VfGH V114/09 ua

VfGHV114/09 ua24.2.2010

Gesetzwidrigkeit einer weiteren Zweitwohnsitzabgabeverordnung in Kärnten; Hinweis auf die Vorjudikatur

Normen

B-VG Art18 Abs2
Krnt ZweitwohnsitzabgabeG §7 Abs2
ZweitwohnsitzabgabeV der Gemeinde Steindorf am Ossiacher See vom 31.01.06 §7 Abs2
B-VG Art18 Abs2
Krnt ZweitwohnsitzabgabeG §7 Abs2
ZweitwohnsitzabgabeV der Gemeinde Steindorf am Ossiacher See vom 31.01.06 §7 Abs2

 

Spruch:

§7 Abs2 der Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Steindorf am Ossiacher See vom 31. Jänner 2006, Z920/2006, mit welcher eine Abgabe von Zweitwohnsitzen ausgeschrieben wird, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 13. Februar 2006 bis 20. März 2006, war gesetzwidrig.

Die Kärntner Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Landesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof sind zu B1628/08 und B31/09

Beschwerden anhängig, denen folgender Sachverhalt zugrunde liegt: Die Beschwerdeführerin der zu B1628/08 protokollierten Beschwerde ist Alleineigentümerin, die Beschwerdeführerinnen der zu B31/09 protokollierten Beschwerde sind Hälfteeigentümerinnen jeweils einer als Zweitwohnsitz genutzten Liegenschaft im Ortsgebiet der Gemeinde Steindorf am Ossiacher See. Mit Bescheiden der Kärntner Landesregierung wurde jeweils die Vorstellung gegen einen Bescheid des Gemeindevorstandes der Gemeinde Steindorf am Ossiacher See, mit dem der Beschwerdeführerin (den Beschwerdeführerinnen) eine Zweitwohnsitzabgabe in bestimmter Höhe vorgeschrieben worden war, als unbegründet abgewiesen. Gegen diese Bescheide richten sich die auf Art144 B-VG gestützten Beschwerden, die die Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten und die Verletzung in Rechten wegen Anwendung rechtswidriger genereller Normen behaupten.

2. Bei der Behandlung dieser Beschwerden sind beim Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit des §7 Abs2 der Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Steindorf am Ossiacher See vom 31. Jänner 2006, Z920/2006, mit welcher eine Abgabe von Zweitwohnsitzen ausgeschrieben wird (in der Folge: ZweitwohnsitzabgabeV), entstanden. Der Verfassungsgerichtshof hat daher mit Beschluss vom 21. September 2009 ein Verordnungsprüfungsverfahren hinsichtlich der genannten Bestimmung eingeleitet.

3. Die maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:

3.1. Das Kärntner Zweitwohnsitzabgabegesetz (in der Folge: K-ZWAG), LGBl. 84/2005, lautet (auszugsweise) wie folgt:

"§1

Ermächtigung zur Ausschreibung der Abgaben

Die Gemeinden des Landes Kärnten werden ermächtigt, durch Verordnung des Gemeinderates eine Abgabe von Zweitwohnsitzen nach den Bestimmungen dieses Gesetzes auszuschreiben.

...

§7

Bemessungsgrundlage und Höhe der Abgabe

(1) Die Abgabe ist nach der Nutzfläche der Wohnung zu bemessen. Als Nutzfläche gilt die gesamte Bodenfläche einer Wohnung gemäß §2 Z5 Kärntner Wohnbauförderungsgesetz 1997 - K-WBFG 1997, in der jeweils geltenden Fassung.

(2) Die Höhe der Abgabe ist durch Verordnung des Gemeinderates festzulegen; dabei sind die Belastungen der Gemeinde durch Zweitwohnsitze und der Verkehrswert der Zweitwohnsitze als Maßstab heranzuziehen. Die Gemeinde darf die Höhe der Abgabe nach Gebietsteilen staffeln, wenn der Maßstab für die Höhe der Abgabe innerhalb des Gemeindegebietes erheblich differiert. Die Höhe der Abgabe darf pro Monat

a) bei Wohnungen mit einer Nutzfläche

bis 30 m² 10 Euro,

b) bei Wohnungen mit einer Nutzfläche

von mehr als 30 m² bis 60 m² 20 Euro,

c) bei Wohnungen mit einer Nutzfläche

von mehr als 60 m² bis 90 m² 35 Euro und

d) bei Wohnungen mit einer Nutzfläche

von mehr als 90 m² 55 Euro

nicht überschreiten.

..."

3.2. Der in Prüfung gezogene §7 Abs2 ZweitwohnsitzabgabeV der Gemeinde Steindorf am Ossiacher See hat folgenden Wortlaut:

"Die Höhe der Abgabe beträgt pro Monat:

a) bei Wohnungen mit einer Nutzfläche

bis 30 m² 10 Euro,

b) bei Wohnungen mit einer Nutzfläche

von mehr als 30 m² bis 60 m² 20 Euro,

c) bei Wohnungen mit einer Nutzfläche

von mehr als 60 m² bis 90 m² 35 Euro und

d) bei Wohnungen mit einer Nutzfläche

von mehr als 90 m² 55 Euro"

3.3. Gemäß §8 der Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Steindorf am Ossiacher See vom 21. Dezember 2009, Z920/2009, trat die ZweitwohnsitzabgabeV der Gemeinde Steindorf am Ossiacher See in der in Prüfung gezogenen Fassung mit Ablauf des 31. Dezember 2009 außer Kraft.

4. Der Verfassungsgerichtshof ist im Prüfungsbeschluss (vorläufig) davon ausgegangen, dass die Kärntner Landesregierung bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides §7 Abs2 ZweitwohnsitzabgabeV der Gemeinde Steindorf am Ossiacher See angewendet hat und daher auch der Verfassungsgerichtshof diese Bestimmung bei der Behandlung der vorliegenden Beschwerden anzuwenden hätte.

Die Erwägungen, die den Verfassungsgerichtshof zur Einleitung des Verordnungsprüfungsverfahrens veranlasst hatten, legte er in seinem Prüfungsbeschluss wie folgt dar:

"3.1. §7 Abs2 K-ZWAG bestimmt, dass die Höhe der Zweitwohnsitzabgabe durch Verordnung des Gemeinderates festzulegen ist, und setzt in Abhängigkeit von der Nutzfläche der Wohnung Höchstbeträge fest, wobei bei der Festlegung der Höhe der Abgabe die Belastungen der Gemeinde durch Zweitwohnsitze und der Verkehrswert der Zweitwohnsitze als Maßstab heranzuziehen sind.

§7 Abs2 ZweitwohnsitzabgabeV der Gemeinde Steindorf am Ossiacher See übernimmt die in §7 Abs2 K-ZWAG (landes)gesetzlich festgelegten Höchstbeträge ohne weitere Differenzierungen.

3.2. Der Verfassungsgerichtshof leitet aus §7 Abs2 K-ZWAG - wie er in seinem Erkenntnis vom 20. Juni 2009, V11/09, dargelegt hat - ab, dass bei der Erlassung der auf Grundlage dieser Bestimmung ergehenden Gemeindeverordnungen einerseits die Belastungen der Gemeinde durch Zweitwohnsitze im Verhältnis zum Durchschnitt der Kärntner Gemeinden unter Bedachtnahme auf die von den Gemeinden jeweils erhobenen Benützungsgebühren und Fremdenverkehrsabgaben, insbesondere der pauschalierten Ferienwohnungsabgabe, und andererseits der Verkehrswert der Zweitwohnsitze im landesweiten Vergleich zu berücksichtigen sind.

3.3. Davon ausgehend besteht das Bedenken, dass die Gemeinde Steindorf am Ossiacher See als Verordnungsgeber die Abgabenhöhe festgesetzt hat, ohne auf die landesgesetzlich vorgegebenen Kriterien der Steuersatzbestimmung Bedacht zu nehmen.

3.3.1. Im Zusammenhang mit den Aufwendungen der Gemeinde für Zweitwohnsitze verweist die Kärntner Landesregierung in beiden Gegenschriften auf die Sitzungsprotokolle des Gemeindevorstandes der Gemeinde Steindorf am Ossiacher See vom 19. Jänner 2009 und des Gemeinderates der Gemeinde Steindorf am Ossiacher See vom 31. Jänner 2009, aus denen jeweils (bloß) hervorgeht, dass den Zweitwohnsitzen die gesamte Infrastruktur der Gemeinde zur Verfügung steht. In der zu B31/09 erstatteten Gegenschrift führt die Landesregierung darüber hinaus aus, dass keine Zweckbindung für die Zweitwohnsitzabgabe vorgesehen sei und dass weder den finanzausgleichs- noch landesgesetzlichen Erläuterungen entnommen werden könne, dass die Gemeinde nur bestimmte Aufwendungen bei der Festlegung des Steuersatzes berücksichtigen dürfe. Die Kärntner Landesregierung verweist zudem darauf, dass der Gemeinde bestimmte Aufwendungen ganzjährig erwüchsen, auch wenn der Zweitwohnsitz nur zeitweise genützt werde.

Abgesehen davon, dass konkrete Zahlen nicht vorgelegt werden und solche anscheinend auch nicht die Grundlage für die Wahl des höchsten Abgabensatzes darstellten, vermögen diese allgemein gehaltenen Ausführungen nicht darzutun, inwieweit in der Gemeinde Steindorf am Ossiacher See - verglichen mit dem Durchschnitt der Kärntner Gemeinden - besondere Belastungen durch Zweitwohnsitze auftreten.

3.3.2. Dem Verfassungsgerichtshof liegt weiters kein Anhaltspunkt dafür vor, dass bei Verordnungserlassung der Umstand, ob und in welcher Höhe für die Zweitwohnsitze bereits eine Ferienwohnungsabgabe erhoben wird, Berücksichtigung gefunden hätte. Er geht daher vorläufig davon aus, dass die Gemeinde Steindorf am Ossiacher See als Verordnungsgeber bei Festsetzung der Höhe der Zweitwohnsitzabgabe nicht auf die Höhe der Ferienwohnungsabgabe Bedacht genommen hat.

3.3.3. Zum Verkehrswert der Zweitwohnsitze führt die Landesregierung (in der zu B31/09 erstatteten Gegenschrift) aus, dass die Verkehrswerte in der Gemeinde Steindorf am Ossiacher See 'schon auf Grund der Lage der Gemeinde sehr hoch sind' und 'über dem Durchschnitt des Verkehrswertes der Liegenschaften des Bundeslandes Kärnten' liegen. Sie verweist in diesem Zusammenhang auf die gute Verkehrsanbindung, den 'Carinthischen Sommer' und die Nähe zu großen Skigebieten. Aus dem Verordnungsakt ist aber nicht ersichtlich, dass eine Auseinandersetzung mit den Verkehrswerten von Zweitwohnsitzen im Gemeindegebiet - insbesondere in Form von Erwägungen über das Niveau der Immobilienpreise im landesweiten Vergleich - stattgefunden hätte. Abgesehen davon, dass keine konkreten Belege vorgelegt werden, liegen aber auch darüber hinaus keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Verkehrswert der Zweitwohnsitze im (gesamten) Gemeindegebiet von Steindorf am Ossiacher See nicht nur eine überdurchschnittliche Höhe, sondern - gemessen an den Verhältnissen in den Kärntner Tourismusgemeinden - Spitzenwerte erreicht. Angesichts dessen geht der Verfassungsgerichtshof vorderhand davon aus, dass §7 Abs2 ZweitwohnsitzabgabeV der Gemeinde Steindorf am Ossiacher See durch die Wahl des höchsten Steuersatzes (dies zudem ohne weitere Differenzierung) gegen §7 Abs2 K-ZWAG verstößt, der die Berücksichtung der Verkehrswerte der Zweitwohnsitze zwingend anordnet.

3.3.4. Aus all dem folgt, dass die Gemeinde Steindorf am Ossiacher See als Verordnungsgeber anscheinend nicht auf die vom K-ZWAG in §7 Abs2 zwingend vorgegebenen Kriterien der Steuersatzbestimmung Bedacht genommen hat.

3.4. Soweit die Kärntner Landesregierung in Anbetracht der Relation zwischen dem Aufkommen an Zweitwohnsitzabgabe und der Höhe der durch Hauptwohnsitze vermittelten Ertragsanteile von der Sachlichkeit der gewählten Steuersätze ausgeht, ist darauf zu verweisen, dass - wie vom Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 20. Juni 2009, V11/09, dargelegt - die Pro-Kopf-Ertragsteile für Hauptwohnsitze im Gemeindegebiet keine grundrechtliche Rechtfertigung für die Wahl des Abgabensatzes bei der Zweitwohnsitzabgabe darstellen.

3.5. Damit steht §7 Abs2 ZweitwohnsitzabgabeV der Gemeinde Steindorf am Ossiacher See nach der vorläufigen Annahme des Verfassungsgerichtshofes im Widerspruch zu §7 Abs2 K-ZWAG."

5. Weder die Kärntner Landesregierung noch die Gemeinde Steindorf am Ossiacher See haben im Verordnungsprüfungsverfahren eine Stellungnahme abgegeben.

6. Die Beschwerdeführerin im zu B1628/08 protokollierten Verfahren erstattete eine Äußerung, in der sie den Bedenken des Verfassungsgerichtshofes beitritt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Das Verordnungsprüfungsverfahren hat nicht ergeben, dass die vorläufige Annahme des Verfassungsgerichtshofes, er habe die in Prüfung gezogene Bestimmung anzuwenden, unzutreffend wäre. Da auch sonst keine Zweifel am Vorliegen der Prozessvoraussetzungen entstanden sind, ist das Verordnungsprüfungsverfahren zulässig.

2. Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes ob der Gesetzmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmung konnten im Verordnungsprüfungsverfahren nicht entkräftet werden:

Weder die Gemeinde Steindorf am Ossiacher See noch die Kärntner Landesregierung sind im Verordnungsprüfungsverfahren den im Prüfungsbeschluss gefassten Bedenken des Verfassungsgerichtshofes entgegengetreten.

Der Verfassungsgerichtshof bleibt bei seiner im Prüfungsbeschluss vertretenen Auffassung, dass §7 Abs2 ZweitwohnsitzabgabeV der Gemeinde Steindorf am Ossiacher See die in §7 Abs2 K-ZWAG (landes)gesetzlich festgelegten Höchstbeträge übernommen hat, ohne auf die in dieser Bestimmung zwingend vorgeschriebenen Kriterien der Steuersatzbestimmung (einerseits die Belastungen der Gemeinde durch Zweitwohnsitze im Verhältnis zum Durchschnitt der Kärntner Gemeinden unter Bedachtnahme auf die von den Gemeinden jeweils erhobenen Benützungsgebühren und Fremdenverkehrsabgaben, insbesondere der pauschalierten Ferienwohnungsabgabe, und andererseits der Verkehrswert der Zweitwohnsitze im landesweiten Vergleich) Bedacht genommen zu haben (vgl. dazu VfGH 20.6.2009, V11/09). §7 Abs2 ZweitwohnsitzabgabeV steht daher im Widerspruch zu den gesetzlichen Vorgaben.

III. Da die Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Steindorf am Ossiacher See vom 31. Jänner 2006 nicht mehr in Kraft steht, hat sich der Verfassungsgerichtshof auf den Ausspruch zu beschränken, dass die in Prüfung gezogene Verordnungsbestimmung gesetzwidrig war.

Die Verpflichtung der Kärntner Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung dieser Feststellung erfließt aus Art139 Abs5 erster Satz B-VG und §60 Abs2 VfGG iVm §2 Abs1 Z6a K-KMG.

Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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