VfGH A19/06

VfGHA19/0611.10.2007

Zurückweisung einer Klage eines Netzbetreibers gegen den Bund auf Rückzahlung bereits erbrachter Stranded Costs-Beiträge; Verpflichtung der Behörde zur Erlassung eines Ersatzbescheides nach aufhebendem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes; Zulässigkeit der Einbringung einer Klage hinsichtlich eines allfälligen Differenzbetrages zwischen alter und neuer Vorschreibung erst nach Bescheiderlassung

Normen

B-VG Art137 / Bescheid
ElWOG §69 Abs6 idF BGBl I 106/2006
Energie-RegulierungsbehördenG §13
Stranded Costs-VO II, BGBl II 354/2001 idF BGBl II 311/2005 §10 Abs1
B-VG Art137 / Bescheid
ElWOG §69 Abs6 idF BGBl I 106/2006
Energie-RegulierungsbehördenG §13
Stranded Costs-VO II, BGBl II 354/2001 idF BGBl II 311/2005 §10 Abs1

 

Spruch:

Die Klage wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. 1. Mit Bescheid vom 1. April 2004, Z G STC 01/02 schrieb die Energie-Control GmbH der Energie Graz GmbH & Co KG Stranded Costs-Beiträge in der Höhe von € 829.556,56 vor. Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wies die Energie-Control Kommission mit Bescheid vom 28. April 2004 ab.

Gegen diesen Bescheid erhob die Energie Graz GmbH & Co KG eine auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, die unter der Zahl B785/04 protokolliert wurde. Aus Anlass einer anderen Beschwerde (B531/03) hob der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis VfSlg. 17.210/2004 §10 Abs1 der Verordnung des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit über die Aufbringung und Gewährung von Beihilfen zur Abdeckung von Erlösminderungen, die infolge der Marktöffnung entstanden sind und im Zusammenhang mit der Errichtung und dem Betrieb des Kraftwerkes Voitsberg 3 stehen, BGBl. II 354/2001 (in der Folge: Stranded Costs-Verordnung II), als gesetzwidrig auf und sprach aus, dass die aufgehobene Bestimmung nicht mehr anzuwenden ist. Da die belangte Behörde bei Erlassung des zu B785/04 angefochtenen Bescheides die als gesetzwidrig aufgehobene Verordnungsbestimmung angewendet hatte, hob der Verfassungsgerichtshof diesen mit Erkenntnis vom 6. Oktober 2004 auf. Ein Ersatzbescheid ist bisher nicht erlassen worden.

2. Zur damals maßgeblichen Rechtslage wird auf die Darstellung im Erkenntnis VfSlg. 17.210/2004 verwiesen.

3. In Reaktion auf das Erkenntnis VfSlg. 17.210/2004 wurde mit Verordnung des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit, mit der die Verordnung über die Aufbringung und Gewährung von Beihilfen zur Abdeckung von Erlösminderungen, die infolge der Marktöffnung entstanden sind und im Zusammenhang mit der Errichtung und dem Betrieb des Kraftwerkes Voitsberg 3 stehen, geändert wird, BGBl. II 311/2005, §10 Abs1 der Stranded Costs-Verordnung II wie folgt neu gefasst:

"(1) Die Verpflichtung der Netzbetreiber zur Abführung der Beiträge, die von den Endverbrauchern und Netzbetreibern, nach Maßgabe ihrer Qualifikation als zugelassene Kunden im Sinne des §44 Abs1 und 2 ElWOG, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 143/1998, zwischen dem 19. Februar 1999 und dem 30. September 2001 gemäß §69 Abs6 ElWOG, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 143/1998, in Verbindung mit §9 Abs1 der Verordnung BGBl. II Nr. 52/1999 zu leisten waren, bleibt durch die vorliegende Verordnung unberührt. Insoweit diese Beiträge zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens dieser Verordnung noch nicht oder nicht vollständig abgeführt worden sind, hat die Energie-Control GmbH den Netzbetreibern, an deren Netz zugelassene Kunden im Sinne des §44 Abs1 ElWOG, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 143/1998, angeschlossen waren oder die selbst zugelassene Kunden im Sinne des §44 Abs2 ElWOG, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 143/1998, waren, die Beträge in jenem Ausmaß zur Abführung mit Bescheid vorzuschreiben, das sich aus der gemäß §8 Abs2 oder 3 der Verordnung BGBl. II Nr. 52/1999 gebildeten Bemessungsgrundlage und dem in den Kundmachungen des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten BGBl. II Nr. 53/1999 und BGBl. II Nr. 103/2000 sowie der Kundmachung des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit BGBl. II Nr. 430/2000 festgelegten Betrag von 0,042 Cent/kWh (0,574 g/kWh) ergibt. Endverbraucher und Netzbetreiber gemäß §44 Abs1 und 2 ElWOG, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 143/1998, sind nur für jenen Zeitraum zur Leistung der Beiträge verpflichtet, in dem sie als zugelassene Kunden qualifiziert waren. Netzbetreiber, die nicht zugelassene Kunden im Sinne des §44 Abs2 ElWOG, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 143/1998, waren, sind nur zur Abführung jener Beiträge zu verpflichten, die sie von den an ihr Netz angeschlossenen Endverbrauchern gemäß §44 Abs1 ElWOG, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 143/1998, erhalten haben."

In den Erläuterungen zu dieser Verordnung heißt es:

"Durch die Aufhebung des §10 Abs1 der Stranded Costs-Verordnung II fällt jedoch auch die Rechtsgrundlage weg, jenen Netzbetreibern, die zwischen dem 19. Februar 1999 und dem 30. September 2001 zugelassene Kunden waren, oder an deren Netz zugelassene Kunden angeschlossen waren, und die die Beiträge nicht abgeführt haben, die Abführung dieser Beiträge bescheidmäßig aufzuerlegen. Dies würde jedoch zu einer Finanzierungslücke jener Mittel führen, die für die Gewährung von Betriebsbeihilfen zur Abdeckung der Stranded Costs für Voitsberg 3 erforderlich sind. Darüber hinaus würde der ersatzlose Wegfall der Möglichkeit einer bescheidmäßigen Vorschreibung auch zu einer Ungleichbehandlung jener zugelassenen Kunden führen, die ihren für den Zeitraum 19. Februar 1999 bis 30. September 2001 entstandenen Verpflichtungen ohne Bescheiderlassung nachgekommen sind bzw. die diese Bescheide nicht angefochten haben.

Durch die vorliegende Novelle soll für die Einhebung der zwischen dem 19. Februar 1999 und dem 30. September 2001 fällig gewordenen Beiträge für Stranded Costs eine einwandfreie Rechtsgrundlage geschaffen werden, wobei insbesondere die bescheidmäßige Vorschreibung der Abführung der Stranded Costs-Beiträge für diesen Zeitraum auf zugelassene Kunden einzuschränken ist. Endverbraucher, die in diesem Zeitraum nicht zugelassene Kunden im Sinne des §44 Abs1 ElWOG waren, sind jedenfalls nicht zur Leistung der Beiträge verpflichtet. Netzbetreiber, die nicht als zugelassene Kunden im Sinne des §44 Abs2 ElWOG qualifiziert waren, haben nur jene Beiträge abzuführen, die sie von den an ihr Netz angeschlossenen zugelassenen Kunden erhalten haben."

4. Mit dem Energie-Versorgungssicherheitsgesetz 2006, BGBl. I 106, wurde §69 Abs6 ElWOG folgendermaßen neu gefasst (der ergänzte Teil ist hervorgehoben):

"(6) Die Netzbetreiber haben die gemäß Abs1 bis 3 bestimmen Beiträge einzuheben und an die Energie-Control GmbH abzuführen, die diese treuhändig zu verwalten hat. Besteht gegenüber der Energie-Control GmbH oder dem Bund ein Anspruch auf Rückerstattung von Beiträgen gemäß §69 Abs1 bis 3 und wurden diese Beiträge bereits für die Gewährung von Betriebsbeihilfen verwendet, sind die Energie-Control GmbH oder der Bund berechtigt, die Mittel von den Förderungsempfängern verzinst zurück zu fordern."

5. Mit Antrag vom 11. April 2006 begehrte die Stromnetz Graz GmbH & Co KG als Rechtsnachfolgerin der Energie Graz GmbH & Co KG von der Energie-Control GmbH die Rückzahlung von Stranded Costs-Beiträgen in der Höhe von € 829.556,56 samt Zinsen. Mit Schreiben vom 4. August 2006 teilte die Energie-Control GmbH der klagenden Partei mit, dass vermögensrechtliche Ansprüche gegebenenfalls dem Bund gegenüber geltend zu machen sind. Gegen dieses Schreiben erhob die klagende Partei Berufung, die mit Bescheid der Energie-Control Kommission vom 11. September 2006 mangels Vorliegens eines Bescheides als unzulässig zurückgewiesen wurde. In der Folge forderte die klagende Partei mit Schreiben vom 21. September 2006 den Bund zur Rückzahlung der Stranded Costs-Beiträge binnen angemessener Frist auf; dieser Aufforderung kam der Bund nicht nach.

6. Mit der auf Art137 B-VG gestützten Klage begehrt die klagende Partei vom Bund € 809.982,26 samt Zinsen. Zur Zulässigkeit der Klage bringt sie vor, es handle sich im vorliegenden Fall um einen vermögensrechtlichen Anspruch, da er unmittelbar auf eine Geldleistung gerichtet ist. Im Hinblick darauf, dass die Geldleistungsverpflichtung im öffentlichen Recht wurzelt, unterliege auch der Rückforderungsanspruch nicht dem ordentlichen Rechtsweg. Da die Energie-Control GmbH bei der Vorschreibung und Einhebung der Stranded Costs-Beiträge als Erscheinungsform des Bundes zu betrachten sei, werde die Klage gegen den Bund gerichtet. Da schließlich das ElWOG keine ausdrückliche Ermächtigung zur Rückabwicklung von Stranded Costs-Beiträgen enthält, könne über Rückforderungsanträge nicht durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde erkannt werden, weshalb die Klage gemäß Art137 B-VG zulässig sei.

7. Der Bund erstattete eine Gegenschrift, in der er die Aktivlegitimation bestreitet und der klagenden Partei entgegnet, sie hätte nicht vorgebracht, ob sie die Stranded Costs-Beiträge aus eigenem Vermögen bezahlt hat oder zuvor von den Endverbrauchern eingehoben hat. Im letzteren Fall wären allein die Endverbraucher zur Rückforderung berechtigt.

Zum Zinsenbegehren verweist der Bund darauf, dass ein Bereicherungsanspruch geltend gemacht wird, sodass Verzug erst dann vorliege, wenn innerhalb der in einem die Zahlung begehrenden Schreiben gesetzten angemessenen Frist eine Leistung nicht erfolgt; dies gelte ungeachtet des Umstandes, dass die Verpflichtung zur Rückzahlung mit der Behebung des Titelbescheides entstehe. Mit ihrem Schreiben vom 10. April 2004 habe die klagende Partei zwar die Rückzahlung zuviel geleisteter Stranded Costs-Beiträge begehrt, aber keine Leistungsfrist gesetzt. Erst mit Schreiben vom 21. September 2006, beim Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit eingelangt am 25. September 2006, habe die klagende Partei der beklagten Partei eine Leistungsfrist von 10 Tagen gesetzt, die jedoch zu kurz bemessen worden sei. Die beklagte Partei gehe daher davon aus, dass Verzug frühestens nach Ablauf einer angemessenen Leistungsfrist von vier Wochen, somit frühestens ab dem 24. Oktober 2006 eingetreten sei.

Im Hinblick darauf, dass sich der Bund im Falle einer Stattgabe der Klage gemäß §69 Abs6 ElWOG gegenüber den iSd §2 der Stranded-Costs-Verordnung begünstigten Unternehmen regressieren müsste, verkündete der Bund den Streit der Verbund Austrian Thermal Power GmbH & Co KG, der Verbund Austrian Hydro Power AG, der Steirischen Wasserkraft- und Elektrizitäts AG, der STEWEAG STEG GmbH, der KELAG - Kärntner Elektrizitäts AG sowie der TIWAG - Tiroler Wasserkraft AG.

8. Die zur Erstattung einer Äußerung eingeladene Energie-Control Kommission weist zunächst darauf hin, dass es keine gesetzliche Grundlage dafür gebe, über Anträge auf Rückerstattung geleisteter Stranded Costs-Beiträge mit Bescheid abzusprechen.

Sie verwies außerdem auf einen Bericht der Energie-Control GmbH, wonach Stranded Costs-Beiträge ohne Zustimmung der begünstigten Unternehmen oder ohne klaren gesetzlichen oder gerichtlichen Auftrag nicht zurückgezahlt werden dürften.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

Die Klage ist unzulässig:

1. Gemäß Art137 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über vermögensrechtliche Ansprüche an den Bund, die Länder, die Bezirke, die Gemeinden und Gemeindeverbände, die weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind.

2. Mit der vorliegenden Klage wird ein vermögensrechtlicher Anspruch an den Bund geltend gemacht. Im Erkenntnis vom 27. September 2007, B1992/06, hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, dass weder §69 ElWOG noch §13 E-RBG Regelungen enthalten, die die Energie-Control GmbH zur Entscheidung über Ansprüche auf Rückforderung bezahlter Stranded Costs-Beiträge zuständig machen. Auch aus §10 Abs1 der Stranded Costs-Verordnung II idF BGBl. II 311/2005, der eine bescheidmäßige Vorschreibung der Stranded Costs-Beiträge durch die Energie-Control GmbH vorsieht, kann keine Zuständigkeit zur Entscheidung über Rückforderungsansprüche entnommen werden.

Dennoch ist der Verfassungsgerichtshof aus folgenden Gründen nicht zuständig, über die vorliegende Klage zu entscheiden:

Mit der Aufhebung des Berufungsbescheides durch das Erkenntnis B785/04 vom 6. Oktober 2004 (vgl. I.1.) trat das Verfahren zur Festsetzung der Stranded Costs-Beiträge in das Stadium zurück, in dem es sich vor Erlassung des Berufungsbescheides befand. Da nach Aufhebung des Berufungsbescheides mit §10 Abs1 Stranded Costs-Verordnung II idF der Verordnung BGBl. II 311/2005 eine Ersatzregelung in Kraft trat, hätte die Berufungsbehörde auf Grund der nunmehr geltenden Rechtslage über die Berufung gegen den Stranded Costs-Vorschreibungsbescheid zu entscheiden gehabt (vgl. VfGH vom 27. September 2007, B1992/2006).

Denn aus der Aufhebung des ersten (Berufungs-)Bescheides ergibt sich zunächst noch keine Rückzahlungspflicht, sondern lediglich die Pflicht der Behörde, über die offene Berufung und damit die Beitragszahlungspflicht erneut zu entscheiden; erst der allfällige Differenzbetrag zwischen alter und neuer Vorschreibung kann nach Art137 B-VG eingeklagt werden (vgl. VfSlg. 8542/1979, 14.420/1996 - Vorschreibung von Abschleppkosten).

3. Die Klage war daher als unzulässig zurückzuweisen.

Dieser Beschluss konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lita VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung gefasst werden.

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