VwGH 81/15/0119

VwGH81/15/011924.6.1982

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Raschauer und die Hofräte Dr. Seiler, Dr. Großmann, Dr. Schubert und Dr. Wetzel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberrat im Verwaltungsgerichtshof Dr. Feitzinger, über die Beschwerde der AL in H, vertreten durch Dr. Rudolf Tobler, Rechtsanwalt in Neusiedl am See, Untere Hauptstraße 72, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 9. Oktober 1981, Zl. GA

11 - 676/1/81, betreffend Erbschaftssteuer, zu Recht erkannt:

Normen

ErbStG §8 Abs4;
ErbStG §8 Abs5;
ErbStG §8 Abs4;
ErbStG §8 Abs5;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Erblasser FL ist am 21. Oktober 1979 unter Hinterlassung einer letztwilligen Anordnung verstorben. In seinem Testament vom 21. August 1978 hatte er seine geschiedene Gattin, die Beschwerdeführerin, zur Alleinerbin seines Nachlasses eingesetzt, worauf diese auf Grund des erblasserischen Testamentes die bedingte Erbserklärung abgab. Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Neusiedl am See vom 16. November 1979 wurde diese Erbserklärung zu Gericht genommen, das Erbrecht der Beschwerdeführerin für ausgewiesen erkannt und ihr gemäß §§ 810 ABGB, 145 AußStrG die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses eingeräumt. Im Zuge des Verlassenschaftsverfahrens stellte sich die Überschuldung des Nachlasses heraus, sodaß auf Antrag der Beschwerdeführerin mit Beschluß des Bezirksgerichtes Neusiedl am See vom 17. Juni 1980, S 7/80, über die Verlassenschaft nach FL das Konkursverfahren eröffnet wurde. Der Nachlaß, zu dem zwei Liegenschaften zählten, wies unter Berücksichtigung der Einheitswerte der Liegenschaften und nach Abzug der Nachlaßverbindlichkeiten eine Überschuldung auf.

Das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien setzte hierauf mit vorläufigem Bescheid vom 13. November 1980 gemäß § 8 Abs. 5 Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955, BGBl. Nr. 141 (ErbStG), Erbschaftssteuer in Höhe von 2 v.H. des Einheitswertes der Nachlaßliegenschaften fest.

In der dagegen von der Beschwerdeführerin erhobenen Berufung führte die Beschwerdeführerin aus, es würden ihr aus dieser Verlassenschaft keinerlei Vermögenswerte zukommen, weil sich im Konkursverfahren herausgestellt habe, daß der Nachlaß bereits zum Todestag um mehrere Millionen Schilling überschuldet gewesen sei. Schulden in Höhe von über 13 Millionen Schilling stünden, abgesehen von unbedeutendem beweglichem Vermögen, praktisch nur Liegenschaftsvermögen gegenüber. Diese Liegenschaften seien erstrangig mit Hypotheken der Landes-Hypothekenbank Burgenland mit 8,8 Millionen Schilling belastet. Der Versuch, die beiden Liegenschaften bestmöglichst abzuverkaufen und mit dem Verkaufserlös zumindest die Gläubiger befriedigen zu können, sei fehlgeschlagen. Eine Lastenfreistellung mit einem allenfalls zu erzielenden Verkaufserlös sei sohin nicht möglich gewesen, weshalb ein Zwangsversteigerungsverfahren eingeleitet worden sei. Es sei jedoch damit zu rechnen, daß aus dem Meistbot ausschließlich die Pfandgläubigerin und auch nur teilweise befriedigt werden könne, weshalb sie zur Rettung ihrer Pfandrechte die Liegenschaften selbst erwerben werde. Da also bereits derzeit mit Sicherheit angenommen werden könne, daß der Beschwerdeführerin aus der Verlassenschaft kein Groschen zufließe, sei die Vorschreibung der Erbschaftssteuer zu Unrecht erfolgt.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 3. März 1981 wies die Abgabenbehörde erster Instanz die Berufung als unbegründet ab. Die Beschwerdeführerin beantragte daraufhin die Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Mit dem nunmehr mit Beschwerde angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gleichfalls als unbegründet ab. Sie führte zur Begründung im wesentlichen aus, mit Abgabe der Erbserklärung sei der Erwerb durch Erbanfall abgabenrechtlich vollzogen. Dies bewirke den Erwerb des Nachlasses rückwirkend mit dem Todestag des Erblassers. In diesem Zeitpunkt entstehe beim Erwerb von Todes wegen auch die Steuerschuld. Für die Erhebung der Erschaftssteuer seien aber die Verhältnisse im Zeitpunkt des Entstehens der Steuerschuld maßgebend. Wenn einem Erben nach Erbserklärung der Nachlaß oder einzelne Wirtschaftsgüter aus der Erbmasse gleich aus welchem Grunde nicht zukämen, so sei dies für die Erhebung der Erbschaftssteuer unbeachtlich, da der Tatbestand des § 2 Abs. 1 Z. 1 ErbStG bereits vorher verwirklicht werde. Unbestritten hätte die Beschwerdeführerin eine bedingte Erbserklärung abgegeben, sodaß ihr der gesamte Nachlaß angefallen und die Steuerschuld am Todestag des Erblassers entstanden sei. Die Ermittlung der Bemessungsgrundlage unter Beachtung der Bestimmungen des § 20 ErbStG und unter Berücksichtigung der Einheitswerte der Grundstücke, ergäbe im vorliegenden Fall eine Überschuldung des Nachlasses, sodaß eine Erbschaftssteuer nach § 8 Abs. 1 ErbStG nicht zu erheben sei. Bei Zuwendungen von Grundstücken würde sich jedoch gemäß § 8 Abs. 4 ErbStG die nach den Abs. 1 und 2 oder nach dem Abs. 3 ergebende Steuer bei nicht unter Abs. 4 lit. a genannten Personen um 2 v.H. des Wertes der erworbenen Grundstücke erhöhen, wobei die sich nach den Absätzen 1, 2 und 4 oder nach den Absätzen 3 und 4 ergebende Steuer gemäß § 8 Abs. 5 ErbStG im Falle des Absatzes 4 lit. b nicht weniger als 2 v.H. des Einheitswertes der erworbenen Grundstücke betragen darf.

Daraus folge, daß die sich nach § 8 Abs. 4 ErbStG ergebende Steuer auf jeden Fall zu erheben sei, ungeachtet des Umstandes, daß die Verlassenschaft überschuldet sei oder daß nach Abzug des Freibetrages gemäß § 14 ErbStG keine Steuer nach § 8 Abs. 1 ErbStG zu erheben sei. Die Vorschreibung der Erbschaftssteuer sei dem Grunde und der Höhe nach zu Recht erfolgt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. In ihrer Beschwerde wies die Beschwerdeführerin zunächst darauf hin, daß sämtliche Liegenschaften des Nachlasses von der Landes-Hypothekenbank Burgenland - wie von vornherein festgestanden sei -, mit Beschluß des Bezirksgerichtes Neusiedl am See vom 8. Juli 1981 durch Zuschlag im Zwangsversteigerungsverfahren zum geringsten Gebot (um ca. S 7,500.000,--) erworben worden seien. Diese Tatsache hätte von der belangten Behörde durch Einsicht in den Konkursakt festgestellt werden können und hätte sich daraus ergeben, daß der Beschwerdeführerin diese Liegenschaften von Todes wegen nie zukommen könnten. In der Nichtbeischaffung des Konkursaktes erblickt die Beschwerdeführerin eine Verletzung von Verfahrensvorschriften. Zur Rechtsrüge stützt sich die Beschwerdeführerin vor allem darauf, daß der Nachlaß zum Todestag überschuldet gewesen sei, weshalb der Beschwerdeführerin mangels aktiven Nachlaßvermögens nichts habe anfallen können. Die Bestimmung des § 8 (Abs. 4 und 5) ErbStG stelle einen Ausgleich für die nicht zu erhebende Grunderwerbsteuer dar. Diese setze aber den Erwerb eines Grundstückes voraus. Der Erwerb eines Grundstückes erfolge nach der österreichischen Rechtsordnung mit Einverleibung im Grundbuch. Diese Einverleibung habe aber für die Beschwerdeführerin nicht erfolgen können. Da derzeit bereits objektiv feststehe, daß die Beschwerdeführerin diese Liegenschaften (rückwirkend) nie erworben habe bzw. auch nie erwerben werde, könne auch kein Ausgleich für den Entfall der Grunderwerbsteuer eingehoben werden, und zwar unabhängig von dem Umstand, ob eine Erbschaftssteuer anfällt oder nicht.

Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift mit dem Antrag erstattet, die Beschwerde als unbegründet kostenpflichtig abzuweisen.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im vorliegenden Fall besteht über den zu beurteilenden Sachverhalt zwischen den Parteien des Abgabenverfahrens kein Streit. Danach steht fest, daß zum Todestag des Erblassers der Nachlaß, zu dem zwei Liegenschaften gehörten, überschuldet war, und daß die Beschwerdeführerin in dem Verlassenschaftsverfahren dennoch eine, wenn auch bedingte, Erbserklärung in der Hoffnung abgegeben hat, daß nach Verwertung des Nachlaßvermögens noch ein Aktivum für sie überbleiben könnte.

Die Beschwerdeführerin bekämpft in ihrer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof nicht mehr die von der belangten Behörde, gestützt auf die Rechtsprechung der Höchstgerichte des öffentlichen Rechts vertretene Rechtsauffassung, daß mit Abgabe der Erbserklärung der Erwerb durch Erbanfall erbschaftssteuerlich vollzogen und der Erwerb auf den Anfallstag, das ist der Todestag des Erblassers, abzustellen sei. Von der Beschwerdeführerin wird auch nicht mehr angezweifelt, daß die sich in ihrem Fall gemäß § 8 Abs. 5 ErbStG ergebende Steuer nie weniger als 2 v. H. des Einheitswertes betragen darf. Dessenungeachtet vertritt die Beschwerdeführerin die Ansicht, es könne von ihr gemäß § 8 Abs. 4 und 5 ErbStG deshalb keine Erbschaftssteuer erhoben werden, weil die laut dieser Gesetzesstelle zu entrichtende Erbschaftssteuer offenbar als steuerlicher Ausgleich für den Entfall der Grunderwerbsteuer in Erbschafts- oder Schenkungssteuerfällen gedacht sei. Die Einhebung einer Grunderwerbsteuer setze aber den Erwerb eines Grundstückes voraus, der nach der österreichischen Rechtsordnung mit Einverleibung im Grundbuch erfolge, zu der es im vorliegenden Fall wegen der Überschuldung des Nachlasses nicht gekommen sei und auch wegen der zwischenzeitig erfolgten Zwangsversteigerung der Liegenschaften nicht mehr kommen könne. Da die Beschwerdeführerin im vorliegenden Fall nie grundbücherliche Eigentümerin geworden sei, könne auch kein Ausgleich für die entgangene Grunderwerbsteuer erhoben werden.

Dieser Argumentation der Beschwerdeführerin vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu folgen. Die Beschwerdeführerin übersieht nämlich, daß in ihrem Fall nicht ein Grunderwerb nach den Vorschriften des Grunderwerbsteuergesetzes, sondern ein Erwerb von Todes wegen nach den Vorschriften des Erbschaftssteuergesetzes steuerlich erfaßt worden ist. Nach dem Erbschaftssteuergesetz ist aber mit der Abgabe der Erbserklärung der Erwerb des Nachlasses durch den Erben vollzogen, wobei es hinsichtlich des Zeitpunktes des Erwerbes keinen Unterschied macht, ob zum Nachlaß auch Liegenschaften gehören. Erbschaftssteuerrechtlich hat daher die Beschwerdeführerin durch die Abgabe der Erbserklärung den gesamten Nachlaß, zu dem auch Liegenschaften gehörten, von Todes wegen erworben, wenngleich sie auch das Eigentum an den Liegenschaften erst mit der Einantwortung und der nachfolgenden Eintragung in das Grundbuch erworben hätte. Das erworbene Vermögen gilt erbschaftssteuerrechtlich dem Erben bereits im Zeitpunkt des Todes des Erblassers als zugekommen (siehe Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Juni 1957, Slg. Nr. 1669/F). Ab diesem Zeitpunkt ist der Erbe bereits als Erwerber des gesamten Nachlasses anzusehen. Das bedeutet aber, daß es für die steuerliche Behandlung nicht auf die Einantwortung und die nachfolgenden für die Erwerbung des Eigentums erforderlichen Rechtsakte ankommt, diese also für Zwecke der Erbschaftssteuer unbeachtlich sind (siehe Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. November 1965, Slg. Nr. 3356/F). Da im vorliegenden Fall kein nach dem Grunderwerbsteuergesetz zu behandelnder Erwerb von Liegenschaften vorliegt, muß der Einwand der Beschwerdeführerin, der Erwerb der Liegenschaften sei nach dem Grunderwerbsteuergesetz noch nicht eingetreten, ins Leere gehen. Dazu kommt aber noch, daß die Rechtfertigung der Erhebung des Zuschlages nach § 8 Abs.4 und 5 ErbStG beim Erwerb von Liegenschaften, nämlich als Äquivalent für die auf Grund der Grunderwerbsteuerbefreiung des § 3 Z. 2 Grunderwerbsteuergesetz entgangene Grunderwerbsteuer, bloß ein Motiv des Gesetzgebers darstellt, das im Gesetzeswortlaut nicht zum Ausdruck kommt. Derartige Motive des Gesetzgebers dürfen aber bei im übrigen eindeutigem Gesetzeswortlaut bei der Gesetzesanwendung nicht berücksichtigt werden.

Im Beschwerdefall war daher lediglich die Rechtsfrage zu entscheiden, ob eine Erbschaftssteuer zu entrichten ist, wenn der Nachlaß, zu dem Liegenschaften gehören, überschuldet ist. Zu dieser Frage hat aber der Gesetzgeber im § 8 Abs. 5 ErbStG ausdrücklich angeordnet, daß die sich nach den Absätzen 1, 2 und 4 oder nach den Absätzen 3 und 4 ergebende Steuer im Falle des Absatzes 4 lit. a nicht weniger als 1 v.H., im Falle des Absatzes 4 lit. b nicht weniger als 2 v.H. des Wertes der erworbenen Grundstücke betragen darf. Das bedeutet aber, daß dann, wenn zum Nachlaß Grundstücke gehören, die im Abs. 4 des § 8 ErbStG vorgesehene Erhöhung als Mindeststeuer erklärt ist, die unter allen Umständen einzuheben ist, gleichgültig, ob die Zuwendung an sich oder infolge des Abzuges von Freibeträgen ganz oder zum Teil steuerfrei ist oder, wie im gegenständlichen Fall, infolge Überschuldung zu keiner Erbschaftsbesteuerung führen könnte, wenn zum Nachlaß keine Liegenschaften gehörten. Wenn daher die belangte Behörde im gegenständlichen Fall diese Mindeststeuer der Beschwerdeführerin zur Entrichtung vorgeschrieben hat, kann darin keine Rechtswidrigkeit erblickt werden, wenn dies auch im Ergebnis unbillig erscheinen mag. Angesichts der gegebenen Rechtslage muß auch die Berufung der Beschwerdeführerin darauf, daß beim Erwerb einer Nachlaßliegenschaft von Todes wegen auch die nachträgliche rechtliche Entwicklung zu beachten sei, ins Leere gehen. Dessenungeachtet kann aus den von der Beschwerdeführerin angeführten Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes nichts für den gegenständlichen Fall abgeleitet werden, zumal bei den in diesen Erkenntnissen behandelten Fällen nicht die im Beschwerdefall anzuwendende Vorschrift des § 8 Abs. 5 ErbStG zur Anwendung kam.

Bei dieser Sach- und Rechtslage ist auch die von der Beschwerdeführerin erhobene Verfahrensrüge unbeachtlich, da die von der Beschwerdeführerin vermißte Sachverhaltsfeststellung, daß die zum Nachlaß gehörigen Liegenschaften in der Zwischenzeit bereits durch Zwangsversteigerung in fremdes Eigentum übergegangen sind, bei Entscheidung des Beschwerdefalles zu keinem anderen Ergebnis führen könnte.

Die sich demgemäß als unbegründet erweisende Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 316/1976 abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 7. April 1981, BGBl. Nr. 221.

Wien, am 24. Juni 1982

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