VfGH G7/03

VfGHG7/038.3.2004

Keine Verletzung des Rechtsstaatsprinzips durch eine Verfassungsbestimmung betreffend die weitere Anwendung einer Verordnung über Systemnutzungstarife trotz aufhebendem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes; bloß rückwirkende Sanierung der Rechtslage; keine Konterkarierung eines Ausspruches des Verfassungsgerichtshofes in der Art eines Maßnahmen(verfassungs)gesetzes

Normen

B-VG Art18 Abs1
ElWOG §66b idF BGBl I 149/2002
B-VG Art18 Abs1
ElWOG §66b idF BGBl I 149/2002

 

Spruch:

§ 66b Abs. 1 zweiter Satz und Abs. 2 zweiter Satz des Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetzes, BGBl. I Nr. 1998/143, idF BGBl. I Nr. 2002/149, wird nicht als verfassungswidrig aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist das Verfahren über einen zu V88/00 protokollierten Antrag gemäß Art139 Abs1 letzter Satz B-VG anhängig, womit die antragstellende Gesellschaft u.a. begehrt,

"§1 Z2 litd) und §2 Abs2 Z3, 3.1. lit d) sowie 3.2. lit d) der Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten Zl 551352/140-VIII/1/99, mit der die Systemnutzungstarife bestimmt werden",

in eventu bloß die erstgenannte Bestimmung, als gesetzwidrig aufzuheben.

2.1. Die Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten, mit der die Systemnutzungstarife bestimmt werden, GZ 551.352/140-VIII/1/99, verlautbart im Amtsblatt der Wiener Zeitung vom 22. September 1999, wurde mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 5. Dezember 2000, VfSlg. 16.042/2000 (kundgemacht am 27. März 2001, BGBl. II 133), als gesetzwidrig aufgehoben - ohne für das Außerkrafttreten eine Frist zu setzen; zugleich wurde ausgesprochen, dass diese Verordnung nicht mehr anzuwenden ist. Begründend führte der Verfassungsgerichtshof dazu vor allem Folgendes aus:

"Die Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten, mit der die Systemnutzungstarife bestimmt werden, Z551.352/140-VIII/1/99, stützt sich auf §§25 und 34 Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz (ElWOG), BGBl. I Nr. 143/1998.

Der Verfassungsgerichtshof leitete aus Anlass mehrerer bei ihm anhängiger Individualanträge von Amts wegen ua. gemäß Art140 Abs1 B-VG ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der §§25 und 34 des Bundesgesetzes, mit dem die Organisation auf dem Gebiet der Elektrizitätswirtschaft neu geregelt wird (Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz - ElWOG), BGBl. I Nr. 143/1998, ein und hob sodann ua. diese Gesetzesstellen mit Erkenntnis vom 29. Juni 2000, G45,46/00 V31,32/00 [VfSlg. 15.888/2000] - unter Fristsetzung für das Außerkrafttreten [30.6.2001] - als verfassungswidrig auf.

§66b Abs1 zweiter Satz und Abs2 zweiter Satz des Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetzes, BGBl. I Nr. 1998/143, idF BGBl. I Nr. 2002/149, wird nicht als verfassungswidrig aufgehoben.

Wie sich aus Art140 Abs7 B-VG ergibt, wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlassfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlassfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zur Zeit der Verwirklichung des dem Bescheid zugrunde gelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte. Gleiches gilt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Verordnung, die auf die aufgehobene Gesetzesbestimmung gegründet war.

Dem im Art140 Abs7 B-VG genannten Anlassfall im engeren Sinn (anlässlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist) sind all jene Fälle gleichzuhalten, die im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren, bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung, mit Beginn der nichtöffentlichen Beratung bereits anhängig geworden sind (VfSlg. 11.057/1986, 13.269/1992).

Die nichtöffentliche Beratung im Verfahren zur Prüfung der §§25, 34 ElWOG begann am 29. Juni 2000. Die vorliegenden Verordnungsprüfungsanträge sind beim Verfassungsgerichtshof schon vorher, nämlich bereits am 22. Mai und 23. Juni 2000 eingelangt. Nach dem Gesagten ist der Fall daher einem Anlassfall gleichzuhalten.

Die angefochtene Verordnung findet ihre gesetzliche Grundlage in den als verfassungswidrig erkannten Bestimmungen der §§25 und 34 Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz (ElWOG), BGBl. I Nr. 143/1998. Sie ist nunmehr so zu beurteilen, als ob sie ohne gesetzliche Grundlage - also in Widerspruch zu Art18 B-VG - erlassen worden wäre (vgl. VfSlg. 11.057/1986). Da die Verordnung insgesamt der gesetzlichen Grundlage entbehrt, war sie gemäß Art139 Abs3 lita B-VG zur Gänze als gesetzwidrig aufzuheben.

...

Der Ausspruch, dass die Verordnung nicht mehr anzuwenden ist, stützt sich auf Art139 Abs6 B-VG."

2.2. Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 14. März 2001, V62/00 u.a. (VfSlg. 16.139/2001), wurden auf Art139 Abs1 letzter Satz B-VG gestützte Anträge, Teile der in Rede stehenden Verordnung als gesetzwidrig aufzuheben, als unzulässig zurückgewiesen. Begründend wurde dazu ausgeführt:

"Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 5. Dezember 2000, V42-44/00, V49/00, V52-53/00, zugestellt am 16. Jänner 2001, wurde die Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten, mit der die Systemnutzungstarife bestimmt werden, Z551.352/140-VIII/1/99, als gesetzwidrig aufgehoben und ausgesprochen, dass sie nicht mehr anzuwenden ist. Die Kundmachung der Aufhebung gemäß Art139 Abs5 B-VG ist bis dato nicht erfolgt. Diese Verordnung wurde durch §66a Abs6 des Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetzes idF BGBl. I Nr. 121/2000 mit Wirkung vom 2. Dezember 2000 als Bundesgesetz in Geltung gesetzt. Im Hinblick darauf entfaltet das aufhebende Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 5. Dezember 2000, V42-44/00, V49/00, V52-53/00, [VfSlg. 16.042/2000] die Wirkung der Feststellung, dass die genannte Verordnung gesetzwidrig war und nicht mehr anzuwenden ist."

3.1. Das oben unter Pkt. 1. genannte, beim Verfassungsgerichtshof derzeit anhängige und zu V88/00 protokollierte Verfahren gemäß Art139 Abs1 letzter Satz B-VG betrifft nun dieselbe Verordnung, die bereits den Gegenstand des unter Pkt. 2.1. wiedergegebenen Erkenntnisses sowie des unter Pkt. 2.2. wiedergegebenen Beschlusses bildete. Im Hinblick darauf ging der Verfassungsgerichtshof in dem zu V88/00 protokollierten Verfahren ergangenen Beschluss vom 12. Dezember 2002, V88/00, davon aus, dass auch der nunmehr vorliegende Antrag, soweit er sich auf die genannte Verordnung bezieht (s. erneut Pkt. 1.), aus den selben Erwägungen, wie sie im Beschluss VfSlg. 16.139/2001 angestellt wurden, als unzulässig zurückzuweisen wäre.

3.2. Mit dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 2002/149 sei jedoch - so der Verfassungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 12. Dezember 2002, V88/00, weiter - dem Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz (ElWOG) die folgende (Verfassungs)Bestimmung eingefügt worden (die mit diesem Beschluss sodann in Prüfung gezogenen Sätze [s. unten Pkt. 3.3.] sind hervorgehoben):

"Klarstellung des zeitlichen Anwendungsbereichs von Systemnutzungstarifverordnungen

§66b. (Verfassungsbestimmung) (1) Die Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten, mit der die Systemnutzungstarife bestimmt werden, vom 18. Februar 1999, Zl. 551.352/96-VIII/1/99, ist nach Maßgabe des Abs2 auf im Zeitraum vom 19. Februar 1999 bis zum Ablauf des 22. September 1999 verwirklichte Sachverhalte anzuwenden. Die Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten, mit der die Systemnutzungstarife bestimmt werden, vom 22. September 1999, Zl. 551.352/140-VIII/1/99, ist nach Maßgabe des Abs2 auf im Zeitraum vom 23. September 1999 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2000 verwirklichte Sachverhalte anzuwenden.

(2) Die in Abs1 angeführten Verordnungen sind nicht gegenüber denjenigen Normadressaten anzuwenden, denen auf Grund eingebrachter Individualanträge (Art139 Abs1, Art140 Abs1 B-VG) im Zuge der Aufhebung dieser Verordnungen durch den Verfassungsgerichtshof oder im Zuge des Ausspruches der Gesetzwidrigkeit der Verordnungen Anlassfallwirkung im Sinne des Art139 Abs6 oder des Art140 Abs7 B-VG zuzuerkennen ist. Eine rückwirkende Beseitigung aus dem Rechtsbestand der in Abs1 angeführten Verordnungen für alle anderen Normadressaten ist mit der Aufhebung oder mit dem Ausspruch der Gesetzwidrigkeit dieser Verordnungen durch den Verfassungsgerichtshof nicht verbunden."

3.3. Im Hinblick darauf nahm der Verfassungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 12. Dezember 2002 an, dass er bei seiner Entscheidung über die Zulässigkeit des Verordnungsprüfungsantrages (s. Pkt. 1.) insbesondere auch §66b Abs1 zweiter Satz und Abs2 zweiter Satz ElWOG anzuwenden haben dürfte. Weiters wurde beschlossen, diese Bestimmungen gemäß Art140 Abs1 B-VG von Amts wegen auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen.

3.4. Sein Bedenken, die in Prüfung gezogenen Bestimmungen könnten gegen das rechtsstaatliche Grundprinzip der Bundesverfassung verstoßen, legte der Verfassungsgerichtshof dabei wie folgt dar:

"Art 139 Abs6 erster und zweiter Satz B-VG lauten wie folgt:

'Ist eine Verordnung wegen Gesetzwidrigkeit aufgehoben worden oder hat der Verfassungsgerichtshof ... ausgesprochen, dass eine Verordnung gesetzwidrig war, so sind alle Gerichte und Verwaltungsbehörden an den Spruch des Verfassungsgerichtshofes gebunden. Auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles ist jedoch die Verordnung weiterhin anzuwenden, sofern der Verfassungsgerichtshof nicht in seinem aufhebenden Erkenntnis anderes ausspricht.'

Die Bundesverfassung statuiert damit den - für die vom Verfassungsgerichtshof auszuübende Normenkontrolle insgesamt (für das Gesetzesprüfungsverfahren vgl. Art140 Abs7 zweiter Satz B-VG) geltenden - Grundsatz, dass aufhebende bzw. die Rechtswidrigkeit einer generellen Norm feststellende Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes (nur) für die Zukunft wirken. Ausdrücklich ausgenommen davon ist zum einen der Anlassfall; zum anderen ermächtigt die Bundesverfassung den Verfassungsgerichtshof, - über den Anlassfall hinaus - 'anderes' auszusprechen, also die aufhebende bzw. die Rechtswidrigkeit einer generellen Norm feststellende Wirkung seines Erkenntnisses auch auf weitere, erforderlichen Falles alle, vor der Aufhebung verwirklichte Tatbestände zu erstrecken.

Die in Prüfung gezogenen Bestimmungen in §66b ElWOG dürften diesem Regelungskonzept insofern zuwiderlaufen als sie den vom Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VfSlg. 16.042/2000 bzw. in seinem Beschluss VfSlg. 16.139/2001 u.a. getroffenen Ausspruch, dass die in Rede stehende Verordnung, auch über die Anlassfälle hinaus, (auf alle sonstigen vor der Aufhebung verwirklichten - einschlägigen - Tatbestände) nicht mehr anzuwenden ist, - explizit - aufzuheben scheinen.

Der Verfassungsgerichtshof vertritt dazu - vorläufig - die folgende Auffassung: Der (einfache) Bundesverfassungsgesetzgeber dürfte nicht ermächtigt sein, - in der Art eines Maßnahmen(verfassungs)gesetzes - einen derartigen Ausspruch des Verfassungsgerichtshofes dezidiert zu konterkarieren und somit für bestimmte Normadressaten seiner Wirkung zu berauben; gerade darin scheint aber die mit den in Prüfung gezogenen Bestimmungen verbundene Intention (die Gesetzesmaterialien [BlgNR 21. GP AB 1243] geben keinen Aufschluss über die zu Grunde liegenden Motive des Bundesverfassungsgesetzgebers) und Wirkung zu bestehen. Das rechtsstaatliche Prinzip scheint es auch dem (einfachen) Verfassungsgesetzgeber nicht zu erlauben, einer ganz bestimmten Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes die Wirkung zu entziehen, zumal auf diese Weise das in einem demokratischen Rechtsstaat essenzielle Vertrauen der betroffenen Normadressaten in die Bestandskraft der (inappellablen) verfassungsgerichtlichen Entscheidung verletzt zu werden scheint.

Der Bundesverfassungsgesetzgeber dürfte im Hinblick darauf mit den in Prüfung gezogenen Regelungen gegen das rechtsstaatliche Grundprinzip der Bundesverfassung, zu dessen wesentlichen Elementen das verfassungsgerichtliche Normenkontrollverfahren zählt, verstoßen. Der Verfassungsgerichtshof geht dabei - vorläufig - davon aus, dass seine hier in Rede stehende Ermächtigung ihrerseits ein wesentliches Element dieser verfassungsgerichtlichen Normenkontrolle bildet."

4.1. Die Bundesregierung erstattete im Verfahren eine Äußerung, in welcher sie den Antrag stellt, die in Prüfung gezogenen Regelungen "nicht als baugesetzwidrig aufzuheben".

4.2. Dazu führt die Bundesregierung im Wesentlichen Folgendes aus:

"Zu Art139 Abs6 B-VG bzw. Art140 Abs7 B-VG

Eine Verfügung des VfGH nach Art139 Abs6 B-VG, dass die aufgehobene Verordnung bzw. die von einer Feststellung der Gesetzwidrigkeit betroffene Verordnung nicht mehr anzuwenden ist ('anderer Ausspruch') legt dem Erkenntnis des VfGH Rückwirkung bei. Es war nicht unumstritten, ob auch in über Individualantrag eingeleiteten Normenprüfungsverfahren eine erweiterte Wirkung einer Aufhebung ausgesprochen werden dürfe (vgl. die Hinweise bei Mayer, B-VG, 3. Aufl., 2002, Rz IV.3. und V.3. zu Art139 B-VG; zur Entstehung der Anlassfallregelung vgl. Berchtold, Verwirklichte Tatbestände im Sinne des Art140 Abs7 B-VG, in FS Adamovich [1992] 10 [11ff]; Ruppe, Der Anlassfall, in Holoubek - Lang [Hrsg], Das verfassungsrechtliche Verfahren in Steuersachen [1998] 175 [189f]). Soweit ersichtlich, wurde erst mit den oben näher dargestellten Erkenntnissen bzw. Beschlüssen auch in derartigen Fällen vom VfGH die Rückwirkung verfügt bzw. angenommen.

Die ausnahmsweise rückwirkende Aufhebung einer Rechtsvorschrift kann sich grundsätzlich nur auf noch nicht rechtskräftig entschiedene Fälle auswirken. Bei rückwirkender Aufhebung ist insoweit jede Anwendung der aufgehobenen Rechtsvorschrift ausgeschlossen (vgl. Rohregger - Schuch, Die Rechtswirkungen aufhebender Erkenntnisse, in Holoubek - Lang [Hrsg],

Das verfassungsrechtliche Verfahren in Steuersachen, 1998, 141 [152, 154f]; Ruppe, Der Anlassfall, aaO, 185ff).

Was unter die 'verwirklichten Tatbestände' im Sinne des Art139 Abs6 bzw. Art140 Abs7 B-VG fällt, hängt im allgemeinen vom materiellen Recht ab, um dessen Anwendung es geht (vgl. Mayer, B-VG, aaO, V.1. zu Art140 B-VG). Rechtsprechung und Literatur zu dieser Frage sind - soweit ersichtlich - bisher von der Konstellation ausgegangen, dass eine Rechtssache mit behördlichem oder gerichtlichem Akt zu entscheiden ist, dass sich also Staat und Rechtsunterworfener gegenüber stehen.

[...] Inhalt und Auswirkungen des Spruches des Erkenntnisses VfSlg. 15.888/2000

[...] Auswirkungen allgemeiner Natur:

Anders als bei der soeben dargestellten Konstellation stehen sich bei preisrechtlichen Regelungen wie im vorliegenden Fall jedoch Private gegenüber, sodass nicht von vornherein mit hinreichender Sicherheit gesagt werden kann, was bei Wegfall preisrechtlicher Regelungen als 'verwirklichter Tatbestand' zu gelten hat. Dies wurde erst mit den auf das Erkenntnis VfSlg. 15.888/2000 folgenden Beschlüssen des VfGH deutlicher, mit denen Individualanträge gemäß Art139 Abs1 B-VG betreffend die aufgehobenen Verordnungen mangels aktueller Betroffenheit zurückgewiesen wurden (VfSlg. 16.042/2000, 16.139/2001). Insbesondere erschien unklar, ob unter Berufung auf die nunmehr gegebene Rechtslage die auf die preisrechtlichen Bestimmungen gründenden Verträge mit Erfolg vor Gericht angefochten werden können.

Aus Sicht der Bundesregierung haben auch zwei Erkenntnisse des VfGH Anlass für die vom Verfassungsgesetzgeber für notwendig befundene 'Klarstellung' geboten: So hat der Gerichtshof in VfSlg. 15.888/2000 als Frist für das Außerkrafttreten den 30. Juni 2001 bestimmt. Bis zu diesem Zeitpunkt waren die als unzureichend determiniert erkannten §§25 und 34 ElWOG 'immunisiert', was in einem gewissen Spannungsverhältnis zu dem Ausspruch des VfGH gesehen werden könnte, dass die mit Erkenntnis vom 10. Oktober 2000, VfSlg. 15.976/2000, als gesetzwidrig festgestellten Verordnungen nicht mehr anzuwenden seien (siehe auch zu VfSlg. 13.655/1993, dessen Spruch nicht unumstritten ist, Rill, Die zeitliche Wahrung der Gesetzesaufhebung durch den Verfassungsgerichtshof in VfSlg. 13.655 aus 1993, ZfV 1997, 468).

Die dargestellte Unsicherheit würde nach Auffassung der Bundesregierung wieder aufleben, sofern der Verfassungsgerichtshof die in Prüfung genommenen Teile des §66b ElWOG aufhebt und damit jedenfalls die darin angeführte Durchführungsverordnung entfällt. Es erhebt sich daher neuerlich die Frage, welche Auswirkungen dies auf zwischen Netzzugangsberechtigten und Netzbetreibern bestehende Rechtsverhältnisse nun wirklich hat.

Die behördliche Preisbestimmung durch Bescheide und/oder Verordnungen wird im Hinblick auf synallagmatische Vertragsverhältnisse als ein Unterfall des §1056 ABGB angesehen (dazu schon Hanreich, Das zeitliche Element der Preisregelung - öffentlich-rechtliche und privatrechtliche Überlegungen, ÖZW 1982, 14ff; siehe auch OGH, JBl 1992, 35; siehe auch OGH, JBl. 1987, 803; SZ 56/32; Binder in Schwimann, ABGB2 V, §1056 Rz 2 mwN).

Die Konsequenz der Nichtbestimmung des Preises im Sinne des §1056 ABGB liegt darin, dass diesfalls 'der (Kauf)Vertrag als nicht geschlossen angesehen' wird. Dies bedeutet, dass der synallagmatische Leistungsaustausch auf Basis nicht preisbestimmter Netznutzungsverträge auf einer anderen rechtlichen Basis, insbesondere im allgemeinen Bereicherungsrecht, zu suchen ist.

Soweit es sich daher um vertragliche Rechtsbeziehungen handelt, wird durch die Aufhebung ein wesentlicher Vertragsbestandteil entzogen. Soweit kein vertragliches, sondern ein gesetzliches Schuldverhältnis vorliegt (wie dies für die Systemdienstleistung der Fall ist), wird mangels Geltung einer Systemnutzungstarifverordnung der Grundsatz des §25 Abs3 ElWOG für den betreffenden Zeitraum gänzlich unanwendbar (Raschauer, wbl 2002, 248 - die Leistungsverpflichtung wäre der Höhe nach jedenfalls nicht bestimmt). Die Folge wäre sowohl bei einem vertraglichen als auch bei einem gesetzlichen Schuldverhältnis, dass Rückforderungsansprüche mangels gesetzlicher Leistungsgrundlage geltend gemacht werden können (§§1431, 1435 ABGB; vgl. OGH JBl. 1969, 403; wbl 1994, 22; Rummel in Rummel3, §1435 Rz 2 mwN). Die Verjährungsfrist beträgt jeweils allgemein 30 Jahre (Rummel in Rummel3, §1431 Rz 12, §1435 Rz 12 mwN).

Die zur Verfügung stehenden allgemeinen zivilrechtlichen Instrumente (Geschäftsführung ohne Auftrag, Ersatz von Reservehaltungs- und Vorhaltekosten, Bereicherungsrecht) stellen in aller Regel auf den 'konkret verschafften Nutzen' oder ein angemessenes Entgelt ab. Diese Kategorien sind mit den einzelnen Tarifbestandteilen nicht zwingend deckungsgleich. Auf die Unvereinbarkeit einer preislich diskriminierenden Behandlung von Netzbenutzern mit §25 Abs3 ElWOG wurde bereits oben verwiesen.

[...] Auswirkungen auf die Regelzone Ost:

Hauptbetroffen von einem Wegfall des §§66b ElWOG wäre die VERBUND-Austrian Power Grid AG ('APG'), ein Unternehmen des VERBUND-Konzerns, das die Funktion des Regelzonenführers der Regelzone Ost wahrnimmt. Die APG ist Österreichs einziger zu 100% gesellschaftsrechtlich entflochtener Netzbetreiber und hat daher großes Interesse an einer Rechtssicherheit im Rahmen der Liberalisierung des österreichischen Strommarktes, die größtenteils in Umsetzung der EU-Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie ergangen sind.

Das Übertragungsnetz der APG wird von 18 direkt an das Netz angeschlossenen Netznutzern (davon zehn unterlagerte Netzbetreiber bzw. zugelassene Kunden, sechs Industriebetriebe und zwei Kraftwerksbetreiber) genutzt, hinsichtlich dieser Netznutzer könnte daher von einem zumindest schlüssig abgeschlossenen Netznutzungsvertrag ausgegangen werden.

Bei Wegfall ex tunc der Systemnutzungstarifverordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten, mit der die Systemnutzungstarife bestimmt werden, vom 22. September 1999, Zl. 551.352/140-VIII/1/99, stünde es den Netznutzern offen, Rückforderungsansprüche hinsichtlich dieser vertraglichen Verhältnisse im Sinne der §§1431, 1435 ABGB gegen die APG in der Höhe von etwa € 264 Mio. geltend zu machen (OGH JBl. 1969, 403; wbl. 1994, 22; Rummel in Rummel3, §1435 Rz 2 mwN). Käme es zusätzlich zu einer Aufhebung der rechtlichen Grundlage der Systemnutzungstarifverordnung des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit, mit der die Systemnutzungstarife bestimmt werden, vom 30. Dezember 2000, Zl. 551.360/26-VIII/1/00, könnte dies zusätzliche Rückforderungsklagen in Höhe von etwa € 298 Mio. nach sich ziehen.

Mit Kraftwerksbetreibern (Erzeugern), die zur Bezahlung des Systemdienstleistungsentgeltes verpflichtet sind (vgl. §25 Abs14 ElWOG), besteht kein vertragliches, sondern ein gesetzliches Schuldverhältnis. Die (rückwirkende) Aufhebung der Systemnutzungstarifverordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten, mit der die Systemnutzungstarife bestimmt werden, vom 22. September 1999, Zl. 551.352/140-VIII/1/99, würde zunächst in Folge des Wegfalles der Rechtsgrundlage für die geleisteten Entgeltszahlungen wiederum Rückforderungsansprüche im Sinne der §§1431, 1435 ABGB (OGH JBl. 1969, 403; wbl. 1994, 22; Rummel in Rummel3, §1435 Rz 2 mwN) entstehen lassen. Es handelt sich hierbei um ca. 170 Kraftwerksbetreiber, die insgesamt rund € 40 Mio. rückfordern könnten, wovon rund € 23 Mio. auf verbundene Unternehmen des VERBUND-Konzerns entfallen (die APG geht hier von Rückforderungen von insgesamt € 55 Mio. aus); bei Aufhebung der rechtlichen Grundlage der Systemnutzungstarifverordnung des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit, mit der die Systemnutzungstarife bestimmt werden, vom 29./30. Dezember 2000, Zl. 551.360/26-VIII/1/00, könnten die Rückforderungen zusätzlich etwa € 63 Mio. darstellen.

Eine noch zu lösende Frage in den zu erwartenden Zivilverfahren ist die Bedeutung des §25 Abs3 iVm §62 ElWOG, wonach für die Leistungen - bei sonstiger Strafe - nur die behördlich normierten Tarife als Festpreise verlangt werden dürfen, die dem Grundsatz der Gleichbehandlung aller Systembenutzer entsprechen müssen. Bei Befassung verschiedener unabhängiger Gerichte (§21 Abs2 ElWOG iVm. §16 Abs3 E-RBG), die jeweils über die Höhe 'angemessener Entgelte' zu entscheiden haben, erscheint es fraglich, inwieweit dem Grundsatz der Gleichbehandlung tatsächlich zum Durchbruch verholfen werden kann.

Hinsichtlich jener Systembenutzer schließlich, bei denen nicht einmal ein schlüssiges Vertragsverhältnis darstellbar ist, ist keine Möglichkeit erkennbar, Leistungen im Sinne des §25 Abs3 ElWOG mangels einer geltenden Systemnutzungstarifverordnung überhaupt noch in Rechnung stellen zu können.

Dass zahlreiche zivilrechtliche Verfahren zu erwarten sind, zeigt sich darin, dass im Jahr 2002 42 Gerichtsverfahren gegen die APG angestrengt worden sind, in denen gegen ihren Anspruch auf Abgeltung des Systemdienstleistungsentgeltes für 1999 bis 2001 auf Basis der Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten, mit der die Systemnutzungstarife bestimmt werden, vom 18. Februar 1999, Zl. 551.352/96-VIII/1/99, und der Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten, mit der die Systemnutzungstarife bestimmt werden, vom 22. September 1999, Zl. 551/352/140-VIII/1/99, formale verfassungsrechtliche Einwände gemacht wurden. Andere Gerichtsverfahren wurden bereits angekündigt. Viele dieser Verfahren konnten zwar im Hinblick auf die ElWOG-Novelle 2002 (§25 Abs14, §66b ElWOG) vorläufig vergleichsweise bereinigt werden, es wurde jedoch für den Entfall der Tarifverordnungen die Rückforderung entrichteter Entgelte vorbehalten.

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass auch die übrigen Regelzonenführer von einer Aufhebung des §66b ElWOG beeinträchtigt wären, wenn auch die dort zu erwartenden Rückforderungen derzeit nicht quantifiziert werden können.

[...] Erkenntnis des VfGH vom 11. Oktober 2001, G12/00 ua.

Zur Erörterung, welche Eingriffe in Baugesetze vom Verfassungsgerichtshof aufzugreifen sind, bietet sich im Folgenden noch ein Vergleich mit dem bislang einzigen Erkenntnis des VfGH an, in dem er eine Verfassungsbestimmung in Prüfung gezogen und sodann als baugesetzwidrig aufgehoben hat. Mit seinem Erkenntnis zu §126a BundesvergabeG 1997 war, so der VfGH, eine umfassende Freizeichnung landesrechtlicher Vorschriften für die Vergabekontrolle erfolgt, sodass die Bundesverfassung für diesen Teil der Landesrechtsordnungen ihre Funktion als Schranke für den Landesgesetzgeber verlieren sollte. Die aufgehobene Verfassungsbestimmung hätte auch zur Folge, dass Grundrechtsverletzungen, die ihre Ursache in entsprechenden gesetzlichen Regelungen haben, als saniert zu gelten hätten und nicht mehr vom VfGH aufgegriffen werden könnten. Das Prinzip der Maßgeblichkeit der Verfassung sei ebenso wie die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zur Normenkontrolle zentrales Element des rechtsstaatlichen Baugesetzes der österreichischen Bundesverfassung. Der Verlust der Maßstabsfunktion der Verfassung für einen Teilbereich der Rechtsordnung verletze das rechtsstaatliche Prinzip; dem demokratischen Prinzip widerspreche es anzunehmen, die Verfassung als 'Zwangsnormerzeugungsregel' in ihrer Wirkung auch nur für einen Teilbereich der unterverfassungsgesetzlichen Rechtsordnung schlechthin zu suspendieren.

Von derart einschneidenden Folgen kann bei §66b ElWOG nicht die Rede sein. Weder wurde eine allgemeine Suspendierung der Verfassung für einen Teilbereich der unterverfassungsgesetzlichen Rechtsordnung angeordnet, noch sollten Grundrechtsverletzungen saniert werden: zum Inhalt der Verordnungen wurden seitens des VfGH keine verfassungsrechtlichen Bedenken geltend gemacht. Vielmehr erfolgte die Aufhebung der hier angesprochenen Verordnungen durch den VfGH allein deshalb, weil sie sich nicht auf eine ausreichend determinierte Gesetzesbestimmung stützen konnten, bzw. weil diese Rechtsgrundlage wegen dieses verfassungsgesetzlichen Mangels zuvor als verfassungswidrig aufgehoben worden war. Es darf angenommen werden, dass der Verfassungsgerichtshof keine Bedenken gehabt hätte, wäre ein Bundesgesetz mit einer rückwirkenden Ermächtigung zur Erlassung der betreffenden Verordnungen (vgl. VfSlg. 15.887/2000) bzw. ein Bundesgesetz mit dem Inhalt dieser Verordnungen rückwirkend erlassen worden. Der Gesetzgeber war stets bemüht, gerade nicht laufende Verfahren vor dem VfGH zu unterlaufen (§66a ElWOG idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 121/2000 hat die Verordnungen bloß pro futuro in Gesetzesrang gehoben; vgl. VfSlg. 10.091/1984, 10.402/1985, 12.688/1991, 13.980/1994).

Der Gesetzgeber suchte (lediglich) eine Möglichkeit, die vom VfGH mit VfSlg. 16.042/2000 aufgegriffenen preisregelnden Verordnungen zu 'sanieren', da die (rechtlichen und wirtschaftlichen) Auswirkungen eines rückwirkenden Entfalls der Tarifverordnungen (auf zwischen Netzzugangsberechtigten und Netzbetreibern bestehende Rechtsverhältnisse) das System des geregelten Netzzuganges in Frage gestellt hat: Durch den Wegfall findet ein unmittelbarer und nicht unwesentlicher Eingriff in das Eigentum jener Systemträger (Verteiler- und Übertragungsnetzbetreiber) statt, die ex lege verpflichtet werden, die für das Funktionieren des Systems notwendigen Leistungen zu erbringen. Zugleich entfällt auch der Rechtsgrund für das Entgelt, insbesondere jenes für bereits erbrachte Leistungen, die nicht auf einem vertraglichen, sondern einem gesetzlichen Schuldverhältnis beruhen.

Der Gesetzgeber war sohin bestrebt, das Postulat der Gleichbehandlung, das der Liberalisierung des Elektrizitätsmarktes und dem ElWOG zugrunde liegt, zu erfüllen, dessen Verwirklichung bei einer gänzlichen Verweisung der Vertragsparteien auf den ordentlichen Rechtsweg nicht gewährleistet schien.

[...] Zusammenfassung

Dem Verfassungsgerichtshof ist vollinhaltlich zuzustimmen, dass die verfassungsrechtliche Normenkontrolle eine ganz wesentliche und unverzichtbare Säule des rechtsstaatlichen Baugesetzes darstellt. Angesichts der besonderen Umstände, die der rückwirkende Entfall preisrechtlicher Bestimmungen wie der vorliegenden mit sich bringt, aber auch vor dem Hintergrund des hier ebenfalls zu berücksichtigenden demokratischen Baugesetzes vertritt die Bundesregierung im Lichte der vorstehenden Ausführungen die Ansicht, dass die vorliegend in Prüfung genommene Verfassungsbestimmung vor dem rechtsstaatlichen Grundprinzip der Bundesverfassung zu bestehen vermag."

5. Die Partei, deren (Individual)Antrag den Anlass für die Durchführung des Gesetzesprüfungsverfahrens gab, teilte zunächst in einer Äußerung mit, dass durch eine Vermögensübertragung im Wege der Gesamtrechtsnachfolge ihre Stellung als beteiligte Partei auf die Linz Strom GmbH für Energieerzeugung, -verteilung und Telekommunikation übergegangen sei. Den im Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 12. Dezember 2002 geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken sei nichts hinzuzufügen.

In weiterer Folge erstattete sie jedoch eine Replik, in der sie ua. der Annahme der Bundesregierung, es wäre verfassungskonform gewesen, ein Bundesgesetz mit rückwirkender Ermächtigung zur Erlassung der betreffenden Verordnungen bzw. ein Bundesgesetz mit dem Inhalt dieser Verordnungen rückwirkend zu erlassen, entgegnet, dass auch diese Varianten mit dem in den Erkenntnissen VfSlg. 15.976/2000 und 16.042/2000 auf Art139 Abs6 B-VG gestützten Ausspruch des Verfassungsgerichtshofes, dass die Durchführungsverordnungen nicht mehr anzuwenden seien, unvereinbar und daher verfassungswidrig seien.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung erwogen:

1. Das eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren ist, da Prozesshindernisse weder geltend gemacht worden noch sonst hervorgekommen sind, zulässig.

2. Das Bedenken des Verfassungsgerichtshofes, die in Prüfung gezogenen Regelungen würden gegen das rechtsstaatliche Grundprinzip verstoßen, hat sich auf Grund der nachstehenden Erwägungen jedoch nicht als zutreffend erwiesen.

2.1. Das dem Prüfungsbeschluss zugrunde liegende Bedenken des Verfassungsgerichtshofes bestand - auf das Wesentliche zusammengefasst - in Folgendem:

Mit den in Prüfung gezogenen Bestimmungen in §66b ElWOG werde der vom Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VfSlg. 16.042/2000 bzw. in seinem Beschluss VfSlg. 16.139/2001 u.a. getroffene Ausspruch, dass die in Rede stehende Verordnung, auch über die Anlassfälle hinaus, (auf alle sonstigen vor der Aufhebung verwirklichten - einschlägigen - Tatbestände) nicht mehr anzuwenden ist, - explizit - aufgehoben. Der (einfache) Bundesverfassungsgesetzgeber dürfte nicht ermächtigt sein, - in der Art eines Maßnahmen(verfassungs)gesetzes - einen derartigen Ausspruch des Verfassungsgerichtshofes dezidiert zu konterkarieren und somit für bestimmte Normadressaten seiner Wirkung zu berauben; gerade darin bestehe aber anscheinend die mit den in Prüfung gezogenen Bestimmungen verbundene Intention (die Gesetzesmaterialien [BlgNR

21. GP AB 1243] gäben keinen Aufschluss über die zugrunde liegenden Motive des Bundesverfassungsgesetzgebers) und Wirkung. Das rechtsstaatliche Prinzip dürfte es auch dem (einfachen) Verfassungsgesetzgeber nicht erlauben, einer ganz bestimmten Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes die Wirkung zu entziehen, zumal auf diese Weise das in einem demokratischen Rechtsstaat essenzielle Vertrauen der betroffenen Normadressaten in die Bestandskraft der (inappellablen) verfassungsgerichtlichen Entscheidung verletzt zu werden scheint. Im Hinblick darauf dürfte der Bundesverfassungsgesetzgeber mit den in Prüfung gezogenen Regelungen gegen das rechtsstaatliche Grundprinzip der Bundesverfassung verstoßen haben. Dies ausgehend davon, dass das verfassungsgerichtliche Normenkontrollverfahren zu den wesentlichen Elementen dieses Grundprinzips zählt und die in Rede stehende Ermächtigung des Verfassungsgerichtshofes ihrerseits ein wesentliches Element dieser Normenkontrolle bildet.

2.2. Dem hält die Bundesregierung in ihrer im Gesetzesprüfungverfahren erstatteten Äußerung - im Wesentlichen - Folgendes entgegen:

"Dem Verfassungsgerichtshof ist vollinhaltlich zuzustimmen, dass die verfassungs[gerichtliche] Normenkontrolle eine ganz wesentliche und unverzichtbare Säule des rechtsstaatlichen Baugesetzes darstellt. Angesichts der besonderen Umstände, die der rückwirkende Entfall preisrechtlicher Bestimmungen wie der vorliegenden mit sich bringt, aber auch vor dem Hintergrund des hier ebenfalls zu berücksichtigenden demokratischen Baugesetzes vertritt die Bundesregierung im Lichte der vorstehenden Ausführungen die Ansicht, dass die vorliegend in Prüfung genommene Verfassungsbestimmung vor dem rechtsstaatlichen Grundprinzip der Bundesverfassung zu bestehen vermag."

Die "besonderen Umstände, die der rückwirkende Entfall preisrechtlicher Bestimmungen wie der vorliegenden mit sich bringt", sind für die Bundesregierung zum einen in den "Auswirkungen allgemeiner Natur" des Erkenntnisses VfSlg. 15.888/2000 [Aufhebung der §§25, 34 ElWOG und der SystemnutzungstarifgrundsatzVO] und zum anderen in dessen "Auswirkungen auf die Regelzone Ost" begründet.

2.3. Der Verfassungsgerichtshof hat bei der Beurteilung der Frage, ob die in Prüfung gezogenen Bestimmungen gegen das rechtsstaatliche Grundprinzip der Bundesverfassung verstoßen haben, weder auf die von der Bundesregierung vorgetragenen Beweggründe des Gesetzgebers noch auf allenfalls - auch gemeinschaftsrechtlich - bestehende Verpflichtungen zur normativen Regelung der Systemnutzungstarife einzugehen, sondern hat allein darauf abzustellen, welche Rechtswirkungen die Regelung des §66b ElWOG entfaltet hat.

Der Verfassungsgerichtshof sprach in seinem Erkenntnis VfSlg. 16.042/2000 bzw. in seinem Beschluss VfSlg. 16.139/2001 aus, dass die in Rede stehende Verordnung, auch über die "Anlassfälle" hinaus, auf alle vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände nicht mehr anzuwenden ist. Diesem - in seiner Wirkung bis zu einer Ersatzregelung vorläufigen - Ausspruch des Verfassungsgerichtshofes steht jedoch eine Ersatzregelung durch das zuständige Normsetzungsorgan nicht entgegen, und zwar weder eine Regelung pro futuro noch eine Regelung pro praeterito.

Obgleich legistisch äußerst ungeschickt formuliert, bewirken die in Prüfung gezogenen Regelungen nichts anderes als eine rückwirkende Sanierung der Rechtslage betreffend die generelle Regelung der Systemnutzungstarife. Dabei durfte der Gesetzgeber einerseits davon ausgehen, dass die in Rede stehende Systemnutzungstarifverordnung allein deswegen aufgehoben worden war, weil ihre Rechtsgrundlagen, die §§25, 34 ElWOG wegen Verstoßes gegen das Determinierungsgebot und die SystemnutzungstarifgrundsatzVO wegen Gesetzlosigkeit, durch das Erkenntnis VfSlg. 15.888/2000 aufgehoben worden waren. Andererseits musste er in Betracht ziehen, dass einer rückwirkenden Inkraftsetzung der Tarifregelungen durch den einfachen Gesetzesgeber allenfalls der aus dem Gleichheitssatz abzuleitende Vertrauensschutz entgegenstehen könnte. Er hat daher - wie auch die Bundesregierung in der mündlichen Verhandlung teilweise bestätigt hat - ein rückwirkendes Inkrafttreten der Systemnutzungstarifverordnung auf der Stufe eines Bundesverfassungsgesetzes, und zwar mit dem zeitlichen Anwendungsbereich vom 23. September 1999 bis 31. Dezember 2000, bewirkt.

Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes, dass die in Prüfung gezogenen Bestimmungen die Wirkungen entfalteten, in der Art eines Maßnahmen(verfassungs)gesetzes einen Ausspruch des Verfassungsgerichtshofes zu konterkarieren, treffen daher nicht zu.

3. Die in Prüfung gezogenen Regelungen sind sohin nicht als verfassungswidrig aufzuheben.

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