VwGH 83/05/0180

VwGH83/05/018015.5.1984

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Straßmann und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Würth, Dr. Degischer und Dr. Domittner als Richter, im Beisein des Schriftführers Richter Mag. Dr. Walter, über die Beschwerde des Ing. WA in W, vertreten durch Dr. Heinrich Nesvadba, Rechtsanwalt in Wien VI, Königsklostergasse 7/6, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 31. August 1983, GZ. MDR-B XIII-9/83, betreffend Versagung eines Bauvorhabens durch die Berufungsbehörde (mitbeteiligte Parteien 1. GB in W, 2. CH in L, vertreten durch den Erstmitbeteiligten), nach der am 15. Mai 1984 durchgeführten Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der beschwerdeführenden Partei, Rechtsanwalt Dr. Heinrich Nesvadba, und der Vertreterin der belangten Behörde, Magistratsrat Dr. Ilona Giendl, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §26 Abs1;
AVG §31;
AVG §63 Abs3;
AVG §63 Abs5;
BauO Wr §63 Abs1 litc idF 1976/018;
BauO Wr §63 Abs1;
BauRallg impl;
AVG §26 Abs1;
AVG §31;
AVG §63 Abs3;
AVG §63 Abs5;
BauO Wr §63 Abs1 litc idF 1976/018;
BauO Wr §63 Abs1;
BauRallg impl;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 5.100,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 16. Juli 1980 hatte die W-Gesellschaft mbH, vertreten durch den Beschwerdeführer, beim Wiener Magistrat um die Erteilung der Baubewilligung für den Ausbau des Dachgeschosses des Hauses Wien 13, X-straße 22, angesucht. Diesem Ansuchen war eine Vollmacht der Mitbeteiligten als Miteigentümer der Liegenschaft an den Beschwerdeführer angeschlossen, welche ihrer Textierung nach eine Vertretung für "alle zur Errichtung des Gebäudes X-straße 22 EZ. nn, KG. Hietzing, 2. Baufluchtlinie notwendigen Schritte und Eingaben bei Behörden" zum Gegenstand hatte. Zu der Bauverhandlung vom 4. November 1980 waren die Mitbeteiligten nicht geladen worden und bei dieser Verhandlung trat der Beschwerdeführer als Bauwerber auf. Mit dem das Baubewilligungsverfahren abschließenden Bescheid des Magistrates vom 9. Juni 1981 wurde dem Beschwerdeführer die baubehördliche Bewilligung zum Einbau zweier Geschosse im Dachboden sowie weiterer Baumaßnahmen erteilt. Dieser Bescheid erging auch an die Mitbeteiligten, jedoch zu Handen des Beschwerdeführers.

Mit Eingabe vom 29. November 1982 erhob der Erstmitbeteiligte im eigenen Namen und im Namen der Zweitmitbeteiligten "Einspruch" gegen den Baubewilligungsbescheid. Im wesentlichen wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer habe versucht, die Mitbeteiligten mittels Vollmachten zu vertreten, die nicht ausgereicht hätten, sie in dem durchgeführten Verfahren zu vertreten. Die Vollmachten hätten nur die Baufluchtlinie für die Errichtung eines Neubaues betroffen. Der Beschwerdeführer habe keine anderen Vollmachten von den Mitbeteiligten erhalten und sie hätten nicht all dem zugestimmt, was er vorgeschlagen habe. Erst am 11. November 1982 habe der Erstmitbeteiligte eine Kopie (Teilkopie) des Bescheides erhalten, so daß dieser ihnen gegenüber nie rechtskräftig geworden sei.

Zu dieser Berufung führte der Beschwerdeführer über Aufforderung der Magistratsdirektion - Rechtsmittelbüro in einer Äußerung vom 4. April 1983 aus, die Vollmachten seien für die Neubauangelegenheiten X-straße 22 ausgestellt und der Erstmitbeteiligte sei sowohl von den Verhandlungen als auch den Baubescheiden unterrichtet worden. Nunmehr sei durch eine Angestellte auf Verlangen nochmals eine Kopie "den Stellplatz betreffend" gegeben worden. Nach Darlegung von Streitigkeiten mit dem Erstmitbeteiligten vertrat der Beschwerdeführer die Auffassung, daß zum heutigen Zeitpunkt eine Berufung gegen den Bescheid nicht möglich sei. Insbesondere verwies der Beschwerdeführer darauf, daß ihm auf Grund eines Vertrages das Recht zum Ausbau des Dachbodens zustehe.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 31. August 1983 gab die Bauoberbehörde für Wien der Berufung der Mitbeteiligten Folge und änderte den erstinstanzlichen Bescheid dahingehend ab, daß das Bauvorhaben versagt wurde. Begründend führte die Berufungsbehörde aus, aus den der Behörde vorgelegten Vollmachten hätte nicht das Recht des Beschwerdeführers abgeleitet werden können, die Mitbeteiligten im gegenständlichen Baubewilligungsverfahren zu vertreten. Sei aber der Beschwerdeführer zur Vertretung der Mitbeteiligten nicht berechtigt gewesen, dann sei die an sie zu seinen Handen erfolgte Zustellung des angefochtenen Bescheides wirkungslos geblieben. Mangels Zustellung an die Mitbeteiligten hätte für diese die Rechtsmittelfrist nicht zu laufen begonnen, so daß ihre Berufung keinesfalls verspätet eingebracht worden sei. Aus der Berufung ergebe sich aber, daß die Zustimmung der Grundmiteigentümer zu dem Bauvorhaben zumindest derzeit nicht gegeben sei. Ob sie jemals zu einem früheren Zeitpunkt vorgelegen sei, sei für den Ausgang des Verfahrens unerheblich. Fehle aber die Zustimmung von Grundmiteigentümern, dann könne die Baubewilligung weder gemäß § 70 BO, noch auf bestimmte Zeit oder auf Widerruf gemäß § 71 BO erteilt werden. Der angefochtene Bescheid sei daher in eine Versagung der Bewilligung abzuändern gewesen. Bemerkt wurde noch, daß die Baubehörde nicht die Aufgabe habe, der Frage nachzugehen, ob die Mitbeteiligten allenfalls auf Grund irgendwelcher Vereinbarungen verpflichtet gewesen wären, dem Bauvorhaben des Beschwerdeführers zuzustimmen. Sollte dieser der Meinung sein, daß die Grundmiteigentümer vertraglich verpflichtet seien, seiner Bauführung zuzustimmen, so müßte er versuchen, die ausdrückliche Zustimmung durch eine gerichtliche Entscheidung zu ersetzen. Diese könnte dann als Beleg für ein allfälliges neuerliches Bauansuchen verwendet werden.

In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt der Beschwerdeführer, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Er erachtet sich in seinen Rechten auf Vornahme von baulichen Veränderungen auf der genannten Liegenschaft insofern verletzt, als ihm zu Unrecht die bereits erteilte Baubewilligung versagt und eine verspätete und unzulässigerweise erhobene Berufung nicht zurückgewiesen, sondern dieser Folge gegeben worden sei.

Über diese Beschwerde sowie über die von der belangten Behörde und den Mitbeteiligten erstatteten Gegenschriften hat der Verwaltungsgerichtshof nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung erwogen:

Nach § 63 Abs. 1 lit. c der Bauordnung für Wien, in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 18/1976, hat der Bauwerber dem Ansuchen um Baubewilligung die Zustimmung des Eigentümers (aller Miteigentümer) anzuschließen, wenn er nicht selbst Eigentümer oder nur Miteigentümer der Liegenschaft ist. Im Beschwerdefall hat nun der Beschwerdeführer eine solche Zustimmung der Mitbeteiligten als Beleg dem Ansuchen um Baubewilligung nicht angeschlossen; er hat hingegen eine Vollmacht der Miteigentümer an ihn vorgelegt, welche ihn aber nicht zu einer Bauführung betreffend den Ausbau des Dachgeschosses ermächtigte, wie dem in der Sachverhaltsdarstellung wiedergegebenen Wortlaut der Vollmacht entnommen werden kann. Bei einer solchen Situation hätte die Baubehörde erster Instanz dem Beschwerdeführer nicht die von ihm angestrebte baubehördliche Bewilligung erteilen dürfen, hat er doch die nach dem Gesetz erforderliche Zustimmung seiner Miteigentümer nicht nachgewiesen. Wenn daher die Mitbeteiligten als Miteigentümer, nachdem ihnen der Bescheidinhalt bekannt wurde, gegen diesen Bescheid Berufung erhoben haben, dann kann nicht davon ausgegangen werden, daß sich diese Berufung als verspätet oder unzulässig erweist, kam doch den Mitbeteiligten als übergangenen Parteien des baubehördlichen Bewilligungsverfahrens ein Rechtsanspruch auf Zustellung des Baubewilligungsbescheides und Erhebung der Berufung zu (vgl. Hauer - Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, S. 135 f und die dort zitierte Rechtsprechung). Selbst dann, wenn der Beschwerdeführer, wie er in der Beschwerde behauptet, den Mitbeteiligten zu einem früheren Zeitpunkt tatsächlich den erstinstanzlichen Bescheid übermittelt hätte, wäre in einer solchen Übermittlung nicht eine Zustellung des Bescheides durch die Behörde zu erblicken gewesen; Empfänger des Bescheides laut Zustellverfügung war ausschließlich der Beschwerdeführer und diesem ist der Bescheid zugekommen, sodaß ein Anwendungsfall des § 31 AVG 1950 nicht in Betracht kam (vgl. den Beschluß eines verstärkten Senates vom 17. Dezember 1980, Slg. N. F. Nr. 10.327/A, zum Begriff des Empfängers). Die Berufung konnte im Sinne der Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. Mai 1970, Slg. N. F. Nr. 7790 /A, auch vor Zustellung des Bescheides erhoben werden.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag auch nicht die Auffassung des Beschwerdeführers zu teilen, daß im Schweigen der Mitbeteiligten nach einer allfälligen Kenntnis des jeweiligen Verfahrensstandes die Zustimmung zur "Baudurchführung" zu erblicken sei, fordert doch § 63 Abs. 1 der Bauordnung für Wien audrücklich den Nachweis der Zustimmung aller Miteigentümer, so daß ein allfälliges konkludentes Verhalten nicht ausreicht; der Nachweis muß nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes "liquid" sein, so zwar, daß jeder Zweifel ausgeschlossen ist (Erkenntnis vom 16. Dezember 1948, Slg. N. F. Nr. 633/A, u. a.).

Der Verwaltungsgerichtshof pflichtet der belangten Behörde weiters darin bei, daß die Berufung der Mitbeteiligten hinlänglich erkennen läßt, sie hätten dem Beschwerdeführer keine Vollmacht zur angestrebten Baubewilligung erteilt und auch dieser Bauführung nicht zugestimmt. Entgegen dem Beschwerdevorbringen bedurfte es daher keines Verfahrens, um zu klären, was die Mitbeteiligten eigentlich mit ihrer Berufung beabsichtigten. Auch der Hinweis auf eine vertragliche Vereinbarung mit den Mitbeteiligten kann die nach der Bauordnung für Wien erforderliche Zustimmung nicht ersetzen. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, daß dann, wenn die Zustimmung zur Bauführung im Zeitpunkt der Einbringung des Bauansuchens überhaupt nicht vorgelegen oder später weggefallen ist, die Zustimmung des Miteigentümers zu einer Voraussetzung für die aufrechte Erledigung des Bauansuchens wird, die auch im Zeitpunkt der Erteilung der Baubewilligung gegeben sein muß (vgl. etwa VwSlg. Nr. 4894/A u. a.). Bei dieser Situation war es nicht mehr entscheidend, ob im Rahmen der vorliegenden Berufung eine allenfalls vorher erteilte Zustimmung noch zurückgezogen werden konnte.

Soweit aber der Beschwerdeführer behauptet, die Berufung der Mitbeteiligten wäre schon deshalb zurückzuweisen gewesen, weil sie keinen Antrag auf Abänderung oder Aufhebung des Bescheides enthält, übersieht er, daß eine solche formelle Antragstellung nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht erforderlich ist, wenn die Berufung wenigstens erkennen läßt, was hier angestrebt wird und womit die Partei ihren Rechtsstandpunkt vertreten zu können glaubt (vgl. etwa das Erkenntnis vom 15. Februar 1978, Zl. 67/78; auf Art. 14 Abs. 4 Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, wird hingewiesen). Auch der Verfassungsgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, daß bei der Auslegung des Merkmales eines begründeten Berufungsantrages kein strenger Maßstab angelegt werden soll (vgl. etwa das Erkenntnis vom 23. März 1962, Slg. Nr. 4153).

Auf Grund der dargelegten Erwägungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 abzuweisen war.

Bei dieser Sachlage und Rechtslage erübrigte sich eine Entscheidung über den Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die Bestimmungen der §§ 47 ff VwGG 1965 sowie die Verordnung BGBl. Nr. 221/1981.

Wien, am 15. Mai 1984

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