VfGH G174/06

VfGHG174/069.3.2007

Abweisung des Individualantrags einer öffentlichen Auftraggeberin auf Aufhebung von Bestimmungen des Bundesvergabegesetzes 2006 betreffend das Gebot der Heranziehung geeigneter Leitlinien, wie der ÖNORMen, bei der Leistungsbeschreibung; keine verfassungswidrige dynamische Verweisung durch bloßes Anknüpfen an bestimmte allgemein anerkannte Standards; keine verfassungswidrige Eigentumsbeschränkung angesichts der im öffentlichen Interesse gelegenen Standardisierung und der Möglichkeit von Abweichungen; keine Gleichheitswidrigkeit

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art18 Abs1
B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
StGG Art5
EMRK 1. ZP Art1
BundesvergabeG 2006 §97 Abs2, §99 Abs2
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art18 Abs1
B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
StGG Art5
EMRK 1. ZP Art1
BundesvergabeG 2006 §97 Abs2, §99 Abs2

 

Spruch:

Der Antrag wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die antragstellende Partei ist eine auf Grund des ASFINAG-Gesetzes (BGBl. 591/1982 idF BGBl. I 26/2006) geschaffene Gesellschaft des Bundes. Gemäß §2 Abs1 ASFINAG-G umfasst ihr Unternehmensgegenstand die Finanzierung, die Planung, den Bau und die Erhaltung von Bundesstraßen. Mit dem ASFINAG-Ermächtigungsgesetz (BGBl. I 113/1997 idF BGBl. I 26/2006) wurde der Antragstellerin das Fruchtgenussrecht an allen Bestandteilen bestehender und künftig zu errichtender Bundesstraßen übertragen. Gleichzeitig hat die ASFINAG auch die Verpflichtungen des Bundes übernommen, die Bundesstraßen zu planen, zu bauen und zu erhalten. Um diese Tätigkeit ausüben zu können, ist die Antragstellerin zu einem großen Teil auf Leistungen Dritter angewiesen.

Die Antragstellerin ist nach ihren Angaben Auftraggeberin iSd §3 Abs1 Z2 des Bundesvergabegesetzes 2006, BGBl. I 17/2006 (im Folgenden: BVergG 2006). Sie hat ihre Beschaffungsvorhaben daher nach den Bestimmungen des BVergG 2006 durchzuführen.

Die Antragstellerin stellte folgende Anträge:

"der Verfassungsgerichtshof möge

1. gemäß Art140 Abs3 B-VG iVm §64 Abs1 VfGG §97 Abs2 BVergG 2006, kundgemacht im BGBl I Nr. 17/2006 am 31.1.2006 i.d.g.F. zur Gänze als verfassungswidrig aufheben; in eventu

gemäß Art140 Abs3 B-VG in Verbindung mit §64 Abs1 VfGG in §97 Abs2 BVergG 2006, kundgemacht im BGBl I Nr. 17/2006 am 31.1.2006 i. d.g.F. die Wortfolge '[...] in einzelnen Punkten [...]' als verfassungswidrig aufheben;

sowie

2. gemäß Art140 Abs3 B-VG in Verbindung mit §64 Abs1 VfGG §99 Abs2 BVergG 2006, kundgemacht im BGBl I Nr. 17/2006 am 31.1.2006 i. d.g.F. zur Gänze als verfassungswidrig aufheben; in eventu

gemäß Art140 Abs3 B-VG in Verbindung mit §64 Abs1 VfGG in §99 Abs2 BVergG 2006, kundgemacht im BGBl I Nr. 17/2006 am 31.1.2006 i. d.g.F. die Wortfolge '[...] in einzelnen Punkten [...]' als verfassungswidrig aufheben; in eventu

gemäß Art140 Abs3 B-VG in Verbindung mit §64 Abs1 VfGG in §99 Abs2 BVergG 2006, kundgemacht im BGBl I Nr. 17/2006 am 31.1.2006 i. d.g.F. die Wortfolge '[...] Bestehen für die Vertragsbestimmungen geeignete Leitlinien, wie ÖNORMen oder standardisierte Leistungsbeschreibungen, so sind diese heranzuziehen. Der Auftraggeber kann in den Ausschreibungsunterlagen in einzelnen Punkten davon abweichende Festlegungen treffen. [...]' als verfassungswidrig aufheben; in eventu

gemäß Art140 Abs3 B-VG in Verbindung mit §64 Abs1 VfGG in §99 Abs2 BVergG 2006, kundgemacht im BGBl I Nr. 17/2006 am 31.1.2006 i. d.g.F. die Wortfolge '[...] Bestehen für die Vertragsbestimmungen geeignete Leitlinien, wie ÖNORMen oder standardisierte Leistungsbeschreibungen, so sind diese heranzuziehen. Der Auftraggeber kann in den Ausschreibungsunterlagen in einzelnen Punkten davon abweichende Festlegungen treffen. Die Gründe für die abweichenden Festlegungen sind vom Auftraggeber festzuhalten und den Unternehmern auf Anfrage unverzüglich bekannt zu geben.' als verfassungswidrig aufheben;

sowie

3. gemäß der §§27 und 65a VfGG erkennen, der Bund ist schuldig, die der Antragstellerin durch das verfassungsgerichtliche Verfahren entstandenen Kosten in gesetzlichem Ausmaß zu Handen ihres bevollmächtigten Vertreters binnen vierzehn Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen."

2. §97 BVergG 2006 lautet:

"§97. (1) Bei einer konstruktiven Leistungsbeschreibung sind umfangreiche Leistungen in einem Leistungsverzeichnis aufzugliedern. Der Aufgliederung hat eine zusammenfassende Beschreibung der Gesamtleistung voranzugehen.

(2) Sind für die Beschreibung oder Aufgliederung bestimmter Leistungen geeignete Leitlinien, wie ÖNORMen oder standardisierte Leistungsbeschreibungen, vorhanden, so sind diese heranzuziehen. Der Auftraggeber kann in den Ausschreibungsunterlagen in einzelnen Punkten davon abweichende Festlegungen treffen. Die Gründe für die abweichenden Festlegungen sind vom Auftraggeber festzuhalten und den Unternehmern auf Anfrage unverzüglich bekannt zu geben.

(3) ..."

§99 BVergG 2006 hat folgenden Wortlaut:

"§99. (1) Soweit sich die Vertragsbestimmungen nicht schon aus der Beschreibung der Leistung ergeben, sind sie eindeutig und so umfassend festzulegen, dass ein eindeutiger Leistungsvertrag zustande kommen kann. Für folgende Angaben sind erforderlichenfalls eigene Bestimmungen im Leistungsvertrag festzulegen:

...

(2) Der Auftraggeber kann weitere Festlegungen für den Leistungsvertrag treffen. Bestehen für die Vertragsbestimmungen geeignete Leitlinien, wie ÖNORMen oder standardisierte Leistungsbeschreibungen, so sind diese heranzuziehen. Der Auftraggeber kann in den Ausschreibungsunterlagen in einzelnen Punkten davon abweichende Festlegungen treffen. Die Gründe für die abweichenden Festlegungen sind vom Auftraggeber festzuhalten und den Unternehmern auf Anfrage unverzüglich bekannt zu geben."

Die erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage, die allerdings nicht die Endfassung der angefochtenen Bestimmung darstellte (RV 1171 BlgNR, 22. GP), führen dazu aus:

"Zu §97 (Erstellung eines Leistungsverzeichnisses):

§97 übernimmt die in der ÖNORM festgelegten Grundsätze für die Erstellung eines Leistungsverzeichnisses. Gemäß Abs2 sind für die Beschreibung oder Aufgliederung der Leistung geeignete Leitlinien (wie Ö-NORMen oder standardisierte Leistungsbeschreibungen) heranzuziehen. Im Gegensatz zur bisherigen Regelung des BVergG 2002 kann jedoch der Auftraggeber in einzelnen Punkten von diesen Leitlinien abweichende Festlegungen treffen, ohne dass dies sachlich zu rechtfertigen wäre. Weicht der Auftraggeber von Leitlinien ab (den Unternehmern ist mitzuteilen welche Leitlinien relevant sind), so hat er diese Abweichungen in den Ausschreibungsunterlagen offen zu legen. Die inhaltliche Grenze hinsichtlich der Möglichkeit von diesen Leitlinien abzuweichen, bildet das Missbrauchsverbot.

...

Zu §99 (Vertragsbestimmungen):

...

Gemäß Abs2 sind, soweit der Auftraggeber diese für erforderlich erachtet, für weitere Festlegungen betreffend den Leistungsvertrag geeignete Leitlinien (wie ÖNORMen oder standardisierte Leistungsbeschreibungen) heranzuziehen. Im Gegensatz zur bisherigen Regelung des BVergG 2002 kann jedoch der Auftraggeber in einzelnen Punkten von diesen Leitlinien abweichende Festlegungen treffen, ohne dass dies sachlich zu rechtfertigen wäre. Weicht der Auftraggeber von Leitlinien ab (den Unternehmern ist mitzuteilen welche Leitlinien relevant sind), so hat er diese Abweichungen in den Ausschreibungsunterlagen offen zu legen. Die inhaltliche Grenze hinsichtlich der Möglichkeit von diesen Leitlinien abzuweichen, bildet das Missbrauchsverbot."

Im Verfassungsausschuss wurde der Gesetzestext gegenüber dem Entwurf der Regierungsvorlage noch modifiziert, wobei die im Verfassungsausschuss beschlossene Fassung letztlich Gesetz wurde. Der Ausschussbericht (AB 1245 BlgNR, 22. GP) führt dazu aus:

"Zu §97 Abs2:

Gemäß Abs2 sind für die Beschreibung oder Aufgliederung der Leistung geeignete Leitlinien (wie ÖNORMen oder standardisierte Leistungsbeschreibungen) heranzuziehen. Der Auftraggeber kann jedoch lediglich in einzelnen Punkten (und somit nicht pauschal) von diesen Leitlinien abweichende Festlegungen treffen. Weicht der Auftraggeber von Leitlinien ab, so hat er diese Abweichungen in den Ausschreibungsunterlagen offen zu legen und die Abweichung zu begründen. Die Begründungspflicht umfasst aber nicht das Erfordernis einer 'sachlichen Rechtfertigung' bzw. muss der Auftraggeber keine 'sachliche Notwendigkeit für die Abweichung' (vgl. BVA 23.4.2004, 17F-13/03-11) darlegen. Auf Anfrage ist einem Unternehmen der Grund für die Abweichung unverzüglich bekannt zu geben. Die inhaltliche Grenze hinsichtlich der Möglichkeit, von Leitlinien abzuweichen, bildet das Missbrauchsverbot bzw. die Sittenwidrigkeit. Die Begründungspflicht dient dem Nachweis, dass der Auftraggeber durch die abweichenden Festlegungen nicht die Grenze zum Missbrauch bzw. die Grenze zur Sittenwidrigkeit überschritten hat.

Zu §99 Abs2:

Gemäß Abs2 sind, soweit der Auftraggeber diese für erforderlich erachtet, für weitere Festlegungen betreffend den Leistungsvertrag geeignete Leitlinien (wie ÖNORMen oder standardisierte Leistungsbeschreibungen) heranzuziehen. Der Auftraggeber kann jedoch lediglich in einzelnen Punkten (und somit nicht pauschal) von diesen Leitlinien abweichende Festlegungen treffen. Weicht der Auftraggeber von Leitlinien ab, so hat er diese Abweichungen in den Ausschreibungsunterlagen offen zu legen und die Abweichung zu begründen. Die Begründungspflicht umfasst aber nicht das Erfordernis einer 'sachlichen Rechtfertigung' bzw. muss der Auftraggeber keine 'sachliche Notwendigkeit für die Abweichung' (vgl. BVA 23.4.2004, 17F-13/03-11) darlegen. Auf Anfrage ist einem Unternehmen der Grund für die Abweichung unverzüglich bekannt zu geben. Die inhaltliche Grenze hinsichtlich der Möglichkeit, von Leitlinien abzuweichen, bildet das Missbrauchsverbot bzw. die Sittenwidrigkeit. Die Begründungspflicht dient dem Nachweis, dass der Auftraggeber durch die abweichenden Festlegungen nicht die Grenze zum Missbrauch bzw. die Grenze zur Sittenwidrigkeit überschritten hat."

II. 1. Die Antragstellerin führt zur Zulässigkeit des Antrages aus, dass die angefochtenen Bestimmungen unzulässigerweise in rechtlich geschützte Positionen der Antragstellerin eingriffen, weil ihr durch diese Bestimmungen untersagt werde, auf eigene - auf ihre jeweiligen Bedürfnisse abgestimmte - Ausschreibungsbedingungen zurückzugreifen, wenn geeignete Leitlinien, wie ÖNORMen oder standardisierte Leistungsbeschreibungen, vorhanden seien. Lediglich ein Abweichen in einzelnen Punkten sei erlaubt, wodurch in Grundrechtspositionen der Antragstellerin eingegriffen würde. Die angefochtenen Bestimmungen würden unmittelbar und aktuell in die Rechtssphäre der Antragstellerin eingreifen, da diese laufend öffentliche Aufträge mit großen Auftragsvolumina vergebe und als öffentliche Auftraggeberin bei der Vergabe dieser Aufträge auf Grund der angefochtenen Bestimmungen nicht auf eigene Ausarbeitungen zurückgreifen dürfe, sondern auf geeignete Leitlinien zurückgreifen müsse, soweit solche vorhanden seien. Dadurch werde nachteilig in die Rechtsposition der Antragstellerin eingegriffen, da es ihr unmöglich gemacht werde, bei den einzelnen Auftragsvergaben Ausschreibungs- bzw. Vertragsbestimmungen nach ihren individuellen Bedürfnissen selbst auszuarbeiten und gemäß diesen Bedingungen Aufträge zu vergeben.

Zum Fehlen eines zumutbaren Wegs bringt die Antragstellerin vor:

"Der Antragstellerin ist dabei kein zumutbarer Rechtsweg eröffnet, die Normbedenken infolge eines Verwaltungsverfahrens im Wege einer Beschwerde gegen einen letztinstanzlichen Bescheid gemäß Art144 B-VG an den VfGH heranzutragen ('Unzumutbarkeit eines Umweges'). Aufgrund des Rechtsschutzkonzeptes des BVergG 2006 ist ein solcher 'Umweg' weder möglich noch zumutbar, insbesondere da der Antragstellerin nach dem Rechtsschutzkonzept des BVergG 2006 keine Antragslegitimation zur Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens zukommt und darüber hinaus die mit einem allfälligen 'Umweg' verbundenen Verzögerungen erhebliche zusätzliche Kosten mit sich bringen würden und bei der Abwicklung der Zumutbarkeit Wirtschaftlichkeitsüberlegungen mit einzubeziehen sind (vgl. VfSlg. 16.031 und 16.567).

Der Antragstellerin ist es nicht möglich, ihre verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die §§97 Abs2 und 99 Abs2 BVergG 2006 über den Umweg eines Bescheidbeschwerdeverfahrens gemäß Art144 B-VG an den Gerichtshof heranzutragen, da ihr nach dem Rechtsschutzkonzept des BVergG 2006 keine Antragslegitimation eingeräumt wird und sie daher nicht aus eigener Initiative ihre verfassungsrechtlichen Bedenken in einem Verwaltungsverfahren vor dem BVA vorbringen kann. Ein Nachprüfungsverfahren kann gemäß §320 BVergG 2006 nur über Antrag eines Unternehmers, nicht jedoch über Antrag eines öffentlichen Auftraggebers eingeleitet werden. Eine Antragslegitimation käme der Antragstellerin lediglich in Form eines 'Gegenantrages' gemäß §312 Abs3 Z2 bzw. §312 Abs3 Z2 BVergG im Rahmen eines Feststellungsverfahrens vor dem BVA zu, wobei von der Antragstellerin nicht beeinflussbar ist, ob und wann ein Feststellungsverfahren durch einen Unternehmer überhaupt eingeleitet wird. Darüber hinaus wären allfällige Abweichungen der Antragstellerin von den §§97 Abs2 und 99 Abs2 BVergG 2006 in ihren Ausschreibungsunterlagen auch nicht Gegenstand dieser Feststellungsverfahren, da allenfalls behauptete Rechtswidrigkeiten der Ausschreibung im Verfahrensstadium nach Zuschlagserteilung bzw. nach Widerruf der Ausschreibung regelmäßig gemäß §321 Abs1 BVergG bereits verfristet sein werden.

Aufgrund der Rechtsschutzkonzeption des BVergG 2006 müsste die Antragstellerin vielmehr durch eine umfassende und eigene Ausarbeitung der Ausschreibungsunterlagen mit weitgehenden Abweichungen von vorhandenen 'geeigneten Leitlinien' ein Nachprüfungsverfahren vor dem Bundesvergabeamt 'provozieren', in welchem ein Unternehmer die Ausschreibung aufgrund eines Verstoßes gegen die §§97 Abs2 und 99 Abs2 BVergG 2006 bekämpft. Unter diesen Voraussetzungen hätte jedoch die Antragstellerin keinen Einfluss darauf, ob und wann der provozierte Verstoß gegen §97 Abs2 bzw. §99 Abs2 BVergG 2006 überhaupt releviert würde und würde ein solches Verwaltungsverfahren von etlichen Zufälligkeiten abhängen.

Auch ein 'Umweg' über ein Bescheidbeschwerdeverfahren gemäß Art144 B-VG wäre der Antragstellerin nicht zumutbar, da mit diesem Umweg erhebliche Verzögerungen und damit erhebliche Zusatzkosten verbunden wären. Die Antragstellerin müsste zunächst entgegen der geltenden und hier bekämpften Rechtslage unter Aufwendung erheblicher Kosten (die frustriert zu werden drohen) eigene Ausschreibungsbedingungen ausarbeiten und ihren Ausschreibungen zugrundelegen. Sollte jedoch tatsächlich in einem Vergabeverfahren die Ausschreibung aufgrund dieses Verstoßes durch einen Unternehmer bekämpft werden, würde der 'Umweg' über ein Bescheidbeschwerdeverfahren gemäß Art144 B-VG nach einem stattgebenden Bescheid des Bundesvergabeamtes mit dem die Ausschreibung für nichtig erklärt wird eine erhebliche Verzögerung des Beschaffungsvorhabens bewirken, die regelmäßig mit massiven Zusatzkosten verbunden wäre. Da bei der Beurteilung der 'Zumutbarkeit eines Umweges' Wirtschaftlichkeitsüberlegungen (VfSlg. 16.301) miteinzubeziehen sind, wäre der Umweg über ein Bescheidbeschwerdeverfahren gemäß Art144 B-VG - selbst wenn ein solcher möglich wäre - unter Berücksichtigung des erheblichen Verzögerungsschadens bei einem von der Antragsstellerin im Regelfall ausgeschriebenen Großprojekt nicht zumutbar."

In der Sache bringt die Antragstellerin vor, dass die angefochtenen Gesetzesbestimmungen eine unzulässige dynamische Verweisung enthielten, die gegen das aus Art18 B-VG abgeleitete Legalitätsprinzip verstoßen. In den angefochtenen Bestimmungen würden "geeignete Leitlinien, wie ÖNORMen oder standardisierte Leistungsbeschreibungen" insoweit für die Antragstellerin für verbindlich erklärt, als sie bei der Erstellung von Ausschreibungsunterlagen von diesen Leitlinien nicht gänzlich abweichen oder pauschal abweichende Festlegungen treffen dürfe. Auf Grund dieser Bestimmungen komme somit dem österreichischen Normungsinstitut die Möglichkeit zu, öffentlichen Auftraggebern eine verbindliche Richtlinie für die Gestaltung von Ausschreibungsunterlagen vorzugeben. Dadurch gebe letzten Endes nicht der Bundesgesetzgeber vor, wie Ausschreibungsunterlagen zu gestalten seien, sondern diese Kompetenz würde einer verfassungsrechtlich nicht vorgesehenen Rechtsetzungsautorität überbunden. Dies sei als dynamische Verweisung zu qualifizieren, die nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (etwa VfSlg. 16.999/2003) erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken begegne. Dies sei mit dem rechtsstaatlichen Prinzip unvereinbar, da das Prinzip der Geschlossenheit des Rechtsquellensystems durchbrochen werde, indem der Bundesgesetzgeber ohne verfassungsgesetzliche Ermächtigung seine Normsetzungsbefugnis aufgibt. §5 Normengesetz, BGBl. 240/1971 idF BGBl. I 136/2001, stünde dieser Überlegung nicht entgegen, da es sich bei der genannten Bestimmung lediglich um eine einfachgesetzliche handle. Anderes würde nur im Fall der statischen Verweisung gelten, mit der sich der Gesetzgeber des BVergG 2006 aber nicht begnügt habe. Er habe vielmehr auf die im Zeitpunkt der Ausschreibung, nicht aber auf die im Zeitpunkt der Erlassung des BVergG 2006 geltenden Leitlinien verwiesen. Dadurch habe der Bundesgesetzgeber seine eigene Kompetenz zur Normierung der Vorgaben für öffentliche Auftraggeber an einen nicht näher bestimmten Normsetzer abgegeben. Selbst wenn die Verweisung auf geeignete Leitlinien als lediglich statische Verweisung zu interpretieren wäre, wäre sie nicht ausreichend bestimmt festgelegt und auch nicht in ausreichendem Maße publiziert, da zB ÖNORMen nicht frei zugänglich sind, sondern um ein beträchtliches Entgelt erworben werden müssten. Dass eine Abweichung in einzelnen Punkten möglich sei, ändere an der Verfassungswidrigkeit der Gesetzgebungstechnik nichts.

Ferner bringt die Antragstellerin vor, dass die angefochtenen Bestimmungen gegen das Gebot der ausreichenden Bestimmtheit von Gesetzen verstoßen und führt dazu aus:

"Die bekämpften Bestimmungen §97 Abs2 und §99 Abs2 BVergG 2006 normieren die Verpflichtung der öffentlichen Auftraggeber, bei Vorhandensein geeigneter Leitlinien diese ihren Ausschreibungsbedingungen zugrunde zu legen. Da bei unterlässt der Gesetzgeber jegliche Umschreibung, was unter 'Leitlinien' zu verstehen ist, welche Eigenschaften diese 'Leitlinien' erfüllen müssen, um als 'geeignet' im Sinne der §97 Abs2 und §99 Abs2 BVergG 2006 zu gelten und insbesondere auch festzulegen, wer zur Ausarbeitung 'geeignete[r] Leitlinien' sowie 'standardisierte[r] Leistungsbeschreibungen' berufen ist und insofern als 'Ersatzgesetzgeber' auftreten kann."

Darüber hinaus erachtet sich die Antragstellerin durch die angefochtenen Gesetzesbestimmungen in ihrem Grundrecht auf Unverletzlichkeit des Eigentums verletzt, da durch sie die Privatautonomie öffentlicher Auftraggeber in einem verfassungsrechtlich unzulässigen Ausmaß eingeschränkt werde. Dazu führt sie aus:

"Die angefochtenen gesetzlichen Bestimmungen der §§97 Abs2 und 99 Abs2 BVergG 2006 verstoßen ferner gegen das verfassungsrechtlich gewährleistete Recht auf Freiheit des Eigentums gemäß Art5 StGG und Art1 1. ZP EMRK, da diese Bestimmungen die Privatautonomie öffentlicher Auftraggeber (wie der Antragstellerin) in einem verfassungsrechtlich unzulässigen Ausmaß einschränken.

Ebenso wie ein Hoheitsakt, der ein bestimmtes Rechtsgeschäft über ein vermögenswertes Privatrecht im Einzelfall unmöglich macht bzw. erschwert, in das Eigentumsrecht eingreift, bewirkt auch ein Gesetz, das zum Abschluss eines privatrechtlichen Vertrages bzw. zur Anwendung bestimmter Vergabe- bzw. Vertragsbedingungen verpflichtet, einen Eingriff in das Eigentumsrecht seiner Normadressaten. Da sich die verfassungsrechtliche Eigentumsgewährleistung nach ständiger Rechtsprechung des VfGH (statt vieler VfSlg 12.227) auf alle privaten Vermögensrechte erstreckt, umfasst sie auch das Recht zum Abschluss privatrechtlicher Verträge unter privatautonom gestalteten Bedingungen. Der Staat darf demzufolge in die Privatautonomie lediglich unter den Voraussetzungen eingreifen, die die Verfassungsordnung ganz allgemein für die Zulässigkeit von Eigentumseingriffen vorsieht (K. Korinek, Die Beschränkung der Privatautonomie durch Wirtschaftsgesetze, JBl 1982, 29).

Indem der Bundesgesetzgeber in den §§97 Abs2 bzw. 99 Abs2 BVergG 2006 öffentliche Auftraggeber verpflichtet, in Ausschreibungsunterlagen für die Beschreibung oder Aufgliederung bestimmter Leistungen bzw. für Vertragsbestimmungen geeignete Leitlinien, wie ÖNORMen oder standardisierte Leistungsbeschreibungen, heranzuziehen, greift er in die Privatautonomie und somit in das verfassungsgesetzlich geschützte Eigentumsrecht öffentlicher Auftraggeber wie der Antragstellerin ein. Da die Antragstellerin wie andere öffentliche Auftraggeber nach den angefochtenen Bestimmungen nur in einzelnen Punkten von vorhandenen Leitlinien abweichen darf, werden in den §§97 Abs2 und 99 Abs2 BVergG 2006 Eigentumsbeschränkungen normiert, die durch ein öffentliches Interesse nach den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt werden müssten, um den Anforderungen von Art5 StGG bzw. Art1

1. ZP EMRK zu entsprechen.

Die §§97 Abs2 und 99 Abs2 BVergG 2006 haben zur Folge, dass bei Vorhandensein geeigneter Leitlinien die Bedingungen öffentlicher Auftragsvergaben für vergleichbare Leistungen weitgehend vereinheitlicht werden. Dies mag zwar die Bearbeitung und Angebotslegung von Unternehmern erleichtern, darin vermag jedoch die Antragstellerin kein öffentliches Interesse zu erblicken. Allenfalls könnte in Erwägung gezogen werden, dass die Pflicht zur Heranziehung von 'geeigneten Leitlinien' wie ÖNORMen ausgewogene Vertragsverhältnisse (vgl. Krejci, Muss ein Abweichen von ÖNORMen bei Ausschreibungen nach dem BVergG 2006 sachlich gerechtfertigt sein?, RPA 2006, 71) mit sich bringt und darin allenfalls ein öffentliches Interesse für die aufgrund §99 Abs2 BVergG 2006 bewirkte Eigentumsbeschränkung liegen könnte. Dem ist jedoch entgegen zu halten, dass unausgewogenen Vertragsverhältnissen ohnehin mit den Mitteln des Zivilrechtes in Form der Sittenwidrigkeitskontrolle gemäß §879 Abs1 ABGB bzw. der Kontrolle allgemeiner Geschäftsbedingungen gemäß §§864 a und 879 Abs3 ABGB entgegen gesteuert werden kann (Krejci, aaO, 72 ff.).

Weiters verstoßen unausgewogene Ausschreibungsbedingungen, die die Unkalkulierbarkeit von Angeboten mit sich bringen würden, gegen §79 Abs3 BVergG 2006. Unternehmer hätten bei insoweit unausgewogenen Vertragsverhältnissen sohin durch Bekämpfung der Ausschreibung ein zusätzliches effektives Mittel, eine entsprechende Vorgangsweise von Auftraggebern hintanzuhalten und unausgewogene Verträge bereits im Frühstadium eines Vergabeverfahrens zu verhindern.

Darüber hinaus kann mit dem kartellrechtlichen Missbrauchsverbot gemäß §§4 ff. KartG 2005 und den durch das KartG 2005 privaten Auftragnehmern gewährten Mitteln einem allfälligen Missbrauch einer (regelmäßig bestehenden) marktbeherrschenden Stellung wirksam Einhalt geboten werden. Eine zusätzliche Beschränkung der Privatautonomie öffentlicher Auftraggeber durch §99 Abs2 BVergG ist daher kein erforderliches Mittel, welches durch das allenfalls bestehende öffentliche Interesse an ausgewogenen Vertragsverhältnissen mit der öffentlichen Hand gerechtfertigt werden könnte.

Keinesfalls aber kann in einer weitgehenden Abweichung des Auftraggebers von 'geeigneten Leitlinien' zugleich eine gröbliche Benachteiligung des Auftragnehmers in Nebenbestimmungen gemäß §879 Abs3 ABGB (bzw. allgemein gemäß §879 Abs1 ABGB) gesehen werden, da der Umstand des Abweichens von 'geeigneten Leitlinien' keinen Schluss über die Ausgewogenheit des abweichenden Vertragswerkes zulässt. Die Gefahr einer Unausgewogenheit der von öffentlichen Auftraggebern zur Vergabe gebrachten Vertragsverhältnisse kann verhältniswahrend mit dem Korrektiv der §864 a ABGB bzw. §879 Abs1 und 3 ABGB ausreichend abgefedert werden. Einer zusätzlichen Beschränkung bedarf es nicht und ist eine solche im Sinne einer Verhältnismäßigkeitsprüfung jedenfalls überschießend.

Vielmehr darf nicht übersehen werden, dass die Vertragsfreiheit der Antragstellerin selbst im öffentlichen Interesse liegt und sie nur durch die Möglichkeit zu einer umfassenden eigenen Ausarbeitung ihrer Ausschreibungsunterlagen bei ihren vielfältigen Beschaffungsvorhaben, die für den Einzelfall bestmöglichen Bedingungen festlegen kann. Nur dadurch ist eine effiziente und zweckmäßige Verwendung öffentlicher Mittel gewährleistet, was letztendlich wiederum der öffentlichen Hand zu Gute kommt und im öffentlichen Interesse liegt. So kann es etwa keinesfalls im öffentlichen Interesse liegen, dass der öffentliche Auftraggeber bei Auftragsvergaben nach den Bestimmungen der ÖNORM B 2110 in der geltenden Fassung Schadenersatz in Folge leichter Fahrlässigkeit des Auftragnehmers in Höhe von maximal 5 % der Auftragssumme erhält, selbst dann, wenn der verursachte Schaden weitaus höher ist (vgl. etwa 5.36.1 und 5.47.1.2 ÖNORM B 2110 am 1.3.2002).

Weiters beinhalten die heranzuziehenden ÖNORMen insbesondere im Leistungsstörungsrecht nachteilige Bestimmungen, die von der gesetzlichen Regelung des ABGB, die als fair und ausgewogen gelten, zum Nachteil des öffentlichen Auftraggebers abweichen. Beispielsweise ist auf die Regelungen für Behinderungen hinzuweisen. Bei Behinderungen in der neutralen Sphäre hat der Auftragnehmer nach der ÖNORM B 2110 anders als nach dem ABGB Anspruch auf Verlängerung der Leistungsfrist. Die Ereignisse höherer Gewalt treffen sohin den AG. Diese Benachteiligung erstreckt sich nicht nur auf Fristverlängerungsansprüche des Auftragnehmers im Hinblick auf die Ausführung der Leistung, sondern auch auf Mehrvergütungsansprüche des Auftragnehmers (Punkt 5.34.5 der ÖNORM B 2110).

Hinsichtlich der Gefahrtragung gilt ebenso festzuhalten, dass bis zur Übernahme nicht immer der Auftragnehmer die Gefahr trägt, sondern bei einer Zerstörung wegen unabwendbarer Ereignisse der Auftraggeber (Punkt 5.42.1 der ÖNORM). Auch dies ist eine für den Auftraggeber im Vergleich zur gesetzlichen Regelung (§1168 ABGB) nachteilige Regelung. Insgesamt zeigt sich daher, dass öffentliche Auftraggeber aufgrund der bekämpften Bestimmungen zumindest zum Teil sie benachteiligende Bestimmungen heranziehen müssen und deshalb ein beträchtliches öffentliches Interesse an der Verwendung eigener interessengerechter Bestimmungen besteht.

Dieses öffentliche Interesse überwiegt jedenfalls ein allenfalls bestehendes öffentliches Interesse an der weitgehenden und einheitlichen Verwendung vorhandener geeigneter Leitlinien bei der öffentlichen Auftragsvergabe, weshalb es sich bei der in §§97 Abs2 und 99 Abs2 BVergG 2006 normierten Eigentumsbeschränkung um kein angemessenes (verhältnismäßiges) und geeignetes Mittel handeln kann, um den Eingriff in das Grundrecht auf Unverletzlichkeit des Eigentums rechtfertigen zu können. Mangels einer Rechtfertigung für die Eigentumsbeschränkung verstoßen die §§97 Abs2 und 99 Abs2 BVergG 2006 auch gegen die in Art5 StGG bzw. Art1 1. ZPEMRK normierte grundrechtlich geschützte Eigentumsfreiheit."

Zur Verletzung des Gleichheitssatzes führt die Antragstellerin aus, dass durch die in den angefochtenen Bestimmungen normierte Pflicht, vorhandene geeignete Leitlinien zu verwenden, öffentliche Auftraggeber gegenüber privaten Auftraggebern unsachlich benachteiligt würden.

2. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie die Abweisung des Antrages begehrt. Die Zulässigkeit - im Umfang des dritten Eventualantrages - wird nicht bestritten.

"Zur behaupteten dynamischen Verweisung

Der Verfassungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung dynamische Verweisungen auf Normen einer anderen Rechtsetzungsautorität als verfassungswidrig erachtet und dies in der Leitentscheidung VfSlg. 6290/1970 damit begründet, dass damit der Gesetzgeber nicht mehr selbst den Inhalt seiner Norm festlege, sondern dies einem anderen Gesetzgeber überlasse, indem er für die Zukunft die jeweiligen Gesetzesbefehle des anderen Gesetzgebers als eigene Gesetzesbefehle erkläre; der verweisende Gesetzgeber gebe damit in verfassungswidriger Weise seine eigene Kompetenz auf.

Eine verfassungswidrige dynamische Verweisung liege dann vor, wenn die verwiesene Norm im verfassungsrechtlichen Sinn 'vollzogen' wird. Verfassungsrechtlich zulässig sei hingegen eine tatbestandliche Anknüpfung an fremde Normen oder Vollzugsakte. Eine solche liege dann vor, wenn die zum Tatbestandselement erhobene (fremde) Norm nicht vollzogen, sondern lediglich ihre vorläufige inhaltliche Beurteilung dem Vollzug der eigenen Norm zu Grunde gelegt wird (vgl. VfSlg. 12.384/1990).

Diese Rechtsprechung ist anhand des Verhältnisses von Bundes- zu Landesgesetzen entwickelt worden. Ohne dies ausdrücklich zu benennen, ist sie insbesondere von der Überlegung der Exklusivität der Kompetenzordnung und dem - grundsätzlichen - Fehlen konkurrierender Zuständigkeiten geleitet (VfSlg. 17.479/2005).

Der vorliegende Fall ist jedoch gänzlich anders gelagert, weshalb die Bedenken der Antragstellerin nach Meinung der Bundesregierung von Vornherein ins Leere gehen:

Bei den in §§97 Abs2 und 99 Abs2 BVergG 2006 genannten Leitlinien handelt es sich nicht um 'Normen' einer (anderen) 'Rechtssetzungsautorität', da Leitlinien per se rechtlich unverbindlich sind. Die gesetzliche Anordnung, dass geeignete Leitlinien 'heranzuziehen' sind, kann daher keineswegs als 'Vollziehung von Normen' (einer anderen Rechtsetzungsautorität) und damit nicht als dynamische Verweisung im Sinne der zitierten Judikatur des Verfassungsgerichtshofes angesehen werden. In den angefochtenen Regelungen liegt auch keine Verbindlicherklärung von ÖNORMEN im Sinne des §5 Normengesetz 1971.

Die in Prüfung gezogenen Regelungen bestimmen lediglich, dass geeignete - im Wirtschaftsleben übliche - Standards vom Auftraggeber bei der Erstellung des Leistungsverzeichnisses bzw. bei der Festlegung von Vertragsbestimmungen zu berücksichtigen (d.h. in die Ausschreibungsunterlagen aufzunehmen) sind (vgl. dazu auch Krejci, Zur 'Normenbindung' gemäß §97 Abs2 und §99 Abs2 BVergG 2006, ÖZW 2006, 2). Zweck dieser Regelung ist nicht die Verbindlicherklärung bestimmter Inhalte, sondern die Standardisierung. Eine verfassungswidrige dynamische Verweisung kann darin aus Sicht der Bundesregierung nicht erblickt werden.

Zum behaupteten Verstoß gegen das Determinierungsgebot

Der Verfassungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, dass die Verwendung unbestimmter Gesetzesbegriffe dann mit Art18 B-VG vereinbar ist, wenn die Begriffe einen soweit bestimmbaren Inhalt haben, dass der Rechtsunterworfene sein Verhalten danach einrichten kann und die Anwendung der Begriffe durch die Behörde auf ihre Übereinstimmung mit dem Gesetz überprüft werden kann (zB VfSlg. 6477/1971 mwN; VfSlg. 11.776/1988). Er hat auch die Auffassung vertreten, dass angesichts der unterschiedlichen Lebensgebiete, Sachverhalte und Rechtsfolgen, die Gegenstand und Inhalt gesetzlicher Regelungen sein können, ganz allgemein davon auszugehen sei, dass Art18 B-VG einen dem jeweiligen Regelungsgegenstand adäquaten Determinierungsgrad verlange (VfSlg. 13.785/1994, 16.993/2003).

Der Gerichtshof hat zum Ausdruck gebracht, dass der Gesetzgeber nicht gegen das Bestimmtheitsgebot des Art18 B-VG verstoße, wenn er an das allgemeine Erfahrungswissen und die Verhaltensregeln eines Berufsstandes anknüpft. Gleiches gelte im Hinblick auf Normen, in denen Personen, die einer Materie besonders nahe stehen und in diesem Sachgebiet somit als Fachleute zu gelten haben, in eben diesem Sachgebiet etwa zum Ergreifen 'geeigneter' Maßnahmen o.ä. angehalten werden. In solchen Fällen ergebe sich der konkrete Inhalt der Verhaltenspflichten aus dem gefestigten, allgemeinen Wissen des betreffenden Personenkreises um die objektiven Gegebenheiten und Besonderheiten des betreffenden Sachgebietes (vgl. VfSlg. 16.993/2003).

Nach Auffassung der Bundesregierung gilt dies gerade auch im vorliegenden Regelungszusammenhang. Es kann davon ausgegangen werden, dass alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer wissen, welche Leitlinien konkret in Betracht kommen und welches Gewicht ihnen in sachlicher Hinsicht zukommt. Aufgrund des gefestigten allgemeinen Wissens der betroffenen Kreise um die für öffentliche Ausschreibungen - je nach konkretem Gegenstand - in Betracht kommenden Leitlinien liegt nach Meinung der Bundesregierung eine mangelnde Determinierung nicht vor.

Hinsichtlich der ÖNORMen ist ergänzend darauf hinzuweisen, dass gemäß §2 Abs1 lita Normengesetz 1971 bei der Schaffung von ÖNORMen 'entsprechend ihrem Wirkungsbereich Stellen der Hoheits- und Wirtschaftsverwaltung des Bundes und der Länder, einschließlich etwa bestehender selbständiger Wirtschaftskörper, die Vertreter der Wissenschaft sowie die am Normenwesen interessierten Standesvertretungen als Interessenvertretungen der Erzeuger und Verbraucher mitwirken' sollen. Bei der Entstehung von ÖNORMen gibt es einen offenen Zugang für Experten zu den ON-Komitees (wohin zB auch die Antragstellerin regelmäßig Vertreter entsendet). Auch daraus wird deutlich, dass die öffentlichen Auftraggeber um die in Betracht kommenden Leitlinien wissen.

Zum behaupteten Verstoß gegen das Eigentumsgrundrecht

Die verfassungsrechtliche Garantie der Unversehrtheit des Eigentums umfasst nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes auch das Recht zum Abschluss privatrechtlicher Verträge. Demnach greift ein Gesetz, das den Abschluss bestimmter Verträge verhindert oder umgekehrt zum Abschluss bestimmter Verträge zwingt, in das durch Art5 StGG und Art1 des

1. ZPEMRK verfassungsgesetzlich gewährleistete Eigentumsrecht seiner Adressaten ein (vgl. zB VfSlg. 12.100/1989, 12.227/1989, 17.071/2003).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg. 12.227/1989, 14.075/1995 mwH) kann der Gesetzgeber verfassungsrechtlich unbedenklich Eigentumsbeschränkungen verfügen, sofern er dadurch nicht den Wesensgehalt des Grundrechts auf Unversehrtheit des Eigentums berührt oder in anderer Weise gegen einen auch ihn bindenden Grundsatz verstößt und soweit die Eigentumsbeschränkung im öffentlichen Interesse liegt; bei der Normierung von im öffentlichen Interesse liegenden Eigentumsbeschränkungen hat der Gesetzgeber den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten (VfSlg. 17.071/2003 ua.).

Aus Sicht der Bundesregierungen liegen die angefochtenen Bestimmungen zweifelsfrei im öffentlichen Interesse:

Die Leistungsbeschreibung einer Ausschreibung stellt einen wesentlichen Aspekt für eine korrekte Auftragsvergabe dar; sie muss insbesondere sicherstellen, dass die einlangenden Angebote in einer objektiv nachvollziehbaren Weise verglichen werden können. Die grundsätzliche Verpflichtung zur Inkorporation geeigneter Leitlinien in die Ausschreibungsunterlagen erspart dem öffentlichen Auftraggeber Zeit und Bearbeitungsaufwand bei der Erstellung der Ausschreibungsunterlagen. Für die potentiellen Vertragspartner entfällt das Risiko mangelhafter Formulierungen, sie erreichen hohe Ausschreibungs- und Vertragssicherheit. Die Bieter wissen auf einen Blick, welche rechtlichen und technischen Rahmenbedingungen bei der Kalkulation des Auftrags berücksichtigt werden müssen. Bei der Kalkulation müssen keine unzumutbaren Risken übernommen werden, was in der Regel günstigere Preise zur Folge hat. Die Standardisierung gewährleistet eine Vergleichbarkeit der Angebote im Wettbewerb sowie den Bietern die erleichterte Nachprüfbarkeit der Entscheidung des Auftraggebers.

Insbesondere bei konsensual erarbeiteten Leitlinien (wie etwa ÖNORMen) besteht die Vermutung, dass deren Inhalte einen Interessensausgleich der beteiligten Kreise widerspiegeln (vgl. 10 Ob 212/98v vom 20. August 1998 mwN, Wiesinger/Wohlgemuth, ÖNORMen im Leistungsvertrag, ZVB 2006 [in Druck]) und damit Grundlage für eine sachgerechte, im öffentlichen Interesse liegende Beschaffung bilden.

Zusammengefasst dienen die angefochtenen Regelungen somit den öffentlichen Interessen der Rechtssicherheit und der effizienten, kostenoptimierten und raschen Abwicklung von öffentlichen Aufträgen.

Nach Ansicht der Bundesregierung ist auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt:

Festzuhalten ist zunächst, dass Leitlinien grundsätzlich das Ziel verfolgen, die gegenläufigen Interessen der potentiellen Vertragspartner möglichst ausgewogen zu berücksichtigen. Hinsichtlich der ÖNORMEN wird dies auch dadurch gewährleistet, dass - wie erwähnt - alle betroffenen Kreise an ihrer Erarbeitung mitwirken.

Die angefochtenen Regelungen stimmen nun zusätzlich die Interessen an einer möglichst weitgehenden Bindung an bestehende Leitlinien einerseits und der Auftraggeber an Möglichkeiten, von bestehenden Leitlinien abweichen zu können, andererseits aufeinander ab.

Aus Sicht der Bundesregierung ist die in den angefochtenen Bestimmungen vorgesehene Möglichkeit, in einzelnen Punkten abweichende Festlegungen zu treffen, ausreichend. Der Grundsatz der Heranziehung geeigneter Leitlinien bleibt damit erhalten, der Auftraggeber behält aber ausreichend Spielraum für allfällig notwendige projektbedingte Abweichungen.

Die Anordnung der grundsätzlichen Heranziehung von geeigneten - in der Wirtschaft üblichen - Standards ist somit nach Ansicht der Bundesregierung verhältnismäßig.

Zum behaupteten Verstoß gegen den Gleichheitssatz

Der Gleichheitsgrundsatz verbietet es dem Gesetzgeber, andere als sachlich begründbare Differenzierungen zu schaffen (VfSlg. 16.849/2003 uva.) bzw. Regelungen zu treffen (vgl. etwa VfSlg. 13.781/1994 uva.).

Die Behauptung, durch die angefochtenen Regelungen würden öffentliche Auftraggeber gegenüber privaten Auftraggebern in unsachlicher Weise benachteiligt, ist für die Bundesregierung schon deshalb nicht nachvollziehbar, weil bereits der Umstand, dass öffentliche Auftraggeber über öffentliche Mittel verfügen, eine solche Differenzierung rechtfertigt (zu den diesbezüglich bestehenden öffentlichen Interessen sowie zur Geeignetheit sie oben 4.).

Für die Bundesregierung ist aber auch nicht ersichtlich, dass die angefochtenen Regelungen per se gegen das aus dem Gleichheitssatz abzuleitende Sachlichkeitsgebot verstießen. Diesbezüglich wird auf die Ausführungen im Hinblick auf das Eigentumsgrundrecht verwiesen.

Überdies ist festzuhalten, dass nach der Judikatur des Obersten Gerichtshofes speziell ÖNORMen als Maßstab für die Sorgfaltspflichten angesehen werden, die den Ausschreibenden im Rahmen seiner vorvertraglichen Pflichten treffen, weil sie das wiedergeben, was branchenüblich ist (10 Ob 212/98v vom 20. August 1998 mwN).

Solche Vergabeleitlinien und deren Einhaltung liegen nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht nur im Interesse des Ausschreibenden und der öffentlichen Hand, welche die Mittel zur Verfügung stellt, sondern dienen auch dem Schutz der Bieter vor unlauteren Vorgangsweisen und legen damit der öffentlichen Hand im vorvertraglichen Stadium zu beachtende Verhaltenspflichten auf (auf deren Einhaltung auch die Bieter vertrauen dürfen), sodass die Verletzung dieser Selbstbindungsnormen und die Nichtbeachtung des Gleichbehandlungsgebotes durch den Auftraggeber im vorvertraglichen Schuldverhältnis nach den Grundsätzen der Haftung für culpa in contrahendo zu Schadenersatzverpflichtungen gegenüber einem übergangenen Bieter führen kann (s. dazu wiederum das Urteil 10 Ob 212/98v vom 20. August 1998 mwN).

Auch aus dieser Judikatur des Obersten Gerichtshofes wird nach Meinung der Bundesregierung deutlich, dass die Verpflichtung zur grundsätzlichen Heranziehung geeigneter Leitlinien nicht als unsachlich anzusehen ist.

Zur Unzumutbarkeit der Heranziehung von ÖNORMen aufgrund der mit deren Beschaffung verbundenen 'enormen' Kosten für Auftraggeber und Auftragnehmer.

Die Antragstellerin verweist auf die mit der Beschaffung von ÖNORMen verbundenen Kosten. Die Bundesregierung vermag schon nicht zu erkennen, warum allfällige Kosten für die Anschaffung von Normtexten die Verfassungswidrigkeit der §§97 Abs2 und 99 Abs2 aufgrund unzulässiger dynamischer Verweisung begründen soll (vgl. dazu jedoch Pkt. 1.6. des Schriftsatzes).

Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass die von der Antragstellerin angesprochenen Kosten lediglich ein Mal entstehen (beim erstmaligen Ankauf der ÖNORM) und die ÖNORM in weiterer Folge für alle zukünftigen Vergabeverfahren genutzt werden kann. Unzutreffend ist es jedenfalls, dass am Vergabewettbewerb auf Bewerber- oder Bieterseite teilnehmende Unternehmen ebenfalls die Normtexte anschaffen müssen. Wie sich aus der Judikatur des EuGH (vgl. C-225/98 , Kommission gegen Frankreich) eindeutig entnehmen lässt, wäre ein Verweis auf nationale Normen in den Ausschreibungsunterlagen unzulässig. Vor diesem Hintergrund fordert das BVergG 2006, dass der Auftraggeber alle Festlegungen in die Ausschreibungsunterlage selbst zu integrieren hat (gegebenenfalls unter 'Heranziehung' geeigneter Leitlinien)."

III. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Antrag ist zulässig:

Die Antragstellerin ist öffentliche Auftraggeberin und vergibt als solche laufend öffentliche Aufträge mit großen Auftragsvolumina. §§97 Abs2 und 99 Abs2 BVergG 2006 beschränken die Antragstellerin in der Gestaltung ihrer Ausschreibungen, indem sie im Prinzip die Heranziehung vorhandener geeigneter Leitlinien vorschreiben. Die genannten Bestimmungen beschreiben somit die Grenzen ihrer Vertragsfreiheit.

Ein zumutbarer Weg, die behauptete Verfassungswidrigkeit an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen, ist der Antragstellerin nach dem Rechtsschutzkonzept des BVergG 2006 nicht eröffnet, da sie im Verfahren vor dem Bundesvergabeamt nicht legitimiert ist, verfahrenseinleitende Anträge zu stellen. Um einen vor dem Verfassungsgerichtshof bekämpfbaren Bescheid zu erhalten, müsste die Antragstellerin eine - in der Regel äußerst aufwendige - öffentliche Ausschreibung unter Außerachtlassung vorhandener Leitlinien durchführen. In der Folge hätte sie es dennoch nicht in der Hand, ein Verfahren einzuleiten. Sie wäre vielmehr davon abhängig, dass ein Bieter die Ausschreibungsbedingungen erfolgreich bei den Vergabekontrollbehörden bekämpft, sodass die Antragstellerin dann Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erheben könnte. Dies ist ihr aufgrund des großen wirtschaftlichen Aufwandes, den die Planung und öffentliche Ausschreibung eines Straßenbauprojektes darstellt, nicht zuzumuten, umso mehr, als die Antragstellerin selbst im Falle der Durchführung eines solchen Ausschreibungsverfahrens keine Garantie hätte, dass es tatsächlich zu einem Nachprüfungsverfahren vor dem Bundesvergabeamt, an dessen Ende ein von ihr bekämpfbarer Bescheid erlassen würde, kommt. Der Antrag ist daher zulässig.

2. Der Antrag ist aber nicht begründet:

2.1 Eine verfassungswidrige dynamische Verweisung - wie sie von der Antragstellerin behauptet wird - liegt dann vor, wenn der Gesetzgeber den Inhalt einer Norm nicht mehr selbst festlegt, sondern dies einem anderen Gesetzgeber überlässt und der Gesetzgeber dadurch seine Kompetenz aufgibt (VfSlg. 6290/1970). Wie der Verfassungsgerichtshof in VfSlg. 12.384/1990 ausgesprochen hat, ist es jedoch keinem Gesetzgeber verfassungsrechtlich verwehrt, an die von einer anderen Rechtssetzungsautorität geschaffene Rechtslage anknüpfend, diese Rechtslage oder die darauf gestützten Vollzugsakte zum Tatbestandselement seiner eigenen Entscheidung zu machen. Entscheidend ist dabei, dass die fremde Norm nicht vollzogen, sondern lediglich ihre inhaltliche Beurteilung dem Vollzug der eigenen Norm zugrunde gelegt wird. Dies gilt umso mehr, wenn nicht auf Rechtsnormen sondern auf technische Standards und Produkteigenschaften hingewiesen wird.

Das Gebot zur "Heranziehung" geeigneter Leitlinien wie der ÖNORMen, ohne dass diese im Sinne des §5 Normengesetz für verbindlich erklärt werden, ist keine Verweisung im Sinne der verfassungsgerichtlichen Judikatur. So wie ein Gesetzgeber etwa auf den Stand der Technik als Tatbestandselement abstellen kann, ist auch der Hinweis auf Normen, die in geeigneten Leitlinien, wie den ÖNORMen in Bezug auf einen jeweiligen zeitbezogenen Standard festgeschrieben sind, nicht als dynamische Verweisung zu verstehen, sondern als bloßes Anknüpfen an bestimmte allgemein anerkannte Standards.

2.2 Das im Art18 Abs1 B-VG verankerte Rechtsstaatsprinzip gebietet, dass Gesetze einen Inhalt haben müssen, durch den das Verhalten der Behörde vorherbestimmt ist. Es ist jedoch verfassungsgesetzlich zulässig, wenn der einfache Gesetzgeber einer Verwaltungsbehörde ein Auswahlermessen einräumt und die Auswahlentscheidung an - die Behörde bindende - Kriterien knüpft (vgl. zB VfSlg. 5810/1968, 12.399/1990, 12.497/1990, 16.625/2002). Dass der Gesetzgeber bei der Beschreibung und Formulierung dieser Kriterien unbestimmte Gesetzesbegriffe verwendet, dadurch zwangsläufig Unschärfen in Kauf nimmt und von einer exakten Determinierung des Behördenhandelns Abstand nimmt, kann im Hinblick auf den Regelungsgegenstand erforderlich sein, steht aber grundsätzlich in Einklang mit Art18 Abs1 B-VG (vgl. die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zum "differenzierten Legalitätsprinzip", VfSlg. 13.785/1994 mwH).

Der Begriff der geeigneten Leitlinie (wobei unter "geeigneten Leitlinien" nur solche verstanden werden können, die für Lieferungen oder Dienstleistungen in einer bestimmten Branche vorhanden sind und üblicherweise in dieser Branche auch verwendet werden) oder der standardisierten Leistungsbeschreibung ist nicht derart unbestimmt, dass öffentliche Auftraggeber, die über den nötigen Sachverstand verfügen, nicht beurteilen könnten, welche Leitlinien in ihrer Branche vorhanden und ob sie für die Beschreibung oder Aufgliederung bestimmter Leistungen üblich sind. Der Verfassungsgerichtshof hat sogar im Zusammenhang mit Strafbestimmungen ausgesprochen, dass es nicht gegen Art18 B-VG verstößt, wenn der Gesetzgeber an das allgemeine Erfahrungswissen und die Verhaltensregeln eines Berufsstandes anknüpft (VfSlg. 16.993/2003). Dies muss umso mehr für die vom sachverständigen öffentlichen Auftraggeber zu treffenden Entscheidungen gelten, welche Standards wie ÖNORMen, ÖVE-Vorschriften u. dgl., die zum großen Teil auf internationalen Regelwerken beruhen, vorhanden und üblich sind. Zu erforschen, ob derartige Standards vorhanden sind, ist dem öffentlichen Auftraggeber jedenfalls zumutbar. Ein Verstoß gegen das Determinierungsgebot ist darin nicht zu erblicken.

2.3 Den Schutz des Art5 StGG genießt jedes vermögenswerte Privatrecht, auch das Recht zum Abschluss privatrechtlicher Verträge (vgl. zB VfSlg. 8201/1977, 9887/1983, 10.322/1985 und 16.636/2002). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. dazu VfSlg. 6780/1972 und die dort angeführte Vorjudikatur; VfSlg. 12.227/1989, 15.367/1998, 15.771/2000) gilt der erste Satz des Art5 StGG auch für Eigentumsbeschränkungen. Der Gesetzgeber kann aber angesichts des in Art1 des 1. ZPEMRK enthaltenen Gesetzesvorbehalts Eigentumsbeschränkungen verfügen, sofern er dadurch nicht den Wesensgehalt des Grundrechtes der Unversehrtheit des Eigentums berührt oder in anderer Weise gegen einen auch ihn bindenden Verfassungsgrundsatz verstößt (vgl. VfSlg. 9189/1981, 10.981/1986 und 15.577/1999), soweit die Eigentumsbeschränkung im öffentlichen Interesse liegt (vgl. zB VfSlg. 9911/1983, 14.535/1996, 15.577/1999 und 17.071/2003) und nicht unverhältnismäßig ist (vgl. etwa VfSlg. 13.587/1993, 14.500/1996, 14.679/1996, 15.367/1998 und 15.753/2000).

Die Standardisierung von Leistungsmerkmalen von Dienstleistungen und Produkten hat den Zweck, Leistungen und Produkte besser vergleichbar und Produkte untereinander austauschbar zu machen, aber auch verschiedene Komponenten von Produkten aufeinander abzustimmen.

Für die Vergabe durch öffentliche Auftraggeber ist die Vergleichbarkeit von Dienstleistungen und Produkten von besonderer Bedeutung. Sie gehört auch zum Wesen der öffentlichen Auftragsvergabe. Die Vergaberegelungen streben eine rationale, nicht diskriminierende und Kosten sparende Vergabe an, die ohne eine derartige Vergleichbarkeit innerhalb des öffentlichen Sektors kaum erreichbar ist. Die Standardisierung liegt daher im öffentlichen Interesse.

Das BVergG 2006 trifft auch keine unverhältnismäßige Regelung. Die Heranziehung von geeigneten Leitlinien wird nicht zwingend vorgesehen, vielmehr räumt das Gesetz dem öffentlichen Auftraggeber einen Spielraum für Abweichungen ein. Wie die Gesetzesmaterialien (RV 1171 BlgNR, 22. GP und AB 1245 BlgNR, 22. GP) zeigen, eröffnet das Gesetz dem öffentlichen Auftraggeber eine weite, nur durch das Missbrauchsverbot beschränkte Möglichkeit, die Ausschreibung abweichend von Leitlinien an die Besonderheiten des einzelnen Auftrages anzupassen.

2.4 Der Behauptung, die Regelung verstoße insoweit gegen den Gleichheitssatz, als öffentliche Auftraggeber in ihrer Vertragsgestaltung stärker eingeschränkt werden als private, ist entgegen zu halten, dass das Vergaberecht sich ausschließlich auf öffentliche Auftraggeber bezieht, die zur sparsamen und nicht diskriminierenden Vergabe und damit Verwendung öffentlicher Mittel verpflichtet werden. Der Vergleich mit privaten Auftraggebern ist daher von vornherein verfehlt.

IV. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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