Normen
StGG Art5
EMRK 1. ZP Art1
FlVfGG 1951 §10, §11
Stmk ZusammenlegungsG §27
StGG Art5
EMRK 1. ZP Art1
FlVfGG 1951 §10, §11
Stmk ZusammenlegungsG §27
Spruch:
Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Das Land Steiermark ist schuldig, den Beschwerdeführern zuhanden ihres Vertreters die mit 2.556 € bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Im Jahre 1972 wurde von der Agrarbezirksbehörde Graz ein Zusammenlegungsverfahren eingeleitet, das unter anderem auch die KG Mooskirchen betraf. Mit Bescheid vom 10. Februar 1976 wurde unter anderem die vorläufige Übernahme der Grundabfindungen angeordnet; der Zusammenlegungsplan wurde schließlich in der Zeit vom 20. Februar bis 6. März 1985 aufgelegt.
1. Der eine Berufung der Beschwerdeführer gegen den Zusammenlegungsplan abweisende Bescheid des Landesagrarsenates wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 21. Dezember 1995 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben: Er lasse eine Auseinandersetzung mit den Aussagen eines privaten Sachverständigen zur Eignung von Grundstücken für den Obstbau und eine Begründung dafür vermissen, dass Grundstücke mit stauender Nässe von gleicher Beschaffenheit seien als (bloß) überflutungsbedrohte Grundstücke.
Mit Erkenntnis vom 3. Mai 2000 gab der durch Devolution zuständig gewordene Oberste Agrarsenat der Berufung gegen den Zusammenlegungsplan statt und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die Agrarbezirksbehörde zurück, wobei er feststellte, dass eine "Verletzung der Gesetzmäßigkeit der Abfindung" vorliege.
Am 26. September 2001 erließ der wiederum im Devolutionsweg zuständig gewordene Landesagrarsenat einen Zusammenlegungsplan, der nunmehr eine gemeinsame Maßnahme und Anlage zur Verbesserung der Entwässerungssituation vorsah. Die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführer wies der Oberste Agrarsenat mit Erkenntnis vom 4. Dezember 2002 (unter anderem mit Hinweis auf die Bindungswirkung seines früheren aufhebenden Erkenntnisses) als unbegründet ab. (Beschwerden an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts blieben erfolglos; der Verfassungsgerichtshof stellte mit Erkenntnis vom 30. September 2004, B239/03, allerdings die Verletzung der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Entscheidung innerhalb angemessener Frist nach Art6 Abs1 EMRK fest).
Mit Eingabe vom 8. Jänner 2003 begehrten die Beschwerdeführer daraufhin Schadenersatz wegen Gesetzwidrigkeit der Abfindung gemäß §27 Abs9 des Steiermärkischen Zusammenlegungsgesetzes - einer erst 1995 eingeführten Bestimmung - für die Zeit von der vorläufigen Übergabe bis zur Sanierung des Fehlers, und zwar für minderen Betriebserfolg über 25 Jahre 2.000 € jährlich und für die Notwendigkeit der Umstellung von Obstbau auf Viehwirtschaft vorläufig 50.000 €. In dem vom Landesagrarsenat eingeholten Gutachten eines Amtssachverständigen wird ein Entschädigungsbetrag von 17.296,39 €
für den Zeitraum 1976 bis 2003 errechnet, für die Jahre 1995 bis 2003 ein Betrag von 4.281,91 €. Darauf sprach der Landesagrarsenat mit Erkenntnis vom 25. Mai 2005 (als gemäß §7 Abs3 AgrarbehördenG 1950 idF BGBl. I 191/1999 zuständige Behörde) den Beschwerdeführern unter Hinweis auf das Inkrafttreten der Regelung über die Entschädigung wegen gesetzwidriger Abfindung am 25. März 1995 einen Betrag in der Höhe von 4.282 € zu: Nach der Judikatur des Obersten Gerichtshofes sei nur der in den Zeitraum der Herrschaft der neuen Rechtsnorm herüber reichende Abschnitt des Dauertatbestandes nach den Vorschriften des neuen Gesetzes zu beurteilen, falls nicht Übergangsbestimmungen etwas anderes anordnen.
In der gegen dieses Erkenntnis erhobenen Berufung begehrten die Beschwerdeführer den Zuspruch von 369.070,43 €, in eventu die Zurückverweisung der Sache an die Behörde erster Instanz.
2. Der angefochtene Bescheid des Obersten Agrarsenates vom 7. Dezember 2005 weist die Berufung als unbegründet ab und führt zum Vorwurf der verfassungswidrigen Begrenzung der Entschädigung auf die Jahre ab 1995 Folgendes aus:
"Abgesehen von dem in der Verfassungsbestimmung des Art7 Abs1 MRK normierten Verbot rückwirkender Strafgesetze gibt es nach herrschender Judikatur und Lehre kein allgemeines verfassungsrechtliches Verbot rückwirkender Gesetze, das heißt solcher Gesetze, die an Sachverhalte anknüpfen, die sich vor der Erlassung des Gesetzes ereignet haben (Walter/Mayer, Bundesverfassungsrecht9 (2000) Rz 494). Die Rückwirkung eines Gesetzes muss jedoch vom Gesetzgeber ausdrücklich verfügt werden (OGH 3.10.2000, 4 Ob 235/00p; Walter/Mayer a.a.O. Rz 493; Vonkilch, Darf die Rechtsprechung Gesetzen rückwirkende Kraft verleihen?, Ecolex 1996, 515).
Mit der Bestimmung des §71 Abs1 StZLG 1982 hat der Landesausführungsgesetzgeber ausdrücklich das Inkrafttreten des §27 Abs9, 10 und 11 StZLG 1982 mit dem 25. März 1995 festgelegt, ohne dabei jedoch eine Rückwirkung dieser Bestimmung zu normieren.
Die Berufungswerber leiten aus §71 Abs2 und 5 StZLG 1982, wonach näher genannte Bestimmungen explizit auf zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Novelle anhängige Verfahren keine Anwendung fänden, ab, dass alle übrigen Bestimmungen und insbesondere auch die Bestimmung des §27 Abs9 StZLG 1982 daher auf Zusammenlegungsverfahren anzuwenden seien, welche zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Novelle anhängig waren.
Die - unbestrittene - grundsätzliche 'Anwendbarkeit' des §27 Abs9 StZLG 1982 auch auf zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Bestimmung anhängige Zusammenlegungsverfahren beantwortet jedoch noch nicht die Frage, ob bei Vorliegen der gesetzlich geforderten Voraussetzungen - neben dem seit Inkrafttreten der maßgebenden gesetzlichen Bestimmung erlittenen Schaden - ein durch eine übergebene gesetzwidrige Abfindung entstandener Schaden auch für den Zeitraum vor Inkrafttreten des §27 Abs9 StZLG 1982 am 25. März 1995 zu ersetzen ist.
§27 Abs9 StZLG 1982 sieht als Voraussetzungen für den Ersatzanspruch eine 'übergebene' 'gesetzwidrige' 'Abfindung' sowie einen 'dadurch entstandenen Schaden(s)' vor, wobei gemäß §27 Abs10 StZLG 1982 der Betriebserfolg Grundlage für die Schadensberechnung ist. Damit ist zwar ausdrücklich die erfolgte Übergabe einer gesetzwidrigen Abfindung Voraussetzung für das Schadenersatzbegehren. Für die Höhe des Schadenersatzes ist jedoch kein punktuelles (Schadens-)Ereignis entscheidend, sondern vielmehr die Tatsache, dass eine Partei über einen bestimmten Zeitraum gezwungen ist, eine gesetzwidrige Abfindung zu bewirtschaften. Daraus ergibt sich aber die grundsätzliche Möglichkeit, einen entstandenen Schaden auch nur teilweise, das heißt ab einem bestimmten Zeitpunkt zu ersetzen.
In seinem bereits zitierten Erkenntnis vom 3. Oktober 2000, 4 Ob 235/00p, führte der Oberste Gerichtshof unter Hinweis auf §5 ABGB sowie unter Bezugnahme auf Vorjudikatur und näher genannte literarische Quellen aus, dass bei mehraktigen Schuldverhältnissen und Dauerrechtsverhältnissen, an die eine Dauerrechtsfolge geknüpft ist, in Ermangelung einer anderen Anordnung des Gesetzgebers die Rechtsfolgen, die an den zeitlichen Abschnitt der Tatbestandsverwirklichung vor Inkrafttreten des neuen Gesetzes geknüpft waren, nach altem Recht, die Rechtsfolgen bezüglich des sich danach weiter verwirklichenden Tatbestands aber nach dem neuen Gesetz zu beurteilen sind. Wenngleich die Berufungswerber der Aussagekraft der genannten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes für das gegenständliche Verfahren entgegen halten, dass sich diese Entscheidung nicht auf subjektiv-öffentliche Rechte bzw. Ansprüche beziehe, treten sie den in der zitierten Judikatur dargelegten Überlegungen, die sich sinngemäß auch auf den gegenständlichen Fall übertragen lassen, inhaltlich nicht entgegen. War in dem, dem zitierten Erkenntnis des Obersten Gerichtshofes zugrunde gelegenen Verfahren die Frage der anzuwendenden (sich zwischenzeitig geändert habenden) Rechtslage hinsichtlich der Unterhaltspflicht von Ehegatten zu beurteilen, so steht im gegenständlichen Fall die Frage im Mittelpunkt, ab welchem Zeitpunkt ein - aufgrund zwischenzeitig geänderter Rechtslage möglicher - Ersatz eines aufgrund eines länger andauernden gesetzwidrigen Zustandes entstandener Schaden zuzuerkennen ist. In beiden Fällen lassen sich die jeweiligen zeitlichen Abschnitte der Tatbestandsverwirklichung vor beziehungsweise ab Inkrafttreten des (neuen) Gesetzes ohne Probleme unterscheiden.
Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, dass der Landesgesetzgeber des StZLG 1982 nicht ausdrücklich angeordnet hat, dass auch der vor dem Inkrafttreten des §27 Abs9 StZLG 1982 bereits entstandene Schaden zu ersetzen ist. Eine Verfassungswidrigkeit dieser vom Gesetzgeber nicht mit rückwirkender Kraft ausgestatteten Bestimmung ist daraus nicht abzuleiten. Auch der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem, die vergleichbare Bestimmung des §26a Niederösterreichisches Flurverfassungs-Landesgesetz 1975 betreffenden Erkenntnis vom 26. Mai 1998, Zl. 96/07/0233, keine verfassungsrechtlichen Bedenken geäußert.
Dass im gegenständlichen Fall der besondere Charakter einer zwingenden Norm (vgl. dazu OGH 8.11.1994, 5Ob 98/94) sowie deren Inhalt und Zweck deren rückwirkende Anwendung verlangen würde, ist nicht zu erkennen. Es besteht der Sachnatur des §27 Abs9 StZLG nach kein Anlass, eine Rückwirkung anzunehmen. Die in der Literatur teilweise vertretene Rechtsansicht, dass eine Rückwirkung dann unbedenklich sei, wenn sie dem Normadressaten lediglich Vorteile bringe (vgl. F. Bydlinski in Rummel3, §5 Rz 2), kann im gegenständlichen Fall nicht zu einer Rückwirkung der in Rede stehenden gesetzlichen Regelung des StZLG 1982 führen, da sich eine derartige Interpretation der Bestimmung nicht nur begünstigend für die Berufungswerber, sondern gleichzeitig auch belastend für das Land Steiermark auswirken würde.
Eine Auslegung des §27 Abs9 StZLG 1982 im Sinne des Berufungsvorbringens würde aus nachstehender Begründung vielmehr dem Gesetz einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellen.
Der Verfassungsgerichtshof leitet eine Beschränkung der Rückwirkung von Gesetzen aus dem Gleichheitssatz ab (Thienel, Art49 B-VG und die Bestimmung des zeitlichen Geltungsbereiches von Bundesgesetzen, ÖJZ 1990, 161, FN 62 u.a.). Es ist dem Gesetzgeber jedenfalls verwehrt, bei der Anordnung der Rückwirkung in unsachlicher Weise zu differenzieren und die Rückwirkung - ohne ausreichende sachliche Rechtfertigung - nur auf bestimmte Sachverhalte zu beschränken oder - ohne eine solche Grundlage - auszudehnen (vgl. die in Thienel, a.a.O., FN 81, zitierte Judikatur des Verfassungsgerichtshofes). Obgleich durch ein (wie im gegenständlichen Fall) an sich begünstigendes Gesetz ein in der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes häufig releviertes 'schutzwürdiges Vertrauen' nicht beeinträchtigt werden kann, darf dennoch auch bei der Zuerkennung einer Begünstigung nicht in unsachlicher Weise differenziert werden (Koja, Die Rückwirkung von Gesetzen und die Bundesverfassung, JRP 1999, 40). Es ist daher zu prüfen, ob die Abgrenzung der Fälle, die von der Rückwirkung erfasst werden, von jenen, die nicht erfasst sind, sächlich gerechtfertigt ist. Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes kommt etwa dem Gesetzgeber insofern ein rechtspolitischer Gestaltungsspielraum zu, als es auch grundsätzlich zulässig ist, auch bereits rechtskräftig entschiedene Fälle in den Geltungsbereich eines rückwirkenden Gesetzes einzubeziehen. Allerdings darf es nicht von bloßen Zufälligkeiten abhängen, ob Rechtskraft eingetreten sei oder nicht (vgl. Koja a.a.O., FN 41 (VfSlg 5411)).
§27 Abs9 StZLG 1982 normiert als Erfordernis für die Zuerkennung eines Schadenersatzes eine rechtzeitige, innerhalb eines Monates nach Eintritt der formellen Rechtskraft der Entscheidung über den Zusammenlegungsplan erfolgende Antragstellung. Wie bereits ausgeführt, bedeutet dies, dass es für den Beginn des Fristenlaufes zur Antragstellung nicht auf die Unanfechtbarkeit des Bescheides in Bezug auf alle Verfahrensparteien ankommt, sondern auf den Eintritt der Rechtskraft der die Entschädigung begehrenden Partei (VwGH 19.3.1998, 98/07/0030). Folgte man nun der von den Berufungswerbern dargelegten Rechtsansicht, wonach §27 Abs9 StZLG 1982 auch den Ersatz des vor dem Inkrafttreten dieser Bestimmung entstandenen Schadens vorsehe, würde diese Interpretation hinsichtlich des Zeitraumes bis zum Inkrafttreten des §27 Abs9 StZLG 1982 im Ergebnis zu einer - sachlich nicht gerechtfertigten - Differenzierung zwischen jenen Parteien, denen gegenüber der Zusammenlegungsplan spätestens einen Monat und einen Tag vor Inkrafttreten der genannten Bestimmung rechtskräftig geworden ist, und jenen Parteien (sogar desselben Zusammenlegungsverfahrens) führen, denen gegenüber der Zusammenlegungsplan nach dem erwähnten Tag in Rechtskraft getreten ist. Während letztgenannten Parteien, bei Vorliegen auch der sonstigen gesetzlichen Voraussetzungen, mangels Ablaufes der einmonatigen Frist die Möglichkeit offen stünde, Schadenersatz auch für den oft Jahre davor liegenden Zeitraum zwischen gesetzwidriger vorläufiger Übergabe und Inkrafttreten des §27 Abs9 StZLG 1982 zu begehren, kämen erstgenannte Parteien nicht in den Genuss dieser Möglichkeit, obwohl die Parteien doch in beiden Fällen gezwungen waren, im selben Zeitraum (vor Inkrafttreten des Gesetzes) gesetzwidrige Abfindungen zu bewirtschaften. Da aber der Zeitpunkt der Erlassung eines Bescheides von vielfältigen Faktoren abhängen und der - ihnen gegenüber wirksame - Eintritt der Rechtskraft eines Bescheides von den Parteien eines Verfahrens nicht oder nur sehr beschränkt beeinflusst werden kann, hinge der Eintritt der für eine Antragstellung notwendigen Rechtskraft eines Bescheides von 'Zufälligkeiten' im Sinne der oben genannten Judikatur und Literatur ab.
Unbeschadet der Tatsache, dass der Gesetzgeber eine Rückwirkung des §27 Abs9 StZLG 1982 nicht angeordnet hat, würde man somit mit der Vollziehung der - an sich begünstigenden - Bestimmung des §27 Abs9 StZLG 1982 im Sinne einer im Berufungsvorbringen behaupteten Rückwirkung, der genannten Bestimmung einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellen, weil sie die betroffenen Normadressaten nicht gleich behandeln sondern ohne relevante Unterschiede persönlicher oder sachlicher Natur entsprechend zu unterschiedlichen Ergebnissen führen würde (vgl. Koja a.a.O.)."
Im Übrigen verweist der Oberste Agrarsenat auf die Ergebnisse des erstinstanzlichen Verfahrens, hält die erhobenen Vorwürfe der Verletzung von Verfahrensvorschriften und die Einwände gegen das Sachverständigengutachten für unbegründet und begegnet dem Begehren um höheren Schadenersatz wegen Überschwemmungsgefahr und mangelhafter Obstbaueignung mit den Ergebnissen des rechtskräftig abgeschlossenen Zusammenlegungsverfahrens.
3. Die dagegen erhobene Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof rügt die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums und Gleichheit vor dem Gesetz sowie des Rechts auf ein faires Verfahren nach Art6 EMRK. Der Zuspruch von Schadenersatz erst ab 1995 sei krass unrichtig und einer Willkür gleichzuhalten, weil weder dem Wortlaut (arg. "War die ... Abfindung gesetzwidrig ...") noch dem Zweck des Gesetzes (der Beseitigung einer Verfassungswidrigkeit) entsprechend und in sich widersprüchlich (weil das auslösende schädigende Verhalten 1976 gesetzt worden sei, sodass für Grund und Höhe des Anspruchs verschiedenes gälte), der das Land treffende Nachteil auf die gesetzwidrige Vollziehung zurückzuführen sei für deren Folgen nach dem EGMR Ersatz zu leisten sei, zu dessen Geltendmachung Amtshaftungsprozesse nicht vorgesehen und nicht geeignet seien; zudem seien krasse Verfahrensfehler unterlaufen: Die Behörde habe sich nicht mit den Vorbringen der Antragsteller auseinandergesetzt, nicht den möglichen Betriebserfolg mit und ohne Schaden verglichen und den Beweisanträgen nicht Folge gegeben.
In seiner Gegenschrift tritt der Oberste Agrarsenat der Beschwerde zunächst wie folgt entgegen:
"a) Gemäß Art49 Abs1 B-VG treten Bundesgesetze, soweit nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, mit Ablauf des Tages ihrer Kundmachung in Kraft. Ähnlich bestimmt §21 Abs7 des Steiermärkischen Landes-Verfassungsgesetzes 1960 (L-VG 1960), dass die verbindende Kraft der Landesgesetze, wenn nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, nach Ablauf des Tages beginnt, an dem das Landesgesetzblatt für die Steiermark, das die Kundmachung enthält, ausgegeben und versendet wird. Vergleichbar mit Art49 Abs1 B-VG ermöglicht somit auch §21 Abs7 L-VG 1960 eine Rückwirkung einfacher Landesgesetze. Die Wortfolge 'wenn nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist' bedeutet jedoch, dass in dem betreffenden Landesgesetz selbst eine 'ausdrückliche' andere Bestimmung enthalten sein muss (vgl. zu Art49 B-VG Walter/Mayer, Bundesverfassungsrecht9 (2000) Rz 493).
Unbeschadet dieses Erfordernisses dürfen rückwirkende Gesetze darüber hinaus trotz eines gewissen rechtspolitischen Gestaltungsspielraums nicht gegen den Gleichheitssatz verstoßen bzw. darf bei der rückwirkenden Erfassung von Sachverhalten nicht unsachlich differenziert werden (Thienel in Korinek/Holoubek, Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Rz 67 zu Art48, 49 B-VG, mit ausführlicher Zitierung der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes). Die belangte Behörde hat im angefochtenen Erkenntnis dargelegt, dass ihrer Ansicht nach kein sachlich gerechtfertigter Grund erkennbar ist, Parteien sogar desselben Zusammenlegungsverfahrens hinsichtlich der Zuerkennung des Ersatzes eines ihnen in der Zeit vor dem im Jahre 1995 erfolgten Inkrafttreten des §27 Abs9 des Steiermärkischen Zusammenlegungsgesetzes 1982 - StZLG 1982 (jedoch während desselben Zeitraumes) aufgrund der Übergabe gesetzwidriger Abfindungen entstandenen Schadens ohne relevante Unterschiede persönlicher oder sachlicher Natur unterschiedlich zu behandeln. Diese differenzierte Behandlung ergäbe sich - aufgrund des innerhalb eines Monates nach Eintritt der formellen Rechtskraft der Entscheidung über den Zusammenlegungsplan einzubringenden Antrages - als Konsequenz der von den Beschwerdeführern dargelegten Rechtsansicht aber in jenen Fällen, in denen der Zusammenlegungsplan gegenüber einer Partei mehr als einen Monat vor dem Inkrafttreten der genannten Bestimmung, einer anderen Partei erst später in formelle Rechtskraft erwachsen ist. Dass der Gesetzgeber auf den Eintritt der Rechtskraft gegenüber der die Entschädigung begehrenden Partei abstellt und nicht auf die Unanfechtbarkeit des Bescheides in Bezug auf alle Verfahrensparteien, wurde im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19.3.1998, 98/07/0030, ausführlich begründet. Die Beschwerdeführer sind den Erwägungen der belangten Behörde hinsichtlich einer - den Zeitraum vor dem Inkrafttreten des §27 Abs9 StZLG 1982 betreffenden - sachlich nicht gerechtfertigten Differenzierung von Parteien inhaltlich nicht entgegengetreten.
b) Die gegenständlich in Rede stehende Bestimmung des §27 Abs9 bis 11 StZLG 1982 stellt die ausführungsgesetzliche Bestimmung des §10 Abs5 bis 7 des Flurverfassungs-Grundsatzgesetzes 1951 (FGG) dar. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19.3.1998, Zl. 98/07/0030, unter Bezugnahme auf die Erläuterungen zur FGG-Novelle 1993 ausführte, sollte mit der genannten Bestimmung der Zustand, dass bis zur materiellen Rechtskraft des Zusammenlegungsplanes keine ausreichende Abhilfe gegen Nachteile möglich war, die aus der Zuteilung gesetzwidriger Grundabfindungen resultierten, beseitigt werden. Ziel der FGG-Novelle 1993 sei es gewesen, dem Geschädigten möglichst bald Schadenersatz zukommen zu lassen.
Eine Rückwirkung des §27 Abs9, 10 und 11 StZLG 1982 hat der Landesausführungsgesetzgeber nicht angeordnet. Vielmehr hat er in §71 Abs1 StZLG 1982 das Inkrafttreten mit 25. März 1995 festgelegt. Somit erfolgte keine Normierung, dass auch der vor dem Inkrafttreten des §27 Abs9 StZLG 1982 bereits entstandene Schaden auf Grund dieser Bestimmung zu ersetzen wäre. Dieser Umstand erweist sich jedoch insofern als entscheidend, als zum Einen die Rückwirkung eines Gesetzes vom Gesetzgeber ausdrücklich verfügt werden muss (Thienel, a. a.O., Rz 62 zu Art48, 49 B-VG; Walter/Mayer, a.a.O. Rz 493) und zum Anderen im vorliegenden Fall - wie im angefochtenen Erkenntnis dargelegt - die jeweiligen zeitlichen Abschnitte der Tatbestandsverwirklichung vor bzw. ab Inkrafttreten des Gesetzes problemlos unterschieden werden können."
Nach Einlassung auf den Vorwurf der Denkunmöglichkeit fährt der Oberste Agrarsenat fort:
"d) Die Beschwerdeführer bringen vor, der Zweck des §27 Abs9 StZLG 1982 bestehe darin, eine davor bestandene Verfassungswidrigkeit des StZLG 1982 zu beseitigen. Diese Bestimmung sei so auszulegen, dass von der Sanierung 'alle Fälle' umfasst sein sollen, zumal der Wortlaut der neuen Bestimmung einer solchen Interpretation nicht entgegenstehe. Der EGMR hatte in früheren Erkenntnissen den Umstand gerügt, dass eine Partei in einem österreichischen Zusammenlegungsverfahren im Falle einer ungesetzmäßigen Abfindung nicht die Möglichkeit gehabt habe, wenn der ungesetzmäßige Zustand in der Natur andauere, entweder den Zustand zu ändern oder eine Gutmachung eines ebenfalls entstandenen Schadens geltend zu machen. Allein durch die Judikatur des EGMR wurde jedoch weder eine (einfachgesetzliche) Bestimmung der österreichischen Rechtsordnung als verfassungswidrig aufgehoben noch eine entsprechende Bestimmung neu geschaffen. Vielmehr haben erst der Bundes-Grundsatzgesetzgeber mit §10 Abs5 bis 7 FGG bzw. der Steiermärkische Landes-Ausführungsgesetzgeber mit §27 Abs9 bis 11 StZLG 1982 die Möglichkeit vorgesehen, einen Schaden geltend zu machen, der durch die Zuteilung einer nicht gesetzmäßigen Abfindung entstanden ist. Wie bereits dargelegt, ist diesen neuen Bestimmungen kein ausdrücklicher Wille des Gesetzgebers zu entnehmen, dass der auch vor dem Inkrafttreten des §27 Abs9 StZLG 1982 entstandene Schaden nach diesen Vorschriften geltend gemacht werden könnte. Unter Hinweis auf §49 Abs1 B-VG und §21 Abs7 L-VG 1960 darf es jedoch unter diesen Umständen nicht einem Verwaltungsorgan obliegen, einer gesetzlichen Vorschrift eine Rückwirkung zu unterstellen, die ihr ausdrücklich nicht zu entnehmen ist. Angemerkt sei an dieser Stelle, dass die Beschwerdeführer durch die von der belangten Behörde vertretene und aus dem klaren Gesetzeswortlaut abzuleitende Rechtsansicht auch in keiner Weise durch einen Eingriff von erheblichem Gewicht in einem berechtigten Vertrauen auf die Rechtslage enttäuscht wurden. Da vor dem Inkrafttreten des §27 Abs9 StZLG 1982 im gegenständlichen Gesetz keine vergleichbaren Vorschriften existiert hatten, gebietet auch keine verfassungskonforme Interpretation der genannten Bestimmung die Zuerkennung des Ersatzes für einen vor 1995 entstandenen Schaden. Unklar erscheint, auf welche Verfahrenskonstellationen die Beschwerdeführer mit der Wortfolge 'alle Fälle' abstellen, bzw., ob sie darunter auch (für alle Parteien) vor Inkrafttreten des §27 Abs9 StZLG 1982 rechtskräftig abgeschlossene oder lediglich noch anhängige Verfahren subsumieren. Diesen Ausführungen ist jedenfalls entgegen zu halten, dass der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 26.5.1998, Zl. 96/07/0233, zur vergleichbaren Bestimmung des §26a Abs3 NÖ FlVfLG trotz dieser vom Landesgesetzgeber ebenso wenig mit rückwirkender Kraft ausgestatteten Bestimmung keine Veranlassung sah, an den Verfassungsgerichtshof heranzutreten. Dass ein neu erlassenes Gesetz vom Gesetzgeber nicht mit rückwirkender Kraft ausgestattet worden sei, könne - so der Verwaltungsgerichtshof - eine Verfassungswidrigkeit dieses Gesetzes schwerlich begründen. Anzumerken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof in der zitierten Rechtssache zuständig wurde, nachdem der Verfassungsgerichtshof die Behandlung einer an ihn gerichteten Beschwerde mit Beschluss vom 30. September 1996, B2682/96, abgelehnt hatte.
e) Mit dem Vorbringen, die Behörde spreche Schadenersatz für die Jahre 1995 bis 2003 mit der Begründung zu, dass das Gesetz an ein schädigendes Verhalten im Jahr 1976, nämlich die gesetzwidrige Übergabe einer Abfindung, anknüpfe, missverstehen die Beschwerdeführer die Ausführungen im angefochtenen Erkenntnis. In diesem wurde auf Seite 35 nämlich klar zum Ausdruck gebracht, dass die erfolgte Übergabe einer gesetzwidrigen Abfindung zwar Voraussetzung für das Schadenersatzbegehren ist. Wesentlich und für die Höhe des Schadenersatzes entscheidend ist jedoch kein punktuelles (Schadens-)ereignis, sondern vielmehr die Tatsache, dass eine Partei über einen bestimmten Zeitraum gezwungen ist, eine gesetzwidrige Abfindung zu bewirtschaften. Anders als bei einem punktuellen Schadensereignis, etwa einer Sachbeschädigung, ist der Schaden, auf den §27 Abs9 StZLG 1982 abstellt, nicht bereits zur Gänze durch die Übergabe der Abfindung im Jahre 1976 oder nur in einem der späteren Jahre, sondern kontinuierlich im gesamten Zeitraum als Folge der Übergabe einer gesetzwidrigen Abfindung eingetreten (arg.: '... dadurch entstandenen Schadens ...'). Folglich ermöglicht auch die Teilbarkeit des Schadens in Bezug auf jene Zeiträume, die vor bzw. nach Inkrafttreten des Gesetzes lagen, die entsprechende Zuerkennung des Ersatzes jenes Schadens, der den Beschwerdeführern ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der gesetzlichen Bestimmung entstanden ist. Auch die Beschwerdeführer selbst gestehen auf Seite 6 ihrer Beschwerde zu, dass sich der Schaden im Zeitraum 1976 bis 2003 (erst) konkretisiert. Stellte man nämlich tatsächlich ausschließlich auf die Übergabe der (gesetzwidrigen) Abfindung im Jahre 1976 als für den Ersatzanspruch allein maßgebendes Ereignis ab - und würde man damit dem über Jahre kontinuierlich entstandenen Schaden keine Bedeutung zumessen -, wäre der Antrag der Beschwerdeführer auf Zuerkennung eines Schadenersatzes zur Gänze abzuweisen, da der Gesetzgeber, wie ausgeführt, keine ausdrückliche Rückwirkung des §27 Abs9 StZLG 1982 angeordnet hat und die Übergabe der Abfindung vor Inkrafttreten der genannten Bestimmung lag."
An der Belastung des Landes Steiermark, das nicht mit dem Steiermärkischen Landtag ident sei, könne - gerade im Hinblick auf die Alternative Amtshaftung - kein Zweifel sein. Die Beschwerdeführer könnten keine Gründe angeben, weshalb sie in Bezug auf den von 1976 bis 1995 entstandenen Schaden gegenüber Parteien von Zusammenlegungsverfahren besser gestellt werden sollten, denen gegenüber der Zusammenlegungsplan mehr als einen Monat vor Inkrafttreten der Novelle 1995 erlassen wurde.
Im Übrigen verteidigt die Gegenschrift die Gesetzmäßigkeit des Verfahrens und der gewählten Schadensberechnungsmethode.
Im verfassungsgerichtlichen Vorverfahren wurde der Oberste Agrarsenat eingeladen, zur Frage Stellung zu nehmen,
"... wie sich das Ergebnis seiner Auslegung mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen vereinbaren lässt, die sich aus der einschlägigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ergeben. Folgt nicht die Ersatzfähigkeit des in Rede stehenden Schadens aus der Absicht des Gesetzgebers, einen verfassungswidrigen Zustand zu beheben? Legt das Gesetz einer verfassungskonformen Auslegung an irgend einer Stelle ein Hindernis entgegen, das durch Aufhebung dieser Gesetzesstelle beseitigt werden müsste (und könnte)? Wäre es nicht umgekehrt Sache des Gesetzgebers gewesen, eine möglicherweise zulässige Einschränkung der sich aus der Sanierungsabsicht und -notwendigkeit ergebenden - uneigentlichen - 'Rückwirkung' durch Übergangsbestimmungen vorzunehmen?"
Auf diese Frage antwortete der Oberste Agrarsenat wie folgt:
"Die Entschädigungsregelungen des §10 Abs5 bis 7 Flurverfassungs-Grundsatzgesetz 1951 (FGG), in deren Ausführung §27 Abs9 bis 11 des Steiermärkischen Zusammenlegungsgesetzes 1982 - StZLG 1982 ergangen ist, wurden mit dem Bundesgesetz BGBl. Nr. 903/1993 (Flurverfassungsnovelle 1993) in das FGG eingefügt. Wie den diesbezüglichen Erläuterungen (GP XVIII RV 1252) zu entnehmen ist, reagierte der Grundsatzgesetzgeber damit auf die Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, der in seiner Rechtsprechung zum Ausdruck gebracht habe, dass die österreichische Rechtslage im Flurverfassungsrecht über 'eine gewisse Starrheit' verfüge. Bei länger andauernden Verfahren bestünde keine Möglichkeit, die Lage der Eigentümer vor dem Inkrafttreten eines Zusammenlegungsplanes zu ändern oder sie für den Nachteil zu entschädigen, den sie bis zu einer endgültigen Grundabfindung erlitten haben können. Es sei daher eine Entschädigungsregelung zu treffen gewesen.
Auch der Verwaltungsgerichtshof verwies in seinem Erkenntnis vom 19. März 1998, Zl. 98/07/0030, darauf, dass es Ziel der FGG-Novelle 1993 gewesen sei, dem Geschädigten für Nachteile, die aus der Zuteilung gesetzwidriger Grundabfindungen resultierten, möglichst bald Schadenersatz zukommen zu lassen.
Bei der Befolgung eines Urteiles des EGMR besteht eine grundsätzliche Wahlfreiheit des betroffenen Staates nach Art46 Abs1 EMRK (Okresek in Korinek/Holoubek (Hrsg.), Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Rz 14 zu Art46 EMRK unter Hinweis auf den Fall Vermeire, ÖJZ 1992, 516 (Z26)). Die vom EGMR im vorliegenden Zusammenhang kritisierte 'Starrheit' der damaligen österreichischen Rechtslage im Flurverfassungsrecht gebietet es nicht zwingend, die in der Folge vom nationalen Gesetzgeber im FGG und seinen Ausführungsgesetzen getroffene Entschädigungsregelung im Sinne einer Rückwirkung zu interpretieren. Die Vertragsstaaten der EMRK führen in Befolgung der Judikatur des EGMR die notwendigen Gesetzesänderungen ein, haben dabei jedoch einen Gestaltungsspielraum. Wenngleich vernünftige und dem Regelungsgegenstand angemessene Grenzen nicht überschritten werden sollten, wird der innerstaatliche Gesetzgebungsprozess regelmäßig eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen (Garlicki/Westerdiek, Rechtsfolgen von Normenkontrollen - die Rechtsprechung des EGMR: das klassische Umfeld -, EuGRZ 2006, 519).
Nach der Rechtsprechung des EGMR muss bei Eigentumsverletzungen, die die Erlangung des Eigentums über Jahrzehnte wegen überlanger Verfahrensdauer verhinderten, ein fairer Ausgleich zwischen den Anforderungen der Öffentlichkeit sowie dem Allgemeininteresse der Gemeinschaft einerseits und den Anforderungen an den Grundrechtsschutz des Einzelnen andererseits vorgenommen werden. Eine generelle Entschädigungspflicht besteht nicht (Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention2 (2005) Rz 22 zu §25).
Im Sinne der von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid vertretenen Rechtsansicht gebietet die Judikatur des EGMR somit nicht zwingend eine innerstaatliche einfachgesetzliche Norm, auf deren Grundlage auch der vor ihrem Inkrafttreten entstandene Schaden auf die durch §27 Abs9 bis 11 StZLG 1982 aufgezeigte Weise zu ersetzen wäre. Ebenso wenig kann der Judikatur des EGMR das Erfordernis zugesonnen werden, eine - folgt man der im angefochtenen Bescheid vertretenen Rechtsansicht - insbesondere unter dem Gesichtspunkt einer Gleichheitswidrigkeit bedenkliche Regelung zu schaffen.
Dass der Umstand, dass ein neu erlassenes Gesetz vom Gesetzgeber nicht mit rückwirkender Kraft ausgestattet wurde, eine Verfassungswidrigkeit dieses Gesetzes schwerlich begründen kann, wurde auch vom Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 26. Mai 1998, 96/07/0233, dargelegt.
Der oben angesprochene Gestaltungsspielraum des nationalen Gesetzgebers zeigt sich nicht nur bei der Festlegung des Zeitraumes, in dem ein nach §27 StZLG 1982 ersatzfähiger Schaden entstanden sein muss, sondern auch bei der Frage, wen diese Ersatzpflicht trifft. Dass dieser Schaden im vorliegenden Fall vom Land Steiermark zu ersetzen ist, mag nachvollziehbar erscheinen, ist jedoch keinesfalls selbstverständlich, wie auch die Ausführungen in den Erläuterungen zur Flurverfassungsnovelle 1993 (GP VIII [gemeint wohl: XVIII] RV 1252) zeigen. Darin wird nämlich dargelegt, dass grundsätzlich die Zusammenlegungsgemeinschaft zur Kostentragung herangezogen werden könnte. Lediglich aus Zumutbarkeitsüberlegungen bzw. aus Gründen der Angemessenheit wurde jener Rechtsträger zur Zahlung verpflichtet, der den Aufwand für die Behörde trägt.
Darüberhinaus unterstreicht der Umstand, dass im Zuge der Einfügung der das Verfahren der Entschädigung betreffenden gesetzlichen Bestimmungen die Parteistellung des Entschädigungspflichtigen vorzusehen war, um dessen Rechte zu wahren, deutlich, dass die in Rede stehenden Gesetzesbestimmungen keinesfalls nur begünstigend wirken, sondern gleichzeitig auch eine andere Partei (des Entschädigungsverfahrens) belasten. Dies spricht ebenso gegen die Annahme einer Rückwirkung."
Nach Bekräftigung seiner Meinung zur Frage der Rückwirkung von Gesetzen (und neuerlichem Hinweis auf die Literatur) gibt der Oberste Agrarsenat zu bedenken:
"Dadurch, dass für alle (potentiell) betroffenen Parteien von Zusammenlegungsverfahren ein Ersatzanspruch für den Zeitraum ab Inkrafttreten des §27 Abs9 bis 11 StZLG 1982 geltend gemacht werden kann, wird eine Gleichbehandlung aller betroffenen Parteien bewirkt, und es wird auch nicht in unzulässiger Weise in Rechte des zur Ersatzleistung Verpflichteten - im vorliegenden Fall: des Landes Steiermark - eingegriffen. Mit der vorliegenden Regelung hat der nationale Gesetzgeber in verfassungskonformer Weise die vom EGMR kritisierte 'Starrheit' beseitigt und - mangels ausdrücklicher Anordnung einer Rückwirkung - im Ergebnis auch von vornherein eine gleichheitswidrige Regelung vermieden. Das Vorliegen einer Gleichheitswidrigkeit könnte andernfalls nämlich auch unter dem Aspekt angenommen werden, dass nur jene Personen in den Genuss der mit der Bestimmung begründeten Vorteile gelangten, die den Inhalt der Norm bereits vor ihrer Kundmachung kannten (vgl. VfSlg. 13.329/1993) und - gegebenenfalls durch Rechtsmittel gegen den erlassenen Zusammenlegungsplan vor, sowie Zurückziehung dieser Rechtsmittel nach Inkrafttreten der gesetzlichen Bestimmung - den Ersatz des gesamten, das heißt auch im zurückliegenden Zeitraum entstandenen Schadens lukrieren konnten.
Die Aufhebung der in Rede stehenden Gesetzesbestimmungen als verfassungswidrig erscheint weder dann geboten, wenn man nach der hier dargelegten Interpretation die Rechtsansicht vertritt, dass eine verfassungskonforme Auslegung nicht zwingend im Sinne des Begehrens der Beschwerdeführer zu erfolgen hat, noch dann, wenn der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers als in einem engeren Umfang vorliegend betrachtet werden würde."
II. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Der angefochtene Bescheid verletzt die Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums.
1. Im Zuge von Zusammenlegungsverfahren nach dem Flurverfassungs-Grundsatzgesetz 1951, BGBl. 103, kann die Behörde nach Erlassung des Planes der gemeinsamen Anlagen und Maßnahmen und vor Erlassung (seit der Novelle 1993: Rechtskraft) des Zusammenlegungsplanes unter näher beschriebenen Voraussetzungen die vorläufige Übernahme von Grundabfindung anordnen (§11 Abs1). Mit der Anordnung der vorläufigen Übernahme geht das Eigentum an den Grundabfindungen auf den Übernehmer unter der auflösenden Bedingung über, dass es mit der Rechtskraft des Zusammenlegungsplanes erlischt, soweit dieser die Grundabfindung einer anderen Partei zuweist (§11 Abs2; Fassung jeweils BGBl. 390/1977).
Mit der Novelle BGBl. 903/1993 (ArtI Z3) wurde dem das Verfahren regelnden §10 des Grundsatzgesetzes folgende neue, auf ein Abweichen der vorläufig übernommenen von den endgültig zugewiesenen Grundabfindungen Bezug nehmende Abs5 bis 7 eingefügt:
"(5) War die einer Partei übergebene Abfindung gesetzwidrig, so kann diese Partei den Ersatz eines dadurch entstandenen Schadens begehren. Der Antrag ist innerhalb eines Monates nach Eintritt der formellen Rechtskraft der Entscheidung über den Zusammenlegungsplan beim Landesagrarsenat einzubringen.
(6) Grundlage für die Schadensberechnung ist der Betriebserfolg. Dabei ist der bei ordnungsgemäßer, nachhaltiger Bewirtschaftung der in das Verfahren einbezogenen Grundstücke objektiv erreichbare Betriebserfolg mit jenem Erfolg zu vergleichen, der nach denselben Kriterien mit der übernommenen gesetzwidrigen Abfindung zu erzielen ist.
(7) Der Ersatz ist von jenem Rechtsträger zu leisten, der den Aufwand für die den Schaden verursachende Agrarbehörde trägt. Diesem Rechtsträger kommt im Verfahren zur Geltendmachung des Schadens Parteistellung zu."
Dazu enthielt der Allgemeine Teil der Regierungsvorlage 1252 BlgNR 18. GP (S. 4) folgende Erläuterungen:
"Mit den Entscheidungen vom 23. April 1987, Zln. 16/1986/114/162 (Fall Erkner/Hofauer) sowie 17/1986/115/163 (Fall Poiss) hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg für das Agrarverfahren in Österreich schwerwiegende Entscheidungen getroffen. Er hat in den genannten Fällen eine Verletzung des Art6 Menschenrechtskonvention sowie des Ersten Zusatzprotokolles zur Menschenrechtskonvention festgestellt. Der Gerichtshof hat dem Umstand, daß eine Partei in einem Zusammenlegungsverfahren im Falle einer ungesetzmäßigen Abfindung nicht die Möglichkeit hat, wenn der ungesetzmäßige Zustand in der Natur andauert, entweder den Zustand zu ändern oder eine Gutmachung eines ebenfalls entstandenen Schadens gelten zu machen, gerügt. Dieser Zustand steht nicht im Einklang mit den genannten Normen der Menschenrechtskonvention.
In der Zwischenzeit wurde die Republik Österreich mehrfach aufgefordert, den vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte kritisierten Zustand zu beheben. Somit war für die Schaffung einer Möglichkeit zur Geltendmachung eines allfälligen Schadens zu sorgen. Diese Möglichkeit, einen Schaden geltend machen zu können, der durch die Zuteilung einer nicht gesetzmäßigen Abfindung während des Verfahrens entstanden ist, hat ihren Niederschlag in §10 Abs5 bis 7 gefunden. Parallel dazu wurde die verfahrensrechtliche Basis in der Novelle zum Agrarbehördengesetz geschaffen.
Bei Betrachtung der Frage, wer für den allfälligen Schaden, der zugesprochen werden kann, aufkommen muß, ist davon auszugehen, das in den Angelegenheiten der Bodenreform dem Bund zwar die Grundsatzgesetzgebung zusteht, den Ländern hingegen die Ausführungsgesetzgebung und Vollziehung, sodaß an die öffentlichen Mittel des jeweiligen Landes zu denken war (notabene die mögliche Schadensituation im Rahmen der Landesvollziehung zustande kommt). Da das Verfahren - gemäß den Bestimmungen der Agrarbehördengesetznovelle - von den Agrarsenaten durchgeführt wird, war eine Parteistellung des zur Schadensbegleichung verpflichteten Rechtsträgers im Verfahren vorzusehen. Es muß in diesem Zusammenhang betont werden, daß jede Verurteilung, welche den Agrarbehörden beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte mangels eines Schadenersatzverfahrens droht (und welche gerade aus diesem Grund unabwendbar ist), um ein vielfaches teurer kommt, als ein Schaden sein kann, der im Rahmen eines Zusammenlegungsverfahrens einem österreichischen Landwirt erwachsen könnte.
Darüberhinaus hat der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft 1989 eine Enquete einberufen, an der Richter, Rechtsanwälte, Landwirte, Vertreter bäuerlicher Organisationen sowie Beamte der Bundesländer und des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft teilnahmen.
Die von der Enquete in mehreren Sitzungen erarbeiteten, verschiedenen Anregungen lassen nach ihrem Inhalt und ihrer Zielsetzung erkennen, daß die Grundstückszusammenlegung einschließlich der Flurbereinigung für die Durchführung einer modernen Agrarpolitik unerläßlich ist, jedoch sowohl im Rahmen der Grundsatzgesetzgebung des Bundes als auch der Ausführungsgesetzgebung der Bundesländer Vorkehrungen getroffen werden müssen, diese bewährten Bodenreformmaßnahmen des geänderten sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen und Bedürfnissen auch im ökologischen Bereich schrittweise anzupassen. Diese Novelle soll einen ersten Schritt in diese Richtung darstellen. Hinzu kommen noch Detailänderungen geringen Umfanges, welche vor allem dazu dienen, die Administrierbarkeit der Zusammenlegungsverfahren in dem einen oder anderen Punkt zu erleichtern bzw. Unklarheiten zu beseitigen.
Dem wird nun im Rahmen der Gesetzgebung des Bundes mit der vorliegenden Novelle, die das Flurverfassungs-Grundsatzgesetz in der bisherigen Fassung abändert, und mit den gleichzeitig ausgearbeiteten Novellen zum Agrarverfahrensgesetz und zum Agrarbehördengesetz Rechnung getragen."
Zu ArtI Z3 wird ausgeführt (S. 5):
"Unter den Abs5 bis 7 befinden sich die neu geschaffenen Entschädigungsregelungen. Im Abs5 wird zunächst die Bedingung festgelegt, welche zur Antragstellung berechtigt. Voraussetzung für die Antragstellung ist die Gesetzwidrigkeit einer zugeteilten Abfindung. Liegt diese Voraussetzung vor, kann die betroffene Partei nunmehr einen entsprechenden Antrag binnen Monatsfrist nach Eintritt der formellen Rechtskraft stellen. Bisher konnte de facto keine Veränderung der allenfalls ungesetzlichen Verhältnisse vor Eintritt der materiellen Rechtskraft des Zusammenlegungsplanes vorgenommen werden. Dieser Zustand konnte sich infolge der Komplexität des Verfahrens mitunter über eine (wie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seiner Rechtsprechung zum Ausdruck gebracht hat) unvertretbar lange Zeit erstrecken. Ein Ersatz für einen allfällig eingetretenen Schaden war im Gesetz bisher nicht vorgesehen. Nach der vorliegenden Regelung steht der Partei die Möglichkeit offen, einen Schaden geltend zu machen.
Im Abs6 werden die Grundsätze für die Berechnung eines allfälligen Schadens festgelegt. Dabei ist vom Betriebserfolg auszugehen, wobei der Schaden grundsätzlich durch eine Differenzrechnung zu ermitteln ist. Es wird der alte Besitzstand mit der gesetzwidrig zugeteilten Gesamtabfindung verglichen. Bei diesem Vergleich kann nur von einem objektiv erwirtschaftbaren Ergebnis ausgegangen werden. Subjektive, in der Person der Partei begründete Umstände und Verhältnisse können nicht als Berechnungsgrundlage dienen. Auch Vergleiche mit Abfindungen anderer Parteien haben außer Betracht zu bleiben. Grundlage für die Heranziehung dieser Kriterien ist die Bestimmung des §4 Abs5, wonach im neuen Stand ein größerer oder zumindest gleicher Betriebserfolg wie vor der Zusammenlegung als Bedingung für die Gesamtheit der Abfindungen gefordert wird.
Abs7 regelt die Kostenfrage. Grundsätzlich könnte die Zusammenlegungsgemeinschaft zur Kostentragung herangezogen werden. Damit wäre aber erfahrungsgemäß eine schwere Störung der örtlichen Gemeinschaft unvermeidlich. Es wäre kaum zumutbar, daß Jahre nach Durchführung der wesentlichen Verfahrensabschnitte sämtliche Verfahrensparteien neuerlich zu Zahlungen herangezogen würden, die ausschließlich der Deckung eines - wenn auch zu Recht bestehenden - Einzelbedürfnisses dienen. Hingegen ist es angemessen, jenen Rechtsträger zur Zahlung zu verpflichten, der den Aufwand für die den Schaden letztlich verursachende Behörde trägt. Um die Rechte des Entschädigungspflichtigen zu wahren, war dessen Parteistellung vorzusehen."
Die Novelle zum Grundsatzgesetz trat mit 1. Jänner 1994 in Kraft und setzte der Ausführungsgesetzgebung eine Frist von sechs Monaten (ArtII Z1 und 2).
Dem Steiermärkischen Gesetz über die Zusammenlegung land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke 1982, LGBl. 82, (einer Wiederverlautbarung dieses Gesetzes aus 1971) wurden diese Bestimmungen durch die Novelle LGBl. 26/1995 mit Wirkung vom 25. März 1995 (als dem auf die Kundmachung folgenden Tag) im Wesentlichen wortgleich als Abs9 bis 11 des §27 eingefügt (wobei im Abs11 an die Stelle des Rechtsträgers das Land Steiermark gesetzt ist).
Seit 25. März 1995 kann also, wenn die Entscheidung über einen Zusammenlegungsplan formell rechtskräftig geworden ist, innerhalb eines Monates der Ersatz des Schadens begehrt werden, wenn sich die übergebene Abfindung als gesetzwidrig erwiesen hat.
2. Die von der Beschwerde aufgeworfene Verfassungsfrage, ob das Eigentumsrecht eine Auslegung dieser Gesetzesstelle dahin gebiete, dass der Ersatz für Schäden aus der Gesetzwidrigkeit der Abfindung insgesamt und nicht nur für die Zeit seit dem Inkrafttreten des Gesetzes gebührt, kann nur vor dem Hintergrund der Entscheidungen des EGMR beantwortet werden, die Anlass der Änderung der Rechtslage waren. In diesen Entscheidungen vom 23. April 1987 heißt es gleichlautend (Zitat aus Erkner und Hofauer)
"78. The Court is not unmindful of the legislature's concern however. In authorising a provisional transfer at an early stage of the consolidation process, its intention is to ensure, that the land in question can be continuously and economically farmed in the interests of the landowners generally and of the community. Furthermore, although the applicants lost their land in consequence of the transfer decided on in 1970, they received other land in lieu, even if they are not satisfied with it. The applicable system, however, suffers from a degree of inflexibility: before the entry into force of a consolidation plan, it provides no means of altering the position of landowners or of compensating them for damage they may have sustained in the time up to the final award of the statutory compensation in land.
79. In the circumstances of the present case, therefore, the necessary balance between protection of the right of property and the requirement of the public interest was lacking: the applicants, who remain uncertain as to the final fate of their property, have been made to bear a disproportionate burden. There is no need at this stage to determine whether they have suffered actual prejudice (see the above-mentioned Sporrong and Lönnroth judgment, p. 28, §73).
80. The Court accordingly finds that there has been a breach of Article 1 of Protocol No. 1 (p1-1)."
Demnach verkennt der EGMR nicht das Ziel des Gesetzes, zu einem frühen Zeitpunkt des Zusammenlegungsverfahrens im Interesse des einzelnen Eigentümers und der Gemeinschaft die nachhaltige Bewirtschaftung zu sichern und letztlich den Ausgleich in Grundstücken zu verschaffen, hält aber die Rechtslage für zu starr:
Bei länger andauernden Verfahren bestehe keine Möglichkeit, die Lage der Eigentümer vor dem Inkrafttreten eines Zusammenlegungsplanes zu ändern oder sie für den Nachteil zu entschädigen, den sie bis zu einer endgültigen Grundabfindung erlitten haben können. Dieses Ungleichgewicht zwischen dem Schutz des Eigentumsrechts des Einzelnen und dem öffentlichen Interesse läge den über das endgültige Schicksal im Unklaren Bleibenden eine unverhältnismäßige Last auf, was Art1 des
1. ZP EMRK verletze.
Aus diesen Urteilen des EGMR folgt, dass die österreichische Rechtslage vor ihrer Änderung mangels jeglicher Möglichkeit, den aus einer gesetzwidrigen Abfindung entstandenen Schaden ersetzt zu erhalten, gegen Art1 des 1. ZP zur EMRK verstieß und verfassungswidrig war. Offenkundig wäre aber auch die Aufrechterhaltung dieses verfassungswidrigen Zustandes bis zum Wirksamwerden der Änderung verfassungswidrig.
Die Einführung des Anspruchs auf Schadenersatz wegen gesetzwidriger Abfindung kann daher verfassungskonform nur so verstanden werden, dass seit diesem Zeitpunkt nicht nur binnen eines Monates nach Rechtskraft des Zusammenlegungsplanes Schadenersatz begehrt werden kann, sondern dass dann auch der gesamte, infolge länger dauernder Beeinträchtigung des Eigentums entstandene Schaden zu ersetzen ist. Die Verweigerung einer Schadenersatzleistung für die Zeit vor Inkrafttreten der Novelle würde einen Verstoß gegen Art1 des
1. ZP EMRK darstellen und zur Verurteilung Österreichs vor dem EGMR führen.
Unter diesen besonderen Umständen sind allgemeine Überlegungen zur Anwendung nicht rückwirkender Gesetze auf Sachverhalte, die teilweise in der Vergangenheit liegen, nicht zielführend. Auch der Hinweis auf den Spielraum des Gesetzgebers, den Anforderungen des Art1 des 1. ZP EMRK auf die eine oder andere Weise Rechnung zu tragen, kann die Versagung jeglicher Möglichkeit, für (bis 1995) bereits 20 Jahre dauernde Auswirkungen Schadenersatz zu erhalten, nicht rechtfertigen. Der Gesetzgeber muss mit jeder getroffenen Lösung einen verfassungskonformen Zustand herstellen. Jede ist daher - wenn möglich - so zu verstehen, dass sie den verfassungsrechtlichen Anforderungen entspricht.
Bereits abgeschlossene Sachverhalte sind allerdings regelmäßig nicht wieder aufzurollen. Auf einem ähnlichen Rechtsgedanken beruht der zweite Satz des Art140 Abs7 B-VG (mit dem Vorbehalt eines anderen Ausspruchs). Schadenersatz wegen gesetzwidriger Abfindung kann aber erst nach Rechtskraft des Zusammenlegungsplanes begehrt werden, früher auch nicht etwa teilweise. Fälle wie der vorliegende sind also auch dann nicht teilweise bereits abgeschlossene Sachverhalte, wenn der Schaden vor Inkrafttreten des Gesetzes entstanden ist.
Die nachträgliche Herstellung einer verfassungsmäßigen Rechtslage kann im Einzelnen gewiss unliebsame Folgen nach sich ziehen, die der Gesetzgeber gegen das Verfassungsgebot abwägen darf. Besondere Übergangsprobleme sind im vorliegenden Fall aber nicht zu erkennen: Der Ersatz des eingetretenen Schadens ist das verfassungsrechtliche gebotene Ergebnis, es wäre auch bei anfänglicher Geltung der in Rede stehenden Regelung erst im Zeitpunkt der Rechtskraft des Zusammenlegungsplanes eingetreten und mehr fällt auch durch die Schaffung einer neuen Rechtslage nicht an. Die aktuelle Belastung des Landes Steiermark ist also - entgegen der Auffassung des Obersten Agrarsenates - nicht höher, als sie (gewesen) wäre, wenn die Regelung schon immer bestanden hätte (vgl. dazu auch den Standpunkt der Regierungsvorlage zur Grundsatzgesetznovelle). Mit der (kaum realistischen) Möglichkeit, dass die Behörde den gesetzwidrigen Zustand im "Vertrauen" auf das Fehlen schadenersatzrechtlicher Folgen länger als nötig aufrecht gehalten hat, muss der Gesetzgeber nicht rechnen. Aus der nachträglichen Einführung der Möglichkeit, Schadenersatz zu begehren, entstehen daher keine gegen das verfassungsrechtliche Gebot der Schadenersatzleistung ins Gewicht fallende übermäßigen Lasten für Dritte (hier: das Land Steiermark).
Zu einer unsachlichen Bevorzugung der erst nach 1995 mit rechtskräftigem Zusammenlegungsplan abgeschlossener Verfahren gegenüber schon früher beendeten führt eine volle Anwendung der neuen Regelung nach dem Gesagten nicht. Ein rückwirkendes Inkrafttreten hat der Gesetzgeber nicht angeordnet. Ob es im Hinblick darauf geboten gewesen wäre, dass die Geltendmachung eines Schadenersatzanspruches in bereits abgeschlossenen Verfahren bis zum Schluss unmöglich war - wogegen allerdings Rechtsbehelfe hätten ergriffen werden können -, ist im vorliegenden Beschwerdefall nicht zu prüfen, weil er ohnedies unter die neue Regelung fällt.
Dass aber eine aus verfassungsrechtlichen Gründen gebotene Auslegung des Gesetzes nach dessen Wortlaut und Sinn möglich ist, räumt der Oberste Agrarsenat letztlich selbst ein.
Der angefochtene Bescheid ist daher wegen Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG, Art1 des 1. ZP EMRK) aufzuheben.
4. Ob im Übrigen die Verfahrensvorschriften eingehalten worden sind und der Schaden richtig berechnet wurde, sind einfachgesetzliche Fragen, die kein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht berühren.
Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. Die verfassungswidrige Auslegung betraf ein Landesgesetz. In den zugesprochenen Kosten ist ein Streitgenossenzuschlag in Höhe von 180 €, Umsatzsteuer in Höhe von 396 € und eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in Höhe von 180 € enthalten.
Eine mündliche Verhandlung war entbehrlich (§19 Abs4 erster Satz VfGG).
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