VfGH G245/09

VfGHG245/0916.12.2009

Zurückweisung eines Abgeordnetenantrags auf Aufhebung von Bestimmungen des Pensionskassengesetzes betreffend die Abfindung von Pensionszahlungen als unzulässig angesichts des bei einer Aufhebung völlig veränderten Inhaltes des verbleibenden Gesetzesteils bzw mangels Beseitigung der behaupteten Verfassungswidrigkeit

Normen

B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsumfang
PensionskassenG §1 Abs2, Abs2a
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsumfang
PensionskassenG §1 Abs2, Abs2a

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. 1. Die im Kopf dieses Beschlusses genannten Abgeordneten zum

Nationalrat stellen gemäß Art140 B-VG den Antrag, näher bezeichnete Teile des §1 des Pensionskassengesetzes (PKG), BGBl. 281/1990 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I 8/2005, welche ein Bestandteil der Regelung über die Abfindung von Pensionsansprüchen sind, als verfassungswidrig aufzuheben.

Aufgrund der im Antrag näher dargestellten wirtschaftlichen Verluste der Pensionskassen in den vergangenen Jahren sei es zu beträchtlichen, ebenfalls beispielsweise dargestellten Verlusten in den Pensionsanwartschaften der Anwartschaftsberechtigten gekommen. Diese seien nunmehr gezwungen, einer weiteren "Vernichtung ihres Pensionskapitals tatenlos zuzusehen", weil das Gesetz - abgesehen von zwei im §1 Abs2 genannten Fällen - einen "Ausstieg" und damit die "Rettung des derzeitigen Barwertes des Auszahlungsbetrages" nicht zulasse. Dies laufe auf eine "de-facto-Enteignung der Anwartschafts- und Leistungsberechtigten hinaus". Die angegriffenen Regelungen verstießen daher - soweit sie Abfindungen von Ansprüchen in anderen als den gesetzlich genannten Fällen nicht zuließen - gegen den Gleichheitssatz (Art7 B-VG) und gegen das Grundrecht auf Unverletzlichkeit des Eigentums (Art5 StGG). Dies wird im Antrag sodann näher ausgeführt.

2. Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie die Zurück- bzw. Abweisung des Antrages beantragt.

II. Der Antrag ist unzulässig:

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. zB VfSlg. 14.740/1997, 17.101/2004 mwH) müssen die Grenzen der Aufhebung auch in einem auf Antrag eingeleiteten Normenprüfungsverfahren so gezogen werden, dass einerseits der verbleibende Gesetzes- oder Verordnungsteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits auch die mit der aufzuhebenden Gesetzes- oder Verordnungsstelle in untrennbarem Zusammenhang stehenden Bestimmungen erfasst werden; der Verfassungsgerichtshof geht bei Bestimmung des Umfangs einer als gesetz- oder verfassungswidrig aufzuhebenden Rechtsvorschrift stets vom Grundgedanken aus, dass ein Normenprüfungsverfahren dazu führen soll, eine festgestellte Gesetz- bzw. Verfassungswidrigkeit zu beseitigen, dass aber der nach der Aufhebung verbleibende Gesetzesteil möglichst nicht mehr verändert werden soll als zur Bereinigung der Rechtslage unbedingt notwendig ist (s. zB VfSlg. 8155/1977, 8461/1978, 12.465/1990, sowie die jeweils Gesetzesprüfungsanträge von Abgeordneten betreffenden Erkenntnisse VfSlg. 14.802/1997, S 398, b), 16.754/2002, S 1033, und 18.142/2007,

S 663 f.).

Da beide Ziele gleichzeitig niemals vollständig erreicht werden können, hat der Verfassungsgerichtshof in jedem Einzelfall abzuwägen, ob und inwieweit diesem oder jenem Ziel der Vorrang vor dem anderen gebührt (vgl. dazu zB VfSlg. 10.936/1986 und im Ergebnis VfSlg. 10.384/1985). Es ist dem Verfassungsgerichtshof aber verwehrt, der Norm durch Aufhebung bloßer Teile einen völlig veränderten, dem Normsetzer überhaupt nicht mehr zusinnbaren Inhalt zu geben, weil dies im Ergebnis geradezu ein Akt positiver Normsetzung wäre (vgl. VfSlg. 12.465/1990, S 128; 13.915/1994, 15.090/1998).

Wie der Verfassungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis VfSlg. 8461/1978 dargelegt hat, soll ein Gesetzesprüfungsverfahren dazu dienen, die behauptete Verfassungswidrigkeit - wenn sie tatsächlich vorläge - zu beseitigen. Unzulässig ist ein Antrag daher auch dann, wenn der Umfang der zur Aufhebung beantragten Bestimmungen so abgesteckt ist, dass die angenommene Verfassungswidrigkeit durch die Aufhebung gar nicht beseitigt würde (VfSlg. 16.191/2001 mwN).

2. §1 Abs1 bis 3 des Bundesgesetzes vom 17. Mai 1990 über die Errichtung, Verwaltung und Beaufsichtigung von Pensionskassen (Pensionskassengesetz - PKG), BGBl. 281/1990, lauten in der hier maßgeblichen Fassung (die angefochtenen Teile sind hervorgehoben):

"§1. (1) Eine Pensionskasse ist ein Unternehmen, das nach diesem Bundesgesetz berechtigt ist, Pensionskassengeschäfte zu betreiben.

(2) Pensionskassengeschäfte bestehen in der rechtsverbindlichen Zusage von Pensionen an Anwartschaftsberechtigte und in der Erbringung von Pensionen an Leistungsberechtigte und Hinterbliebene sowie in der damit verbundenen Hereinnahme und Veranlagung von Pensionskassenbeiträgen (§16). Jede Pensionskasse hat Zusagen auf Alters- und Hinterbliebenenversorgung zu gewähren; zusätzlich können Zusagen auf Invaliditätsversorgung gewährt werden. Alterspensionen sind lebenslang, Invaliditätspensionen auf die Dauer der Invalidität und Hinterbliebenenpensionen entsprechend dem Pensionskassenvertrag zu leisten. Die von einer Pensionskasse auszuzahlenden Pensionen dürfen nur dann abgefunden werden, wenn

1. bei Eintritt des Leistungsfalles der Barwert des Auszahlungsbetrages 9 300 Euro nicht übersteigt oder

2. sich eine Person, die einen Anspruch im Sinne dieses Bundesgesetzes auf eine Hinterbliebenenpension hat, wiederverehelicht hat. Die Betragsgrenze der Z1 gilt in diesem Falle nicht.

(2a) Der in Abs2 genannte Abfindungsgrenzbetrag von 9 300 Euro vermindert oder erhöht sich jeweils dann in Schritten zu 300 Euro, wenn seine Veränderung auf Grund Valorisierung mit dem entsprechend dem von der Bundesanstalt 'Statistik Österreich' für den Monat Juli eines Kalenderjahres verlautbarten Verbraucherpreisindex 1996 oder des an seine Stelle tretenden Indexes gegenüber dem für den Monat Jänner 2002 verlautbarten Verbraucherpreisindex 1996 den Betrag von 300 Euro übersteigt oder unterschreitet. Der neue Abfindungsgrenzbetrag gilt ab 1. Jänner des auf die Anpassung folgenden Kalenderjahres. Die Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA) hat den neuen Abfindungsgrenzbetrag sowie den Zeitpunkt, ab dem dieser wirksam wird, im Amtsblatt der Österreichischen Finanzverwaltung kundzumachen.

(3) Pensionskassen dürfen keine Geschäfte betreiben, die nicht mit der Verwaltung von Pensionskassen zusammenhängen."

3. Für den Fall der Aufhebung der angefochtenen Gesetzesbestimmungen hätte der (dann) letzte Satz des §1 Abs2 PKG somit den Wortlaut:

"Die von einer Pensionskasse auszuzahlenden Pensionen dürfen abgefunden werden."

3.1. Wie die Z1 und 2 des §1 Abs2 PKG zeigen, lässt der nach Auffassung der antragstellenden Abgeordneten verfassungswidrige vierte Satz des §1 Abs2 PKG ausschließlich die Abfindung bereits angefallener Eigenpensionen (Z1) sowie von angefallenen Hinterbliebenenpensionen (Z2) zu. Der Antrag intendiert, durch Aufhebung der angefochtenen Teile des §1 Abs2 PKG zunächst die ausnahmsweise Zulassung der Abfindung angefallener Pensionszahlungen in den Regelfall zu verkehren. Dieses Ergebnis des Gesetzesprüfungsverfahrens würde jedoch dem vom Gesetzgeber festgelegten System des Pensionskassenrechts im hier maßgebenden Zusammenhang einen völlig veränderten Inhalt geben. Eine derart tiefgreifende Umgestaltung der Rechtslage steht dem Verfassungsgerichtshof nach der oben zitierten Rechtsprechung auch in einem von Abgeordneten eingeleiteten Gesetzesprüfungsverfahren aber nicht zu.

3.2. Soweit aber die antragstellenden Abgeordneten eine Regelung über die Zulässigkeit des vorzeitigen Ausscheidens von Anwartschaftsberechtigten aus einer Pensionskasse bzw. über den Wechsel Anwartschaftsberechtigter zu einer anderen Pensionskasse im Gesetz vermissen, würde diese behauptete Verfassungswidrigkeit durch die Aufhebung bloß des nur die Abfindung von Pensionszahlungen regelnden §1 Abs2 PKG nicht beseitigt.

4. Der Antrag war daher deshalb, weil die Aufhebung des §1 Abs2 PKG im beantragten Umfang teils zu einem völlig veränderten Inhalt, teils nicht zur Beseitigung der behaupteten Verfassungswidrigkeit führen würde, als unzulässig zurückzuweisen.

5. Dies konnte in sinngemäßer Anwendung des §19 Abs3 Z2 litc VfGG und gemäß §19 Abs3 Z2 lite sowie Abs4 erster Satz VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

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