Normen
B-VG Art83 Abs2
BundesvergabeG 1997 §115 Abs4
B-VG Art83 Abs2
BundesvergabeG 1997 §115 Abs4
Spruch:
Die beschwerdeführenden Gesellschaften sind durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1. Die beschwerdeführenden Gesellschaften haben sich als Bietergemeinschaft an einem Vergabeverfahren der Auftraggeberin B AG i. L. zur Untertagedeponierung von metallhaltigen Ablagerungen beteiligt und neben einem Hauptangebot mehrere Alternativangebote gelegt.
Mit Schreiben vom 24. Februar 1999 wurden die beschwerdeführenden Gesellschaften von der Nichtberücksichtigung ihrer Alternativangebote und der Zuschlagserteilung an eine namentlich genannte Mitbieterin informiert. Mit Schriftsatz vom 12. April 1999 (zur Post gegeben am selben Tag und sohin am letzten Tag der in §115 Abs4 BVergG eingeräumten sechswöchigen Frist, die sich nach dem Zeitpunkt der Kenntnis des Zuschlags berechnet) beantragten die beschwerdeführenden Gesellschaften die Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens gemäß §113 Abs3 BVergG.
Mit Bescheid vom 7. Juli 1999 wies das Bundesvergabeamt (BVA) diesen Nachprüfungsantrag gemäß §115 Abs4 BVergG als verspätet zurück.
2. a) Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Bechwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, hilfsweise eine Verletzung in sonstigen Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.
b) Das BVA legte die Verwaltungsakten vor, sah aber von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
3. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
a) Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt oder in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt (zB VfSlg. 9696/1983), etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg. 10.374/1985, 11.405/1987, 13.280/1992).
b) Die beschwerdeführenden Gesellschaften werfen der belangten Behörde vor, in ihrem Zurückweisungsbescheid von der rechtswidrigen Rechtsansicht ausgegangen zu sein, daß §115 Abs4 BVergG eine materiellrechtliche Frist normiere, weshalb ein diesbezüglicher Nachprüfungsantrag innerhalb der sechswöchigen Frist beim Bundesvergabeamt hätte einlangen müssen, was unbestrittenerweise nicht der Fall gewesen sei. Unter Berufung auf die Gesetzesmaterialien zur Regierungsvorlage zur BVergG-Novelle 1996 (323 BlgNR, XX.GP, 101; (Das BVergG 1993, BGBl. 462/1993 wurde durch BGBl. 776/1996 novelliert, anschließend als BVergG 1997, BGBl. I 56, wiederverlautbart und zwischenzeitig mehrfach novelliert; die derzeitige Fassung des §115 Abs4 BVergG 1997 geht auf die Novelle 1996 zurück.)) führen die beschwerdeführenden Gesellschaften an, der Gesetzgeber habe bei der Normierung die Einrichtung einer verfahrensrechtlichen - und nicht einer materiellrechtlichen Frist - vor Augen gehabt. Da das BVA gemäß ArtII Abs2 litC Z40a EGVG das AVG anzuwenden habe, seien gemäß §33 Abs3 AVG die Tage des Postlaufes in die Frist nicht einzurechnen. Eine verfahrensrechtliche Frist sei deshalb jedenfalls gewahrt, wenn das Schriftstück rechtzeitig zur Beförderung der Post übergeben worden sei, bei der Behörde auch tatsächlich eingelangt sei und an die richtige Stelle adressiert gewesen sei (Verweis auf Ringhofer, Verwaltungsverfahren, Band I, §33 Anm. 5). Die Antragstellung zur Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens sei jedenfalls als Verfahrenshandlung im Sinne der §§32 ff. AVG zu beurteilen: Unter Hinweis auf einschlägige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes führen die beschwerdeführenden Gesellschaften u.a. auch an, daß der Gesetzgeber klar zum Ausdruck bringen müsse, wenn er eine materiellrechtliche Frist regeln wollte; eine solche Regelung liege aber nicht vor.
Letztlich sei es auch aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht (richtlinien- und gemeinschaftsrechtskonforme Interpretation des Bundesvergabegesetzes) geboten, die Postaufgabe eines Nachprüfungsantrages am letzten Tag der Frist als rechtzeitig zu beurteilen.
c) Mit dieser Ansicht ist die beschwerdeführende Partei nicht im Recht.
Bei der Frist nach §115 Abs4 BVergG handelt es sich nicht um eine prozessuale, sondern um eine materiellrechtliche Frist. Eine prozessuale Frist ist nämlich nur eine solche, die entweder durch ein Verfahren ausgelöst wird, oder in einem Verfahren läuft (vgl. VfSlg. 5814/1968, 8906/1980; VwSlg. 2174A/1951). Der Verfassungsgerichtshof hat in einem mit diesem vergleichbaren Fall der Anrufung der als Behörde nach Art133 Z4 B-VG eingerichteten Rundfunkkommission zur Feststellung der Rechtmäßigkeit eines privatrechtsförmigen Handelns des ORF ausgeführt: "Wird die Einleitung eines gegen ein nichthoheitliches Handeln gerichteten Verwaltungsverfahrens an eine Frist gebunden, so ist diese keinesfalls eine prozessuale Frist" (VfSlg. 8906/1980). Er hat diese Auffassung auch später beibehalten (vgl. etwa VfSlg. 9565/1982) und sieht keinen Anlaß, davon abzugehen. Dies auch nicht angesichts des Umstandes, daß der Verwaltungsgerichtshof im Hinblick auf das (frühere) Steiermärkische VergabeG (LGBl. 85/1995) eine der Sache nach vergleichbare Frist zur Anrufung des Steiermärkischen Vergabekontrollsenats nach Zuschlagserteilung (das StmkVergG spricht allerdings auch in diesen Fällen von "Nachprüfung der Entscheidung" (§85 Abs2 leg.cit.)) implizit als verfahrensrechtliche Frist angesehen hat, was sich daraus ergibt, daß er unter Berufung auf §33 Abs3 AVG die Tage des Postlaufes nicht eingerechnet hat (VwGH v. 18.11.2000, Z2000/04/0040). Auch das BVA hat in anderen als der hier bekämpften Entscheidung Fristen nach dem BVergG als verfahrensrechtliche Fristen qualifiziert (vgl. etwa BVA v. 3.3.1998, N-3/98-9; BVA v. 12.6.2001, N-63/01-8).
Das ist dann gerechtfertigt, wenn es um die vergabespezifische Kontrolle von Entscheidungen vergebender Stellen geht, also um Anträge auf Nachprüfung, mit denen die Aufhebung der jeweiligen Entscheidung begehrt wird, also für Konstellationen vor der Zuschlagserteilung. In solchen Konstellationen ist das BVA nämlich nicht etwa zur Beurteilung der Rechtsfolgen, die mit einem bestimmten Vorgehen der vergebenden Organe verbunden sind, berufen, sondern zur Kontrolle des jeweiligen Aktes selbst, und es hat diesen Akt im Falle seiner Rechtswidrigkeit aufzuheben (VfSlg. 15.578/1999). Ein solches Kontrollverfahren ist daher der Sache nach ein Verfahren zur Kontrolle verwaltungsbehördlicher Entscheidungen (nach Art eines Rechtsmittelverfahrens) und Fristen, die durch einen Nachprüfungsantrag dieser Art ausgelöst werden, sind dementsprechend als prozessuale Fristen zu qualifizieren, zumal nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Zweifel das Vorliegen einer prozessualen Frist anzunehmen ist (vgl. VwGH v. 17.3.1983, Z82/08/0070).
Anders ist die Situation freilich nach Zuschlagserteilung. In dieser Phase der Vergabekontrolle geht es - wie der Verfassungsgerichtshof in VfSlg. 15.106/1998 festgestellt hat - der Sache nach nicht mehr um die Kontrolle von Vergabeentscheidungen mit der möglichen Rechtsfolge der Aufhebung der Entscheidung, sondern systematisch gesehen nur mehr um ein Element einer schadenersatzrechtlichen Sanktion für ein Fehlverhalten eines öffentlichen Auftraggebers, also um einen Teil eines schadenersatzrechtlichen Verfahrens. Daß aber die Frist zur Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen keine verfahrensrechtliche Frist sein kann, liegt auf der Hand; so hat etwa der OGH in seiner Entscheidung vom 27.5.1953, EvBl. 1953/352 (SZ 26/136), ausgeführt, daß Schadenersatzklagen innerhalb der Frist des §1489 ABGB bereits bei Gericht eingelangt sein müssen (vgl. etwa auch OGH vom 10.11.1992, 4 Ob 546/92).
Das BVA hat also im vorliegenden Fall die Frist des §115 Abs4 BVergG in Übereinstimmung mit dessen Wortlaut (arg. "unzulässig") zu Recht als materiellrechtliche Frist betrachtet und dementsprechend den Antrag zu Recht zurückgewiesen. Die behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter hat sohin nicht stattgefunden. Die Beschwerde war daher abzuweisen.
4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
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