VfGH B742/06

VfGHB742/064.10.2006

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Versagung der Rückgängigmachung einer Strafregistereintragung betreffend die Verurteilung wegen gleichgeschlechtlicher Unzucht mit Personen unter 18 Jahren gemäß einer mittlerweile aufgehobenen Bestimmung des StGB; Entfernung einer noch nicht tilgbaren Eintragung im Strafregister von der Anordnung eines Gerichtes abhängig; Verwaltungsbehörde im Sinn des Grundsatzes der Trennung von Justiz und Verwaltung zur materiellen Überprüfung oder Korrektur (auch unrichtiger) gerichtlicher Entscheidungen nicht ermächtigt; keine Verletzung des Beschwerdeführers im Recht auf Achtung des Privatlebens, im Recht auf Löschung unzulässigerweise verarbeiteter personenbezogener Daten und im Gleichheitsrecht

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art94
EMRK Art8, Art14
DSG §1 Abs3
StGB §209
StrafregisterG 1968 §2, §8
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art94
EMRK Art8, Art14
DSG §1 Abs3
StGB §209
StrafregisterG 1968 §2, §8

 

Spruch:

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.1. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 29. August 1997 zu AZ 9c E Vr 7545/97 wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens der gleichgeschlechtlichen Unzucht mit Personen unter achtzehn Jahren nach §209 des Strafgesetzbuches (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 idF BGBl. Nr. 599/1988, schuldig erkannt und über ihn eine sechsmonatige Freiheitsstrafe verhängt. Diese (bislang weder nach den Vorschriften des Tilgungsgesetzes [TilgungsG] oder durch Gnadenerweis des Bundespräsidenten getilgte noch durch Gerichtsentscheidung beseitigte) Verurteilung scheint nach wie vor im Strafregister auf.

Der Tatbestand des §209 StGB (der sexuelle Handlungen über 19-jähriger männlicher Personen mit unter 18-jährigen männlichen Personen pönalisierte) wurde - nach seiner (unter Fristsetzung bis 28. Februar 2003 erfolgten) Aufhebung mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 21. Juni 2002, G6/02, (VfSlg. 16.565/02) wegen Unsachlichkeit der Regelung - durch das StRÄG 2002, BGBl. I Nr. 134/2002, beseitigt; gleichzeitig wurde die (geschlechtsneutral gefasste, auf den Schutz Jugendlicher mit eingeschränkter sexueller Selbstbestimmungsfähigkeit abstellende) Nachfolgebestimmung des §207b StGB (Sexueller Missbrauch von Jugendlichen) geschaffen.

1.2. In der Folge stellte der Beschwerdeführer gemäß §8 Abs1 Strafregistergesetz 1968 (StrafregG) beim Bundesministerium für Inneres den Antrag auf Feststellung, dass die Eintragung der angeführten Verurteilung nach dem "menschenrechtswidrigen" §209 StGB "unzulässig und daher rückgängig zu machen" sei. Diesem Antrag wurde mit dem nunmehr bekämpften Bescheid der Bundesministerin für Inneres keine Folge gegeben: die Aufnahme in das Strafregister sei rechtmäßig erfolgt, Anhaltspunkte für eine nachträgliche Aufhebung oder Abänderung der Verurteilung lägen nicht vor. Die eigenmächtige Entfernung einer Verurteilung aus dem Strafregister sei der Behörde mit Blick auf Art94 B-VG verwehrt, woran auch die Tatsache der nachträglichen Beseitigung der urteilsgegenständlichen Strafnorm nichts ändere.

2.1. In der vorliegenden, auf Art144 Abs1 B-VG gestützten Beschwerde macht der Beschwerdeführer die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten sowie (ohne nähere Substantiierung) die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

2.2. Der EGMR habe im Zusammenhang mit Verurteilungen nach §209 StGB wiederholt - so auch in Bezug auf eine den Beschwerdeführer betreffende (andere) Verurteilung des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 21. Februar 1997, AZ 9c E Vr 13.248/96 - eine Verletzung des Art14 EMRK iVm Art8 EMRK durch österreichische Strafgerichte festgestellt. Im zuletzt angeführten Verfahren sei der Beschwerdeführer schließlich - nach Aufhebung des betreffenden kondemnierenden Urteils durch den Obersten Gerichtshof im Erneuerungsverfahren gemäß §363a StPO - vom Anklagevorwurf nach §209 StGB rechtskräftig freigesprochen worden. Die verfahrensgegenständliche Verurteilung bleibe hievon jedoch unberührt und werde nach wie vor im Strafregister evident gehalten.

2.3. Der Beschwerdeführer sei durch die Abweisung des gegenständlichen Antrags in seinen Rechten auf Achtung des Privatlebens (Art8 EMRK), auf Löschung unzulässigerweise verarbeiteter personenbezogener Daten (§1 Abs3 Z2 DSG), auf Nichtdiskriminierung (Art14 EMRK) und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 Abs1 B-VG und Art2 StGG) verletzt. Mit Blick auf die Rechtsprechung des EGMR und die Aufhebung der dem Urteil zugrunde liegenden - verfassungswidrigen - Strafnorm verstoße die in Rede stehende "menschenrechtwidrige" Verurteilung ebenso massiv gegen Grundrechte wie jene vom 21. Februar 1997, die zwischenzeitig aufgehoben und aus dem Strafregister gelöscht worden sei.

Die Evidenthaltung der in Rede stehenden Urteilsdaten knüpfe an die "menschenrechtswidrige" Verurteilung weitere "menschenrechtswidrige" Folgen, stigmatisiere den Beschwerdeführer und verlängere die Tilgungsfrist in Bezug auf andere Verurteilungen (§4 TilgungsG).

Aufgrund der Judikatur des EGMR und des VfGH sei Österreich verhalten, die negativen Folgen von Grundrechtsverletzungen aus Verurteilungen nach §209 StGB (und zwar auch in Fällen, in denen - wie hier - eine Anrufung des EGMR unterblieben ist) zu beseitigen.

Im Sinne einer grundrechtskonformen Gesetzesvollziehung wäre die belangte Behörde verpflichtet gewesen, die angeführte Verurteilung aus dem Strafregister zu löschen.

2.4. Im Übrigen sei der Beschwerdeführer durch Anwendung des (ohne weitere Begründung zur Gänze) für verfassungswidrig erachteten StrafregG in seinen Rechten verletzt worden.

3. Die Bundesministerin für Inneres legte als belangte Behörde die Verwaltungsakten vor, nahm jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.

4. Über Einladung des Verfassungsgerichthofes gab das Bundeskanzleramt - Verfassungsdienst zu den in der Beschwerde aufgeworfenen Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen eine näher begründete Stellungnahme ab.

5. Der Beschwerdeführer replizierte.

II. Zur Rechtslage:

Die maßgeblichen Bestimmungen des Strafregistergesetzes, BGBl. Nr. 277/1968 idF BGBl. I Nr. 151/2004, lauten auszugsweise:

"§1

Strafregister

(1) Zum Zwecke der Evidenthaltung strafgerichtlicher Verurteilungen wird für das gesamte Bundesgebiet ein Strafregister geführt.

(2) Die Führung des Strafregisters obliegt der Bundespolizeidirektion Wien.

§2

Gegenstand der Aufnahme in das Strafregister

(1) In das Strafregister sind aufzunehmen:

1. alle rechtskräftigen Verurteilungen durch inländische Strafgerichte [...];

2. alle rechtskräftigen Verurteilungen österreichischer Staatsbürger und solcher Personen, die in Österreich ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben, durch ausländische Strafgerichte

[...];

3. [...]

4. alle sich auf eine der in den Z. 1 bis 3 angeführten Verurteilungen beziehenden Entschließungen des Bundespräsidenten und Entscheidungen der inländischen Gerichte über

[...]

c) die Begnadigung des Verurteilten, die Milderung, Umwandlung oder Neubemessung einer Strafe;

[...]

k) die Aufhebung oder Änderung einer Verurteilung oder späteren Entscheidung;

[...]

m) die Tilgung einer Verurteilung;

[...]

(2) [...]

(3) Als Verurteilung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist jedes Erkenntnis anzusehen, mit dem wegen einer nach österreichischem Recht von den Gerichten nach der Strafprozeßordnung 1960 abzuurteilenden Handlung in einem den Grundsätzen des Artikels 6 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, entsprechenden Verfahren über eine Person eine Strafe oder eine vorbeugende Maßnahme verhängt wird oder doch ein Schuldspruch ergeht.

§3

Strafkarten

(1) Die Verurteilungen durch inländische Strafgerichte sind nach Eintritt der Rechtskraft von den Gerichten, die in erster Instanz erkannt haben, der Bundespolizeidirektion Wien durch Übersendung von Strafkarten mitzuteilen.

(2) Die Strafkarten haben folgende Angaben zu enthalten:

1. die Bezeichnung und das Aktenzeichen des Strafgerichtes (erster Instanz);

2. Vor- und Familiennamen sowie alle früher geführten Namen des Verurteilten, Tag und Ort seiner Geburt, seine Staatsangehörigkeit, seinen Wohnort und seine Anschrift;

3. Vornamen der Eltern des Verurteilten;

4. den Tag des Erkenntnisses erster Instanz und den Tag des Eintritts der Rechtskraft der Verurteilung;

5. die Bezeichnung der strafbaren Handlung, derentwegen die Verurteilung erfolgt ist;

6. alle vom Strafgericht ausgesprochenen Strafen, ausgenommen einen Verfall, oder die Angabe, daß keine Strafe ausgesprochen worden ist; alle vom Strafgericht ausgesprochenen mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahmen, im Falle des Ausspruches der Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher einschließlich der Angabe, ob die Unterbringung nach §21 Abs1 oder 2 StGB angeordnet worden ist; die Feststellung, daß wegen einer Vorsatztat eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr verhängt worden ist; die Angabe, daß die Rechtsfolgen bedingt nachgesehen worden sind; die Angabe, daß ein Bewährungshelfer bestellt worden ist; bei einer in Tagessätzen festgesetzten Geldstrafe sind die Anzahl der Tagessätze und deren Höhe und bei bedingt nachgesehenen Strafen oder vorbeugenden Maßnahmen auch die Dauer der Probezeit, bei befristeten Strafen der Endtag der Frist anzuführen;

7. ob der Täter eine der Taten unter Einwirkung eines berauschenden Mittels oder eines Suchtmittels begangen hat;

8. ob eine der Taten ein Verkehrsdelikt war;

9. ob es sich um die erste Verurteilung handelt, oder die Zahl der früheren Verurteilungen, auf die deshalb Bedacht genommen wurde, weil sie wegen einer auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlung ergangen sind (§§33 Z. 2 und 39 StGB).

(3) Wurde bei der Verurteilung nach §31 StGB auf eine frühere Verurteilung Bedacht genommen, so ist unter Hinweis auf §31 StGB auch die frühere Verurteilung anzugeben (Abs2 Z. 1 und 4).

(4) Wurde jemand wegen einer Tat verurteilt, derentwegen er bereits im Ausland verurteilt worden ist, so ist unter Hinweis auf diese Tatsache auch die ausländische Verurteilung anzugeben.

(5) Die näheren Vorschriften über die Form der Strafkarten sind von den mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes betrauten Bundesministerien einvernehmlich durch Dienstanweisungen zu erlassen.

§4

Sonstige Mitteilungen

(1) Die sich auf eine der in den Z. 1 bis 3 des §2 Abs1 angeführten Verurteilungen beziehenden Entschließungen des Bundespräsidenten und rechtskräftigen Entscheidungen inländischer Strafgerichte sind der Bundespolizeidirektion Wien von dem Gerichte mitzuteilen, das den Verurteilten davon zu verständigen hat. In der Mitteilung ist die Verurteilung anzugeben, auf die sich die Entschließung oder Entscheidung bezieht. Die näheren Vorschriften über die äußere Form dieser Mitteilungen sind von den mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes betrauten Bundesministerien einvernehmlich durch Dienstanweisungen zu erlassen.

(2) Der Umstand, wann alle in einer Verurteilung ausgesprochenen Freiheitsstrafen, Geldstrafen (Verfallsersatz- und Wertersatzstrafen) und mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahmen vollzogen sind, als vollzogen gelten, nachgesehen worden sind oder nicht mehr vollzogen werden dürfen (§2 Abs1 Z. 5), ist der Bundespolizeidirektion Wien durch das Gericht, das in erster Instanz erkannt hat, mitzuteilen. Liegt in den Fällen einer Verurteilung im Sinne des §6 Abs4 des Tilgungsgesetzes 1972, BGBl. Nr. 68, zu einer nicht bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe oder zu einer ganz oder zum Teil bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe, deren Nachsicht widerrufen worden ist, der Zeitpunkt der Entlassung aus der Freiheitsstrafe vor dem im ersten Satz angegebenen Zeitpunkt, so ist auch diese Entlassung mitzuteilen.

(3) Die Verurteilungen und die sich auf Verurteilungen beziehenden Entscheidungen, Verfügungen und Mitteilungen ausländischer Organe sind der Bundespolizeidirektion Wien von allen inländischen Behörden und Ämtern mitzuteilen, die hievon Kenntnis erlangen, falls ihnen nicht bekannt ist, daß der Bundespolizeidirektion Wien bereits eine entsprechende Mitteilung zugegangen ist.

(4) [...]

§5

Berichtigung früherer Mitteilungen

(1) Gelangt einem inländischen Strafgericht zur Kenntnis, daß in den persönlichen Verhältnissen eines Verurteilten (§3 Abs2 Z. 2) eine Änderung eingetreten ist oder daß die im Strafregister enthaltenen Angaben über einen Verurteilten oder eine Verurteilung unrichtig sind oder daß eine Person Verurteilungen erlitten hat, die in das Strafregister nicht aufgenommen worden sind, so hat es hievon der Bundespolizeidirektion Wien Mitteilung zu machen.

(2) - (3) [...]

[...]

§8

Rechtsschutz gegen Aufnahmen in das Strafregister

(1) Jede Person, hinsichtlich der eine Verurteilung, eine sich darauf beziehende Entschließung des Bundespräsidenten oder eine sonstige sich darauf beziehende Entscheidung, Verfügung oder Mitteilung in das Strafregister aufgenommen oder nicht aufgenommen worden ist, kann die Feststellung beantragen, daß die Aufnahme in das Strafregister unrichtig erfolgte oder unzulässig war und daher mit einem anderen Inhalt zu erfolgen hat oder rückgängig zu machen ist, daß sie hätte erfolgen müssen oder daß die Verurteilung getilgt ist.

(2) Der Antrag gemäß Abs1 ist beim Bundesministerium für Inneres einzubringen, das hierüber zu entscheiden hat.

(3) Wird einem Antrag gemäß Abs1 ganz oder teilweise Folge gegeben, so ist das Strafregister zu berichtigen.

§9

Strafregisterauskünfte

(1) Von den in anderen Bundesgesetzen und in zwischenstaatlichen Vereinbarungen vorgesehenen Fällen abgesehen, hat die Bundespolizeidirektion Wien über Verlangen kostenfrei aus dem Strafregister Auskunft zu erteilen:

1. allen inländischen Behörden, den Dienststellen der Bundespolizei sowie hinsichtlich der Angehörigen des Bundesheeres auch den militärischen Kommanden,

2. allen ausländischen Behörden, sofern Gegenseitigkeit besteht.

(2) [...]

§10

Strafregisterbescheinigungen

(1) Die Bürgermeister, in Orten, für welche Bundespolizeibehörden bestehen, diese, sowie die österreichischen Vertretungsbehörden im Ausland haben auf Antrag auf Grund der bei der Bundespolizeidirektion Wien gesammelten Unterlagen Bescheinigungen über die im Strafregister enthaltenen Verurteilungen des Antragstellers oder darüber auszustellen, daß das Strafregister keine solche Verurteilung enthält (Strafregisterbescheinigungen).

(2) - (5) [...]

[...]

§12

Löschung von Strafregisterdaten

Nach Ablauf von zwei Jahren nach Eintritt der Tilgung sind die die getilgte Verurteilung und den Verurteilten betreffenden Daten im Strafregister zu löschen."

III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

Die behaupteten Rechtsverletzungen liegen nicht vor.

1.1. Mit dem StrafregG hat der Gesetzgeber die Evidenthaltung rechtskräftiger strafgerichtlicher Verurteilungen (§1 StrafregG) und der sich darauf beziehenden Änderungen durch (nunmehr elektronische) Führung eines bundesweiten Strafregisters seitens der Bundespolizeidirektion Wien (Strafregisteramt) geregelt. Das Strafregister dokumentiert den Bestand nicht getilgter und nicht (durch gerichtliche Aussprüche oder durch Gnadenakt des Bundespräsidenten) aufgehobener Verurteilungen. Die Kenntnis der (grundsätzlich geheimen, nur einem eingeschränkten Personenkreis zugänglichen) gespeicherten Daten über strafgerichtliche Verurteilungen (bzw. die Bescheinigung, dass eine bestimmte Person keine Vorstrafen aufweist) ist für im Gesetz vorgesehene Zwecke (etwa in Bezug auf konkrete Strafzumessungserwägungen bei [Folge]Verurteilungen [als besonderer Erschwerungs- bzw. Milderungsgrund nach §33 Z2 StGB bzw. §34 Abs1 Z2 StGB] oder als fakultativ anzuwendende Strafbemessungsvorschrift nach §39 StGB) sowie auch unter dem rechtspolitischen Aspekt von Rückfallsstatistiken für die Allgemeinheit von nachhaltiger Bedeutung; am öffentlichen Interesse an der Führung eines Strafregisters kann daher kein Zweifel bestehen.

1.2. Was Gegenstand einer Eintragung im Strafregister ist, ergibt sich im Einzelnen aus §2 StrafregG. Danach knüpft Aufnahme, Änderung oder Wegfall eines gerichtlichen Datums im Strafregister an konkret bezeichnete Tatbestände, nämlich an die Entscheidung eines Strafgerichts, an die Entschließung des Bundespräsidenten oder an die von Gesetzes wegen (durch Zeitablauf) eintretende Tilgung an.

Wie die Strafregisterbehörde Kenntnis von eintragungsrelevanten gerichtlichen Daten erlangt, regeln grundsätzlich die §§3 und 4 leg. cit., denen zufolge die Strafgerichte verpflichtet sind, die Bundespolizeidirektion Wien von rechtskräftigen Verurteilungen durch Übersendung von "Strafkarten", von anderen gerichtlichen Entscheidungen durch "sonstige Mitteilungen" zu verständigen.

Abgesehen vom (hier nicht weiter bedeutsamen) Fall der (durch Zeitablauf eintretenden) Tilgung kraft Gesetzes erfordert die Löschung einer im Strafregister dokumentierten Verurteilung somit nicht nur eine darauf bezogene rechtskräftige Gerichtsentscheidung (oder eine Entschließung des Bundespräsidenten), sondern darüber hinaus eine diesbezügliche förmliche Mitteilung des Gerichtes an die Strafregisterbehörde.

1.3. Das in §8 StrafregG geregelte Rechtsschutzverfahren ermöglicht die Überprüfung der Zulässigkeit, Richtigkeit und Vollständigkeit einer Registereintragung zum Zeitpunkt der Antragstellung durch das Bundesministerium für Inneres. Die Beurteilung der Unbedenklichkeit des Datenbestandes ist jedoch auf die Frage des Vorliegens eines allfälligen, (primär) im Bereich der Strafregisterbehörde unterlaufenen Fehlers der Eintragung - etwa zufolge unterbliebener oder unvollständiger Erfassung einer gerichtlichen Mitteilung oder zufolge eingetretener Tilgung (vgl. Szirba/Fessler, Die Tilgung von Verurteilungen und das Strafregister [2000] 105) beschränkt; hingegen bietet das Gesetz keine Möglichkeit, im Rahmen eines solchen Feststellungsverfahrens vor dem Bundesministerium für Inneres die Überprüfung der materiellen Richtigkeit eines Strafurteils oder einer darauf bezogenen Gerichtsentscheidung herbeizuführen und die allfällige Löschung der Speicherung einer (nicht getilgten) Verurteilung ohne gerichtliche Anordnung zu erwirken (vgl. auch Szirba/Fessler aaO 105 f; Kunst/Petrik, Tilgungsgesetz 1972 - Strafregistergesetz 1968² [1981] 99). Das Strafregister stellt nämlich nicht auf die Rechtsrichtigkeit der darin aufgenommenen Urteilsdaten ab, weshalb selbst eine gesetzwidrige oder sonst fehlerhafte (noch nicht getilgte) Verurteilung solange (dem Rechtsbestand angehört und) im Strafregister eingetragen bleibt, bis sie durch einen gerichtlichen Hoheitsakt beseitigt oder berichtigt und die Strafregisterbehörde aufgrund einer entsprechenden Mitteilung des Gerichtes zur Löschung legitimiert wird.

1.4. Das unter dem Prätext einer verfassungskonformen Interpretation des §8 StrafregG vorgetragene Beschwerdevorbringen, die Eintragung der gegenständlichen Verurteilung wäre rückgängig zu machen, weil ihre - weitere - Evidenthaltung mit der Aufhebung der dem Urteil zugrunde liegenden (als verfassungswidrig erkannten) Strafnorm sowie zufolge vom EGMR in Bezug auf gleichartige Schuldsprüche konstatierter Grundrechtsverletzungen unzulässig geworden sei, verkennt grundlegend das hier maßgebliche (dem Art94 B-VG Rechnung tragende) Regelungssystem: §8 StrafregG ermöglicht - wie eben gezeigt - eine Feststellung und Beseitigung nur in Ansehung solcher Fehler und Unrichtigkeiten, die den Zuständigkeitsbereich der Strafregisterbehörde betreffen, wenn also im Strafregister enthaltene Urteilsangaben nicht mit dem Entscheidungsinhalt übereinstimmen; das Feststellungsverfahren bezieht sich hingegen nicht auf den Gerichten vorbehaltene Änderungen von Urteilsdaten, auf die seitens der Strafregisterbehörde erst nach Information über das Vorliegen einer entsprechenden rechtskräftigen Gerichtsentscheidung reagiert werden kann.

Ungeachtet gegenteiliger Behauptungen zielt die Argumentation des Beschwerdeführers auf eine Gesetzesauslegung ab, die der Bundesministerin für Inneres eine Kompetenz zur materiellen Überprüfung der Rechtmäßigkeit der hinter der Strafregistereintragung stehenden Gerichtsentscheidung einräumen würde, mithin auf ein Ergebnis, das eine unzulässige inhaltliche Beurteilung gerichtlicher Entscheidungen durch die Verwaltungsbehörde und damit einen Verstoß gegen den in Art94 B-VG verankerten Grundsatz der Trennung von Justiz und Verwaltung bedeuten würde.

1.5. Nach dem Vorgesagten kann der nachträgliche Wegfall eines für die Verurteilung maßgeblich gewesenen (auch verfassungs- und konventionswidrigen) Straftatbestandes ohne Vorliegen einer darauf bezogenen Gerichtsentscheidung (oder einer entsprechenden Entschließung des Bundespräsidenten) ebenso wenig einen von der Verwaltungsbehörde aufzugreifenden Löschungsgrund darstellen wie eine vom EGMR (in einem anderen - vergleichbaren - Beschwerdefall) festgestellte Konventionsverletzung. (Urteile des EGMR wirken im Übrigen nicht einmal in Bezug auf die hievon betroffene Entscheidung unmittelbar anspruchsbegründend - vgl. Okresek, Art46 EMRK, in:

Korinek/Holoubek [Hrsg], Bundesverfassungsrecht, Rz 4 ff [1999]; Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention² [2005] §16 Rz 2 ff; VwGH 17.5.1995, 94/01/0669 -, sondern bedürfen ihrer innerstaatlichen Umsetzung.)

Dass der Gesetzgeber die Entfernung einer (noch nicht tilgbaren) Eintragung im Strafregister von der Anordnung eines Gerichtes abhängig macht und die Behörde in keinem Fall ermächtigt, von sich aus eine gerichtliche Verurteilung zu löschen, ist - im Sinne der Stellungnahme des Bundeskanzleramtes-Verfassungsdienst - mit Blick auf den Grundsatz der Trennung von Justiz und Verwaltung (Art94 B-VG; vgl. zB VfSlg. 9590/1982 und 17.083/2003) verfassungsrechtlich unerlässlich. Die materielle Überprüfung oder Korrektur (auch unrichtiger oder unvollständiger) gerichtlicher Entscheidungen bleibt der Verwaltungsbehörde - als mit dem Grundsatz der Trennung von Justiz und Verwaltung unvereinbar - mithin verwehrt.

Auch aus der vom Beschwerdeführer herangezogenen Rechtsprechung des EGMR lässt sich für seinen Standpunkt nichts gewinnen: haben diese Judikate doch andere, mit dem vorliegenden Sachverhalt nicht vergleichbare Konstellationen zum Gegenstand (so der Fall EGMR 6.4.2000, Thlimmenos gegen Griechenland, Nr. 34.369/97, ÖJZ 2001/518, die Verweigerung der Ausübung eines bestimmten Berufes wegen einer gerichtlichen Verurteilung; die Fälle EGMR 16.2.2000, Amann gegen die Schweiz, Nr. 27.798/95, ÖJZ 2001/71, und EGMR 4.5.2000, Rotaru gegen Rumänien, Nr. 28.341/95, ÖJZ 2001/74, gesetzlich nicht vorgesehene Maßnahmen des Geheimdienstes bzw. der Telefonüberwachung und Datenaufbewahrung).

2. Angesichts der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen (die vom Beschwerdeführer in Ansehung des gesamten - hier indes nur partiell präjudiziellen - StrafregG monierten Bedenken blieben unsubstantiiert) ist es ausgeschlossen, dass der Beschwerdeführer in seinen Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.

3. Da der belangten Behörde die vom Beschwerdeführer angestrebte Gesetzesauslegung verfassungsrechtlich verwehrt war und die ins Treffen geführte stigmatisierende Wirkung der Speicherung der Urteilsdaten eine Folge der (nicht beseitigten) Verurteilung selbst ist, hat die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte nicht stattgefunden. Der bekämpfte Bescheid verstößt weder gegen Art14 iVm Art8 EMRK noch gegen das Recht auf Löschung unzulässigerweise verarbeiteter personenbezogener Daten oder gegen das Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz.

Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass der Beschwerdeführer in anderen, von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde: Der Beschwerdeführer kann die Löschung seiner Verurteilung im Strafregister (vor Ablauf der Tilgungsfrist) nicht im Rechtsschutzverfahren nach §8 StrafregG, sondern nur durch Erwirkung einer die Verurteilung behebenden Gerichtsentscheidung (oder eines entsprechenden Gnadenerweises des Bundespräsidenten) erreichen. Selbst wenn die Bedenken betreffend das Fehlen gesetzlicher Vorkehrungen zur Beseitigung der in der Beschwerde dargestellten negativen Folgen von Verurteilungen der gegenständlichen Art zuträfen, läge der Sitz einer allfälligen Verfassungswidrigkeit jedenfalls nicht im StrafregG, sondern in anderen Rechtsvorschriften. Es kann nicht Sache der Strafregisterbehörde sein zu entscheiden, ob und in welchem Umfang bestimmte Verurteilungen aus dem Rechtsbestand auszuscheiden sind.

4. Die Beschwerde war daher abzuweisen.

5. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

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