VfGH A6/08

VfGHA6/085.12.2008

Zurückweisung der Klage einer Gemeinde auf Feststellung eines höheren Ertragsanteils an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben wegen behaupteter Unsachlichkeit des Getränkesteuerausgleichs nach Wegfall der gemeindeeigenen Getränkesteuer; Unzulässigkeit einer Feststellungsklage bei Möglichkeit der Einbringung einer Leistungsklage, hier auf Leistung höherer Vorschüsse nach dem Finanzausgleichsgesetz 2008

Normen

B-VG Art137 / Klage zw Gebietsk
B-VG Art137 / Allg
FAG 2008 §11 Abs2 Z2, §12 Abs1, Abs2
VfGG §38
B-VG Art137 / Klage zw Gebietsk
B-VG Art137 / Allg
FAG 2008 §11 Abs2 Z2, §12 Abs1, Abs2
VfGG §38

 

Spruch:

Die Klage wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. 1. Mit ihrer am 2. Mai 2008 beim Verfassungsgerichtshof

eingelangten, auf Art137 B-VG gestützten Klage gegen den Bund und das Land Tirol beantragt die Gemeinde Mils bei Imst die Fällung des folgenden Urteils:

"1. Es wird festgestellt, dass der klagenden Partei gegenüber den beklagten Parteien seit 01.01.2008 ein Anspruch auf Gewährung von Ertragsanteilen an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben zusteht, welcher in seinem Anteil am Gesamtaufkommen über jene Anteile hinausgeht, die sich aus dem FAG 2008 idF BGBl. I Nr. 103/2007 ergeben.

2. Die beklagten Parteien sind darüber hinaus zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei zu Handen des Klagsvertreters binnen 14 Tagen die Kosten dieses Rechtsstreits zu ersetzen."

2. Die Klage wird wie folgt begründet:

2.1.1. Bis zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes 1997 (FAG 1997) durch BGBl. I 29/2000 habe dessen §15 Abs3 Z2 die Gemeinden ermächtigt, durch Beschluss der Gemeindevertretung die gemäß §14 Abs2 Z8 leg.cit. bezeichneten Abgaben im Ausmaß von 10 % des Entgelts bei Speiseeis und alkoholhältigen Getränken und von 5 % des Entgelts bei alkoholfreien Getränken einzuheben. Mit der Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Mils bei Imst vom 23. Jänner 1992 habe die klagende Partei die Einhebung der gemeindeeigenen Getränkesteuer auf alkoholische Getränke, Speiseeis und alkoholfreie Getränke beschlossen. Die Einnahmen der klagenden Partei aus der Getränkesteuer hätten in den Jahren 1993 bis 1999 insgesamt € 38.697,54 und durchschnittlich pro Jahr € 5.528,22 betragen. Mit Urteil des EuGH vom 9. März 2000, Rs. C-437/97 , Evangelischer Krankenhausverein Wien, sei die Getränkesteuer auf alkoholische Getränke als gemeinschaftsrechtswidrig "aufgehoben" worden. Die klagende Partei hätte diese Abgabe ab diesem Zeitpunkt nicht mehr einheben können.

Mit BGBl. I 29/2000 sei den Gemeinden durch eine Novellierung des Finanzausgleichsgesetzes 1997 das freie Beschlussrecht hinsichtlich der Steuern auf alkoholhältige Getränke genommen worden. Seit 1. Jänner 2001 könne die klagende Partei auch keine eigene Getränkesteuer auf alkoholfreie Getränke und Speiseeis mehr einheben (BGBl. I 3/2001).

2.1.2. Durch BGBl. I 29/2000 sei ein eigener Finanzmitteltopf zur Verteilung als "Getränkesteuerausgleich" für die Gemeinden eingerichtet worden. Dieser "Getränkesteuerausgleichstopf" sei mit Anteilen am bundesweiten Umsatzsteueraufkommen dotiert worden. Diese Regelung habe den Gemeinden einen Ausgleich in Höhe von ca. 75 % des Aufkommens aus der vormaligen Getränkesteuer gebracht.

Gemäß §12 Abs2 Z3 FAG 2001, BGBl. I 3, habe die Aufteilung auf die einzelnen Gemeinden im Verhältnis der durchschnittlichen Jahreserträge der Getränke- und Speiseeissteuern in den Jahren 1993 bis 1997 zu erfolgen. Bei Gemeinden, in denen der Ertrag in den Jahren 1998 oder 1999 mehr als 50 % über dem durchschnittlichen Jahresertrag der Jahre 1993 bis 1997 gelegen ist, sei für die Berechnung des Anteils am Getränkesteuerausgleich nicht der 5-jährige Schnitt, sondern der jeweils höhere Wert der Jahre 1998 oder 1999 heranzuziehen. Der Grund für diese durch das FAG 2001 erfolgte Modifikation sei darin gelegen, dass einige Gemeinden in der Erwartung, künftig hohe Mehrerträge aus der Getränkesteuer erzielen zu können, große Investitionen zur Verbesserung der touristischen Infrastruktur getätigt hätten, die aber insoweit frustriert gewesen wären, als die Mehrerträge erst nach 1997 zu erwarten waren (Hinweis auf Hüttner, Der Finanzausgleich 2001 bis 2004, Teil 2, ÖGZ 2/2001, 39 ff.).

2.1.3. Durch das darauf folgende FAG 2005 seien die Bestimmungen der Verteilung des Getränkesteuerausgleichs auf die einzelnen Gemeinden inhaltlich gleich belassen worden (§11 Abs2 Z2 FAG 2005, BGBl. I 156/2004).

Auch das Ende des Jahres 2007 beschlossene FAG 2008, BGBl. I 103/2007, regle die Aufteilung der Anteile aus dem Getränkesteuerausgleich in gleicher Weise. §11 Abs2 Z2 leg.cit. sei wortgleich mit den Vorgängerregelungen des FAG 2001 und des FAG 2005 und laute wie folgt:

"Die Anteile aus dem Getränkesteuerausgleich werden im Verhältnis der durchschnittlichen Jahreserträge an Getränke- und Speiseeissteuer in den Jahren 1993 bis 1997 verteilt. Bei Gemeinden, in denen der Ertrag an Getränke- und Speiseeissteuer im Jahr 1998 oder im Jahr 1999 mehr als 50 % über dem durchschnittlichen Jahresertrag der Jahre 1993 bis 1997 gelegen ist, wird jedoch statt der durchschnittlichen Jahreserträge in den Jahren 1993 bis 1997 der jeweils höhere Wert der Jahre 1998 oder 1999 für die Berechnung der Anteile der Gemeinde herangezogen."

2.1.4. Die klagende Partei vertritt die Auffassung, dass die Regelungen des Getränkesteuerausgleichs nicht mehr dem Sachlichkeitsgebot entsprächen und daher verfassungswidrig seien. Die klagende Partei habe seit Mitte der 90er-Jahre Anstrengungen unternommen, um die Ansiedelung einer Autobahnraststätte auf ihrem Gemeindegebiet zu verwirklichen. Tatsächlich sei die Autobahnraststätte "Trofana-Tyrol" seit Herbst 2002 in Betrieb. Wäre die alte Getränkesteuerregelung nach wie vor in Geltung, würde die klagende Partei Getränkesteuer "in zigfacher Höhe als vor in Betriebnahme der Raststätte lukrieren".

Der von der derzeit geltenden Rechtslage vorgesehene "Getränkesteuerausgleichstopf" sei mit Umsatzsteuerleistungen dotiert, die auch im Gemeindegebiet der klagenden Partei erwirtschaftet werden, ohne dass ein adäquater Rückfluss an die klagende Partei erfolge.

2.2. Ihr Feststellungsinteresse bzw. das Bestehen ihres Anspruches begründet die klagende Partei damit, dass "der Verteilungsschlüssel für den Getränkesteuerausgleich für die künftigen Jahre nicht mehr sachgerecht" sei. Sie begehre keine Ersatzleistungen für die Vergangenheit. Da sich die künftigen Erlöse aus der Umsatzsteuer bzw. die Entwicklung der im Gemeindegebiet der klagenden Partei erzielten - ehemals getränkesteuerpflichtigen - Umsätze nicht im Vorhinein beziffern ließen, habe die klagende Partei ein rechtliches Interesse daran, feststellen zu lassen, "ob ihr mehr an Ertragsanteilen an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben bzw. mehr Anteile aus dem Getränkesteuerausgleich zustehen", als die derzeit geltende Rechtslage normiert.

In der Sache legt die klagende Partei näher dar, wie sich der Wegfall der Getränkesteuer und die Regelungen des Getränkesteuerausgleichs auf ihren Haushalt auswirkten, und führt aus, dass sie sich beim Land Tirol, beim Tiroler Gemeindeverband und beim Österreichischen Gemeindebund erfolglos um die Berücksichtigung ihrer Interessen bemüht habe.

3. Das Land Tirol und der Bund erstatteten Gegenschriften, in denen sie die Unzulässigkeit der Klage einwenden und ihre Zurückweisung beantragen. Eine Feststellungsklage gemäß §38 VfGG sei im gegebenen Zusammenhang nicht zulässig, weil bereits auf Leistung geklagt werden könne. Darüber hinaus sei das Klagebegehren nicht ausreichend bestimmt. Dem Vorbringen in der Sache treten die beklagten Parteien mit näheren Ausführungen entgegen und beantragen für den Fall, dass der Verfassungsgerichtshof die Klage für zulässig halten sollte, ihre Abweisung.

II. Die Klage ist unzulässig:

1. Eine Feststellungsklage nach §38 VfGG ist nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes ausgeschlossen, wenn bereits die Einbringung einer Leistungsklage möglich ist (VfSlg. 4818/1964 unter Verweis auf VfSlg. 1356/1930). Dies ist hier der Fall:

Gemäß §12 Abs1 FAG 2008 gebühren den (Ländern und) Gemeinden monatliche Vorschüsse auf die ihnen "nach den vorstehenden Bestimmungen zustehenden Ertragsanteile". Die Vorschüsse sind grundsätzlich nach dem Ertrag der gemeinschaftlichen Bundesabgaben im zweitvorangegangenen Monat zu bemessen. Detailregelungen befassen sich mit der Berücksichtigung der Abzüge nach §8 Abs2 Z1 bzw. §9 Abs3 FAG 2008. Die Vorschüsse sind den Ländern und der Gesamtheit der Gemeinden jedes Landes spätestens zum 20. des Monates, für den sie gebühren, zu überweisen. Die Länder ihrerseits haben die den Gemeinden gebührenden Anteile nach den Schlüsseln des §11 Abs2 FAG 2008 (nach Abzug der Landesumlage) bis zum 10. des Folgemonates zu überweisen (§12 Abs2 FAG 2008). Die endgültige Abrechnung der Ertragsanteile hat dann auf Grund des Rechnungsabschlusses des Bundes zu erfolgen, wobei allerdings auf Grund der vorläufigen Ergebnisse des abgelaufenen Haushaltsjahres bis Ende März des Folgejahres eine Zwischenabrechnung zu erfolgen hat (§12 Abs1 FAG 2008).

Bei den den Ländern und Gemeinden zu leistenden Vorschüssen handelt es sich somit nicht bloß um pauschale Abschlagszahlungen. Vielmehr wird der vom Bund in einem bestimmten Kalendermonat tatsächlich vereinnahmte Reinertrag der gemeinschaftlichen Bundesabgaben, der sich unter Berücksichtigung des §8 Abs2 FAG 2008 errechnet, nach Maßgabe der im FAG 2008 vorgesehenen Verteilungsschlüssel auf die beteiligten Gebietskörperschaften aufgeteilt.

Bei einer solchen Situation hat eine Gemeinde, die der Meinung ist, sie werde bei der Verteilung des Aufkommens der gemeinschaftlichen Bundesabgaben in rechtswidriger Weise benachteiligt, die Möglichkeit, eine Berechnung der Vorschüsse zu fordern, die diesem Rechtsstandpunkt Rechnung trägt (vgl. zB VfSlg. 11.394/1987). Auch die Gemeinde Mils hätte daher ihre Klage auf die Leistung höherer Vorschüsse richten müssen, da sie anscheinend davon ausgeht, dass die Verteilung des Aufkommens der gemeinschaftlichen Bundesabgaben nicht unter Heranziehung des in §11 Abs2 Z2 FAG 2008 vorgesehenen Getränkesteuerausgleichs, sondern in anderer Weise zu erfolgen hat und sie in diesem Fall einen höheren Anteil an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben erhalten müsste als bei Berücksichtigung des Getränkesteuerausgleichs.

2. Da eine Leistungsklage nach den Umständen des vorliegenden Falles bereits möglich wäre, war die Feststellungsklage als unzulässig zurückzuweisen.

3. Dieser Beschluss konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lita VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung gefasst werden.

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