VwGH 83/07/0244

VwGH83/07/024418.9.1984

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Dr. Salcher, Dr. Hoffmann, Dr. Fürnsinn und Dr. Zeizinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Müller, über die Beschwerde der R und des WK, beide in S, beide vertreten durch Dr. Günther Stanonik, Rechtsanwalt in Salzburg, Giselakai 51, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 3. Juli 1983, Zl. 1/01-21.815/5-1982, betreffend wasserpolizeilicher Auftrag nach § 138 Abs. 1 WRG 1959, zu Recht erkannt:

Normen

WRG 1959 §138 Abs1;
WRG 1959 §138 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 8.260,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Laut Aktenvermerk der Abteilung I des Magistrates Salzburg vom 11. August 1977 führte ein Herr G. fernmündlich darüber Beschwerde, "daß beim Haus B-straße 14, nächst Gasthaus 'XY', ein dort verlaufender Entwässerungsgraben entweder zugeschüttet oder mit Rohren von wesentlich zu kleinem Querschnitt verrohrt ist, so daß größere Wassermengen nicht abfließen können"; es werde um Abhilfe ersucht. Anläßlich einer noch am selben Tag durch den wasserbautechnischen Amtssachverständigen an Ort und Stelle vorgenommenen Besichtigung wurde durch einen zufällig anwesenden Straßenmeister mitgeteilt, daß sich ein Rückstau gebildet habe, "weil eine, sicherlich zu klein dimensionierte, Verrohrung verstopft (gewesen sei)". Der Straßenmeister habe den die Verstopfung verursachenden Gegenstand entfernt, der Rückstau sei auf diese Weise behoben worden. Jedenfalls - dies wurde in einem weiteren Aktenvermerk vom 11. August 1977 festgehalten - seien besagter Herr G. bzw. dessen Grundstücke durch die "Angelegenheit" in keiner Weise betroffen.

2. Mit Schreiben vom 1. September 1977 setzte der Magistrat Salzburg einen der Hälfteeigentümer der Liegenschaft EZ. 115 KG. Z, bestehend aus den Grundstücken 288 Wiese und 83/2 Bauarea mit dem darauf befindlichen Haus B-straße 14, WK (den nunmehrigen Zweitbeschwerdeführer), von der "Beschwerde" des Herrn G. in Kenntnis. Unter einem teilte er dem Zweitbeschwerdeführer mit, daß auf Grund der zu klein geratenen Dimensionierung der Rohre die Entfernung derselben "angezeigt erscheint". Als Termin für diese Maßnahme werde der 30. September 1977 vorgemerkt. Aus Anlaß einer persönlichen Vorsprache beim Magistrat Salzburg ersuchte der Zweitbeschwerdeführer um Erstreckung der vorgenannten Frist und um Durchführung eines neuerlichen Lokalaugenscheines. Auf Grund einer weiteren Ortsbesichtigung teilte der wasserbautechnische Amtssachverständige mit (Schreiben vom 12. Jänner 1978), daß die Verrohrung unverändert bestehe, der Graben jedoch nur bei extrem starken Niederschlägen wasserführend sei. Gegen eine Fristerstreckung bestehe kein Einwand. In der Folge wurde dem Zweitbeschwerdeführer - jeweils nach Mitteilung des Amtssachverständigen, daß gegen eine Fristerstreckung dann kein Einwand erhoben werde, wenn sich der Einlauf bei der Verrohrung in geräumtem Zustand befinde - die Frist für die Entfernung der Verrohrung insgesamt fünfmal verlängert.

3. Nachdem vom Magistrat Salzburg im Wege des wasserbautechnischen Sachverständigen festgestellt worden war, daß es sich bei dem verfahrensgegenständlichen verrohrten Graben um einen "Grenzgraben" zwischen den Grundstücken 290/1 (Eigentümer J und PE) und der Baufläche 83/2 (im Eigentum der Beschwerdeführer) handle, trug der Bürgermeister der Stadt Salzburg mit Bescheid vom 29. Dezember 1981 gemäß § 138 Abs. 1 WRG 1959 dem J und der PE und den Beschwerdeführern auf, die im Grenzgraben zwischen den Grundstücken 290/1 und 83/2, jeweils KG. Z, verlegte Verrohrung zu entfernen und den offenen Entwässerungsgraben in seinem früheren Zustand wiederherzustellen. Für die Durchführung dieser Maßnahmen wurde eine Frist bis 31. März 1982 festgesetzt. Begründend führte die Erstinstanz aus, der Grenzgraben im Bereich der zitierten Grundstücke sei ohne wasserrechtliche Bewilligung verrohrt worden. Die Verrohrung weise einen wesentlich zu geringen Durchmesser auf, so daß der klaglose Abzug des Wassers, wie mehrmals amtlich habe festgestellt werden müssen, nicht gewährleistet sei.

4. Die dagegen rechtzeitig erhobene Berufung der Beschwerdeführer wies der Landeshauptmann von Salzburg (die belangte Behörde) mit Bescheid vom 3. Juli 1983 gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 als unbegründet ab. Als Frist für die Entfernung der Verrohrung wurde der 30. September 1983 bestimmt. Zur Begründung führte die belangte Behörde nach Darstellung des bisherigen Verwaltungsgeschehens und wörtlicher Wiedergabe des Berufungsvorbringens aus, im Zuge des Berufungsverfahrens sei durch einen wasserbautechnischen Amtssachverständigen festgestellt worden, daß es sich bei dem in Rede stehenden Graben um einen alten Bestand handle, der früher zur Entwässerung der S gedient habe. Derzeit diene er noch zur Entwässerung und Vorflut im Bereich der B-straße und münde in den H-bach. Weiters sei festgestellt worden, daß im Zuge der Straßenbauarbeiten bei der Bstraße am Zustand (zu ergänzen: der Verrohrung) nichts geändert worden sei. In Beantwortung eines Schreibens des Rechtsvertreters der Beschwerdeführer sei diesem mitgeteilt worden, daß von der belangten Behörde keine Verhandlung durchgeführt werde; auch ein Lokalaugenschein werde nicht durchgeführt, da ein solcher durch einen wasserbautechnischen Amtssachverständigen bereits zweimal vorgenommen worden sei. Der Zweitbeschwerdeführer sei anläßlich seiner Vorsprache darauf hingewiesen worden, daß eine Besprechung mit in der Sache befaßten Verwaltungsdienststellen des Magistrates Salzburg zielführend sein könnte, wobei mit "Sache" nicht die Berufungssache, sondern damit zusammenhängende Angelegenheiten (Friedhofsentwässerung, Hauskauf von der Stadtgemeinde etc.) gemeint gewesen seien. In der Berufungssache selbst - so abschließend die belangte Behörde in ihrem Schreiben an den Rechtsvertreter der Beschwerdeführer - sei der Sachverhalt und die Rechtslage nunmehr soweit abgeklärt, daß eine Entscheidung möglich sei. Im Rahmen ihrer rechtlichen Erwägungen wies die belangte Behörde nach Zitierung des § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 darauf hin, daß im vorliegenden Fall eine Neuerung ohne wasserrechtliche Bewilligung vorgenommen worden sei. Da es sich offenbar um ein Privatgewässer handle, bedürfe eine Verrohrung wie die verfahrensgegenständliche einer wasserrechtlichen Bewilligung. Auf Grund der Stellungnahme des wasserbautechnischen Amtssachverständigen sei die Dimensionierung der Rohre zu klein bemessen worden. Es komme daher auch eine nachträgliche Bewilligung für die gegenständliche Verrohrung nicht in Frage, weshalb auch kein "Alternativantrag" (richtig: Alternativauftrag) im Sinne des § 138 Abs. 2 WRG 1959 habe ergehen können. Der Entfernungsauftrag durch die Wasserrechtsbehörde erster Instanz sei demnach zu Recht ergangen.

5. Die Beschwerdeführer erachten sich durch den angefochtenen Bescheid "in ihrem Recht, bei Fehlen von Tatbestandsmerkmalen nach der Norm des § 138 Wasserrechtsgesetz nicht zu einem Tun verhalten zu werden, und in ihrem Recht als Grundeigentümer" verletzt. Sie machen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und begehren deshalb die Aufhebung des bekämpften Bescheides.

6. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, ohne in dieser in bezug auf die Beschwerde einen Antrag in einer bestimmten Richtung zu stellen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zunächst bringen die Beschwerdeführer - unter dem Titel inhaltlicher Rechtswidrigkeit - vor, es seien weder im Verfahren vor der Behörde erster Instanz noch im Berufungsverfahren Feststellungen darüber getroffen worden, ob durch die angeblich eigenmächtig vorgenommene Neuerung das öffentliche Interesse tangiert worden sei oder ein Betroffener die Herstellung eines bestimmten Zustandes (gemeint: die Beseitigung der Verrohrung) verlangt habe. Damit bestreiten die Beschwerdeführer das Vorliegen von Tatbestandsmerkmalen des von der belangten Behörde angewendeten § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959; dazu gehört auch, daß tatsächlich eine eigenmächtige Neuerung vorgenommen wurde.

2. Die belangte Behörde hat - gleich der Erstinstanz ihren Bescheid auf § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 gestützt.

Gemäß dieser Gesetzesstelle ist unabhängig von Bestrafung und Schadenersatz derjenige, der die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes übertreten hat, wenn das öffentliche Interesse es erfordert oder der Betroffene es verlangt, von der Wasserrechtsbehörde zu verhalten, auf seine Kosten eigenmächtig vorgenommene Neuerungen zu beseitigen oder die unterlassenen Arbeiten nachzuholen.

Im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Vorgangsweise dann als eigenmächtige Neuerung im Sinne des § 138 WRG 1959 zu beurteilen, wenn für sie eine wasserrechtliche Bewilligung erforderlich gewesen, diese aber nicht erwirkt worden ist (vgl. etwa das Erkenntnis vom 24. November 1981, Slg. Nr. 10599/A) .

Darüber, welche Bestimmungen des WRG 1959 nun die belangte Behörde der von ihr angenommenen Bewilligungspflicht für die in Rede stehende Verrohrung zugrunde gelegt hat - sie könnte allenfalls § 41 Abs. 2 leg. cit. im Auge gehabt haben -, läßt der angefochtene Bescheid eine unmißverständliche Aussage vermissen.

Die Mängel in der Ermittlung des Sachverhaltes und das Unterlassen einer hinreichenden Begründung - der Hinweis auf das Vorliegen eines Privatgewässers und die daraus folgende Bewilligungspflicht reicht nicht aus - sind wesentlich, da sich nur auf Grund eines in einem ordnungsgemäß, unter Beachtung der Grundsätze der Erforschung der materiellen Wahrheit und der Amtswegigkeit (§§ 37, 39 Abs. 2 AVG 1950) sowie unter voller Wahrung des Parteiengehörs (§ 45 Abs. 3 leg. cit.) durchgeführten Ermittlungsverfahren festgestellten Sachverhaltes und einer den Vorschriften der §§ 60, 67 AVG 1950 Rechnung tragenden Begründung beurteilen läßt; ob von der belangten Behörde die für die Erlassung des wasserpolizeilichen Auftrages gemäß § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 erforderliche Bewilligungsbedürftigkeit der Verrohrung zu Recht angenommen worden ist. Da sohin der von der belangten Behörde - zutreffend - als entscheidungswesentlich angenommene Sachverhalt des Vorliegens einer wasserrechtlichen Bewilligungspflicht in einem mangelhaften Verfahren ermittelt worden ist, ist der Verwaltungsgerichtshof im Grunde des § 41 Abs. 1 VwGG 1965 im gegenwärtigen Stadium nicht in der Lage, den angefochtenen Bescheid einer inha1tlichen Überprüfung in Hinsicht auf die von den Beschwerdeführern aufgeworfenen Fragen (Beeinträchtigung öffentlicher Interessen, Verlangen eines Betroffenen) zu unterziehen.

3. Was allerdings das Beschwerdevorbringen anlangt, die Verrohrung stamme aus einer Zeit bevor die Beschwerdeführer das Grundstück, auf dem sich diese Anlage befindet, erworben hätten, daß sie somit, da sie die Anlage nicht errichtet hätten, als Adressaten eines auf § 138 Abs. 1 WRG 1969 gestützten Auftrages nicht in Betracht kämen, so ist dieser Einwand nach der Aktenlage nicht begründet. Als Neuerung im Sinne der genannten Gesetzesstelle ist nicht allein das bewilligungslose Setzen einer der wasserrechtlichen Bewilligung bedürftigen punktuellen Maßnahme, sondern auch das Fortdauern des durch die betreffende Maßnahme herbeigeführten Zustandes zu verstehen. Es stellt daher nicht nur die unmittelbare Herbeiführung eines einer wasserrechtlichen Bewilligung bedürftigen Zustandes ohne diese Bewilligung eine Übertretung von Bestimmungen des WRG 1959 im Sinne von § 138 Abs. 1 leg. cit. dar, sondern auch die Aufrechterhaltung und Nutzung eines solcherart konsenslos geschaffenen Zustandes. Auf den vorliegenden Fall angewendet bedeutet dies, daß die Beschwerdeführer - die der Aktenlage nach von der Verrohrung Kenntnis hatten und diese auch nutzten - dadurch, daß sie nach dem Erwerb des Grundstückes im Jahre 1965 als Eigentümer der Anlage dieselbe bestehen ließen, unter der Voraussetzung der grundsätzlichen Bewilligungsbedürftigkeit der Anlage Bestimmungen des WRG 1959 übertreten haben. Für die Auffassung, daß unter dieser Voraussetzung die Beschwerdeführer als diejenigen anzusehen sind, die den Gesetzesverstoß zu verantworten haben und die folglich für die Erteilung des auf § 138 Abs. 1 WRG 1959 gegründeten Auftrages passiv legitimiert sind, spricht auch der enge Zusammenhang in dem diese Bestimmung mit jener des § 138 Abs. 2 leg. cit. steht. Erließe nämlich die Behörde nach der zuletzt genannten Gesetzesstelle einen (Alternativ-) Auftrag, um nachträgliche wasserrechtliche Bewilligung der gegenständlichen Anlage anzusuchen, so kämen als Bewilligungswerber nur die Beschwerdeführer als Eigentümer der Anlage (oder mit deren Zustimmung ein Dritter) in Betracht.

4. Nach dem Gesagten (oben II.2.) war der in Beschwerde gezogene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 lit. c Z. 2 und 3 VwGG 1965 aufzuheben.

5. Von der Durchführung der von den Beschwerdeführern beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 lit. c VwGG 1965 abgesehen werden.

6. Da bereits in der Hauptsache entschieden wurde, erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

7. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 lit. a und b VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 7. April 1981, BGBl. Nr. 221. Das Mehrbegehren war abzuweisen, da neben dem pauschalierten Ersatz für Schriftsatzaufwand eine gesonderte Vergütung von Umsatzsteuer im Gesetz nicht vorgesehen ist.

Wien, am 18. September 1984

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