VfGH B1414/08

VfGHB1414/089.10.2008

B-VG Art144 Abs1 / Anlassfall
B-VG Art144 Abs1 / Anlassfall

 

Spruch:

Die beschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Das Land Kärnten ist schuldig, der beschwerdeführenden Partei die mit € 2.620,-- bestimmten Verfahrenskosten binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zuhanden ihres Rechtsvertreters zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 7. Juli 2008

wurde der Antrag der Freiheitlichen Partei Österreichs, Landesgruppe

Kärnten, "auf Gewährung einer Landesförderung im Sinne des Kärntner

Parteienförderungsgesetzes (K-PFG) LGBl. Nr. 83/1991 idF LGBl.

Nr. 57/2005 für die Jahre 2006, 2007 und 2008 ... mangels

Vorliegen[s] der gesetzlichen Voraussetzungen gemäß §1 leg.cit.

abgewiesen". Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass gemäß §1 K-PFG nur Landtagsparteien mit mindestens zwei Mitgliedern eine solche Förderung gebühre, nicht aber der einschreitenden politischen Partei, die im Landtag lediglich mit einem Mitglied vertreten sei.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wird unter anderem die Verletzung in Rechten wegen Anwendung des behauptetermaßen verfassungswidrigen §1 K-PFG geltend gemacht. Begründend wird dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass eine gesetzliche Regelung, der zu Folge nur Landtagsparteien mit mindestens zwei Mitgliedern die Parteienförderung gebühre, sachlich nicht gerechtfertigt sei und daher dem Gleichheitssatz widerspreche.

2. Die Kärntner Landesregierung hat als belangte Behörde die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie sich zur behaupteten Verfassungswidrigkeit des §1 K-PFG "im derzeitigen Verfahrensstadium" nicht äußert.

II. 1. Aus Anlass des zu B1550/06 protokollierten Beschwerdeverfahrens hat der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 11. Oktober 2007 gemäß Art140 Abs1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Worte "mit mindestens zwei Mitgliedern" in §1 des Kärntner Parteienförderungsgesetzes, LGBl. 83/1991 in der Fassung des Landesgesetzes vom 28. April 2005, LGBl. 57, sowie der Wendung "1 und" in ArtIII Abs1 lita des Landesgesetzes vom 28. April 2005, mit dem das Kärntner Parteienförderungsgesetz geändert wird, eingeleitet.

2. Mit Erkenntnis vom 9. Oktober 2008, G255/07, hat der Verfassungsgerichtshof die Worte "mit mindestens zwei Mitgliedern" in §1 des Kärntner Parteienförderungsgesetzes, LGBl. 83/1991 in der Fassung des Landesgesetzes vom 28. April 2005, LGBl. 57, sowie die Wendung "1 und" in ArtIII Abs1 lita des Landesgesetzes vom 28. April 2005, mit dem das Kärntner Parteienförderungsgesetz geändert wird, als verfassungswidrig aufgehoben.

3. Gemäß Art140 Abs7 B-VG wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlassfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlassfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrunde liegenden Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.

4. Dem in Art140 Abs7 B-VG genannten Anlassfall (im engeren Sinn), anlässlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind all jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (VfSlg. 10.616/1985, 11.711/1988, 15.761/2000).

5. Die nichtöffentliche Beratung des Verfassungsgerichtshofes im Gesetzesprüfungsverfahren hat am 29. September 2008 begonnen. Die Beschwerde ist beim Verfassungsgerichtshof am 8. August 2008 eingelangt, war also zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung schon anhängig; der ihr zugrunde liegende Fall ist somit einem Anlassfall gleichzuhalten. Dieser Gleichstellung steht - im Lichte des Erkenntnisses VfSlg. 17.687/2005 - auch nicht der Umstand entgegen, dass der das Verwaltungsverfahren einleitende Antrag im Hinblick auf das vorliegende Verfahren erst nach Bekanntmachung des Prüfungsbeschlusses (9. November 2007) gestellt wurde (24. Juni 2008), da es sich im vorliegenden Fall um die gleiche beschwerdeführende Partei wie im zu B1550/06 protokollierten Verfahren handelt.

6. Die belangte Behörde hat bei Erlassung des angefochtenen Bescheides die soeben genannten Bestimmungen in der als verfassungswidrig aufgehobenen Fassung angewendet. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, dass ihre Anwendung für die Rechtsstellung der beschwerdeführenden Partei nachteilig war.

7. Die beschwerdeführende Partei wurde daher durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt (zB VfSlg. 10.303/1984, 10.515/1985).

Der Bescheid war daher aufzuheben.

III. 1. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VfGG. Der zugesprochene Betrag enthält Umsatzsteuer in Höhe von € 400,-- und die Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in Höhe von € 220,--.

2. Dies konnte in sinngemäßer Anwendung des §19 Abs4 Z3 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

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