VwGH 81/07/0212

VwGH81/07/02129.3.1982

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hinterauer und die Hofräte Dr. Salcher, Dr. Hoffmann, Dr. Hnatek und Dr. Fürnsinn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Davy, über die Beschwerde des GW in G, vertreten durch Dr. Elisabeth Simma, Rechtsanwalt in Graz, Kaiserfeldgasse 15/II, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 7. Oktober 1981, Zl. 12.326/18-I/A 20/81, betreffend Rodungsbewilligung zu Recht erkannt:

Normen

AVG §26 Abs1;
AVG §31;
AVG §63 Abs1;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 litb;
VwGG §42 Abs2 Z2 impl;
AVG §26 Abs1;
AVG §31;
AVG §63 Abs1;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 litb;
VwGG §42 Abs2 Z2 impl;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.460,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Am 24. November 1978 stellte der Beschwerdeführer bei der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz den Antrag, ihm die Rodung des Waldgrundstückes Nr. n1 KG. G im Ausmaß von 0,0972 ha zu bewilligen, weil er dort ein Einfamilienhaus errichten wolle. Für dieses Verfahren beauftragte er seine Schwester SH mit seiner Vertretung, der er am 24. November 1978 eine Vollmacht folgenden Wortlautes erteilte:

"Ich GW, wh. G, bevollmächtige meine Schwester Frau SH geb. xx. x. xxxx, wh. G, mich im Verfahren der Rodungsbewilligung für das Grundstück Nr. n1 KG. G, welches derzeit bei der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz anhängig ist, zu vertreten".

Mit Bescheid vom 22. Februar 1979 versagte die Bezirkshauptmannschaft der beantragten Rodung die forstbehördliche Bewilligung. Diesen Bescheid stellte sie am 27. Februar 1979 dem Beschwerdeführer zu Handen seiner Vertreterin zu, die auch bei der Verhandlung am 14. Februar 1979 in Vertretung des Beschwerdeführers eingeschritten war.

Der vom Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung gab der Landeshauptmann von Steiermark am 12. November 1980 nicht Folge. Laut Zustellverfügung des Landeshauptmannes hatte diese Entscheidung zu ergehen an 1.) Herrn GW, G, 2.) die Bezirkshauptmannschaft Leibnitz und 3.) die Fachabteilung für das Forstwesen Graz. Diese an den Beschwerdeführer persönlich adressierte Entscheidung wurde am 27. November 1980 im Wege der Ersatzzustellung an SH ausgefolgt. Der Beschwerdeführer selbst hielt sich damals im Ausland auf und brachte später vor, er habe von dieser Zustellung erst am 25. Dezember 1980 Kenntnis erlangt. Im weiteren Verfahren wurde der Beschwerdeführer von der Rechtsanwältin Dr. Elisabeth Simma vertreten, der er eine mit 22. Dezember 1980 datierte Prozessvollmacht erteilte.

Diese Vertreterin des Beschwerdeführers brachte am 7. Jänner 1981 einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist und gleichzeitig eine Berufung gegen den Bescheid des Landeshauptmannes vom 12. November 1980 ein. Den Wiedereinsetzungsantrag wies die Bezirkshauptmannschaft mit Bescheid vom 14. Mai 1981 gemäß § 71 Abs. 1 und 2 AVG 1950 wegen Versäumung der dafür vorgesehenen Frist als verspätet zurück.

Über die Berufung entschied die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 7. Oktober 1981 dahin gehend, dass sie dieser Berufung gemäß § 66 Abs.4 AVG 1950 in Verbindung mit den Bestimmungen der §§ 17 ff und 170 Abs. 7 des Forstgesetzes 1975 nicht Folge gab.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Bevor auf die Beschwerdegründe eingegangen werden konnte, war vom Verwaltungsgerichtshof zu prüfen, ob die belangte Behörde nicht etwa dadurch, dass sie über die ihr vorgelegte Berufung in der Sache entschied, die Grenzen ihrer Zuständigkeit überschritten hat. Der in den §§ 41 Abs. 1 und 42 Abs. 2 lit. b VwGG 1965 gebrauchte Begriff "Unzuständigkeit der belangten Behörde" erfasst nämlich auch die Fälle, in denen die belangte Behörde ein Rechtsmittel meritorisch nicht erledigen darf. Ihre Zuständigkeit reicht in diesem Falle nur so weit, das Rechtsmittel wegen dessen Unzulässigkeit zurückzuweisen (vgl. Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Mai 1968, Slg. Nr. 7357/A).

Der Beschwerdeführer war bis zum Einschreiten seines Rechtsanwaltes auf Grund der eingangs wiedergegebenen Vollmacht durch seine Schwester vertreten. Es ist daher die Rechtsfrage zu lösen, ob ungeachtet des Umstandes, dass die Entscheidung des Landeshauptmannes entsprechend der von diesem angeordneten Bescheidadresse und Zustellverfügung nicht an den Vertreter, sondern an die Partei selbst ausgefertigt wurde, eine Rechtswirksamkeit des Bescheides eingetreten ist, und ob diese Rechtswirksamkeit allenfalls dadurch herbeigeführt wurde, dass die Entscheidung des Landeshauptmannes tatsächlich der damaligen Vertreterin des Beschwerdeführers bzw. später diesem selbst zugekommen ist.

Nach § 26 Abs. 1 AVG 1950 erfolgen Zustellungen dann, wenn eine im Inland wohnende Person zum Empfang der für einen Beteiligten bestimmten Schriftstücke ermächtigt ist, an diese. Nach dem Rechtssatz eines verstärkten Senates vom 12. Dezember 1955, Anhang Nr. 77 in Slg. 1956, kann im Falle des § 26 Abs. 1 AVG 1950 jedoch nicht auch an die Partei selbst rechtswirksam zugestellt werden. Da eine allgemeine Bevollmächtigung zur Vertretung auch die Ermächtigung zur Empfangnahme von Schriftstücken beinhaltet, liegt hier ein solcher Fall des § 26 Abs. 1 AVG 1950 vor (vgl. Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. April 1951, Slg. Nr. 2027/A). Die Übermittlung des Bescheides des Landeshauptmannes an den Beschwerdeführer selbst hat daher keine Rechtswirkungen hervorgerufen.

Aber auch der Tatsache, dass diese Entscheidung der damaligen Vertreterin des Beschwerdeführers dadurch, dass diese sie im Wege der Ersatzzustellung am 27. November 1980 tatsächlich übernommen hat, kam die Rechtswirkung einer Zustellung nicht zu. Nach § 31 AVG 1950 gilt eine Zustellung, bei der Mängel unterlaufen, als in dem Zeitpunkt vollzogen, in dem das Schriftstück der Person, für die es bestimmt ist (Empfänger), tatsächlich zugekommen ist. Der Landeshauptmann hat jedoch durch die keinen Hinweis auf ein Vertretungsverhältnis enthaltende Anschrift des Beschwerdeführers und eine entsprechende Zustellverfügung unmissverständlich zu erkennen gegeben, für wen das Schriftstück im Sinne des § 31 AVG 1950 "bestimmt ist", wer also dessen "Empfänger" sein soll. Für die Vertreterin des Beschwerdeführers war das Schriftstück unter diesen Umständen nach dem hier allein maßgebenden Willen der Behörde jedenfalls nicht bestimmt, sodass ein Zustellmangel nicht vorlag, weshalb von einem Anwendungsfall des § 31 AVG 1950 nicht die Rede sein kann (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Dezember 1980, Zl. 2942/79).

Da somit sowohl die Zustellung der Entscheidung des Landeshauptmannes an den Beschwerdeführer selbst als auch das tatsächliche Zukommen derselben an dessen damals bestellte Vertreterin nicht zur Erlassung des Bescheides geführt hat, war noch zu prüfen, ob dieser Bescheid allenfalls dadurch im Zeitpunkt der dagegen vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung bereits erlassen war, dass er an andere Verfahrensparteien zugestellt worden war, da in diesem Falle eine verfrühte Berufung des Beschwerdeführers als zulässig anzusehen wäre (vgl. Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Mai 1963, Slg. Nr. 6033/A, vom 14. Juni 1954, Slg. Nr. 3446/A, und vom 19. November 1952, Slg.Nr. 2728/A). Auch dies trifft jedoch nach der Aktenlage im Beschwerdefall nicht zu.

Die Erhebung einer Berufung nach §§ 63 ff AVG 1950 setzt zwingend die Erlassung eines damit angefochtenen Bescheides voraus. Da es an einem solchen im Beschwerdefall fehlt, erweist sich die vom Beschwerdeführer an die belangte Behörde gerichtete Berufung als unzulässig.

Die belangte Behörde hat jedoch in Verkennung dieser Rechtslage über die Berufung des Beschwerdeführers meritorisch entschieden und damit, wie bereits eingangs der Erwägungen dargestellt, die Grenzen ihrer Zuständigkeit überschritten.

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher als mit einer vom Beschwerdeführer zwar nicht geltend gemachten, aber gemäß § 41 VwGG 1965 (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2, S 450, angeführten Entscheidungen) von Amts wegen aufzugreifenden Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde behaftet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 lit. b VwGG 1965 aufzuheben war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 1 lit. a und b VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 7. April 1981, BGBl. Nr. 221/1981. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil das Gesetz neben dem pauschalierten Schriftsatzaufwand eine gesonderte Vergütung der Umsatzsteuer nicht vorsieht und weil die Beschwerde nach § 14 TP 6 Abs. 1 des Gebührengesetzes in der geltenden Fassung nur mit S 100,-- pro Eingabe zu stempeln und nur in zweifacher Ausfertigung vorzulegen war.

Wien, am 9. März 1982

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