VwGH 82/07/0156

VwGH82/07/015616.12.1982

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hinterauer und die Hofräte Dr. Salcher, Dr. Hoffmann, Dr. Hnatek und Dr. Fürnsinn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Davy, über die Beschwerde des Dipl.Ing. WL in W, vertreten durch Dr. Heinrich Nesvadba, Rechtsanwalt in Wien VI, Königsklostergasse 7/6, gegen Maßnahmen der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 30. Juni 1982 und vom 16. Juli 1982 betreffend die Entfernung von Fässern, soweit diese Maßnahmen auf das Wasserrechtsgesetz 1959 gestützt wurden,

1.) zu Recht erkannt:

Normen

AVG §56;
AVG §62 Abs2;
B-VG Art131a;
GewO 1973 §360;
WRG 1959 §31 Abs3;
AVG §56;
AVG §62 Abs2;
B-VG Art131a;
GewO 1973 §360;
WRG 1959 §31 Abs3;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen, soweit sie sich gegen den tatsächlich erfolgten Abtransport von 50 Fässern an die Entsorgungsbetriebe in Wien richtet.

2.) den Beschluß gefaßt:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen, soweit sie sich gegen

a) die Sofortmaßnahmen Punkt 1.) bis 3.) laut Niederschrift der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 30. Juni 1982, Zl. 12-B-8272/3,

b) die am "16. 7. 1982 abermals angedrohten gleichlautenden Sofortmaßnahmen", richtet.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer bekämpft mit seiner auf Art. 131a B-VG gegründeten Beschwerde die oben genannten, von der Behörde sowohl auf Wasserrecht als auch auf Gewerberecht gestützten Maßnahmen der Bezirkshauptmannschaft Baden als rechtswidrige Ausübung gegen ihn gerichteter unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwansgewalt mit der Begründung, sämtliche Abfallstoffe seien in völlig dichten Eisenfässern und Keramikbehältern in versperrten Räumen auf einer beaufsichtigten Liegenschaft gelagert gewesen, Gefahr habe daher nicht gedroht, eine Verschmutzung des Grundwassers sei angesichts einer 20 bis 25 m tiefen Lehmschicht völlig unwahrscheinlich gewesen. Der Beschwerdeführer beantragt deshalb den Ausspruch, die bekämpften Maßnahmen seien gesetzwidrig gewesen.

Im Hinblick auf die Geschäftsverteilung des Verwaltungsgerichtshofes wird durch diesen Senat über die Beschwerde entschieden, soweit sich die bekämpften Maßnahmen auf das Wasserrecht stützen.

Die belangte Behörde hat insofern die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Aus der Niederschrift der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 30. Juni 1982, Zl. 12-B-8272/3, und vom 16. Juli 1982, Zl. 12-B- 8272, von welchen der Beschwerdeführer eine Ablichtung bereits seiner Beschwerde angeschlossen hatte, sowie dem in den Verwaltungsakten erliegenden Amtsvermerk der belangten Behörde vom 1. Juli 1982 ist folgender Sachverhalt zu entnehmen:

Die Bezirkshauptmannschaft Baden führte am 30. Juni 1982 in X durch zwei Beamte eine Verhandlung an der Betriebsstätte des Beschwerdeführers, der sich mit der Vernichtung und Verwertung flüssiger und fester Abfallstoffe sowie der Erzeugung chemischer und technischer Produkte und Anstreichmittel unter Ausschluß jeder konzessionspflichtigen Tätigkeit befaßt, durch, an welcher auch der Beschwerdeführer teilnahm. Im Zuge der Verhandlung wurde festgestellt, daß in mehreren Teilen eines ehemaligen Ziegelwerkes vom Beschwerdeführer verschiedene Chemikalien in Fässern auf einem Boden gelagert wurden, der nicht als flüssigkeitsdicht anzusehen sei. 50 Stück 200 l Fässer, welche durchwegs angerostet und deformiert gewesen seien, wurden in einem kleinen Holzriegelbau nördlich des Ziegelofens vorgefunden. Das Dach dieses Raumes, der keine Wände besitzt, wird in der Niederschrift als schadhaft bezeichnet, der Fußboden bestehe aus Betonplatten, die nicht wannenförmig ausgebildet seien und vermutlich auch nicht wasser- und flüssigkeitsdicht seien. Laut Angaben des Beschwerdeführers waren die Fässer mit Trichloräthylen gefüllt. Eines der Fässer hatte laut dem Inhalt der Niederschrift ein Loch, welches durch einen Holzteil dürftig abgedeckt war. Geruch nach chlorierten Kohlenwasserstoffen wurde durch den Amtssachverständigen deutlich wahrgenommen. Laut dem während der Verhandlung erstatteten Gutachten der technischen Amtssachverständigen stellte die beschriebene Lagerung der wassergefährdenden und giftigen Chemikalien eine unmittelbare Gefährdung des Grundwassers und damit für Leben und Gesundheit von Personen dar, weil die Lagerung teilweise in angerosteten und beschädigten, teilweise in offenen Gebinden durchwegs auf nicht flüssigkeitsdichten Flächen erfolge, die Abdeckung der Halle zum Teil mangelhaft sei, sodaß Niederschlagswasser eindringen könne und in unmittelbarer Nähe des Betriebsgeländes sich die Erste Wiener Hochquellenwasser-leitung und ein Versorgungsbrunnen des Wasserleitungsverbandes der Triestingtal- und Südbahngemeinden gelegen sei.

Nach Vorliegen dieses Gutachtens wurde folgende in der auch vom Beschwerdeführer unterfertigten Niederschrift über die Verhandlung festgehaltene Anordnung getroffen:

"Zur Hintanhaltung einer drohenden Gefahr für das Leben und die Gesundheit von Menschen sowie einer Gewässerverunreinigung im Grundwasserbereich werden gemäß § 122 WRG 1959 im Einvernehmen mit der Gewerbebehörde unter Bedachtnahme auf § 360 Abs. 2 Gewerbeordnung 1973 sowie § 31 Abs. 3 WRG 1959 folgende Sofortmaßnahmen angeordnet und sind durch die Fa. DI W. L zu erfüllen.

1.) Das Areal X, G-gasse 3-5, ist von sämtlichen im Sachverhalt beschriebenen Lagerungen unverzüglich zu räumen.

2.) Der Abtransport hat in der Weise zu erfolgen, daß das GPK Leobersdorf beauftragt wird, durch Gendarmeriebegleitung sicherzustellen, daß jede Fahrzeugladung an die Entsorgungsbetriebe Simmering, Wien 11, überstellt wird. Der Empfang ist seitens der Entsorgungsbetriebe unter Angabe der Lagermenge und der Art des Lagergutes schriftlich zu bestätigen. Die Bestätigungen sind der begleitenden Gendarmerie auszuhändigen.

3.) Der Abtransport ist am heutigen Tage, 30.6.1982, ab 20.00 Uhr zu beenden und am 1. 7. 1982 ab 7.00 Uhr früh, weiter durchzuführen. Während dieser Zeit ist das Gelände durch Gendarmerieorgane so abzusichern, daß ein unbefugtes Betreten bzw. Befahren der Liegenschaft auszuschließen ist.

4.) Die Verladung hat ohne Beschädigung der Behälter zu erfolgen. Der Aufenthalt unbefugter Personen während der Verladungsarbeiten ist nicht gestattet.

5.) Die Verladung hat unter den erforderlichen Schutzvorkehrungen und unter Bereitstellung von Bindemitteln zur Beseitigung allfällig ausgetretener Flüssigkeiten zu erfolgen. Die Verladung ist nach Abfallsorten getrennt insbesondere so vorzunehmen, daß Säuren und cyanidhältige Abfälle gesondert abtransportiert werden. Die Fässer sind so sorgfältig handzuhaben, daß eine Beschädigung vermieden wird."

Die 50 Fässer mit Trichloräthylen wurden über Veranlassung der belangten Behörde noch am 30. Juni 1982 den Entsorgungsbetrieben Simmering zum Abtransport übergeben und von diesem abtransportiert.

Am 16. Juli 1982 fand bei der belangten Behörde eine Bürobesprechung zum Gegenstand "konsenslose Ablagerung von Chemikalien im Ziegelwerk N-OHG" statt. Laut dem Inhalt der über diese Verhandlung aufgenommenen Niederschrift der belangten Behörde wurde damals vom Beschwerdeführer die Bereitschaft erklärt, die derzeit gelagerten Chemikalien an die Firma K, Sondermülldeponie in B, Oberösterreich, zu überstellen; außerdem wurde die dabei einzuhaltende Vorgangsweise besprochen. Abschließend gab der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers folgende Erklärung ab:

"Der Rechtsvertreter DI L erklärt, daß die Bereitschaft zum Abtransport unter folgender Maßgabe erklärt wird:

Die Rechtmäßigkeit der behördlichen Vorgangsweise, insbesondere der einstweiligen Verfügungen und Vorkehrungen nach WRG und Gewerbeordnung wird bestritten. Die einstweilige Verfügung nach der Gewerbeordnung ist bereits außer Kraft getreten. Eine abermalige sofortige Maßnahme nach § 360 GewO sowie die Ersatzvornahme wurde angedroht. Zur Kostenminierung und ohne Präjudiz für seinen Rechtsstandpunkt und unter Vorbehalt sämtlicher Rechtsmittel und Rechtsbehelfe ist DI L zum Abtransport bereit."

Bei der Anordnung der Sofortmaßnahmen gemäß Punkt 1.) bis 3.) laut Niederschrift der belangten Behörde vom 30. Juni 1982 handelt es sich um einen Verwaltungsakt, der erkennbar darauf gerichtet ist, normativ eine Angelegenheit des Verwaltungsrechtes in förmlicher Weise zu entscheiden. Der Inhalt und die sprachliche Gestaltung lassen keinen Zweifel daran, daß mit dem Ausspruch von der belangten Behörde beabsichtigt war, gegenüber dem Beschwerdeführer eine individuelle Norm des Inhaltes zu schaffen, daß der Beschwerdeführer verpflichtet sei, die Räumung der bestimmt bezeichneten Liegenschaft von den angeführten Lagerungen auf die ihm vorgeschriebene Weise vorzunehmen. Der Inhalt dieser Entscheidung und die Tatsache, daß die Entscheidung in der Verhandlung verkündet wurde, ist in der Niederschrift über die Verhandlung vom 30. Juni 1982 im Sinne des § 62 Abs. 2 AVG 1950 beurkundet worden. Da sich aus dem Spruch der Erledigung eindeutig ergibt, daß die Behörde einen individuellen Akt der Hoheitsverwaltung gesetzt und dabei normativ eine Angelegenheit des Verwaltungsrechtes entschieden hat, liegt ein Bescheid vor, trotzdem die Erledigung nicht als Bescheid bezeichnet wurde (vgl. den Beschluß eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Dezember 1977, Slg. Nr. 9458/A).

Es handelt sich bei diesem Verwaltungsakt daher nicht um Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt.

Bei der vom Beschwerdeführer behaupteten Androhung einer abermaligen sofortigen Maßnahme nach § 360 GewO sowie der Androhung der Ersatzvornahme am 16. Juli 1982, handelt es sich deshalb nicht um die Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gegen den Beschwerdeführer, weil ein derartiger Akt nur dann vorliegt, wenn es keines dazwischen geschalteten weiteren Handelns mehr bedarf, um den behördlich gewollten Zustand herzustellen (vgl. etwa den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. November 1977, Slg. Nr. 9439/A). Im Wesen der Androhung liegt es, daß die angedrohte Maßnahme selbst noch nicht gesetzt wird, sondern erst beabsichtigt ist (vgl. etwa den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. März 1979, Zlen. 467, 468/79). Die Androhung der Ersatzvornahme stellt keinen Akt der Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt dar (vgl. den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. November 1979, Zlen. 2869, 2870/79).

Die Beschwerde war daher, soweit sie sich gegen die Sofortmaßnahme Punkt 1.) bis 3.) laut Niederschrift vom 30. Juni 1982 und gegen die behauptete Androhung vom 16. Juli 1982 richtet, gemäß § 34 Abs. 1 und Abs. 3 VwGG 1965 in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen, weil den bekämpften Akten die in Art. 131 a B-VG geforderte Qualifikation fehlt.

Die von der belangten Behörde vorgenommene Entfernung der 50 Fässer mit Trichloräthylen aus der Betriebsstätte des Beschwerdeführers stellt einen Akt unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gegenüber dem Beschwerdeführer dar. Soweit sich die Beschwerde gegen diesen Akt richtet, war daher in ihre meritorische Erledigung einzutreten.

Gemäß § 31 Abs. 3 WRG 1959 hat die Wasserrechtsbehörde bei Gefahr im Verzug die zur Vermeidung der Gewässerverunreinigung erforderlichen Maßnahmen unmittelbar anzuordnen und gegen Ersatz der Kosten durch den Verpflichteten nötigenfalls unverzüglich durchführen zu lassen. Bei den in dieser Rechtsvorschrift genannten Maßnahmen handelt es sich um formfreie Verwaltungsakte im Sinne des Art. 131 a B-VG. Sie sind daher dann nicht rechtswidrig, wenn die in der zitierten Gesetzesstelle genannten Voraussetzungen vorliegen. Dies war nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes im Gegenstand der Fall. Die Lagerung von Trichloräthylen in teilweise angerosteten, teilweise löcherigen Fässern in einem Raum, in den Niederschlagswässer eindringen können und in dem der Unterboden nicht mit hinreichender Verläßlichkeit sogleich als dicht festgestellt werden kann, stellt sich in der Nähe einer Hochquellenwasserleitung und eines Brunnens als Fall dar, in dem eine Gewässerverunreinigung droht und Gefahr im Verzuge ist.

Der dieser Beurteilung zugrunde gelegte Sachverhalt ergibt sich aus der Niederschrift der belangten Behörde vom 30. Juni 1982. Der Beschwerdeführer hat nicht behauptet, gegen die Niederschrift Einwendungen im Sinne des § 15 AVG 1950 erhoben zu haben. Einen Gegenbeweis der Unrichtigkeit des in der Niederschrift bezeugten Vorganges hat der Beschwerdeführer ungeachtet seiner Behauptungen in der Beschwerde nicht angeboten. Der Verwaltungsgerichtshof konnte also gemäß § 15 AVG 1950 in Verbindung mit § 62 Abs. 1 VwGG 1965 von dem in der Niederschrift bezeugten Sachverhalt ausgehen.

Die Beschwerde war daher insofern gemäß § 42 Abs. 4 VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen.

Von der Durchführung einer Verhandlung konnte abgesehen werden, weil die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen ließen, daß die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten läßt (§ 39 Abs. 2 lit. f VwGG 1965).

Die Entscheidung über Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 Abs. 1 und Abs. 2 lit. d, 48 Abs. 2, 49 Abs. 2, 52 Abs. 1 VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 7. April 1981, BGBl. Nr. 221.

Wien, am 16. Dezember 1982

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