VwGH 83/04/0125

VwGH83/04/012530.9.1983

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Baumgartner, Dr. Griesmacher, Dr. Weiss und Dr. Stoll als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Unfried, über die Beschwerde des J P in W, vertreten durch Dr. Wilhelm Klade in Wien I, Spiegelgasse 2, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 25. März 1983, Zl. MA 63 - P 30/80/Str., betreffend Übertretung der Betriebsordnung für den nicht linienmäßigen Personenverkehr sowie gegen den Landeshauptmann von Wien wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in derselben Angelegenheit, zu Recht erkannt:

  

Normen

AVG §13 Abs3;
AVG §59 Abs1;
AVG §60;
AVG §66 Abs4;
VStG §45;
VStG §49 Abs1;
VwGG §27;
VwGG §34 Abs1;
AVG §13 Abs3;
AVG §59 Abs1;
AVG §60;
AVG §66 Abs4;
VStG §45;
VStG §49 Abs1;
VwGG §27;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

I) Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.360,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

II) Die Säumnisbeschwerde wird zurückgewiesen.

  

Begründung

Mit Strafverfügung der Bundespolizeidirektion Wien vom 23. April 1980 wurde der Beschwerdeführer einer Übertretung der Betriebsordnung für den nicht linienmäßigen Personenverkehr für schuldig erkannt und über ihn eine Geldstrafe verhängt. Dagegen erhob der Beschwerdeführer persönlich rechtzeitig Einspruch, ohne diesen jedoch zu unterfertigen. Mit 9. Mai 1980 erließ die Bundespolizeidirektion Wien in der Folge ein Straferkenntnis mit gleichlautendem Inhalt wie die erwähnte Strafverfügung, wogegen der Beschwerdeführer, vertreten durch einen Rechtsanwalt, rechtzeitig Berufung erhob.

Im Zuge des Berufungsverfahrens wurde der Vertreter des Beschwerdeführers gemäß § 13 Abs. 3 AVG 1950 aufgefordert, den erwähnten Einspruch namens seines Mandanten zu unterfertigen. Der Vertreter kam dieser Aufforderung insoweit nach, als er den Einspruch unterfertigt rückmittelte, jedoch den Zusatz anfügte "Da der Einspruch nicht von Dr. Klage verfaßt wurde, kann dieser auch nur hinsichtlich der Tatsache, daß Einspruch verfaßt wurde, unterzeichnet werden."

Mit Bescheid vom 25. März 1983 behob der Landeshauptmann von Wien auf Grund der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien vom 9. Mai 1980. Die Einstellung des Verfahrens wurde nicht verfügt. Begründend wurde zu diesem Bescheid im wesentlichen ausgeführt, da sich der Vertreter des Beschwerdeführers nicht mit dem Inhalt des Einspruches identifiziert habe, ersetze seine Erklärung nicht die fehlende Unterschrift. Es sei somit davon auszugehen, daß die Aufforderung zur nachträglichen Unterfertigung des Einspruches nicht befolgt worden sei. Dieses Versäumnis habe gemäß § 13 Abs. 3 AVG 1950 zur Folge, daß der Einspruch nicht mehr berücksichtigt werde. Damit sei der Einleitung des ordentlichen Verfahrens die Grundlage entzogen, sodaß das Straferkenntnis vom 9. Mai 1980 ersatzlos zu beheben gewesen sei. Dies bedeute jedoch nicht, daß der Beschwerdeführer wegen der ihm angelasteten Tat straffrei bleibe, vielmehr sei die gegen ihn gerichtete Strafverfügung vom 23. April 1980 rechtskräftig geworden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Seinem gesamten Beschwerdevorbringen nach erachtet sich der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid insoweit verletzt, als dadurch die Strafverfügung vom 23. April 1980 von der Behörde erster Instanz nunmehr als rechtskräftig und exekutierbar betrachtet und die entsprechende Verurteilung im Verwaltungsstrafregister in Vormerkung genommen werde.

Weiters erhebt der Beschwerdeführer - im selben Schriftsatz - Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht, weil der Landeshauptmann von Wien über den Antrag des Beschwerdeführers auf Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens nicht entschieden habe.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zur Frage der Zulässigkeit der gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG erhobenen (Bescheid-)Beschwerde ist zu bemerken:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u.a. das Erkenntnis vom 21. April 1977, Slg. Nr. 9304/A) kann nur der, dessen Rechtsstellung eine verschiedene ist, je nach dem, ob der Bescheid einer Verwaltungsbehörde aufrecht bleibt oder aufgehoben wird, eine Verletzung seiner Rechte durch diesen Bescheid behaupten und deshalb vor dem Verwaltungsgerichtshof Beschwerde erheben.

Ausgehend von dieser Rechtsprechung ist die vorliegende Bescheidbeschwerde als zulässig anzusehen. In der oben wiedergegebenen Begründung des angefochtenen Bescheides wurde nämlich zum Ausdruck gebracht, daß der erwähnte Einspruch nicht mehr zu berücksichtigen sei; das bedeute jedoch nicht, daß der Beschwerdeführer wegen der ihm angelasteten Tat straffrei bleibe, vielmehr sei die gegen ihn gerichtete Strafverfügung vom 23. April 1980 rechtskräftig geworden. Da der der materiellen Rechtskraft fähige Abspruch eines Bescheides nicht nur aus dem Spruch des Bescheides allein, sondern aus dem Spruch in Verbindung mit der Begründung besteht, sofern sich aus ihr der von der Behörde maßgebende Sachverhalt - d.h. der als Anknüpfungspunkt für die rechtliche Beurteilung dienende Sachverhalt - ergibt (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. März 1980, Slg. Nr. 10074/A), ist im vorliegenden Beschwerdefall davon auszugehen, daß durch die erwähnten (tragenden) Gründe des angefochtenen Bescheides in Verbindung mit seinem Spruch in einer der materiellen Rechtskraft fähigen Weise über das nunmehrige Bestehen einer Vorstrafe des Beschwerdeführers abgesprochen wurde und dessen Rechtsstellung daher eine verschiedene ist, je nach dem, ob der angefochtene Bescheid aufrecht bleibt oder aufgehoben wird.

Der gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG erhobenen Beschwerde kommt auch Berechtigung zu:

Die belangte Behörde ging in der Begründung des angefochtenen Bescheides davon aus, daß sich der Vertreter des Beschwerdeführers mit dem oben erwähnten Vorbringen anläßlich der nachträglichen Unterfertigung des Einspruches des Beschwerdeführers mit dem Inhalt des Einspruches identifiziert habe. Sie schloß daraus, daß diese Erklärung nicht die fehlende Unterschrift ersetze und somit davon auszugehen sei, daß die (gemäß § 13 Abs. 3 AVG 1950 ergangene) Aufforderung zur nachträglichen Unterfertigung des Einspruches nicht befolgt worden sei. Die belangte Behörde verkannte dabei allerdings schon deshalb die Rechtslage, weil es für die Rechtswirksamkeit eines Einspruches keiner Begründung desselben bedarf (vgl. u.a. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. November 1952, Slg. Nr. 2704/A) und daher insoweit der erwähnten Erklärung des Vertreters des Beschwerdeführers nicht die von der belangten Behörde zugemessene Bedeutung zukommen konnte.

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 221/1981.

Zu der gleichzeitig erhobenen Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch die belangte Behörde ist zu bemerken:

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 25. Mai 1979, Slg. Nr. 9851/A, festgestellt, daß der Berufungswerber auch in einem Verwaltungsstrafverfahren einen Rechtsanspruch auf Erlassung eines Berufungsbescheides hat, dem auf seiten der Verwaltungsstraf(Berufungs)behörde deren Entscheidungspflicht (§ 27 VwGG 1965) gegenübersteht. Mit dem erwähnten Berufungsbescheid der belangten Behörde vom 25. März 1983 wurde das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien vom 9. Mai 1980, gegen welches sich die Berufung des Beschwerdeführers gerichtet hatte, behoben und somit über die Berufung entschieden. Nur insoweit besteht aber die Pflicht der Behörde zur Entscheidung im Strafverfahren.

Solcherart war die Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß § 34 Abs. 1 VwGG 1965 als unzulässig zurückzuweisen.

Wien, am 30. September 1983

  

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