VfGH B1148/11

VfGHB1148/1128.9.2012

Zurückweisung einer Beschwerde gegen die Aufhebung eines Einstellungsbeschlusses und den Auftrag zur Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen die beschwerdeführenden Rechtsanwälte in bestimmtem Umfang mangels Bescheidcharakters der angefochtenen Erledigung

Normen

B-VG Art144 Abs1 / Bescheid
DSt 1990 §28 Abs2, Abs3
B-VG Art144 Abs1 / Bescheid
DSt 1990 §28 Abs2, Abs3

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. Sachverhalt, Beschwerdevorbringen und Vorverfahren

1. Die Beschwerdeführer sind Rechtsanwälte in Oberösterreich. Am 10. Jänner 2011 fasste der Disziplinarrat der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer (im Folgenden: OÖ RAK) gemäß §§28 Abs2 und 28 Abs3 des Diszplinarstatuts für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter, BGBl. 474/1990 (im Folgenden: DSt), die Beschlüsse,

2. Der gegen den Einstellungsbeschluss erhobenen Beschwerde des Kammeranwaltes wurde mit Beschluss der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission (im Folgenden: OBDK) vom 8. August 2011 Folge gegeben und dem Disziplinarrat der OÖ RAK

"die Einleitung des Disziplinarverfahrens auch betreffend Punkt 2.) [Es liegt demgegenüber kein Grund zur Disziplinarbehandlung [...] im Umfang des Verdachts vor, sie hätten eine Verletzung von Berufspflichten und die Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes zu vertreten, weil sie bei Ausübung ihrer anwaltlichen Tätigkeit in Form einer Ges.b.R. in der E-Mail-Adresse und der Adresse ihrer Homepage die Kurzbezeichnung 'Florianer Anwälte' verwendeten, wodurch die drei Disziplinarbeschuldigten gegen §45 RL-BA und gefestigte Standesauffassung verstoßen hätten] des angefochtenen Bescheides aufgetragen."

Begründend führt die belangte Behörde aus, eine Kurzbezeichnung einer Gesellschaft unterliege den Anforderungen des §1b Rechtsanwaltsordnung, RGBl. 96/1868 idF BGBl. I 111/2010 (im Folgenden: RAO), und des §9 der Richtlinie für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufes und für die Überwachung der Pflichten des Rechtsanwaltes und des Rechtsanwaltsanwärters (im Folgenden: RL-BA). Nach ständiger Rechtsprechung werde gerade Internetdomains, die einen Namen enthalten oder namensmäßig anmuten, eine Kennzeichnungs- oder Namensfunktion zugestanden. Erfüllen eine Internetdomain oder eine E-Mail-Adresse diese Funktionen, seien sie an §1b RAO und §9 RL-BA zu messen. Aber auch gemäß §45 RL-BA sei Werbung nicht uneingeschränkt zulässig. Die Beschwerdeführer haben mit der Verwendung der Wortfolge den Eindruck einer gewissen Alleinstellung erzeugt. Da somit der Verdacht standeswidrigen Verhaltens nicht schon a priori auszuschließen sei und die konkrete Beurteilung von den Umständen des Einzelfalles abhänge, habe der Disziplinarrat darüber in mündlicher Verhandlung zu entscheiden.

3. Gegen diesen Beschluss richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten und die Verfassungswidrigkeit des §9 RL-BA behauptet werden.

4. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, aber keine Gegenschrift erstattet.

5. Der Österreichische Rechtsanwaltskammertag hat

keine Äußerung erstattet.

II. Erwägungen

1. Mit dem angefochtenen Beschluss wurde der Beschwerde des Kammeranwaltes gegen den Einstellungsbeschluss Folge gegeben, und der Disziplinarrat der OÖ RAK beauftragt, einen Einleitungsbeschluss bestimmten Umfanges zu fassen. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes hat ein solcher Einleitungsbeschluss auf die Berufsrechte des betroffenen Rechtsanwaltes keine einschränkende Wirkung und enthält keine der Rechtskraft fähige Entscheidung. Er stellt daher eine bloße Verfahrensanordnung dar, die weder mit einem ordentlichen Rechtsmittel noch mit einem außerordentlichen Rechtsbehelf selbständig bekämpft werden kann (vgl. VfSlg. 9425/1982, 15.876/2000).

2. Dies trifft nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes auch für den Fall zu, dass ein Beschluss der ODBK auf Einleitung des Disziplinarverfahrens, mit dem gleichzeitig einer Administrativbeschwerde des Kammeranwaltes stattgegeben wurde, angefochten wird (VfSlg. 12.881/1991).

3. Im vorliegenden Fall hat zwar die OBDK keinen Einleitungsbeschluss gefasst, sondern den Einstellungsbeschluss des Disziplinarrates der OÖ RAK aufgehoben und diesem die Einleitung eines Disziplinarverfahrens auch betreffend den dem Einstellungsbeschluss zugrunde liegenden Sachverhalt aufgetragen. Dies ist nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes der Erlassung eines Einleitungsbeschlusses gleichzuhalten, weil auch hier der angefochtene Beschluss keine einschränkende Wirkung auf die Berufsrechte der betroffenen Rechtsanwälte hat und keine der Rechtskraft fähige Entscheidung über die Qualifikation der den Beschwerdeführern zur Last gelegten Handlungsweisen als Disziplinarvergehen enthält (vgl. VfSlg. 9425/1982).

4. Da gemäß Art144 B-VG Voraussetzung für die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes das Vorliegen einer behördlichen Erledigung ist, der Bescheidcharakter zukommt, was hier jedoch nicht zutrifft, war die Beschwerde wegen Unzuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes als unzulässig zurückzuweisen (VfSlg. 12.881/1991).

5. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lita VfGG ohne mündliche Verhandlung in nicht öffentlicher Sitzung beschlossen werden.

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