VfGH B1128/02 ua

VfGHB1128/02 ua9.10.2003

Willkür mangels Eingehen auf Fragen der Rassendiskriminierung bei Abweisung von Beschwerden gegen Personen- und Gepäckdurchsuchungen und Durchführung eines Körperröntgens bei farbigen österreichischen Staatsbürgern

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art129a
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
Richtlinien-Verordnung BGBl 266/1993 gem §31 SicherheitspolizeiG §5 Abs1
SicherheitspolizeiG §40
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art129a
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
Richtlinien-Verordnung BGBl 266/1993 gem §31 SicherheitspolizeiG §5 Abs1
SicherheitspolizeiG §40

 

Spruch:

Die Beschwerdeführerinnen sind durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, den Beschwerdeführerinnen zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 2.158,20 bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.1. Die Beschwerdeführerin zu B1128/02 (im Folgenden: Erstbeschwerdeführerin) ist in Ghana geboren, lebt seit ca. 20 Jahren in Österreich und ist seit fünf Jahren österreichische Staatsbürgerin. Die Beschwerdeführerin zu B1191/02 ist ihre - im Zeitpunkt der nachstehend beschriebenen Amtshandlungen 4 Jahre alte - Tochter; sie ist ebenfalls österreichische Staatsbürgerin.

Nach dem insoweit unbestrittenen Beschwerdevorbringen reisten die Beschwerdeführerinnen am 18. Juni 2001 mit dem Zug aus den Niederlanden nach Wien. Bereits während der Fahrt wurde das Gepäck der Beschwerdeführerinnen durch Organe des Landesgendarmeriekommandos für Oberösterreich (die als unmittelbare Organe des Bundesministers für Inneres tätig wurden) kontrolliert; diese Kontrolle verlief negativ. Nachdem die Beschwerdeführerinnen in Wien den Zug verlassen hatten, wurden sie von denselben Beamten, die sie bereits im Zug kontrolliert hatten, erneut angesprochen und aufgefordert, zum Polizeiwachzimmer Westbahnhof mitzukommen. Dort wurde das Gepäck neuerlich eingehend durchsucht; die Beschwerdeführerinnen selbst wurden einer Personendurchsuchung unterzogen. Auch diese Überprüfungen verliefen negativ.

In der Folge wurde der Erstbeschwerdeführerin eine Einverständniserklärung für eine Röntgenuntersuchung vorgelegt; nach Unterzeichnung dieser Erklärung wurde sie ins Elisabethspital gebracht, wo die Röntgenkontrolle vorgenommen wurde. Diese verlief ebenfalls negativ.

1.2. Gegen

erhoben die Einschreiterinnen (Maßnahmen-)Beschwerde gemäß Art129a B-VG, §88 SPG und §67a AVG an den Unabhängigen Verwaltungssenat Wien. Begründend führten sie aus, dass keine bestimmten Tatsachen für die Annahme vorgelegen hätten, die Beschwerdeführerinnen stünden mit einem gefährlichen Angriff in Zusammenhang oder hätten einen Gegenstand bei sich, von dem Gefahr ausgeht. Die Erstbeschwerdeführerin habe Bekannte und Verwandte in den Niederlanden, die sie regelmäßig besuche. Bei der Rückreise nach Wien sei ihr Gepäck in den letzten zwei Jahren schon mehrmals durchsucht worden, die Untersuchungen seien immer negativ verlaufen. Ein begründeter Verdacht auf Drogenschmuggel oder Drogenhandel liege daher nicht vor. Die Maßnahmen seien offenbar einzig aufgrund der Hautfarbe und der afrikanischen Herkunft der Beschwerdeführerinnen gesetzt worden. Hinsichtlich der Röntgenuntersuchung sei der Erstbeschwerdeführerin gesagt worden, dass ihr Handfesseln angelegt werden müssten und sie für 48 Stunden festgenommen werden könne, wenn sie die Einverständniserklärung nicht unterzeichne. Ihr Kind würde man in dieser Zeit wegnehmen. Daraufhin habe die Erstbeschwerdeführerin unterschrieben.

1.3. Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien (im Folgenden: UVS) wies die Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab. Im Bescheid heißt es dazu (nach Wiedergabe des Beschwerdeinhalts sowie Schilderung des Verfahrensablaufs einschließlich der durchgeführten mündlichen Verhandlung):

"Beide Beschwerden erweisen sich als unbegründet.

...[Zitierung der §§35 und 40 des Sicherheitspolizeigesetzes]

Festzuhalten ist, dass sämtliche einschreitenden Beamten übereinstimmend aussagten, dass es sich um eine freiwillige Untersuchung der beiden Bf [Anm.: Beschwerdeführerinnen] handelte.

Die erkennende Behörde vermochte somit nicht zu der Feststellung im Sinne der Beschwerdeausführungen zu gelangen, dass - zumindest die Röntgenuntersuchung - unter Zwang erfolgt wäre, ist doch auch in diesem Fall durch die eigenhändig unterschriebene Einverständniserklärung der Bf die Freiwilligkeit nachgewiesen.

Es haben sich auch im gesamten Verfahren keinerlei Anhaltspunkte sonstiger Zwangsausübung ergeben.

Soweit die Bf das Fehlen hinreichender Gründe für das Einschreiten und insbesondere den Umfang der vorgenommenen und verfahrensgegenständlichen Untersuchung rügt, so ist ihr - unter Verweis auf das vorliegende Beweisverfahren - mit der Feststellung entgegenzutreten, dass allein im Zeitraum von sechs Monaten (Jänner bis Juni 2001) vier konkrete Kontrollen ein und derselben Person (Erstbeschwerdeführerin) aktenkundig sind.

Dieser Umstand wurde auch durch die Erst-Bf bekräftigt; eine weitere nach diesem Zeitpunkt gelegen Kontrolle wurde ebenfalls von der Erstbeschwerdeführerin bestätigt.

Im Kommentar zum Sicherheitspolizeigesetz Hauer-Keplinger ist zu der Beurteilung 'des Grundes für bestimmte Tatsachen bzw. nach den Umständen' im Sinne des §35 und §40 des Sicherheitspolizeigesetzes ausgeführt, dass die einschreitenden Beamten keineswegs die Ermächtigung zu subjektivem Belieben für die Amtshandlung hätten, sondern die Annahme nach einem objektiven freilich ex ante zu beurteilenden Maßstab möglich und anzunehmen ist. Hiezu verlangt der Gesetzgeber, dass die Vermutung durch bestimmte Indizien erhärtet sein muss, wobei als solche Indizien die Umstände des Einzelfalles oder bestimmte Tatsachen oder besondere Gründe im Einzelfall in Betracht zu ziehen sind. Das handelnde Organ muss in diesen Fällen im Rechtschutzverfahren in der Lage sein, die Umstände, Tatsachen oder Gründe hinreichend darzutun, aus denen es die Annahme eines bestimmten Sachverhaltes abgeleitet hat.

Wenn nun das Gesetz auf Umstände abstellt, kommt hiefür grundsätzlich alles in Betracht, was in der jeweils konkreten vorliegenden Situation die erforderliche Annahme rational zu tragen vermag.

Im Falle des Erfordernisses bestimmter Tatsachen verlangt der Gesetzgeber wiederum in der ex ante Beurteilung Gewissheit über Geschehnisse, Zusammenhänge etc., die die erforderliche Annahme rational tragen können.

Verstärkt sind hingegen die Beweggründe bei einem Verdacht. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wird dabei verlangt, um eben einen Verdacht zu begründen, dass hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens von bestimmten Umständen rechtfertigen können.

Hiezu ist festzustellen, dass §35 für die Identitätsfeststellung bestimmte Tatsachen verlangt, sowie §40 für die Durchsuchung ebenfalls von bestimmten Tatsachen ausgeht. Hiezu ist festzuhalten, dass entgegen der strengeren Rechtsprechung zur Begründung eines hinreichenden Verdachtes, wonach bloße Gerüchte und Vermutungen nicht ausreichend wäre[n] (VwSlg. 6474 F sowie VwSlg. 6560 F) im gegenständlichen Fall die abgeschwächte Form der bestimmten Tatsachen zu beurteilen ist.

Bezogen auf den konkreten Einzelfall ist hiezu auszuführen, dass unbestrittenerweise - wie dies die erkennende Behörde im Beweisverfahren feststellen konnte - die Erst-Bf im Zeitraum von lediglich sechs Monaten viermal von Sicherheitsbeamten einer Kontrolle unterzogen wurde, wobei diese Kontrollen im selben internationalen Reisezug stattgefunden hatten.

Es ist auch durch die aufgenommenen Beweise als erwiesen anzusehen, dass keine ausreichenden Belege für die häufige Frequenz dieser Reisetätigkeit durch die Erst-Bf dargelegt werden konnten.

Mögen auch im Sinne der vorgenannten Rechtsprechung (ebenso VfSlg. 12849 sowie VfSlg. 11213) Reisen in ein Land mit freizügigem Drogenkonsum an sich noch keinen hinreichenden Tatverdacht zu begründen, so mögen sie im Sinne der Einschreitungsermächtigung nach dem SPG bei Fehlen einer plausiblen Begründung für diese Reisen wohl die Annahme bestimmter Tatsachen aus Sicht der erkennenden Behörde ausreichend begründen.

Die erkennende Behörde erachtet - entgegen den Beschwerdeausführungen - im vorliegenden Einschreiten keineswegs ein subjektives Belieben der einschreitenden Organe, sondern ist dieses Einschreiten offenkundig auf die belegte (zum Beanstandungszeitpunkt) vierfache Benützung ein und desselben Reisezuges binnen weniger Monate zurückzuführen, ohne daß hiefür gegenüber den einschreitenden Organen eine ausreichende u. plausible Begründung dargelegt worden wäre.

Die Anwendung der Bestimmungen des §35 und 40 SPG stößt somit bei der erkennenden Behörde auf keine Bedenken, mag auch aus Sicht der beiden Bf zu konzedieren sein, dass derartige weitgreifender Untersuchungen mit Unannehmlichkeiten verbunden sind.

Festzustellen ist auch - aus Sicht der belangten Behörde wurde dies auch so dargestellt - dass diese Untersuchung keineswegs auf die Freiheitsbeschränkung abzielte, sondern ausschließlich die Personendurchsuchung im Sinne der angewandten gesetzlichen Bestimmungen nach dem SPG zum Inhalt hatten.

Die Beschwerdeausführungen vermochten somit nicht die Rechtswidrigkeit der bekämpften Amtshandlung darzulegen, weshalb die Beschwerde beider Bf insgesamt als unbegründet abzuweisen war."

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der die Verletzung näher bezeichneter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheids beantragt wird.

3. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie dem Beschwerdevorbringen entgegentritt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

4.1. ArtI Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl. Nr. 390/1973, lautet:

"Artikel I

(1) Jede Form rassischer Diskriminierung ist - auch soweit ihr nicht bereits Art7 des Bundes-Verfassungsgesetzes in der Fassung von 1929 und Art14 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, entgegenstehen - verboten. Gesetzgebung und Vollziehung haben jede Unterscheidung aus dem alleinigen Grund der Rasse, der Hautfarbe, der Abstammung oder der nationalen oder ethnischen Herkunft zu unterlassen."

4.2. §35 des Sicherheitspolizeigesetzes (SPG) legt insbesondere fest, unter welchen Voraussetzungen die Organe der öffentlichen Sicherheit zur Feststellung der Identität eines Menschen ermächtigt sind.

§40 SPG trägt die Überschrift "Durchsuchung von Menschen" und lautet auszugsweise (BGBl. Nr. 566/1991):

"§40. (1) ... [regelt die Ermächtigung zur Durchsuchung von Menschen, die festgenommen worden sind]

(2) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind außerdem ermächtigt, Menschen zu durchsuchen, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, diese stünden mit einem gegen Leben, Gesundheit, Freiheit oder Eigentum gerichteten gefährlichen Angriff in Zusammenhang und hätten einen Gegenstand bei sich, von dem Gefahr ausgeht.

(3) Die den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes in den Abs1 und 2 eingeräumten Befugnisse gelten auch für das Öffnen und das Durchsuchen von Behältnissen (zB Koffer oder Taschen), die der Betroffene bei sich hat.

(4) Bei Durchsuchungen gemäß Abs1 und 2 haben sich die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes auf eine Durchsuchung der Kleidung und eine Besichtigung des Körpers zu beschränken, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, der Betroffene habe einen Gegenstand in seinem Körper versteckt; in solchen Fällen ist mit der Durchsuchung ein Arzt zu betrauen."

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10.413/1985, 11.682/1988) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.

Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt ua. in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 und die dort angeführte Rechtsprechung; VfSlg. 10.338/1985, 11.213/1987). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes handelt eine Behörde auch dann willkürlich und verletzt das Gleichheitsrecht, wenn sie es unterlässt, in einem maßgeblichen Punkt ihrer Entscheidung Gründe und Gegengründe gegenüberzustellen und gegeneinander abzuwägen (vgl. etwa VfSlg. 8674/1979, 12.102/1989, 12.477/1990).

2. Gerade dies ist aber hier geschehen:

2.1.1. Vorauszuschicken ist, dass die Beschwerdeführerinnen in ihrer Maßnahmenbeschwerde an den UVS mit näherer Begründung vorgebracht haben, dass "[d]ie im Sachverhalt dargestellte Behandlung [...] den Beschwerdeführerinnen offenbar einzig aufgrund ihrer Hautfarbe und afrikanischer Herkunft zuteil [wurde]", wodurch nicht nur das Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung (BGBl. Nr. 390/1973) verletzt worden sei, sondern auch "eine spezifisch gegen Menschen afrikanischer Herkunft gerichtete erniedrigende, da entwürdigende Behandlung" vorliege.

2.1.2. Gemäß ArtI Abs1 des zit. Bundesverfassungsgesetzes ist jede Form rassischer Diskriminierung verboten. Gesetzgebung und Vollziehung haben jede Unterscheidung aus dem alleinigen Grund der Rasse, der Hautfarbe, der Abstammung oder der nationalen oder ethnischen Herkunft zu unterlassen.

2.1.3. §5 Abs1 der - auf §31 SPG beruhenden - Richtlinien-Verordnung (BGBl. Nr. 266/1993) normiert in diesem Sinne, dass die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes "bei der Erfüllung ihrer Aufgaben alles zu unterlassen [haben], das geeignet ist, den Eindruck von Voreingenommenheit zu erwecken oder als Diskriminierung auf Grund [...] der Rasse oder Hautfarbe, der nationalen oder ethnischen Herkunft [...] empfunden zu werden."

2.2.1. Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage haben die Beschwerdeführerinnen bereits im Verfahren vor dem UVS ihrer Vermutung Ausdruck verliehen, dass - wie sie auch in der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof wiederholten - "die Anhaltung der Beschwerdeführerinnen vor allem aufgrund der afrikanischen Herkunft und auffälligen Hautfarbe" erfolgte. "Nur deshalb fielen sie im Zug überhaupt auf."

2.2.2. Auch die einschreitenden Beamten dürften einen gewissen Zusammenhang zwischen dem Vorliegen "bestimmter Tatsachen" im Sinne des §40 SPG und der Hautfarbe bzw. Herkunft der Beschwerdeführerinnen gesehen haben:

Beispielsweise führte der Zeuge G (einer der an den Amtshandlungen beteiligten Beamten) laut Niederschrift in der Verhandlung vom 14. Dezember 2001 vor dem UVS aus:

"Nochmals ersucht, die bestimmten Tatsachen i.S. des §40 SPG darzulegen gebe ich an: Ich hatte vor wenigen Wochen eine schwarzafrikanische Mutter mit Kind untersucht, bei der ich Heroin fand. Weiters [...]"

Der in der (fortgesetzten) Verhandlung vom 13. Februar 2002 vernommene Zeuge S (ein weiterer beteiligter Beamter) gab an:

"[...] Konkret befragt, nach welchen Gesichtspunkten die Einsatzkräfte einschreiten, so gebe ich an: Zunächst aufgrund von Erfahrungswerten; sehr viele Schwarzafrikaner wurden auf dieser Strecke schon angetroffen. Gemeint ist damit wegen Suchtgiftdelikten, falschen Dokumenten, und ähnl. Befragt zum Begriff 'sehr viele' und nach Vorhalt der vom Beh. Vertreter dargelegten Statistik gebe ich an, dass etwa 8 Schwarzafrikaner im Vorjahr wegen Suchtgiftdelikten auf dieser Zugstrecke angefallen sind. Es waren auch 3 pos. Österreicher darunter. Dieser Zug fährt täglich.

[...]

Einer der Umstände für unser Einschreiten war sicherlich auch der Umstand, dass die Bf Schwarzafrikanerin ist, denn im Vorjahr waren unter den acht gestellten 'bodypacker' insgesamt sieben Schwarze."

2.3. Ungeachtet dessen hat es der UVS in seinem Bescheid jedoch gänzlich unterlassen, sich mit der Auffassung, die Organwalter seien bei ihrer Amtshandlung nur von der Hautfarbe und (vermuteten) Herkunft der Beschwerdeführerinnen geleitet gewesen, auseinanderzusetzen.

Angesichts der zitierten Aussagen bleibt auch unverständlich, dass der UVS in seiner Gegenschrift die Behauptung in den Raum stellt, dass "der Hinweis auf einen Zusammenhang der bekämpften Maßnahme zwischen Hautfarbe und Einschreitungsgrund ... [j]eder Grundlage entbehrt".

2.4. Zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Personendurchsuchungen beschränkt sich der UVS nämlich auf die Feststellung, dass die (Erst-)Beschwerdeführerin "im Zeitraum von lediglich sechs Monaten viermal von Sicherheitsbeamten einer Kontrolle unterzogen wurde, wobei diese Kontrollen im selben internationalen Reisezug stattgefunden hatten" und "durch die aufgenommenen Beweise als erwiesen anzusehen [ist], dass keine ausreichenden Belege für die häufige Frequenz dieser Reisetätigkeit [...] dargelegt werden konnten."

Welche "aufgenommenen Beweise" gemeint sind, führt der UVS in diesem Zusammenhang ebenfalls nicht aus. In der Darstellung des Verlaufs der mündlichen Verhandlung findet sich im angefochtenen Bescheid lediglich der Satz:

"Der Zeuge S. [Anm.: einer der einschreitenden Beamten] führte weiter aus, [...], es wäre ihm bekannt gewesen, dass sie [Anm.: die Erstbeschwerdeführerin] österreichische Staatsbürgerin sei, sie habe jedoch keinen genauen Reisezweck und Reiseziel angeben können".

Diese Wiedergabe der Zeugenaussage ist jedoch aktenwidrig. Der Niederschrift über die (fortgesetzte) Verhandlung vor dem UVS am 13. Februar 2002 zufolge gab der genannte Zeuge S nämlich an:

"[...] Ich kann mich daran erinnern, dass sie [Anm.: die Erstbeschwerdeführerin] mir ggü. angab, Freunde zu besuchen, ich weiß heute nicht mehr ihr Reiseziel, das war jedoch mit Sicherheit aus dem Ticket ersichtlich.

[...]

Ich weiß heute nicht mehr genau, was die Bf als Grund ihrer Reise nannte, befragt habe ich sie, sie erzählte auch, dass sie von Freunden käme, dies erschien mir jedoch nicht unbedingt glaubwürdig und auch nicht als ausreichende Rechtfertigung für die häufige Reisetätigkeit (wie ich dies etwa bei Geschäftsleuten nachvollziehen kann)."

Somit ist aber die im angefochtenen Bescheid aufgestellte Behauptung nicht nachvollziehbar, es wäre der - vom UVS als einzig entscheidungswesentlich erachtete - Umstand, dass die "häufige Frequenz" der Reisetätigkeit der Erstbeschwerdeführerin von dieser nicht ausreichend belegt worden sei, "durch die aufgenommenen Beweise als erwiesen anzusehen". Es kann im Übrigen dahinstehen, ob - wovon der UVS auszugehen scheint - eine wiederkehrende Reisetätigkeit für sich allein bereits das Einschreiten der Organe zu rechtfertigen vermag.

2.5. Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass der UVS jene Beweisergebnisse, die aufgrund des Beschwerdevorwurfes der rassischen Diskriminierung von grundlegender Bedeutung gewesen wären, gänzlich unberücksichtigt ließ; gleichzeitig sind aber die Sachverhaltsfeststellungen, mit denen dieser Vorwurf widerlegt werden sollte, aktenwidrig.

Die Beschwerdeführerinnen wurden dadurch im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt.

Der bekämpfte Bescheid war daher schon allein aus den dargelegten Gründen aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.

3. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VfGG; in den zugesprochenen Kosten ist ein Streitgenossenzuschlag in Höhe von € 163,50 sowie Umsatzsteuer in Höhe von € 359,70 enthalten.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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