Normen
B-VG Art137 / Allg
AEUV Art73b
EG Art56
Vlbg GVG
B-VG Art137 / Allg
AEUV Art73b
EG Art56
Vlbg GVG
Spruch:
Die Klage wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung
I. 1. Die Klägerin, eine österreichische Staatsbürgerin mit Wohnsitz in Fußach, hat von einem ebenfalls in Fußach wohnhaften österreichischen Staatsbürger mit Kaufvertrag vom 3. Dezember 1997 eine Liegenschaft im Ausmaß von 1.038 m² erworben. Das Grundstück war im Flächenwidmungsplan der Gemeinde Fußach als Baumischgebiet ausgewiesen und zum Kaufzeitpunkt unbebaut.
Nachdem die Klägerin keinen Antrag auf grundverkehrsbehördliche Genehmigung gestellt, sondern lediglich eine Erklärung, wie sie für den Kauf eines bebauten Grundstückes erforderlich gewesen wäre, abgegeben hatte, wurde ihr seitens der Grundverkehrs-Landeskommission mitgeteilt, dass die abgegebene Erklärung nicht ausreiche und auch nicht bestätigt werden könne.
Mit Eingabe vom 11. November 1998 beantragte die Klägerin daraufhin beim Bezirksgericht Bregenz die Einverleibung ihres Eigentumsrechtes. Mangels Vorliegens der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung wurde der Antrag jedoch mit Beschluss des Bezirksgerichtes abgewiesen. Gegen diese Entscheidung erhob die Klägerin Rekurs und regte an, ein Vorabentscheidungsverfahren beim EuGH einzuleiten. Mit Beschluss vom 29. Dezember 1998 legte das Bezirksgericht Bregenz dem EuGH insgesamt drei Fragen zur Vorabentscheidung vor. Der Europäische Gerichtshof verneinte jedoch seine Zuständigkeit mit der Begründung, dass es sich beim vorlegenden Bezirksgericht nicht um ein vorlageberechtigtes Gericht im Sinne des Art177 EGV (jetzt Art234 EG) handle (EuGH 14. Juni 2001, Rs. C-178/99 , Salzmann).
Daraufhin legte das Bezirksgericht Bregenz den Rekurs dem Landesgericht Feldkirch zur Entscheidung vor, welches - über Anregung der Klägerin - die vom Bezirksgericht gestellten Fragen erneut dem EuGH zur Vorabentscheidung vorlegte. Mit Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 15. Mai 2003, Rs. C-300/01 , Salzmann, sprach der Gerichtshof unter anderem aus, Art73b Abs1 EGV (jetzt Artikel 56 Abs1 EG) stehe einem Verfahren der vorherigen behördlichen Genehmigung für den Erwerb von Grundstücken, wie es nach dem Vorarlberger Grundverkehrsgesetz vom 23. September 1993 in der Fassung LGBl. 85/1997 vorgesehen sei, entgegen.
Mit Beschluss vom 12. Juni 2003 gab das Landesgericht Feldkirch dem Rekurs Folge und ordnete die Intabulation der Klägerin an.
2. Mit der auf Art137 B-VG gestützten Klage begehrt die Klägerin vom Land Vorarlberg nunmehr Zahlung von € 45.534,85 zuzüglich Zinsen und Kosten aus dem Titel der Staatshaftung.
Begründend wird dabei auf das Wesentliche zusammengefasst ausgeführt:
Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes hafte eine Gebietskörperschaft für Organfehlverhalten auf allen Ebenen einschließlich Gesetzgebung, wenn Gemeinschaftsrecht in der nationalen Rechtsordnung nicht ordnungsgemäß umgesetzt worden sei. Im konkreten Fall liege ein krasser Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht vor.
Entgegen der im EWRA eingegangenen Verpflichtung, keine weiteren Grundverkehrsbeschränkungen zu erlassen, habe der Bund durch eine Änderung der Bundesverfassung den Ländern die Kompetenz eingeräumt, Baulandgrundverkehrsbeschränkungen zu erlassen. In weiterer Folge habe das Land Vorarlberg in "krassestem Verstoß" gegen die Verpflichtung aus dem EWRA Grundverkehrsbeschränkungen für den Baulandgrundverkehr erstmalig eingeführt. Nachdem sich der EuGH für unzuständig erachte, über Verstöße gegen das EWRA zu entscheiden, bestehe diesbezüglich die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes.
1997 habe Vorarlberg nochmals neue Grundverkehrsbeschränkungen erlassen. Auf Grund dieser Gesetzeslage (1997 und 2000) sei weiterhin zwingend ein Genehmigungsverfahren durchzuführen gewesen, wobei der in Rede stehende Grunderwerb mangels Bedarfs der Klägerin nicht genehmigungsfähig gewesen wäre. Auch habe für die Grundbuchsgerichte beider Instanzen keine Möglichkeit bestanden, über den klaren Gesetzestext hinwegzusehen. Es sei daher ein verfassungswidriges - weil Inländer diskriminierendes - Gesetz der Eintragung im Grundverkehrsverfahren entgegengestanden.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes habe ein Inländer das Recht, im Bereich der Anwendung von Gemeinschaftsrecht nicht schlechter behandelt zu werden als ein wandernder Unionsbürger oder Kapitalgeber. Der Klägerin müsse daher nach dem Inländerdiskriminierungsverbot ein "Staatshaftungskostenersatz" zustehen, wie sie ihn hätte, wenn sie deutsche Staatsbürgerin wäre. Die Belassung der Genehmigungspflicht verletze die Klägerin in ihren durch das Inländerdiskriminierungsverbot gewährleisteten Rechten. Demnach sei die beklagte Partei schuldig, der Klägerin alle Kosten zu ersetzen, die auf Grund der (gemeinschaftswidrigen) Rechtslage angefallen seien.
3. Die beklagte Partei erstattete eine Gegenschrift, in der zunächst die Zulässigkeit der Klage bestritten wurde. Die Landesregierung wies darauf hin, dass dem unbestimmten Klagsvorbringen nicht eindeutig zu entnehmen sei, ob sich der behauptete Anspruch unmittelbar auf legislatives Unrecht, das dem Landesgesetzgeber zuzurechnen wäre, oder auf einen gemeinschaftsrechtswidrigen Vollzugsakt stütze. In letzterem Fall läge keine Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes vor. Eine Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes bestehe aber auch insofern nicht, als kein gemeinschaftsrechtlich begründeter Staatshaftungsanspruch, sondern ein innerstaatlich begründeter Anspruch wegen Inländerdiskriminierung geltend gemacht werde.
In der Sache selbst wies die beklagte Partei darauf hin, dass zudem die Voraussetzungen für den geltend gemachten Staatshaftungsanspruch nicht gegeben seien. Im Urteil vom 15. Mai 2003, Rs. C-300/01 , Salzmann, habe der EuGH zwar einen Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht festgestellt, doch berühre diese Gemeinschaftswidrigkeit nicht den Sachverhalt, aus dem die Klägerin ihren Schaden ableite, da es sich hier um einen rein innerstaatlichen Sachverhalt ohne transnationales Element handle. Selbst wenn das Grundverkehrsgesetz 1993 idF 1997 im Sinne der Kapitalverkehrsfreiheit ausgelegt worden wäre, hätte das Genehmigungsverfahren nur auf grenzüberschreitende Sachverhalte nicht angewendet werden dürfen. Abgesehen davon sei der Verstoß nicht hinreichend qualifiziert und bestehe auch kein unmittelbarer Kausalzusammenhang zwischen der damaligen Gesetzeslage und dem nunmehr eingeklagten Schaden.
Da die österreichische Rechtsordnung keine Staatshaftung für legislatives Unrecht vorsehe, könne sich ein derartiger Anspruch nur auf Gemeinschaftsrecht stützen. Angesichts des rein innerstaatlichen Sachverhaltes liege jedoch kein Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht vor. Der Staatshaftungsanspruch könne auch nicht auf den Klagsgrund der Inländerdiskriminierung gestützt werden, weil es sich auch dabei nicht um eine Frage des Gemeinschaftsrechtes handle.
Im Übrigen sei der mit der vorliegenden Staatshaftungsklage geltend gemachte Anspruch bereits verjährt.
Abschließend wurde beantragt, die Klage aus den genannten Gründen zurückzuweisen bzw. als unbegründet abzuweisen.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat zur Frage seiner Zuständigkeit erwogen:
1. Gemäß Art137 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über vermögensrechtliche Ansprüche gegen den Bund, die Länder, die Gemeinden und die Gemeindeverbände, die weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind.
Mit der vorliegenden Klage wird ein vermögensrechtlicher Anspruch gegen das Land Vorarlberg geltend gemacht. Der Klägerin zu Folge ist der angesprochene Vertretungsaufwand dadurch entstanden, dass der Landesgesetzgeber gemeinschaftsrechtswidrige Grundverkehrsbeschränkungen erlassen bzw. in Geltung belassen habe und die Klägerin aus diesem Grunde kostenintensive Verfahren vor den Grundbuchsinstanzen sowie dem Europäischen Gerichtshof habe führen müssen, um schließlich die Eintragung ihres Eigentumsrechtes zu erwirken.
Der Landesregierung ist zuzugestehen, dass das Vorbringen der Klägerin teilweise undeutlich ist. Es ist aber zu erkennen, dass sich der geltend gemachte Anspruch auf ein behauptetes Fehlverhalten des Landesgesetzgebers stützt. Wie der Verfassungsgerichtshof allerdings wiederholt entschieden hat, ist er zur Entscheidung über Staatshaftungsansprüche wegen "legislativen Unrechts" nur dann zuständig, wenn der die Haftung auslösende Akt unmittelbar dem Gesetzgeber zuzurechnen ist (vgl. VfSlg. 16.107/2001 und 17.002/2003). Knüpft der behauptete Schaden an ein - wenn auch durch ein Fehlverhalten des Gesetzgebers vorherbestimmtes - verwaltungsbehördliches oder gerichtliches Handeln an, bleibt es grundsätzlich bei der Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte auch für eine gemeinschaftsrechtlich begründete Staatshaftung.
Ausgehend vom dargestellten Sachverhalt geht der Gerichtshof davon aus, dass die allenfalls anspruchsbegründenden Handlungen den Grundbuchsgerichten und daher nicht unmittelbar dem Landesgesetzgeber zuzurechnen sind. Dafür spricht insbesondere das Klagsvorbringen selbst, wonach es sich beim geltend gemachten Anspruch um jene Verfahrenskosten handle, welche aus Anlass des Verfahrens vor den Grundbuchsinstanzen und dem EuGH entstanden seien. Allein aus diesem Grunde wäre daher die Klage mangels Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes als unzulässig zurückzuweisen.
2. Die Klage war aber auch deshalb zurückzuweisen, da ein im Wege des Art137 B-VG durchsetzbarer Staatshaftungsanspruch einen Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht zur Voraussetzung hat und sich die Klägerin nicht auf einen solchen - im Gemeinschaftsrecht wurzelnden - Staatshaftungsanspruch beruft, sondern ihr Begehren auf den Klagsgrund der Inländerdiskriminierung stützt.
2.1. Selbst wenn die anspruchsbegründenden Handlungen oder Unterlassungen direkt dem Landesgesetzgeber zuzurechnen wären und sich die Klage daher zu Recht auf "legislatives Unrecht" stützen könnte, wäre damit für die Position der Klägerin nichts gewonnen. Der Europäische Gerichtshof hat bereits mehrfach - unter anderem auch im bezughabenden Urteil des EuGH vom 15. Mai 2003, Rs. C-300/01 , Salzmann, Rz 32 - ausgesprochen, dass Gemeinschaftsrecht auf rein innerstaatliche Sachverhalte keine Anwendung findet (so etwa auch in EuGH 5. März 2002, Rs. C-515/99 ua, Reisch ua, Rz 24 mwH; ua). Die Klägerin kann aus der vom EuGH festgestellten Verletzung des Gemeinschaftsrechtes daher - mangels grenzüberschreitenden Bezugs des zu Grunde liegenden Sachverhaltes - von vornherein keinen im Gemeinschaftsrecht begründeten Staatshaftungsanspruch ableiten.
2.2. Auch das Argument, wonach der Klägerin ein auf das Inländerdiskriminierungsverbot gestützter Staatshaftungsanspruch zustehen müsse, wie sie ihn hätte, wenn sie deutsche Staatsbürgerin wäre, ist nicht nachvollziehbar. Die Klägerin übersieht offenbar, dass es sich bei dieser Frage nicht um eine solche des Gemeinschaftsrechtes handelt. Das Verbot der Inländerdiskriminierung ist vielmehr aus dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten (und damit innerstaatlichen) Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz abzuleiten (vgl. etwa VfSlg. 17.150/2004 mwN). Insofern stützt sich die Klage aber nicht auf einen im Gemeinschaftsrecht wurzelnden Staatshaftungsanspruch.
3. Die Klage war somit im Ergebnis wegen Unzuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zurückzuweisen. Da der Gerichtshof nur über die Prozessvoraussetzungen zu entscheiden und nicht auf die Sache einzugehen hatte, war auch eine mündliche Verhandlung entbehrlich.
Diese Entscheidung konnte somit gemäß §19 Abs3 Z2 lita VfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)