VfGH B1019/06

VfGHB1019/063.3.2007

Keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Regelung über den Ausschluss der Anwendbarkeit des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes auf Fremde mit vorläufiger Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz; keine Präjudizialität der Bestimmungen des NAG bei Zurückweisung des Antrags eines Asylwerbers auf Ausstellung einer Daueraufenthaltskarte während eines noch nicht nicht abgeschlossenen Asylverfahrens

Normen

AsylG 1997 §19 Abs2
AsylG 2005 §75
Flüchtlingskonvention Genfer, BGBl 55/1955
Niederlassungs- und AufenthaltsG - NAG (Fremdenrechtspaket 2005) §1 Abs2 Z1, §54
AsylG 1997 §19 Abs2
AsylG 2005 §75
Flüchtlingskonvention Genfer, BGBl 55/1955
Niederlassungs- und AufenthaltsG - NAG (Fremdenrechtspaket 2005) §1 Abs2 Z1, §54

 

Spruch:

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Republik Gambia, stellte am 20. April 2004 einen Antrag auf Gewährung von Asyl, der mit Bescheid vom 3. Mai 2005 in erster Instanz gemäß §7 AsylG 1997 abgewiesen wurde. Unter einem wurde gemäß §8 AsylG 1997 die Zurückweisung, Zurückschiebung und Abschiebung für zulässig erklärt sowie die Ausweisung ausgesprochen. Dagegen brachte er Berufung ein. Das Verfahren beim Unabhängigen Bundesasylsenat ist noch anhängig. Bis zum rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens ist der Beschwerdeführer vorläufig aufenthaltsberechtigt nach dem AsylG 1997 (§75 Abs1 AsylG 2005 iVm. §19 Abs2 AsylG 1997).

1.2. Am 1. Dezember 2005 heiratete der Beschwerdeführer eine österreichische Staatsangehörige und beantragte mit Eingabe vom 15. Februar 2006 die Ausstellung einer Daueraufenthaltskarte gemäß §54 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005 idF BG BGBl. I Nr. 157/2005. Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 1. März 2006 wurde der Antrag gemäß §1 Abs2 Z1 NAG zurückgewiesen, weil der Beschwerdeführer nach §19 Abs2 AsylG 1997 (vorläufig) aufenthaltsberechtigt und das NAG für ihn nicht anwendbar sei.

Die dagegen erhobene Berufung wies die Bundesministerin für Inneres mit Bescheid vom 27. April 2006 ab. Begründend führte sie auf das Wesentliche zusammengefasst aus, dass das NAG auf den Beschwerdeführer gemäß §1 Abs2 Z1 NAG nicht anwendbar sei. Auch seien gemäß §54 Abs1 NAG nur Ehegatten von freizügigkeitsberechtigten EWR-Bürgern, die diesen begleiten oder ihm nachziehen, zur Niederlassung berechtigt. Dies gelte für Angehörige von Österreichern nur, sofern diese ihr Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen haben.

2. In der Beschwerde werden Bedenken dahingehend geäußert, dass die Begriffsbestimmung in §2 Abs1 Z14 NAG den gemäß Art18 Abs1 B-VG verfassungsgesetzlich gebotenen Vorgaben nicht entspreche. Weiters werden mit Blick auf ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl. Nr. 390/1973 (BVG BGBl. Nr. 390/1973), und Art8 iVm. Art14 EMRK - im Hinblick auf die "Inländerdiskriminierung" - Bedenken gegen die Wortfolge "sofern diese ihr Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen haben" in §57 NAG geltend gemacht. Anknüpfend an die Vorabentscheidung des EuGH vom 2. Juni 2005, Rs. C-136/03 ("Dörr-Ünal"), rügt die Beschwerde unter dem Titel des Art83 Abs2 B-VG und des ArtI Abs1 BVG BGBl. Nr. 390/1973 die Verfassungswidrigkeit des §3 Abs2 NAG.

Darüber hinaus macht der Beschwerdeführer die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter gemäß Art83 Abs2 B-VG, auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander gemäß ArtI Abs1 BVG BGBl. Nr. 390/1973 und Art14 EMRK sowie auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäß Art8 EMRK geltend.

3. Die Bundesministerin für Inneres legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie unter Hinweis auf die Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 sowie die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zur Niederlassungsfreiheit die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Zur Rechtslage:

Das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005 idF BG BGBl. I Nr. 31/2006, trat als Teil des Fremdenrechtspakets 2005 gemäß §82 NAG mit 1. Jänner 2006 in Kraft. Die durch Art9 Betrugsbekämpfungsgesetz 2006, BGBl. I Nr. 99, in Kraft getreten am 27. Juni 2006, normierten Änderungen des NAG betreffen nicht die hier maßgeblichen Bestimmungen und sind für das vorliegende Verfahren nicht relevant.

Im Sinne des §1 Abs1 NAG regelt dieses Bundesgesetz die Erteilung, Versagung und Entziehung von Aufenthaltstiteln von Fremden, die sich länger als sechs Monate im Bundesgebiet aufhalten (wollen) sowie die Dokumentation von bestehenden Aufenthalts- und Niederlassungsrechten. Für den vorliegenden Fall ist Abs2 Z1 leg.cit. maßgeblich. Die Bestimmung hat folgenden Wortlaut:

"Geltungsbereich

§1. (1) ...

(2) Dieses Bundesgesetz gilt nicht für Fremde, die

1. nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100, und nach vorigen asylgesetzlichen Bestimmungen zum Aufenthalt berechtigt sind, soweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt;

2. ...

3. ..."

Für das vorliegende Verfahren sind weiters §19 Abs2 AsylG 1997 iVm. der im folgenden wiedergegebenen Übergangsbestimmung des §75 Abs1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, maßgeblich:

"Übergangsbestimmungen

§75. (1) Alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren sind nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. §44 AsylG 1997 gilt. Die §§24, 26, 54 bis 57 und 60 dieses Bundesgesetzes sind auf diese Verfahren anzuwenden. §27 ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Behörde zur Erlassung einer Ausweisung zuständig ist und der Sachverhalt, der zur Einleitung des Ausweisungsverfahrens führen würde, nach dem 31. Dezember 2005 verwirklicht wurde. §57 Abs5 und 6 ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass nur Sachverhalte, die nach dem 31. Dezember 2005 verwirklicht wurden, zur Anwendung dieser Bestimmungen führen.

(2) - (6)"

III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. §1 Abs2 Z1 NAG schließt die Anwendung des NAG auf Fremde aus, die nach dem AsylG 2005 und dessen Vorgängerbestimmungen (das sind die Asylgesetze 1968, 1991 und 1997) zum Aufenthalt berechtigt sind.

2. Gegen diese Bestimmung bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Dem Gesetzgeber kann aus verfassungsrechtlicher Sicht nämlich nicht entgegengetreten werden, wenn er die Anwendung des NAG auf jene Fremde ausschließt, für die das in Umsetzung der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955 (idF des Protokolls vom 31. Jänner 1967, BGBl. Nr. 78/1974), erlassene AsylG 2005 einschließlich seiner Vorgängerbestimmungen und damit auch die dort vorgesehenen Aufenthaltsberechtigungen während des Asylverfahrens gelten.

3.1. Nach dem unbestritten gebliebenen Vorbringen verfügt der Beschwerdeführer über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach §19 Abs2 AsylG 1997 iVm. §75 Abs1 AsylG 2005. Da sein Asylverfahren nach der Aktenlage noch nicht beendet ist und er daher bis zum rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens vorläufig aufenthaltsberechtigt ist, geht der Verfassungsgerichtshof in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 18.5.2006, 2006/18/0123, 8.11.2006, 2006/18/0315) davon aus, dass das NAG gemäß §1 Abs2 Z1 leg.cit. im vorliegenden Fall nicht anwendbar ist.

3.2. Daher ist auch auf das weitere Beschwerdevorbringen hinsichtlich der behaupteten Verfassungswidrigkeit von Bestimmungen des NAG mangels Präjudizialität nicht einzugehen.

4. Angesichts der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit des §1 Abs2 Z1 NAG wurde der Beschwerdeführer nicht wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt. Vollzugsfehler sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

IV. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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