B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
B-VG Art144 Abs1 / Legitimation
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
Spruch:
I. Die Beschwerdeführer J D zu B18/00 und H E zu B19/00 sind durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Das Land Salzburg ist schuldig, diesen Beschwerdeführern zu Handen ihres Rechtsvertreters die mit je 2.143,68 € bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
II. Die Beschwerde der C E zu B19/00 wird zurückgewiesen
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die K. Bau-GmbH beantragte die Baubewilligung zur Errichtung von acht Wohnhäusern mit insgesamt 29 Wohneinheiten auf GP 2924 der KG 56313 Neumarkt-Land. Die verbaute Fläche der Häuser beträgt 1.027,95 m², die Geschoßfläche 2.980,39 m². Am 16. Dezember 1997 wurde eine mündliche Verhandlung abgehalten, zu der auch die Nachbarn und nunmehrigen Beschwerdeführer geladen worden waren; diese erhoben gegen die beabsichtigte Bauführung Einwendungen. Daraufhin änderte die bauwerbende Gesellschaft am 17. Dezember 1997 ihr Bauansuchen dahingehend ab, dass die Baubewilligung nur noch hinsichtlich der Häuser 6-8 beantragt wurde. Der Bürgermeister der Marktgemeinde Neumarkt a. W. erteilte die baubehördliche Bewilligung für die Häuser 6-8. Hinsichtlich dieser Häuser kam den Beschwerdeführern aufgrund der Entfernung ihrer Grundstücke von den geplanten Bauten keine Parteistellung zu. Für das Haus Nr. 5 erteilte der Bürgermeister der Marktgemeinde Neumarkt a. W. - nach einem entsprechenden Bauansuchen - mit Bescheid vom 11. Februar 1998 die baubehördliche Bewilligung. Die Beschwerdeführer zu B19/00 (C und H E) haben dagegen keine Berufung erhoben; die Berufung des J D (Beschwerdeführer zu B18/00) wurde mangels Erhebung von Einwendungen bis zum Ende der mündlichen Verhandlung am 10. Februar 1998 als "unbegründet abgewiesen". Ein wegen der versäumten Einwendungsfrist erhobener Antrag auf Wiedereinsetzung war letztlich nicht erfolgreich (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 25. Juni 1999, Z99/06/0040).
Die bauwerbende Gesellschaft brachte weiters für die Häuser 1-4 jeweils Ansuchen um Kenntnisnahme einer Bauanzeige ein. Diese Bauanzeigen wurden vom Bürgermeister der Marktgemeinde Neumarkt a. W. am 5. Februar 1998 mit vier Bescheiden zur Kenntnis genommen.
Mit Schreiben vom 27. Juli 1999 beantragten die nunmehrigen Beschwerdeführer H E und J D Akteneinsicht hinsichtlich der Häuser 1-4 und die Zustellung der Bescheide über die Kenntnisnahme der Bauanzeige. Die Akteneinsicht wurde gewährt. Die Anträge auf Zustellung der Bescheide über die Kenntnisnahme der Bauanzeige wies der Bürgermeister mit Bescheid vom 15. September 1999 mangels Parteistellung zurück.
In der dagegen erhobenen Berufung führten die nunmehrigen Beschwerdeführer H E und J D aus, dass die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Bauanzeige nicht vorlägen, da die "Teilung" des Baubewilligungsverfahrens für die Häuser 1-8 in zwei Baubewilligungsverfahren und vier Bauanzeigeverfahren eigens zu dem Zweck vorgenommen worden sei, den Nachbarn die Möglichkeit von Einwendungen zu nehmen. Die Bestimmungen des §10 Abs3, 3a und 5 Sbg BauPolG seien verfassungsrechtlich bedenklich.
Die Gemeindevertretung der Marktgemeinde Neumarkt a. W. wies die Berufung mit Bescheid vom 29. Oktober 1999 als unbegründet ab. Bei den Häusern handle es sich unbestritten um Kleinwohnhäuser iSd §3 Abs1 Z1 BauPolG iVm §40 Abs1 Bautechnikgesetz, die bloß anzeigepflichtig seien. Im Bauanzeigeverfahren hätten die Nachbarn gemäß §10 Abs3 BauPolG keine Parteistellung.
Die Salzburger Landesregierung gab der dagegen erhobenen Vorstellung der Beschwerdeführer, deren Gegenstand nur der Antrag auf Bescheidzustellung und Akteneinsicht war, keine Folge. Im angefochtenen Gemeindebescheid sei schlüssig dargelegt worden, dass das Bauvorhaben einem Bauanzeigeverfahren unterzogen werden konnte und den Nachbarn somit keine Parteistellung zukomme. Die Teilung des gegenständlichen Bauverfahrens sei dem Bauwerber freigestanden.
2. Die auf Art144 B-VG gestützten Beschwerden behaupten die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG), auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs2 B-VG) und die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes (§§3, 10 BauPolG).
3. Die Salzburger Landesregierung legte die Verwaltungsakten vor.
4. Aus Anlass der vorliegenden Beschwerden hat der Verfassungsgerichtshof von Amts wegen mit Beschluss vom 4. Dezember 2002 gemäß Art140 Abs1 B-VG ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §3 Abs1 Z1 Baupolizeigesetz 1997 (BauPolG), Kundmachung der Salzburger Landesregierung vom 1. Juli 1997 über die Wiederverlautbarung des Baupolizeigesetzes, LGBl. Nr. 40/1997, eingeleitet.
In der nichtöffentlichen Sitzung am 27. September 2003, protokolliert zu G18, 19/03, hat der Verfassungsgerichtshof §3 Abs1 Z1 BauPolG als verfassungswidrig aufgehoben.
5. Die belangte Behörde hat daher eine verfassungswidrige Gesetzesbestimmung angewendet. Es ist nach Lage des Falles nicht ausgeschlossen, dass ihre Anwendung für die Rechtsstellung der Beschwerdeführer nachteilig war. Die Beschwerdeführer J D zu B18/00 und H E zu B19/00 wurden also durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in ihren Rechten verletzt (vgl. VfSlg. 10.404/1985).
Der Bescheid war daher aufzuheben.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten sind jeweils Umsatzsteuer in Höhe von 327,- €
und eine Eingabegebühr in Höhe von 181,68 € enthalten.
II. Wie der Verfassungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, ist die Beschwerdelegitimation nur dann gegeben, wenn durch den bekämpften Bescheid irgendein subjektives Recht der beschwerdeführenden Parteien verletzt worden sein kann, wenn mithin die bescheidmäßigen Anordnungen oder Feststellungen die subjektive Rechtssphäre berühren, der Bescheid also subjektive Rechte begründet (verändert) oder feststellt (s. zB VfSlg. 7226/1973 mwH). Wie der Verfassungsgerichtshof ebenfalls schon ausgesprochen hat (VfSlg. 5358/1966, 8746/1980), hat die Existenz subjektiv-öffentlicher Rechte zwingend die Parteistellung im Verwaltungsverfahren zur Folge, oder - anders gesagt - es kann die für die Beschwerdeberechtigung maßgebende Möglichkeit, durch den Bescheid in der Rechtssphäre verletzt zu werden, nur bei Personen vorliegen, denen an der im konkreten Verwaltungsverfahren behandelten Sache die Stellung einer Partei zugekommen ist.
Da die Beschwerdeführerin C E zu B19/00 weder einen Antrag auf erstinstanzliche Bescheiderlassung gestellt hat, noch Bescheidadressatin ist, ist ihre Beschwerde unzulässig.
Die Beschwerde der C E zu B19/00 war daher mangels Legitimation zurückzuweisen.
III. Diese Entscheidungen konnten gemäß §19 Abs4 Z3 und §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)