VfGH G47/2013

VfGHG47/201326.6.2013

Aussichtslosigkeit eines Verfahrenshilfeantrags zur Einbringung eines Individualantrags auf Aufhebung einer Bestimmung des ASVG mangels unmittelbarer und aktueller Betroffenheit des Antragstellers

Normen

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
ZPO §63 Abs1 / Aussichtslosigkeit
ASVG §101
B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
ZPO §63 Abs1 / Aussichtslosigkeit
ASVG §101

 

Spruch:

Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird abgewiesen.

Begründung

Begründung

1. Mit Eingabe vom 15. Mai 2013 beantragte der Einschreiter die Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Einbringung eines Antrages gemäß Art140 Abs1 letzter Satz B‑VG auf Aufhebung (zunächst) nicht genauer bezeichneter Bestimmungen des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) und das Arbeits- und Sozial­gerichtsgesetzes (ASGG). Begründend führte der Beschwerdeführer jedoch sodann aus, dass sich aus dem Zusammenwirken der §§357 bzw. 101 ASVG und 64 ff. ASGG eine Gleichheitswidrigkeit ergebe, die darin bestehe, dass eine dem §101 ASVG entsprechende Regelung im sozialgerichtlichen Verfahren nicht existiere. Da der OGH zum einen keine Anwendbarkeit des §101 ASVG im sozial­gerichtlichen Verfahren annehme und dieser Umstand zum anderen keine Be­denken ob der Gleichheitswidrigkeit der Verfahrensbestimmungen ausgelöst habe (OGH 1.3.2011, 10 Obs 6/11x), sei nach Ansicht des Einschreiters ein Individualantrag zulässig. Der Beschwerdeführer strebt mit seinem Verfahrenshilfeantrag somit ersichtlich die Antragstellung zu einem Gesetzes­prüfungsverfahren ob §101 ASVG an.

2. Gemäß Art140 B‑VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungs­widrigkeit von Gesetzen auch auf Antrag einer Person, die unmittel­bar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg 8009/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, dass das Gesetz in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie – im Fall seiner Verfassungswidrigkeit – verletzt. Dabei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und le­diglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art140 Abs1 letzter Satz B‑VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl. zB VfSlg 11.730/1988, 15.863/2000, 16.088/2001, 16.120/2001).

Der Verfassungsgerichtshof hat seit dem Beschluss VfSlg 8009/1977 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt ver­treten, die Antragslegitimation nach Art140 Abs1 letzter Satz B‑VG setze voraus, dass durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden müssen und dass der durch Art140 Abs1 B‑VG dem Einzelnen eingeräumte Rechts­behelf dazu bestimmt ist, Rechts­schutz gegen verfassungswidrige Gesetze nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (zB VfSlg 11.803/1988, 13.871/1994, 15.343/1998, 16.722/2002, 16.867/2003).

Ein zumutbarer Weg zur Geltendmachung der behaupteten Verfassungswidrig­keit ist ua. dann gegeben, wenn im Fall des Betroffenen bereits ein gerichtliches oder verwaltungsbehördliches Verfahren läuft, das Gelegenheit zu einer amts­wegigen Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof bietet. Dieser Grundsatz gilt auch dann, wenn ein gerichtliches oder verwaltungsbehördliches Verfahren anhängig war, in welchem der Antragsteller über die Möglichkeit verfügte, eine amtswegige Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof anzuregen (vgl. VfSlg 12.810/1991 und 13.344/1933).

Dass das gemäß Art89 Abs2 B‑VG zu einer etwaigen Anrufung des VfGH berufene Gericht die Bedenken der Verfahrenspartei hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes nicht teilt, begründet nicht die Zulässigkeit eines Individualantrages (VfSlg 14.752/1997, 17.829/2006, 18.370/2008).

3. §101 ASVG gestaltet seinem klaren Wortlaut zufolge weder unmittelbar noch aktuell die Rechtssphäre des Antragstellers; diese Bestimmung entfaltet ihre Wirkungen lediglich in Verbindung mit einem konkreten Verfahren über die Zuerkennung oder Abweisung eines Anspruchs auf eine Geldleistung nach dem ASVG (vgl. dazu mutatis mutandis VfSlg 16.653/2002). Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die im Rahmen eines vom Beschwerdeführer bereits ge­führten Verfahrens vor einem zur Anrufung des VfGH berufenen Gerichts geltend gemachten Bedenken von diesem Gericht nicht geteilt wurden.

4. Die vom Einschreiter beabsichtigte Rechtsverfolgung vor dem Verfassungs­gerichtshof erscheint damit als offenbar aussichtslos, zumal bei der gegebenen Lage die Zurückweisung des beabsichtigten Individualantrages zu gewärtigen wäre.

5. Der Antrag ist sohin mangels der Voraussetzungen des §63 Abs1 ZPO (§35 Abs1 VfGG) abzuweisen.

6. Dies konnte gemäß §72 Abs1 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte