Normen
BDG 1979 §105;
BDG 1979 §112 Abs1;
BDG 1979 §112 Abs3;
BDG 1979 §123 Abs1;
BSchulAufsG §7 Abs1 Satz2;
BSchulAufsG §8 Abs10;
BSchulAufsG §9 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
BDG 1979 §105;
BDG 1979 §112 Abs1;
BDG 1979 §112 Abs3;
BDG 1979 §123 Abs1;
BSchulAufsG §7 Abs1 Satz2;
BSchulAufsG §8 Abs10;
BSchulAufsG §9 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Landesschulrat für Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.160,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Bis zu seiner vorläufigen Suspendierung verrichtete er Dienst als Direktor an der Bundesfachschule X in Y.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer wegen des Verdachtes der Verletzung des Ansehens der Schule und wegen des Verdachtes der Gefährdung wesentlicher Interessen des Dienstes mit sofortiger Wirkung gemäß § 112 Abs. 1 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes, BGBl. Nr. 333/1979, (BDG 1979) in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 137/1983, vorläufig suspendiert.
Nach der Begründung des angefochtenen Bescheides gehe aus mehreren schriftlichen und mündlichen Berichten der Verdacht hervor, dass der Beschwerdeführer nicht in der Lage sei, seine Aufgaben ohne Verletzung des Ansehens der Schule und ohne Gefährdung wesentlicher Interessen des Dienstes zu erfüllen. Der Beschwerdeführer sei am 5. April 1983 in den Dienst zurückgekehrt. Seither seien massive Beschwerden der Elternschaft, von Mitgliedern des Lehrkörpers und Mitgliedern der Personalvertretung sowie sämtlicher Bürgermeister des Zillertales eingelangt, die auf ein völlig gestörtes Verhältnis des Beschwerdeführers gegenüber dem größeren Teil des Lehrkörpers und der Elternschaft sowie auf ein unzumutbares Arbeitsklima schließen ließen. Dem Beschwerdeführer gelinge es nicht, seine Rolle als Leiter der Schule und Berater der Lehrer zu erfüllen, es würden lautstarke Beanstandungen der Lehrer in geringfügigen Angelegenheiten gemeldet, in einem Falle sei angeblich ein Lehrer (zugleich Personalvertreter) in Hörweite der Schüler abgekanzelt worden, in einem anderen Falle sei unnotwendigerweise ein Gendarmeriebeamter in die Schule geholt worden, um die frühere provisorische Leiterin der Schule einzuvernehmen, obwohl die Angelegenheit auch auf schriftlichem Wege oder außerhalb der Schule hätte geklärt werden können. Weisungen in barschem Befehlston sollten verhindern, dass ein Vertrauensverhältnis aufkomme. In einer anderen Beschwerde werde gemeldet, dass der Beschwerdeführer seine Aufgaben als Direktor vernachlässige, indem er sich nicht rechtzeitig um die Organisation der Abschlussprüfung kümmere und Lehrer sowie Schüler nicht rechtzeitig über Stundenplanänderungen informiere. Die Summe der seit 5. April 1983 eingetretenen Fehlleistungen habe zu einer so großen Verunsicherung von Mitgliedern des Lehrkörpers geführt, dass zehn Lehrer um Versetzung angesucht hätten. Der Schülerstreik am 8. April 1983, die Resolution der Bürgermeister und Regionalbeiräte, die Unterschriften von 68 Eltern und eine Resolution des Landesverbandes der Elternvereine an mittleren und höheren Schulen Tirols zeugten dafür, dass öffentliche Interessen akut gefährdet seien und an den Schülern schwerer pädagogischer Schaden drohe, wenn der gegenwärtige Zustand nicht eine radikale Änderung erfahre. Die belangte Behörde sei daher gezwungen gewesen, zur Wahrung des Ansehens der Schule und der Lehrerschaft sowie zum Schutz öffentlicher Interessen die vorläufige Suspendierung zu verfügen, da unter den gegebenen Umständen die Ziele des § 2 des Schulorganisationsgesetzes nicht erfüllt werden könnten.
Unterschrieben ist der angefochtene Bescheid vom Amtsführenden Präsidenten des Landesschulrates für Tirol.
Dagegen wendet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde, Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Nach dem Beschwerdevorbringen sei gegen den Beschwerdeführer am 5. Juni 1981 ein Disziplinarverfahren eingeleitet worden. Da bislang in dieser Disziplinarsache keine Entscheidung der Disziplinarkommission ergangen sei, habe der Beschwerdeführer am 3. Mai 1983 einen Antrag auf Übergang der Entscheidungspflicht gestellt. Am 16. Februar 1982 sei die Suspendierung des Beschwerdeführers durch die belangte Behörde ausgesprochen worden. Mit dem Disziplinarerkenntnis der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom 10. März 1983 sei diese Suspendierung aufgehoben worden. Der Beschwerdeführer habe sodann den Dienst an seiner Schule ordnungsgemäß nach Ablauf einer über 13-monatigen Suspendierung wieder angetreten. Durch den nunmehr angefochtenen Bescheid sei der Beschwerdeführer in seinem Recht darauf verletzt worden, dass nach der gegebenen Sach- und Rechtslage keine vorläufige Suspendierung und schon gar nicht durch die belangte Behörde verhängt werde. Die Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde sei in zweierlei Hinsicht gegeben. Erstens sei der Antrag auf Übergang der Entscheidungspflicht am 4. Mai 1983 nachweislich bei der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt eingelangt. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 112 Abs. 3 letzter Satz BDG 1979 sei bei Anhängigkeit eines Disziplinarverfahrens bei der Disziplinaroberkommission von dieser eine allfällige Suspendierung zu verfügen. Zweitens sei nicht bekannt, ob der vom Amtsführenden Präsidenten des Landesschulrates für Tirol unterschriebene angefochtene Bescheid vom Kollegium des Landesschulrates für Tirol beschlossen worden sei. Unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bringt der Beschwerdeführer vor, dass sich der angefochtene Bescheid in erster Linie auf Zeitungsmeldungen und dort enthaltene Ankündigungen sowie Drohungen, ferner auf unbewiesene Behauptungen und Gerüchte, die keinerlei aktenmäßigen Niederschlag gefunden hätten, stütze. Es seien keinerlei ernstliche Ermittlungen auch nur vorläufiger Art in der Richtung unternommen worden, ob die angeblichen Verfehlungen vom Beschwerdeführer tatsächlich gesetzt worden seien. Der angefochtene Bescheid stütze sich vielmehr auf Vermutungen und Wünsche einiger Personen. Dass die belangte Behörde bei Einhaltung auch nur weniger wesentlicher Verfahrensgrundsätze - wie jenen - des rechtlichen Gehörs - zu einem anderen Bescheid hätte kommen müssen, ergebe sich aus der in der Beschwerde vorgebrachten Tatsachenlage. Da im gegenständlichen Fall keinerlei Verfahren durchgeführt, keinerlei Überprüfung zu Gunsten des Beschwerdeführers vorgenommen und ihm kein wie immer geartetes Recht einer Stellungnahme eingeräumt worden sei, seien grundsätzliche Verfahrensvorschriften verletzt worden. Als inhaltlich rechtswidrig betrachte der Beschwerdeführer die vorläufige Suspendierung deswegen, da nach einhelliger Rechtsprechung diese Maßnahme nur bei schwer wiegenden Dienstpflichtverletzungen anzuwenden sei und im Gesetzestext eine Gewichtung schon insofern vorgenommen werde, als im § 112 Abs. 1 BDG 1979 die Verhängung der Untersuchungshaft vorrangig angeführt werde. Bei den im angefochtenen Bescheid dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Verfehlungen handle es sich um solche Umstände, die in vergleichbaren Fällen nicht einmal zur Einleitung eines Disziplinarverfahrens führten, weil die meisten überhaupt nicht disziplinär seien. Der Beschwerdeführer habe pflichtgemäß seinen Dienst als Direktor versehen. Der Schülerstreik, die Resolutionen und ähnliches hätten sich nicht nur gegen den Beschwerdeführer, sondern auch gegen die Schulbehörde gerichtet. In Wirklichkeit würden dem Beschwerdeführer Verhaltensweisen zur Last gelegt werden, die andere Menschen gesetzt hätten. Gemäß § 112 Abs. 1 BDG 1979 werde eine vorläufige Suspendierung nur dann zugelassen, wenn wegen der Art der dem Beamten zur Last gelegten Dienstpflichtverletzungen das Ansehen des Amtes oder wesentliche Interessen des Dienstes gefährdet erschienen. Im vorliegenden Fall werde aber davon ausgegangen, dass das Verbleiben des Beschwerdeführers politisch unerwünscht sei. Offenbar habe die belangte Behörde bei Erlassung des angefochtenen Bescheides in Missachtung sämtlicher Rechtsvorschriften dem öffentlichen Druck nachgegeben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 112 Abs. 1 BDG 1979, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 137/1983, hat die Dienstbehörde die vorläufige Suspendierung zu verfügen, wenn über den Beamten die Untersuchungshaft verhängt oder durch die Belassung des Beamten im Dienst wegen der Art der ihm zur Last gelegten Dienstpflichtverletzungen das Ansehen des Amtes oder wesentliche Interessen des Dienstes gefährdet würden.
Nach § 112 Abs. 3 letzter Satz BDG 1979 hat jedoch die Disziplinarkommission (Disziplinaroberkommission) bei Vorliegen der im Abs. 1 genannten Voraussetzungen die Suspendierung zu verfügen, wenn bei diesen Disziplinarbehörden ein Disziplinarverfahren bereits anhängig ist.
Eine von der Dienstbehörde gemäß § 112 Abs. 1 BDG 1979 verfügte vorläufige Suspendierung ist im Verwaltungsrechtszug nicht anfechtbar, weshalb eine Erschöpfung des Instanzenzuges im Sinne des Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG vorliegt.
Die Zuständigkeit, die vorläufige Suspendierung zu verfügen, ist entsprechend den angeführten Bestimmungen des BDG 1979 für die Dienstbehörde nur solange gegeben, als nicht über dieselbe Sache ein bestimmtes Disziplinarverfahren bei der Disziplinarkommission (Disziplinaroberkommission) anhängig ist.
Die im angefochtenen Bescheid verfügte vorläufige Verfügung erfolge nach dessen Begründung ausschließlich wegen der seit der Rückkehr in den Dienst am 5. April 1983 "eingetretenen Fehlleistungen". Darauf bezieht sich jedoch nach der Aktenlage das bereits anhängige Disziplinarverfahren nicht. Der Beschwerdeführer behauptet auch nicht, wegen der ihm in der Begründung des angefochtenen Bescheides vorgeworfenen Tathandlungen sei bei der Disziplinarkommission eine Disziplinaranzeige bereits gemäß § 123 Abs. 1 BDG 1979 eingelangt und daher im Sinne des § 112 Abs. 3 letzter Satz BDG 1979 anhängig. Deshalb war die Dienstbehörde zur gegenständlichen vorläufigen Suspendierung zuständig.
Diese Zuständigkeit der Dienstbehörde ergibt sich andererseits aus deren disziplinarrechtlichen Zuständigkeiten gemäß § 97 BDG 1979. Die Dienstbehörde hat hiebei nach § 105 BDG 1979 in Anwendung des AVG 1950 einen Bescheid zu erlassen, wie dies auch aus dem Wort "verfügen" im § 112 Abs. 1 BDG 1979 zu entnehmen ist.
Für den Beschwerdeführer ist somit die Dienstbehörde der Landesschulrat für Tirol.
Entsprechend dem § 7 Abs. 1 zweiter Satz 2. Halbsatz des Bundes-Schulaufsichtsgesetzes obliegt dem Präsidenten des Landesschulrates die Erledigung aller jener Angelegenheiten, die nicht der kollegialen Beschlussfassung vorbehalten sind.
Gemäß § 8 Abs. 10 des Bundes-Schulaufsichtsgesetzes kann die Ausführungsgesetzgebung vorsehen, dass der Präsident des Landesschulrates auf Vorschlag des Kollegiums des Landesschulrates einen Amtsführenden Präsidenten zu bestellen hat.
Nach § 9 Abs. 1 des Bundes-Schulaufsichtsgesetzes unterliegen der Beratung und Beschlussfassung durch das Kollegium des Landesschulrates die Erlassung von Verordnungen und allgemeinen Weisungen, die Bestellung von Funktionären, die Erstattung von Ernennungsvorschlägen und die Erstattung von Gutachten zu Gesetz- und Verordnungsentwürfen sowie jene Angelegenheiten, bezüglich deren eine kollegiale Beschlussfassung sonst gesetzlich vorgesehen ist.
Unter den in der zuletzt angeführten Bestimmung des Bundes-Schulaufsichtsgesetzes ausdrücklich angeführten Aufgaben des Kollegiums des Landesschulrates sind die Feststellungen und Verfügungen in Disziplinarangelegenheiten nicht enthalten. Im BDG 1979 ist eine kollegiale Beschlussfassung des Kollegiums des Landesschulrates nicht vorgesehen, wie dies z. B. im § 165 Abs. 6 erster Satz BDG 1979 der Fall ist. Somit oblag die angefochtene bescheidmäßige Verfügung der vorläufigen Suspendierung des Beschwerdeführers dem Präsidenten bzw. dem bestellten Amtsführenden Präsidenten des Landesschulrates für Tirol, der auch unterschrieben hat.
Aus den angeführten Erwägungen sind die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Rechtswidrigkeiten infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde nicht gegeben.
In der Sache selbst ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei der vorläufigen Suspendierung durch die Dienstbehörde gemäß § 112 Abs. 1 BDG 1979 zwar um eine Art vorläufiges Verfahren handelt, in dem Entscheidungen im Verdachtsbereich und keine endgültigen Lösungen zu treffen sind. Der Verdacht der Begehung einer Dienstpflichtverletzung ist bereits ausreichend, um die vorläufige Suspendierung zu verfügen. Die in der Bescheidbegründung aufzuzeigenden Verdachtsmomente müssen aber eine Überprüfung der Einordnung des dem Beamten vorgeworfenen Verhaltens als Dienstpflichtverletzung ermöglichen.
Aus der Begründung des angefochtenen Bescheides ist nicht zu ersehen, welche Dienstpflichtverletzungen dem Beschwerdeführer zur Last gelegt werden. Die belangte Behörde führt nur den Verdacht der Gefährdung des Ansehens der Schule und wesentlicher Interessen des Dienstes aus, nicht aber den Verdacht der Begehung von konkreten Dienstpflichtverletzungen. Die im angefochtenen Bescheid behaupteten Handlungen des Beschwerdeführers sind im Sinne des § 112 Abs. 1 BDG 1979 enthaltenen Tatbestandsmerkmales, nämlich der Art der dem Beamten zur Last gelegten Dienstpflichtverletzungen, für eine Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof nicht ausreichend verdeutlicht.
Aus diesem Grund wurde die gemäß § 105 BDG 1979 anzuwendende Verfahrensvorschrift des § 60 AVG 1950 über die gesetzlichen Erfordernisse für die Bescheidbegründung außer acht gelassen, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid als dem angefochtenen hätte kommen können. Dieser war deshalb gemäß § 42 Abs. 2 lit. c Z. 3 VwGG 1965 aufzuheben.
Damit erübrigte sich eine Entscheidung über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung .
Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf das diesbezügliche Begehren des Beschwerdeführers in Zusammenhalt mit den § 47 ff VwGG 1965 und der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 221/1981.
Wien, am 29. Juni 1983
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