VwGH 82/17/0087

VwGH82/17/008721.10.1983

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Würth, Dr. Hnatek, Dr. Wetzel und Dr. Puck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Füszl, über die Beschwerde der X-Sparkasse in S, vertreten durch Dr. Helmut Renner, Rechtsanwalt in Salzburg, Neutorstraße 61, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Salzburg vom 8. Juni 1982, Zl. 68-GA 6-DWi/1982, betreffend Festsetzung einer Zwangsstrafe, zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art9;
KWG 1979 §23 Abs2;
Rechtsschutz Rechtshilfe Abgabensachen BRD 1955 Art5 Abs1;
VwRallg;
B-VG Art9;
KWG 1979 §23 Abs2;
Rechtsschutz Rechtshilfe Abgabensachen BRD 1955 Art5 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schriftsatz vom 19. September 1980 ersuchte das Finanzamt Salzburg-Stadt als Finanzstrafbehörde erster Instanz die Beschwerdeführerin, für Zwecke eines Finanzstrafverfahrens gegen H L in M, Bundesrepublik Deutschland, verschiedene, ein vom Letztgenannten bei der Beschwerdeführerin - einer Sparkasse - unterhaltenes Konto betreffende Auskünfte zu erteilen. Zur Begründung dieser Anfrage wurde auf ein vom Finanzamt Landshut, Bundesrepublik Deutschland, am 12. September 1980 gestelltes Ersuchen auf Erteilung von Rechtshilfe in Abgabensachen gemäß dem Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Rechtsschutz und Rechtshilfe in Abgabensachen, BGBl. Nr. 249/1955 (in der Folge kurz: Vertrag), hingewiesen. Im Zuge des beim Finanzamt Landshut wegen des Verdachtes vorsätzlicher Finanzvergehen gegen H L anhängigen Finanzstrafverfahrens sei festgestellt worden, dass der Genannte bei der Beschwerdeführerin ein Konto unterhalte. Die Verpflichtung zur Wahrung des Bankgeheimnisses bestehe gemäß § 23 Abs. 2 Kreditwesengesetz-KWG, BGBl. Nr. 63/1979, im vorliegenden Fall wegen des Zusammenhanges mit einem Strafverfahren wegen vorsätzlicher Finanzvergehen nicht. Für den Fall der Verweigerung der Auskunft ohne gesetzlichen Weigerungsgrund wurde der Beschwerdeführerin ebenso wie mit dem späteren Auskunftsersuchen vom 26. September 1980 (worin die ursprünglich bekannt gegebene Kontonummer berichtigt wurde) die Verhängung einer Zwangsstrafe von S 10.000,-- angedroht.

Da die Beschwerdeführerin diesem Auskunftsersuchen unter Hinweis auf die Bestimmungen des KWG nicht entsprach, setzte das Finanzamt nach neuerlicher Androhung die Zwangsstrafe mit Bescheid vom 15. Oktober 1980 unter Hinweis auf § 111 Bundesabgabenordnung -

BAO mit S 10.000,-- fest.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen und der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides dahingehend abgeändert, dass sich die Festsetzung der Zwangsstrafe nunmehr auf § 56 Abs. 2 Finanzstrafgesetz in Verbindung mit § 111 BAO gründet. In der Begründung dieses Bescheides heißt es, dass Art. 5 Abs. 1 des Vertrages nur dahingehend verstanden werden könne, den österreichischen Finanzstrafbehörden stünden bei Erledigung von Amtshilfeersuchen dieselben Befugnisse zu, wie sie in (gleichartigen) Verfahren vor diesen Behörden selbst gegeben wären. Da das Finanzamt Landshut in seinem Rechtshilfeersuchen um Bankauskünfte bei der Beschwerdeführerin ausdrücklich auf das gegen H L eingeleitete Steuerstrafverfahren wegen Verdachtes der Steuerhinterziehung hingewiesen habe und die Steuerhinterziehung nach dem in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Steuerstrafrecht ein bewusstes und gewolltes, somit ein vorsätzliches Handeln, das dem im § 33 Finanzstrafgesetz umschriebenen Tatbestand der vorsätzlichen Abgabenverkürzung entspreche, beinhalte, habe die Beschwerdeführerin zu Unrecht dem Auskunftsersuchen des Finanzamtes Salzburg-Stadt als Finanzstrafbehörde erster Instanz nicht entsprochen. Da die Höhe der Zwangsstrafe im Berufungsweg nicht bekämpft worden sei, seien weitere Ausführungen hiezu entbehrlich.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 56 Abs. 2 Finanzstrafgesetz gelten im verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren für Zwangsstrafen die Vorschriften des § 111 BAO sinngemäß.

Gemäß § 111 Abs. 1 BAO sind die Abgabenbehörden berechtigt, die Befolgung ihrer auf Grund gesetzlicher Befugnisse getroffenen Anordnungen zur Erbringung von Leistungen, die sich wegen ihrer besonderen Beschaffenheit durch einen Dritten nicht bewerkstelligen lassen, durch Verhängung einer Zwangsstrafe zu erzwingen. Gemäß Abs. 2 leg. cit. muss der Verpflichtete, bevor eine Zwangsstrafe festgesetzt wird, unter Androhung der Zwangsstrafe mit Setzung einer angemessenen Frist zur Erbringung der von ihm verlangten Leistung aufgefordert werden. Die Aufforderung und die Androhung müssen schriftlich erfolgen, außer wenn Gefahr im Verzug ist. Gemäß Abs. 3 leg. cit. in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 151/1980 darf die einzelne Zwangsstrafe den Betrag von S 20.000,-- nicht übersteigen.

Gemäß § 99 Abs. 1 Finanzstrafgesetz ist die Finanzstrafbehörde berechtigt, von jedermann Auskunft für Zwecke des Finanzstrafverfahrens zu verlangen. Die Auskunft ist wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu erteilen. Die Verpflichtung zur Auskunftserteilung schließt die Verbindlichkeit in sich, Urkunden und andere Unterlagen, die für das Finanzstrafverfahren von Bedeutung sind, vorzulegen oder die Einsichtnahme in diese zu gestatten. Im übrigen gelten die §§ 102 bis 106 und § 108 sinngemäß.

Gemäß § 23 Abs. 2 Z. 1 KWG besteht die gemäß Abs. 1 leg. cit. verankerte Verpflichtung zur Wahrung des Bankgeheimnisses nicht im Zusammenhang mit gerichtlichen Strafverfahren gegenüber den Strafgerichten und mit Strafverfahren wegen vorsätzlicher Finanzvergehen, ausgenommen Finanzordnungswidrigkeiten, gegenüber den Finanzstrafbehörden.

Gemäß Art. 3 des Vertrages verpflichteten sich die Republik Österreich und die Bundesrepublik Deutschland, einander u. a. im Verwaltungsstrafverfahren auf der Grundlatte der Gegenseitigkeit nach Maßgabe der näheren Bestimmungen des Vertrages Rechtshilfe zu leisten. Gemäß Art. 5 Abs. 1 des Vertrages ist das ersuchte Finanzamt vorbehaltlich bestimmter, hier nicht bedeutsamer Fälle verpflichtet, dem Ersuchen zu entsprechen. Die Art und Weise der Erledigung richtet sich nach den Gesetzen des ersuchten Staates; für das Verfahren sind die Vorschriften anzuwenden, die für die von dem Finanzamt verwalteten Abgaben gelten.

Im vorliegenden Fall steht zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens in Streit, wie die Bestimmung des § 23 Abs. 2 Z. 1 KWG im Verhältnis zu den vorerwähnten Bestimmungen des Vertrages auszulegen ist. Während die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid von der Ansicht ausgeht, die Verpflichtung zur Wahrung des Bankgeheimnisses stehe der von der Beschwerdeführerin geforderten Auskunftsleistung nicht entgegen, auch wenn diese Auskunft nicht für Zwecke eines von einer inländischen Finanzstrafbehörde durchgeführten Strafverfahrens wegen vorsätzlicher Finanzvergehen (ausgenommen Finanzordnungswidrigkeiten), sondern unter sonst gleichen Voraussetzungen für Zwecke einer ausländischen Finanzstrafbehörde dienen soll, vertritt die Beschwerdeführerin die Ansicht, unter den gegebenen Umständen sei sie zur Wahrung des Bankgeheimnisses verpflichtet; die in § 23 Abs. 2 Z. 1 KWG für bestimmte Fälle normierte Durchbrechung des Bankgeheimnisses bloß gegenüber inländischen Behörden werde durch den Vertrag nicht berührt. Das Bankgeheimnis stehe der vereinbarten Rechtshilfe also entgegen. Nach Ansicht der Beschwerdeführerin wurde durch den Vertrag kein unmittelbar anwendbares inländisches Recht geschaffen, sodass unbeschadet der von der Republik Österreich hiedurch völkerrechtlich übernommenen Verpflichtung seit dem Inkrafttreten des KWG keine innerstaatliche Möglichkeit mehr bestehe, in Fällen wie dem vorliegenden Bankauskünfte einzuholen.

Der Ansicht der Beschwerdeführerin, aus den vorzitierten Rechtsvorschriften sei abzuleiten, dass sie im vorliegenden Fall zur Wahrung des Bankgeheimnisses gegenüber der anfragenden Finanzstrafbehörde verpflichtet gewesen sei, vermag sich der Verwaltungsgerichtshof nicht anzuschließen. Zunächst besteht schon kein Anlass anzunehmen, dass die hier maßgeblichen Bestimmungen des Vertrages "non-self-executing" sind; denn es ist nicht erkennbar, inwiefern diese Vertragsbestimmungen zu ihrer Anwendung - etwa auch aus Gründen der sich aus Art. 18 B-VG ergebenden Anforderungen - einer ergänzenden gesetzlichen Regelung bedurft hätten oder auch nur bedürften. Auch steht der vom Nationalrat am 30. März 1955 genehmigte und nach Austausch der Ratifikationsurkunde am 26. November 1955 in Kraft getretene Vertrag nicht unter "Erfüllungsvorbehalt". An der (neben der völkerrechtlichen) auch innerstaatlichen Wirksamkeit des Vertrages kann sohin kein Zweifel bestehen.

Die Verwaltungsinstanzen haben des weiteren aus den vorzitierten Rechtsvorschriften nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes zutreffend darauf geschlossen, dass den österreichischen Finanzstrafbehörden bei Erledigung eines auf diesen Vertrag gestützten Rechtshilfeersuchens die gleichen Befugnisse zustehen wie in Verfahren, die vor diesen inländischen Behörden geführt werden. Denn der im Wortlaut Ausdruck findende Sinn des Vertrages liegt unzweifelhaft darin, die Vertragsstaaten sollten die ihnen zustehenden Hoheitsrechte in den vom Vertrag erfassten Verfahren auch zu Gunsten des Vertragspartners einsetzen. Dies folgt aus der sich aus Art. 5 Abs. 1 des Vertrages ergebenden Verpflichtung, den Rechtshilfeersuchen zu entsprechen, wobei sich die Art und Weise der Erledigung nach den Gesetzen des ersuchten Staates richtet (Transformationsregel). Dem im Beschwerdefall gestellten Auskunftsersuchen durfte die Beschwerdeführerin daher das Bankgeheimnis nicht allein deswegen, weil die Auskunft nicht für ein inländisches, sondern für ein ausländisches Verfahren benötigt wird, entgegenhalten (vgl. in diesem Zusammenhang auch die Ausführungen von Phillipp-Loukota-Pollak, Kommentar zum Internationalen Steuerrecht, 2. Teil, Abschn. 4, Tz 22, wonach das Bankgeheimnis auch bei ausländischen Rechtshilfeersuchen zu beachten ist, dieses Geheimnis aber dann der Rechtshilfeleistung nicht entgegensteht, wenn die Rechtshilfe im Zusammenhang mit einem ausländischen Strafverfahren steht, das den in § 23 Abs. 2 Z.1 KWG genannten inländischen Strafverfahren entspricht).

Für die von der belangten Behörde getroffene Auslegung spricht im übrigen auch die nur hiebei gegebene Völkerrechtskonformität. Im Zweifel, nämlich sofern es ihr Wortlaut nicht verbietet, müssen innerstaatliche Normen so ausgelegt werden, dass sie mit zwischenstaatlichen Verpflichtungen Österreichs nicht in Widerspruch geraten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Februar 1962, Z1. 535/58.).

Wenn die Beschwerdeführerin die Verpflichtung zur Wahrung des Bankgeheimnisses im vorliegenden Fall deswegen als gegeben erachtet, weil die Anschuldigungen gegen ihren Bankkunden nicht ausreichend determiniert worden seien, so vermag auch dieses Vorbringen der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen. In dem an die Beschwerdeführerin gerichteten Auskunftsersuchen vom 19. September 1980 wurde nämlich nicht nur der Name des Beschuldigten und das ihm zur Last gelegte Finanzvergehen (ein vorsätzliches) bezeichnet, sondern auch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Voraussetzungen des § 23 Abs. 2 Z. 1 KWG gegeben sind. Den nach dieser Rechtsvorschrift maßgeblichen Zusammenhang mit einem tatbestandsmäßigen Strafverfahren hat die Beschwerdeführerin auch im Verwaltungsverfahren nicht in Frage gestellt, sondern lediglich bezweifelt, dass eine sich aus dieser Bestimmung ergebende Durchbrechung des Bankgeheimnisses auch zu Gunsten eines in der Bundesrepublik Deutschland durchgeführten gleichartigen Verfahrens wirke.

Im übrigen sei festgehalten, dass im Hinblick auf die das Verfahren betreffende Regelung im Art. 5 Abs. 1 des Vertrages gegenständlich Bedenken an der Zuständigkeit der Verwaltungsinstanzen nicht bestehen. Auch das Vorliegen eines Hindernisses im Sinne des Art. 5 Abs. 2 des Vertrages wurde von der beschwerdeführenden Partei weder behauptet noch ist ein solches für den Gerichtshof erkennbar.

Aus den angeführten Gründen musste die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 316/1976 als unbegründet abgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 7. April 1981, BGBl. Nr. 221.

Wien, am 21. Oktober 1983

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