VfGH B937/08

VfGHB937/0810.12.2009

Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch Zurückweisung eines Antrags auf Anerkennung als für die Übernahme von Sachwalterschaften geeigneter Verein ohne inhaltliche Prüfung; Eröffnung eines Rechtsschutzweges für den Fall der Versagung der Anerkennung durch Erlassung eines in der Sache ergehenden Bescheides geboten

Normen

B-VG Art18 Abs1
B-VG Art83 Abs2
ABGB §279
Vereinssachwalter-, Patientenanwalts- und BewohnervertreterG §1
B-VG Art18 Abs1
B-VG Art83 Abs2
ABGB §279
Vereinssachwalter-, Patientenanwalts- und BewohnervertreterG §1

 

Spruch:

Der beschwerdeführende Verein ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerin für Justiz) ist schuldig, dem beschwerdeführenden Verein zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.340,-- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit dem angefochtenen Bescheid der Bundesministerin für

Justiz vom 27. März 2008 wurden die Anträge des beschwerdeführenden Vereines auf bescheid- oder verordnungsmäßige Feststellung der Eignung, gemäß §279 Abs3 und 4 ABGB zum Sachwalter bestellt zu werden, auf der Grundlage des §1 Vereinssachwalter-, Patientenanwalts- und Bewohnervertretergesetz - VSPBG, BGBl. 156/1990 idF BGBl. I 92/2006, mit der wesentlichen Begründung, es bestehe kein subjektives Recht auf eine solche Feststellung, zurückgewiesen. Nach den Statuten des beschwerdeführenden Vereins umfasst sein Vereinszweck u.a. die Personensorge für Menschen, die aufgrund körperlicher oder geistiger Behinderungen in der Verrichtung ihrer Angelegenheiten eingeschränkt sind, die Wahrnehmung der Aufgaben eines Sachwalters, die Namhaftmachung von Sachwaltern gegenüber den Gerichten und sonstigen Behörden sowie die Beratung von Sachwaltern bei der Ausübung ihrer Tätigkeit.

2. Die einschlägigen Bestimmungen des Vereinssachwalter-, Patientenanwalts- und Bewohnervertretergesetzes - VSPBG, BGBl. 156/1990 idF BGBl. I 92/2006, lauten:

"§1. (1) Die Eignung eines Vereins, gemäß §279 Abs3 und 4 ABGB zum Sachwalter bestellt zu werden, gemäß §13 Abs1 UbG Patientenanwälte oder gemäß §8 Abs3 HeimAufG Bewohnervertreter namhaft zu machen, hat die Bundesministerin für Justiz mit Verordnung festzustellen.

(2) Eine solche Verordnung kann nur mit Zustimmung des betreffenden Vereins erlassen werden.

(3) In der Verordnung ist der sachliche und räumliche Tätigkeitsbereich des Vereins anzuführen.

§2. Die Eignung eines Vereins kann nur festgestellt werden, wenn nach seinen Statuten, seiner Organisation und Ausstattung sowie nach seinen Plänen für die Betreuung der Betroffenen zu erwarten ist, daß er die im folgenden angeführten Aufgaben erfüllen wird.

§3. (1) Ein Verein, dessen Eignung gemäß §1 festgestellt worden ist, hat entsprechend seinem sachlichen und räumlichen Tätigkeitsbereich hauptamtliche Vereinssachwalter, Patientenanwälte und Bewohnervertreter auszubilden und bekannt zu geben oder namhaft zu machen, sie fortzubilden, anzuleiten und zu überwachen. Der Verein kann auch geeignete ehrenamtlich tätige Personen als Vereinssachwalter bekannt geben, wenn er sicherstellt, dass sie entsprechend angeleitet und überwacht werden.

(2) Der Verein, der zum Sachwalter bestellt wurde, hat dem Gericht die mit der Wahrnehmung der Sachwalterschaft betraute Person (Vereinssachwalter) bekannt zu geben. Der Verein darf nur Personen bekannt geben, die das Wohl und die Interessen der Betroffenen in unabhängiger Weise wahren können. Gleiches gilt für die Namhaftmachung von Patientenanwälten und Bewohnervertreter[n].

(3) Der Verein kann die Bekanntmachung oder Namhaftmachung aus wichtigen Gründen widerrufen. Widerruft der Verein die Bekanntmachung eines Vereinssachwalters, so hat er dem Gericht eine andere mit der Wahrnehmung der Sachwalterschaft betraute Person bekannt zu geben und dieser eine Urkunde über ihre Betrauung auszustellen.

(4) Zustellungen im Sachwalterschaftsverfahren an die vom Verein bekannt gegebene Person (Abs2) sind an der Abgabestelle des Vereins zu bewirken.

(5) Der Verein kann als Sachwalter in behördlichen Verfahren durch die Person vertreten werden, die er dem Gericht als mit der Wahrnehmung der Sachwalterschaft betraut (Abs2) bekannt gegeben hat.

...

§5. (1) Der Bundesminister für Justiz hat einen Verein, dessen Eignung gemäß §1 festgestellt worden ist, fachlich zu beaufsichtigen.

(2) Der Verein hat dem Bundesminister für Justiz und den von ihm beauftragten Organen die erforderlichen Aufklärungen zu geben sowie deren Überprüfung einschließlich der Einsicht in die über die Pflegebefohlenen geführten Aufzeichnungen zu ermöglichen.

(3) Nimmt der Bundesminister für Justiz wahr, daß ein Verein seine Aufgaben trotz vorheriger Mahnung nicht oder nur unzureichend erfüllt, so hat der Bundesminister für Justiz mit Verordnung festzustellen, daß die Eignung des Vereins nicht mehr gegeben ist. Eine solche Feststellung kann auch hinsichtlich bestimmter sachlicher oder räumlicher Tätigkeitsbereiche getroffen werden.

..."

§279 des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB), JGS 946/1811 idF BGBl. I 92/2006, lautet:

"§279. (1) Bei der Auswahl des Sachwalters ist besonders auf die Bedürfnisse der behinderten Person und darauf Bedacht zu nehmen, dass der Sachwalter nicht in einem Abhängigkeitsverhältnis oder in einer anderen engen Beziehung zu einer Krankenanstalt, einem Heim oder einer sonstigen Einrichtung steht, in der sich die behinderte Person aufhält oder von der sie betreut wird. Wünsche der behinderten Person, insbesondere solche, die sie vor Verlust der Geschäftsfähigkeit und Einsichts- und Urteilsfähigkeit geäußert hat (Sachwalterverfügung), und Anregungen nahe stehender Personen sind zu berücksichtigen, sofern sie dem Wohl der behinderten Person entsprechen.

(2) Einer behinderten Person ist eine geeignete, ihr nahe stehende Person zum Sachwalter zu bestellen. Wird eine behinderte Person volljährig, so ist ein bisher mit der Obsorge betrauter Elternteil zum Sachwalter zu bestellen, sofern dies dem Wohl der behinderten Person nicht widerspricht.

(3) Ist eine geeignete, nahe stehende Person nicht verfügbar, so ist ein geeigneter Verein mit dessen Zustimmung zum Sachwalter zu bestellen. Kommt auch ein Verein nicht in Betracht, so ist nach Maßgabe des §274 Abs2 ein Rechtsanwalt (Rechtsanwaltsanwärter) oder Notar (Notariatskandidat) oder eine andere geeignete Person mit deren Zustimmung zu bestellen.

(4) Ein Rechtsanwalt (Rechtsanwaltsanwärter) oder Notar (Notariatskandidat) ist vor allem dann zum Sachwalter zu bestellen, wenn die Besorgung der Angelegenheiten vorwiegend Rechtskenntnisse erfordert, ein geeigneter Verein vor allem dann, wenn sonst besondere Anforderungen mit der Sachwalterschaft verbunden sind.

(5) Eine Person darf nur so viele Sachwalterschaften übernehmen, wie sie unter Bedachtnahme auf die Pflichten eines Sachwalters, insbesondere jene zur persönlichen Kontaktnahme, ordnungsgemäß besorgen kann. Eine Person - ausgenommen ein geeigneter Verein - darf insgesamt nicht mehr als fünf, ein Rechtsanwalt oder Notar nicht mehr als 25 Sachwalterschaften übernehmen; Sachwalterschaften zur Besorgung einzelner Angelegenheiten bleiben dabei außer Betracht."

3. In der gegen den Bescheid der Bundesministerin für Justiz erhobenen Beschwerde gemäß Art144 B-VG wird neben Vollzugsfehlern auch die Verfassungswidrigkeit des §1 VSPBG behauptet. Auf das Wesentliche zusammengefasst, stelle die Regelung eine Zugangsbeschränkung und mangels Parteistellung im Feststellungsverfahren einen unverhältnismäßigen Eingriff in die verfassungsgesetzlich gewährleistete Erwerbsbetätigung und in das Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz dar. Dadurch, dass die Behörde eine Sachentscheidung verweigert habe, sei auch das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt.

4. Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie zur behaupteten Verletzung der Freiheit der Erwerbsbetätigung Folgendes ausführt:

"Die Übernahme von Sachwalterschaften ist ... schon aus dem

historischen Verständnis heraus nicht als 'zugelassener Erwerbszweig' zu verstehen, sondern als allgemeine Bürgerpflicht. Dieses Grundkonzept wohnt - wenn auch in leicht abgeänderter Form - auch heute noch dem Sachwalterrecht inne. So betont etwa die Regierungsvorlage zum SWRÄG 2006, dass die mit §279 Abs5 ABGB eingeführte Höchstzahl von Sachwalterschaften, die eine andere geeignete Person übernehmen darf, gewährleisten soll, dass die Sachwalterschaft - abgesehen von den Angehörigen der freien Rechtsberufe und den Mitarbeitern der Sachwaltervereine - nicht gewerbsmäßig ausgeübt wird (ErläutRV 1420 22. GP 5). Die Übernahme von Sachwalterschaften fällt daher schon grundsätzlich nicht in den Schutzbereich des Art6 StGG.

... Ferner verleiht die Eignungsfeststellung nach §1 VSPBG

dem Verein noch keineswegs einen subjektiven Rechtsanspruch auf Übernahme von Sachwalterschaften. Im Unterschied zu den in der Beschwerde zitierten Judikaturbeispielen, in denen es um die staatliche Beschränkung von auf Erwerb gerichteten Tätigkeiten geht, die der Betreffende - bestünde die Beschränkung nicht - aus eigener Kraft ausüben kann, handelt es sich bei der Übernahme von Sachwalterschaften um eine staatlich verliehene Funktion, die überhaupt erst durch einen staatlichen Verleihungsakt (nämlich die Bestellung zum Sachwalter durch das Gericht) ins Leben gerufen wird. Die Eignungsfeststellung nach §1 VSPBG unterscheidet sich daher grundlegend von staatlichen Akten der Genehmigung, der Berufszulassung oder der Bedarfsprüfung, die ein 'natürliches Können' des Betroffenen durch Verbote und Beschränkungen limitieren.

Es trifft zwar zu, dass die Eignungsfeststellung für Vereine - im Unterschied zu den anderen nach §279 ABGB in Betracht kommenden Personengruppen (nahe stehende Personen, Angehörige freier Rechtsberufe und sonstige geeignete Personen) - Voraussetzung für deren Bestellung zum Sachwalter ist, doch folgt daraus noch keinerlei Rechtsanspruch darauf, in einem konkreten Fall vom Gericht zum Sachwalter bestellt zu werden. Vielmehr wird nach der Rechtsprechung des OGH die Rechtssphäre des Sachwaltervereins weder vom Bestellungsverfahren noch von der Enthebung des Vereins berührt, weil dem Verein kein subjektives Recht auf Bestellung zum Sachwalter zusteht (4 Ob 176/98f, EvBl 1999/10).

... Zudem liegt ein Eingriff in die Erwerbsfreiheit nach

ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nur dann vor, wenn jemandem der Antritt oder die Ausübung einer bestimmten Erwerbsbetätigung untersagt wird (...). Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer jedoch keineswegs die Übernahme von Sachwalterschaften untersagt. Es wurde überhaupt nicht materiell über die Eignung des Beschwerdeführers im Sinne des §1 VSPBG abgesprochen, sondern ausschließlich über die Frage, ob dem Beschwerdeführer ein subjektives Recht auf eine Sachentscheidung über eine derartige Eignungsfeststellung in Bescheidform zukommt.

Selbst wenn man daher davon ausgehen wollte, dass die \bernahme von Sachwalterschaften grundsätzlich unter den Schutzbereich des Art6 StGG fällt, und weiters, dass dieser Schutzbereich durch eine inhaltliche Entscheidung über die Eignungsfeststellung nach §1 VSPBG berührt wird, könnte in der vorliegenden (die Anträge des Beschwerdeführers auf Durchführung eines Verwaltungsverfahrens und bescheidmäßige Absprache in der Sache selbst mangels Parteistellung zurückweisenden) Entscheidung kein Eingriff in das Grundrecht auf Freiheit der Erwerbsausübung erblickt werden."

Zur behaupteten Verletzung des Rechts auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz führt die belangte Behörde Folgendes aus:

"Unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitsgrundsatzes relevant könnte allenfalls das Vorbringen des Beschwerdeführers sein, dass ein Verein nur bei Feststellung seiner Eignung gemäß §1 VSPBG berechtigt sei, Sachwalterschaften - und zwar ohne zahlenmäßige Beschränkung - zu übernehmen. Ohne eine solche Feststellung könne der Verein selbst keine Sachwalterschaften übernehmen, sondern müsste die Übernahme von Sachwalterschaften durch die beim Verein tätigen Personen 'ad personam' erfolgen, wobei hier aber die mit §279 Abs5 ABGB idF des SWRÄG 2006, BGBl. I Nr. 92/2006, eingeführte zahlenmäßige Beschränkung Platz greife. Diese zahlenmäßige Beschränkung habe zu einer deutlichen Verschlechterung der Rechtsposition von an Sachwalterschaften interessierten Personen geführt, die verfassungsrechtlich nicht gedeckt sei. Der Beschwerdeführer erblickt in dieser Rechtslage eine unsachliche Benachteiligung gegenüber geeigneten Vereinen, die von dieser Beschränkung ausgenommen seien.

Wie der Beschwerdeführer jedoch selbst erkennt, war die Bestimmung des §279 Abs5 ABGB überhaupt nicht präjudiziell für den angefochtenen Bescheid. Die Zurückweisung der Anträge des Beschwerdeführers gründete sich vielmehr auf §1 VSPBG, insbesondere den dort normierten Grundsatz, dass die Eignungsfeststellung in der Rechtsform einer Verordnung zu erfolgen hat - eine Rechtslage, die im Übrigen bereits vor den vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Änderungen durch das SWRÄG 2006, nämlich seit Inkrafttreten des VSPAG, BGBl. Nr. 156/1990, am 1. Jänner 1991, bestand.

...

Ebensowenig hat die belangte Behörde bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides Willkür geübt, also den Beschwerdeführer aus unsachlichen Gründen benachteiligt. Die dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegende Rechtsauffassung, dass kein Rechtsanspruch auf Eignungsfeststellung im Sinne des §1 VSPBG besteht, wird vielmehr gleichmäßig gegenüber allen Vereinen, die eine solche Eignungsfeststellung anstreben, vertreten.

Der Beschwerdeführer behauptet auch gar nicht, dass die hier beschwerdegegenständliche Entscheidung selbst willkürlich getroffen worden sei, bringt aber vor, dass das gesetzliche System den an einer Eignungsfeststellung Interessierten der Willkür des Verordnungsgebers ausliefere und ihm jeglichen effizienten Rechtsschutz verwehre. ... Die belangte Behörde trifft die Entscheidung, ob die Eignung eines Vereins festgestellt werden kann, stets auf Basis der geltenden Rechtsordnung, insbesondere auf Grund des VSPBG sowie der den Aufgabenbereich der geeigneten Vereine regelnden und der haushaltsrechtlichen Bestimmungen. Dass keine Verpflichtung dazu besteht, dem Beschwerdeführer diese Gründe für die inhaltliche Entscheidung mitzuteilen, ist kein Ausdruck von Behördenwillkür, sondern ergibt sich konsequenter Weise daraus, dass der Beschwerdeführer mangels eines subjektiven Rechtes auf Eignungsfeststellung auch keinen Anspruch auf die Erlassung eines (begründeten) Bescheides in der Sache selbst hat."

Zur Frage der Verletzung des Rechts auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nimmt die belangte Behörde schließlich in folgender Weise Stellung:

"Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut erfolgt die Eignungsfeststellung im Sinne des §1 VSPBG somit in der Rechtsform einer Verordnung. Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH steht jedoch auf die Erlassung einer generellen Norm, sei es in Form eines Gesetzes oder in der einer Verordnung, niemandem ein Rechtsanspruch zu. Demnach ist das zur Erlassung einer generellen Norm führende Verfahren kein Verwaltungsverfahren im Sinne der Verwaltungsverfahrensgesetze und besteht daher diesbezüglich auch keine Entscheidungspflicht der Behörde nach §73 Abs1 AVG, also keine Verpflichtung der Behörde, über einen darauf abzielenden Antrag (in der Sache) mit Bescheid abzusprechen (...).

... Auch eine verfassungskonforme Interpretation führt

hinsichtlich der hier zu beurteilenden Konstellation zu keinem anderen Ergebnis:

Wie bereits ... dargelegt, stellt die Übernahme von

Sachwalterschaften grundsätzlich keine durch Art6 StGG geschützte wirtschaftliche Erwerbstätigkeit dar. Vielmehr übt der Sachwalter eine staatlich verliehene und mit der Erfüllung öffentlicher Aufgaben einhergehende Funktion aus. Auf die Verleihung einer solchen öffentlichen Funktion steht jedoch grundsätzlich niemandem ein subjektives Recht zu.

Dabei kann es keine Rolle spielen, ob mit dieser staatlichen Funktion - wie im Fall der Sachwalterschaft - Private betraut werden. So hat der VfGH auch zu dem durchaus vergleichbaren Fall der Betrauung von Privaten mit Angelegenheiten der Bewährungshilfe ausgesprochen, dass die Streichung von der Liste der ehrenamtlichen Bewährungshelfer die betroffene Person nicht in ihrer Rechtssphäre berührt, sondern diese Streichung lediglich die amtliche Stellung des ehrenamtlichen Bewährungshelfers betrifft, dies ungeachtet dessen, dass ehrenamtlichen Bewährungshelfern - ebenso wie Sachwaltern - eine pauschalierte Aufwandsentschädigung gebührt (...).

In diesem Sinne vertreten sowohl die Lehre (...) als auch die Rechtsprechung (...) die Ansicht, dass niemandem - insbesondere auch nicht einem geeigneten Verein im Sinne des §1 VSPBG - ein subjektives Recht auf Bestellung zum Sachwalter zukommt.

... Umso weniger kann daher auf die Eignungsfeststellung

gemäß §1 VSPBG - die ja bloß die rechtliche Voraussetzung für die Bestellung eines Vereins zum Sachwalter in einem konkreten Fall durch das Gericht darstellt - ein Rechtsanspruch bestehen. Ein solcher kann weder aus den die Sachwalterschaft regelnden Bestimmungen des ABGB noch aus dem VSPBG abgeleitet werden. Insbesondere normiert §2 VSPBG lediglich bestimmte Kriterien, die ein Verein erfüllen muss, damit seine Eignung festgestellt werden 'kann'; schon nach dem Wortlaut dieser Bestimmung folgt daraus aber keinesfalls ein (durchsetzbarer) Anspruch gegenüber der Bundesministerin für Justiz auf Eignungsfeststellung bei Erfüllung dieser Voraussetzungen.

Vielmehr hat der Gesetzgeber des VSPAG, BGBl. Nr. 156/1990, - mit welchem die Eignungsfeststellung in der Rechtsform der Verordnung geregelt wurde - in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise einen Weg gewählt, der offenkundig nicht darauf gerichtet war, einen subjektiven Rechtsanspruch auf Anerkennung als geeigneter Verein und damit ein Recht auf bescheidmäßige Absprache hierüber zu begründen. Absicht des Gesetzgebers war es offenbar, die Einrichtung der Sachwalterschaft und der Patientenanwaltschaft privaten Institutionen zu übertragen, ohne diesen ein subjektives Recht auf Wahrnehmung dieser Aufgaben einzuräumen (...).

... Auch daraus, dass das Gesetz die Erlassung der

Verordnung von der Zustimmung des betreffenden Vereins abhängig macht, kann nicht darauf geschlossen werden, dass damit dem Verein ein subjektives Recht auf Eignungsfeststellung eingeräumt werden soll. Bis zum Inkrafttreten des SWRÄG 2006 konnte die Eignung eines Vereins gemäß §1 Abs2 VSPAG nur auf dessen Antrag festgestellt werden, was möglicherweise als Indiz für einen Rechtsanspruch gewertet hätte werden können. Nach den Gesetzesmaterialien zum VSPAG (AB 1203 XVII. GP) sollte damit aber lediglich sichergestellt werden, dass die Eignung eines Vereins nicht gegen seinen Willen festgestellt wird, weil die Erlassung einer Verordnung nach §1 VSPAG auch Verpflichtungen des betreffenden Vereins begründet. Mit dem SWRÄG 2006 wurde die Antragsbindung durch das (bloße) Erfordernis der Zustimmung des Vereins ersetzt, wodurch diese Absicht des Gesetzgebers nunmehr deutlicher zum Ausdruck gebracht wird. Ein Anhörungs- bzw. Mitspracherecht im Verfahren zur Erlassung einer Verordnung verleiht jedenfalls keine Parteistellung und auch keinen Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung (...).

... Zusammenfassend ist festzuhalten, dass dem

Beschwerdeführer mangels eines subjektiven Rechtes auf Eignungsfeststellung im Hinblick auf die Entscheidung darüber keine Parteistellung und auch kein Antragsrecht zukommt. Daraus folgt, dass die belangte Behörde nicht verpflichtet ist, über das Begehren des Beschwerdeführers in der Sache selbst bescheidmäßig abzusprechen, und zwar weder im Fall einer positiven noch einer negativen Erledigung. Die darauf abzielenden Anträge des Beschwerdeführers wurden daher zu Recht zurückgewiesen, sodass eine Verletzung des Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nicht vorliegt."

5. In einer Replik trat der beschwerdeführende Verein diesen Ausführungen der belangten Behörde in folgender Weise entgegen:

"Die belangte Behörde verwechselt ... zwei subjektive

Rechte, nämlich das Recht, Sachwalterschaften übernehmen zu dürfen, mit dem Recht auf individuelle Bestellung zum Sachwalter in einem konkreten Fall. Dass kein Rechtsanspruch des Einzelnen besteht, eine konkrete Sachwalterschaftssache zu übernehmen, kann nicht rechtfertigen, den Einzelnen die Übernahme von Sachwalterschaften generell zu untersagen. Auch sonstige Gewerbetreibende haben keinen Rechtsanspruch darauf, bestimmte Aufträge zu erhalten. Sie sind aber berechtigt, Aufträge anzunehmen. Ebenso ist es hier: Der Beschwerdeführer wendet sich nicht dagegen, eine bestimmte Sachwalterschaft nicht erhalten zu haben. Er wendet sich nur dagegen, mangels Feststellung seiner Eignung gar keine übernehmen zu dürfen.

... Ist - wie hier - die gesetzliche Konstruktion derart konzipiert,

dass für die Ausübung einer bestimmten Erwerbstätigkeit eine bestimmte (meritorische) Erledigung (sei es in Bescheid- oder Verordnungsform) erforderlich ist, diese (meritorische) Erledigung aber nur als Gnadenakt ohne jegliches Antragsrecht und ohne jeglichen Rechtsschutzmechanismus erlangt werden kann, so ist diese gesetzliche

Konstruktion mit Verfassungswidrigkeit belastet. ... Wie die

Gegenschrift festhält, hat der Beschwerdeführer weder ein subjektives Recht auf Eignungsfeststellung noch auf Erlassung eines (begründeten) Bescheides oder einer Rechtsverordnung und überhaupt - so die Gegenschrift - besteht keine Verpflichtung der Behörde, dem Beschwerdeführer die Gründe für die Entscheidung der Behörde oder

deren Untätigkeit mitzuteilen. ... Obwohl durch die Nichterlassung

dieser Verordnung die individuelle Rechtsposition des Beschwerdeführers ganz wesentlich betroffen ist, gibt die derzeitige Rechtslage dem Beschwerdeführer nicht einmal das Recht, die Gründe hiefür zu erfahren. Von einem fairen oder rechtsstaatlichen Verfahren kann hier keine Rede sein.

Im Grunde begründet die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift die Unzulässigkeit/Unbegründetheit der Beschwerde genau mit jenem Argument, welches der Beschwerdeführer dem Gesetz

ankreidet, nämlich dass ihm ... keinerlei subjektive Rechte

eingeräumt werden und keinerlei Rechtsschutzmechanismus zwecks Kontrolle des Handel[n]s/Nichthandelns der belangten Behörde gemäß §§1 ff VSPBG existieren. Die belangte Behörde nimmt somit für sich in Anspruch, durch Rechtsverordnung individuelle Entscheidungen über den Berufszugang Einzelner zu treffen, ohne diesen Einzelnen irgendein subjektives Recht in diesem Zusammenhang zuzugestehen."

II. Aus Anlass dieser Beschwerde sind beim Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des §1 VSPBG entstanden. Er hat daher am 27. Februar 2009 beschlossen, diese Bestimmung idF BGBl. I 92/2006 auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen. Mit Erkenntnis vom 7. Oktober 2009, G81/09, hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, dass §1 VSPBG nicht als verfassungswidrig aufgehoben wird.

III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Zunächst ist festzuhalten, dass sich - wie auch der beschwerdeführende Verein konzediert - aus der Eignungsfeststellung nach §1 VSPBG noch nicht das subjektive Recht auf Bestellung zum Sachwalter ergibt, weil ein solches - da es sich um eine staatlich verliehene Funktion handelt - nicht besteht (s. OGH 14.7.1998, 4 Ob 176/98f, siehe auch VfSlg. 8774/1980 zur Streichung von der Liste der Bewährungshelfer).

2. Bei der Regelung der Eignungsfeststellung in §1 VSPBG handelt es sich um keine Rechtsnorm, die nur die Ausübung einer staatlich verliehenen Funktion zum Gegenstand hat und damit die Rechtssphäre der diese Funktion ausübenden Organwalter ebenso wie jene des Vereins nicht berühren würde.

2.1. Das Argument der belangten Behörde, mangels eines subjektiven Rechts auf Bestellung zum Sachwalter könne "umso weniger" ein subjektives Recht auf Feststellung der Eignung hiefür angenommen werden, überzeugt nicht. Es baut nämlich die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit der Bestellung eines Vereins zum Sachwalter in rechtlicher Hinsicht auf der vorherigen Feststellung von dessen Eignung als Voraussetzung für diese Bestellung auf, so dass die beiden Fragenkreise nicht im Verhältnis des "wenn nicht, dann umso weniger" stehen. Der von der belangten Behörde gezogene Schluss ist daher logisch nicht zulässig.

2.2. Auch der Entfall des Antragsrechtes des Vereins ist nur ein scheinbarer: Entscheidend für die Annahme einer Rechtssphäre des Vereins (und damit für das Fortbestehen eines Antragsrechtes) ist nämlich, dass der Gesetzgeber die Feststellung der Eignung eines Vereins an eine ganze Reihe von Voraussetzungen geknüpft hat. Damit wurde für einen Verein, bei dem alle diese Voraussetzungen vorliegen, eine Rechtssphäre geschaffen. Die Annahme, dass es dem Bundesminister trotz Vorliegens aller vom Gesetzgeber dafür normierten Voraussetzungen frei stünde, die Eignung auszusprechen oder nicht, würde die Einräumung eines gesetzlich gänzlich ungebundenen Ermessens bedeuten und stünde mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art18 Abs1 B-VG) nicht im Einklang.

2.3. Der Verfassungsgerichtshof verkennt in diesem Zusammenhang nicht, dass es ein wichtiges öffentliches Interesse darstellt, einen "Wildwuchs" von Vereinen auf diesem Gebiet im Interesse der Betroffenen zu verhindern. Dieses wichtige öffentliche Interesse darf aber nicht unter Außerachtlassung des Rechtsstaatsprinzips gesichert werden. Der Gesetzgeber hat im Übrigen ohnehin sichergestellt, dass nur solche Vereine zur Sachwalterschaft zugelassen werden müssen, bei denen die Nachhaltigkeit der Finanzierung der Beschäftigung einer ausreichenden Anzahl von Sachwaltern als Grundvoraussetzung ebenso gesichert ist, wie eine entsprechende Größe, Organisation und sonstige Umstände, deren Vorliegen für die fachgerechte Erbringung der Aufgaben im Sinne des §3 VSPBG (insbesondere eine für die Aus- und Fortbildung von Sachwaltern geeignete sachliche und persönliche Infrastruktur) erforderlich ist.

3. Die Eignung eines Vereins zur Übernahme von Sachwalterschaften wird im Fall einer positiven Erledigung mit Verordnung festgestellt, wie sich auch aus dem Wortlaut von §1 VSPBG ergibt. Anderes gilt jedoch für den Fall, dass eine solche Verordnung nicht erlassen wird, weil die Behörde zu der Auffassung gelangt, dass die Voraussetzung für eine solche Eignungsfeststellung beim antragstellenden Verein nicht vorliegt:

3.1. Wie in der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes mehrfach ausgesprochen wurde, bringt das Rechtsstaatsprinzip das Gebot mit sich, die behördliche Festlegung von Rechtsfolgen an eine Form zu knüpfen, die einen verfassungsgesetzlich vorgesehenen Rechtsschutz (vgl. VfSlg. 11.590/1987, S. 800 f., 13.223/1992, 13.564/1993, 13.699/1994) sowie eine inhaltliche Überprüfung des entsprechenden Aktes ermöglicht.

3.2. Einem Verein, der die Anerkennung seiner Eignung beantragt, ist daher für den Fall der Versagung dieser Anerkennung in Art131 und 144 B-VG bundesverfassungsgesetzlich ein Rechtsschutzweg garantiert, der - bei Vorliegen aller Prozessvoraussetzungen - durch die Erlassung eines in der Sache ergehenden Bescheides eröffnet werden muss (vgl. das im Gesetzesprüfungsverfahren ergangene Erkenntnis vom 7. Oktober 2009, G81/09, sowie ferner die - zwar zur Anerkennung von Religionsgemeinschaften ergangenen, hinsichtlich des Rechtsschutzproblems jedoch vergleichbaren - Erkenntnisse VfSlg. 14.295/1995, S. 448, 14.383/1995; siehe zu dieser Judikatur mwN Novak, Formenwahl und Verwaltungshandeln, FS Schäffer, 2006, 515 [524 f.]).

4. Die Behörde hat den beschwerdeführenden Verein dadurch, dass sie den Antrag auf Anerkennung als für die Übernahme von Sachwalterschaften geeigneter Verein ohne inhaltliche Prüfung als unzulässig zurückgewiesen hat, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt:

Dieses Recht wird nämlich nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes u.a. dann verletzt, wenn die Behörde in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt, etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg. 15.482/1999, 15.858/2000, 16.079/2001 und 16.737/2002).

5. Der Bescheid war daher aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen eingegangen werden musste.

6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 360,-- und die Eingabengebühr in der Höhe von € 180,-- enthalten.

7. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung getroffen werden.

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