte Fahrlehrerberechtigung für die Kraftfahrzeuggruppen A, B, C und E "auf Dauer" entzogen. Dieser Bescheid wurde damit begründet, dass mit rechtskräftigem Urteil des Jugendgerichtshofes Wien vom 13. Jänner 1983, AZ 1a Vr 1680/82, Hv 119/82, der Fahrlehrer RB sen. (der Beschwerdeführer) wegen Verbrechens der versuchten absichtlichen schweren Körperverletzung als Bestimmungstäter nach den §§ 12, 15, 87 Abs. 1 und 2 StGB, wegen Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung als Bestimmungstäter nach den §§ 12 und 87 Abs. 1 und 2 StGB sowie wegen Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 StGB zu einem Jahr Freiheitsstrafe unbedingt verurteilt worden sei. Dem Urteil liege zu Grunde, dass der Beschwerdeführer - nachdem seine Freundin nichts mehr von ihm habe wissen wollen und sich bereits einem anderen Mann zugewandt gehabt habe - seinen Sohn RB jun. und zwei weitere junge Männer (Freunde seines Sohnes) dazu angestiftet habe, dieser am 6. Oktober 1982 mit einem Messer, das er den Tätern ausgefolgt habe, das Gesicht gegen eine Belohnung von jeweils S 500,-- zu zerschneiden. Das Opfer, ein junges Mädchen, sei von den Tätern von der Straße weg in ein Auto gezerrt, in eine Decke gesteckt, geschlagen und gewürgt und schließlich mit dem Messer im Gesicht so zugerichtet worden, dass gesundheitliche Dauerfolgen, nämlich eine bleibende Verunstaltung, zurückgeblieben seien. Gemäß § 117 Abs. 1 KFG 1967 sei die Fahrlehrerberechtigung zu entziehen, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung nicht mehr gegeben seien. Eine wesentliche Voraussetzung im Sinne der genannten Gesetzesbestimmung sei die im § 109 Abs. 1 lit. b leg. cit. angeführte Vertrauenswürdigkeit, das sei das Verhalten des Betreffenden zur Rechtsordnung. Die gegenständliche Straftat - derartige Verhaltensweisen seien sonst üblicherweise im Zuhältermilieu angesiedelt - lasse einen so erheblichen Mangel an Vertrauenswürdigkeit erkennen, dass der "dauernde" Entzug der Fahrlehrerberechtigung nicht nur absolut gerechtfertigt, sondern darüberhinaus auch unbedingt erforderlich geworden sei. Bei dieser Beurteilung müssten berufliche Aspekte (der Beschwerdeführer sei hauptberuflich Fahrlehrer gewesen) außer Betracht bleiben, da deren Berücksichtigung in den Bestimmungen des Kraftfahrgesetzes nicht vorgesehen sei.

Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid des Bundesministers für Verkehr vom 3. Juni 1983 keine Folge gegeben und gemäß § 117 Abs. 1 in Verbindung mit § 109 Abs. 1 lit. b KFG 1967 der erstinstanzliche Bescheid bestätigt. In der Begründung ihres Bescheides führte die belangte Behörde aus, die Bestätigung sei aus den im wesentlichen zutreffenden Gründen des erstinstanzlichen Bescheides, die durch die Berufungsausführungen nicht hätten entkräftet werden können, erfolgt. Den Berufungsausführungen des Beschwerdeführers, wonach er bis zu seiner strafgerichtlichen Verurteilung unbescholten gewesen sei, sei entgegenzuhalten, dass bereits eine einzige Verurteilung, die im auffallenden Gegensatz zu seinem sonstigen jahrelangen Verhalten stehe, geeignet sein könne, seine Vertrauenswürdigkeit für die Ausübung des Berufes eines Fahrlehrers nicht mehr als gegeben anzunehmen. Es könne daher der Annahme der Vorinstanz nicht entgegengetreten werden, dass die von ihm begangene Straftat einen so erheblichen Mangel an Vertrauenswürdigkeit erkennen lasse, dass der Entzug der Fahrlehrerberechtigung erforderlich sei. Dem Einwand des Beschwerdeführers, wonach die Entziehung seiner Fahrlehrerberechtigung für ihn schwer wiegende finanzielle Probleme aufwerfe, sei zu erwidern, dass bei der Entziehung einer Fahrlehrerberechtigung die beruflichen und wirtschaftlichen Verhältnisse außer Betracht zubleiben hätten (Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Juni 1976, Zl. 1145/76). Zum Begehren des Beschwerdeführers, ihm die Fahrlehrerberechtigung nur für einen "angemessenen" Zeitraum zu entziehen, werde bemerkt, dass eine derartige Möglichkeit im Kraftfahrgesetz nicht vorgesehen sei.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Wie der Verwaltungsgerichtshof schon wiederholt dargelegt hat (vgl. dazu insbesondere das Erkenntnis vom 6. Juli 1982, Zl. 82/11/0049, und die dort angeführte weitere Judikatur), ist bei dem im § 109 Abs. 1 lit. b KFG 1967 verwendeten Begriff der "Vertrauenswürdigkeit" - da weder der Gesetzeswortlaut noch die Gesetzesmaterialien Aussagen zur näheren Bestimmung dieses Begriffes enthalten - von der Bedeutung auszugehen, die diesem Ausdruck im allgemeinen Sprachgebrauch zukommt. Dem Wort "vertrauen" kommt demnach inhaltlich die gleiche Bedeutung zu wie einem "sich verlassen". Verlässlich ist eine Person dann, wenn sie nach ihrer gesamten Geisteshaltung und Sinnesart ein Persönlichkeitsbild vermittelt, das bei Berücksichtigung aller für das Gemeinschaftsleben belangreichen Richtungen ein in sie gesetztes Vertrauen zu rechtfertigen vermag. Wie die belangte Behörde richtig erkannt hat, kann schon eine Einzige strafbare Handlung, die in auffallendem Gegensatz zu dem sonstigen jahrelangen Verhalten eines Fahrlehrers steht, sein gesamtes Charakterbild so verändern, dass gesagt werden kann, dass die bis dahin nie in Zweifel gezogene Vertrauenswürdigkeit nicht mehr vorhanden ist (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. März 1980, Zl. 3139/78). Der belangten Behörde kann nun auf dem Boden dieser Rechtslage und im Hinblick darauf, dass in der Zwischenzeit noch kein entsprechend langer Zeitraum verstrichen ist, der eine Hinderung der Beurteilung herbeiführen könnte, nicht entgegengetreten werden, wenn sie im angefochtenen Bescheid angenommen hat, es fehle dem Beschwerdeführer die Vertrauenswürdigkeit. Sein nach außenhin in Erscheinung getretenes strafbares Verhalten war nämlich derart schwer wiegend, dass es seine grundsätzliche Einstellung zu den vom Gesetz geschützten Werten der körperlichen Unversehrtheit anderer Personen zeigt und damit in diesem Sinne auch auf sein Charakterbild schließen lässt. Wenn jemand - wie der Beschwerdeführer - ein solches Verhalten setzt, dann kann er nicht (mehr) als vertrauenswürdig angesehen werden. Dabei kommt es - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - nicht darauf - an, welches Motiv ihn zu seinem strafbaren Verhalten veranlasst hat und dass dieses - seiner Behauptung nach - "Eifersucht und gekränkter Stolz" gewesen sei. Diese Umstände können keine Berücksichtigung finden, weil erwartet werden kann, dass der Beschwerdeführer zufolge seiner gesamten Geisteshaltung und Sinnesart, die sich unmittelbar aus seinem strafbaren Verhalten ergibt, in Hinkunft entweder neuerlich aus denselben oder aber auch aus anderen Beweggründen die körperliche Sicherheit anderer Personen gefährden werde. Es war daher auch nicht erforderlich, über Antrag des Beschwerdeführers seine Ehegattin darüber zu vernehmen, "dass trotz dieser Entgleisung die Eheleute wieder voll zueinander gefunden haben und daher unter Berücksichtigung des bisherigen ungetrübten Vorlebens mit einer Wiederholung nicht mehr zu rechnen sei". Wenn der Beschwerdeführer weiters rügt, es sei die (im Bescheid der Erstbehörde getroffene und von der belangten Behörde übernommene) Feststellung, dass "durch die Straftat der jungen Frau gesundheitliche Dauerfolgen zugefügt worden wären, nämlich eine bleibende Verunstaltung", unrichtig und aktenwidrig, und es hätte zum Beweis dafür, dass es sich um eine leichte Verletzung gehandelt habe, der betreffende Akt des Jugendgerichtshofes Wien beigeschafft werden müssen, so ist ihm entgegenzuhalten, dass bei Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit einer Person auch nicht ausschlaggebend ist, welche Folgen eine strafbare Handlung nach sich gezogen hat, sondern dass lediglich das zugrundeliegende Verhalten einen Aufschluss über ihren Charakter zu geben vermag, abgesehen davon, dass die Feststellung einer derartigen, vom Beschwerdeführer beabsichtigten Verunstaltung im Gesicht der Verletzten durch den Spruch des in den Verwaltungsakten erliegenden Strafurteiles gedeckt erscheint. Im übrigen hat der Beschwerdeführer selbst dadurch, dass er in seiner Berufung gegen den Bescheid der Erstbehörde vom 8. April 1983 abschließend lediglich "eine angemessene zeitliche Entziehung der Fahrlehrerberechtigung für die angeführten Gruppen" beantragt hat, eindeutig zu erkennen gegeben, durch die auf Grund dieses Verhaltens erfolgte Entziehung seiner Fahrlehrerberechtigung an sich nicht in einem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt worden zu sein.

Was aber die auch in der Beschwerde unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgeworfene Frage anlangt, ob eine Entziehung der Fahrlehrerberechtigung "bloß auf Zeit" möglich gewesen wäre, so ist vorerst - im Sinne der von der belangten Behörde vertretenen Auffassung - darauf hinzuweisen, dass der § 117 Abs. 1 letzter Satz KFG 1967 für den Fall, dass die Voraussetzungen für die Erteilung der Fahrlehrerberechtigung nicht mehr gegeben sind, als einzig mögliche Maßnahme ihre Entziehung vorsieht, ohne dass - wie dies bei der Entziehung der Lenkerberechtigung der Fall ist (siehe die §§ 73 Abs. 1 und 74 Abs. 1 KfG 1967) - zwischen einer endgültigen und einer vorübergehenden Entziehung unterschieden wird und es eine - dem § 73 Abs. 2 leg. cit. ähnliche - Bestimmung gibt, auf Grund welcher bei der Entziehung auch auszusprechen wäre, für welche Zeit keine neue Fahrlehrerberechtigung erteilt werden darf. Dem Beschwerdeführer kann daher nicht darin beigepflichtet werden, dass die Bestimmungen der §§ 73 und 74 KFG 1967 "analog" heranzuziehen seien, zumal die Entziehung der Lenkerberechtigung einerseits und die Entziehung der Fahrlehrerberechtigung andererseits verschiedene gesetzliche Regelungen erfahren haben und weder im § 117 noch im § 109 leg. cit. oder in einer anderen Bestimmung dieses Gesetzes eine sinngemäße Anwendung der Vorschriften über die Entziehung der Lenkerberechtigung für die Fälle einer Entziehung der Fahrlehrerberechtigung normiert ist. Das gleiche gilt im Verhältnis zwischen den Bestimmungen, die die Entziehung der Fahrlehrerberechtigung zum Gegenstand haben, und dem § 115 Abs. 3 KFG 1967, wonach der Landeshauptmann dem Fahrschulbesitzer unter anderem in dem im Abs. 2 lit. b angeführten Fall, nämlich dann, wenn der Besitzer einer Fahrschulbewilligung die im § 109 angeführten persönlichen Voraussetzungen für die Erteilung der Fahrschulbewilligung nicht mehr erfüllt, anstatt diese Bewilligung zu entziehen auch nur untersagen kann, den Fahrschulbetrieb während einer bestimmten Zeit selbst zu führen, wenn zu erwarten ist, dass die fehlenden Voraussetzungen innerhalb einer absehbaren Zeit wieder gegeben sein werden. Alle in diesem Zusammenhang vom Beschwerdeführer angestellten Überlegungen können deshalb nicht zum Tragen kommen, weil es im Beschwerdefall ausschließlich darum geht, ob der Beschwerdeführer von seiner Fahrlehrerberechtigung, nicht aber von einer Lenkerberechtigung oder von einer Fahrschulbewilligung weiterhin Gebrauch machen darf oder nicht. War daher die Vertrauenswürdigkeit des Beschwerdeführers nicht mehr gegeben, so stand den Verwaltungsbehörden keine andere rechtliche Möglichkeit offen, als die Fahrlehrerberechtigung des Beschwerdeführers zu entziehen.

Eine solche Entziehung der Fahrlehrerberechtigung hat zur Folge, dass die betreffende Person ab dem Zeitpunkt, zu dem diese Maßnahme rechtswirksam wird, nicht mehr berechtigt ist, als Fahrlehrer an einer Fahrschule praktischen Fahrunterricht zu erteilten (siehe § 117 Abs. 1 KFG 1967). Dies bedeutet aber nicht -

wie der Beschwerdeführer offenbar meint - zwangsläufig, dass der Betreffende überhaupt nicht mehr die Möglichkeit hat, neuerlich eine solche Berechtigung zu erwerben. Liegen sämtliche Voraussetzungen für die Erteilung einer solchen Berechtigung im Sinne dieser Gesetzesstelle und damit auch wieder die Vertrauenswürdigkeit des Betreffenden vor, zumal ein bestehender Mangel an Vertrauenswürdigkeit nicht ausschließt, dass sie später wieder hergestellt werden kann, so steht keine gesetzliche Bestimmung der Wiedererteilung einer solchen Berechtigung im Wege. Wenn die belangte Behörde - in Übereinstimmung mit der Erstbehörde - überflüssigerweise hinzugefügt hat, dass die Fahrlehrerberechtigung des Beschwerdeführers auf Dauer" entzogen wird, so hat auch sie kein Entscheidungsverbot in der Richtung ausgesprochen, dass dem Beschwerdeführer auf Lebenszeit keine neue Fahrlehrerberechtigung erteilt werden darf, sondern durch diese Worte nur zum Ausdruck gebracht, dass die gegenständliche, dem Beschwerdeführer bereits erteilte Fahrlehrerberechtigung für ständig und daher nicht nur vorübergehend für eine bestimmte Zeit, nach deren Ablauf sie wieder aufleben würde, entzogen wird, er also nie mehr auf Grund dieser, nicht aber allenfalls auf Grund einer anderen, später zu erlangenden Berechtigung eine Tätigkeit als Fahrlehrer ausüben darf.

Da schließlich auch die Behauptung des Beschwerdeführers, es sei ihm nicht hinreichend Parteiengehör gewährt worden, im Hinblick darauf nicht zutrifft, dass er im Rahmen seiner Berufung Gelegenheit hatte, seinen Standpunkt darzulegen, und es eines weiteren Vorhaltes des Ermittlungsergebnisses nicht bedurfte, erweist sich somit die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 abzuweisen war.

Soweit Entscheidungen zitiert wurden, die nicht in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes veröffentlicht worden sind, wird an Art. 14 Abs. 4 seiner Geschäftsordnung, BGBl. Nr. 45/1965, erinnert.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981.

Wien, am 23. Mai 1984

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