OGH 3Ob351/53

OGH3Ob351/5327.5.1953

SZ 26/136

Normen

Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §367
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §879
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §932
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §933 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1489
Gerichtsorganisationsgesetz §89
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §367
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §879
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §932
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §933 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1489
Gerichtsorganisationsgesetz §89

 

Spruch:

Der Käufer ist nicht berechtigt, einen Kaufvertrag, der zwischen seinen Vormännern abgeschlossen wurde, wegen eines hiebei unterlaufenen Verstoßes gegen die guten Sitten oder Ausnützung einer Zwangslage anzufechten.

§ 89 GOG. gilt nur für prozessuale, nicht aber für Fristen des materiellen Rechtes.

Entscheidung vom 27. Mai 1953, 3 Ob 351/53.

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Die Klägerin begehrt die Verurteilung des Beklagten zur Bezahlung eines Betrages von 25.000 S und die Aufhebung des zwischen den Streitteilen über die beiden Gemälde "mythologische Szene" von Jusse de Momper und "Maria mit dem Kinde und dem kleinen Johannes" von Thomas Willeport abgeschlossenen Kaufvertrages mit der Begründung, sie habe die genannten Gemälde anfangs April 1943 von dem Beklagten um den Betrag von 25.000 RM gekauft und diesem auch den Kaufpreis bezahlt, die beiden Gemälde seien ihr aber unter Hinweis auf die Londoner Deklaration vom 5. Jänner 1943 vom Hauptquartier des Zonenkommandos Österreich, Vermögenskontrolle und Restitutionsabteilung der US-Army, abgenommen und zwecks Rückstellung an die holländische Regierung abtransportiert worden. Das Dorotheum, das die beiden Bilder dem Beklagten verkauft habe, habe die Gemälde im Jahre 1942, also während der deutschen Besetzung in Holland, erworben, was dem Beklagten, nicht aber der Klägerin bekannt gewesen sei. Da die Londoner Deklaration bereits im Zeitpunkte des Ankaufes durch die Klägerin erfolgte, sei der Erwerbsakt des Dorotheums und auch der des Beklagten nichtig und es liege daher ein unbehebbarer Rechtsmangel vor, der den ordentlichen Gebrauch der Sache verhindere. Da die Gemälde in Holland zwar um holländische Gulden, aber zu einem Zwangskurs gekauft wurden, verstoße der Verkauf der Gemälde auch gegen die guten Sitten.

Das Prozeßgericht wies das Klagebegehren ab.

Es stellte fest, daß die Klage erst am 1. Oktober 1952, also nach Ablauf der Präklusivfrist des § 933 und der Verjährungsfrist des § 1489 ABGB. bei Gericht einlangte, während das Fristengesetz bereits mit 30. September 1952 ablief, und vertrat die Ansicht, daß § 89 GOG. nur auf prozessuale Fristen anzuwenden sei. Soweit sich die Klage auf § 879 ABGB. stütze, sei das Begehren nicht begrundet, weil die Voraussetzungen des § 879 ABGB. bei dem Kaufvertrage zwischen der Klägerin und dem Beklagten, dessen Aufhebung begehrt wird, nicht zutreffen.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Revision ist nicht begrundet. Sie wendet sich zunächst gegen die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß das Verkaufsgeschäft nicht gegen die guten Sitten verstoße, und bringt vor, daß das Geschäft deshalb nichtig sei, weil bei ihm die Zwangslage des im besetzten Auslande zur Zeit des Ankaufes wohnhaften ausländischen Verkäufers durch die deutsche Besetzung ausgenutzt worden sei.

Diese Ausführungen können sich nur auf den zwischen dem holländischen Verkäufer und dem Dorotheum abgeschlossenen Kaufvertrag beziehen und könnten lediglich zur Begründung der Anfechtungsbefugnis des holländischen Verkäufers hinsichtlich des zwischen diesem und dem Dorotheum abgeschlossenen Kaufvertrages herangezogen werden. Die vorliegende Klage grundet sich aber auf eine angebliche Nichtigkeit des zwischen der Klägerin und dem Beklagten, der die der Beklagten verkauften Gemälde vom Dorotheum erworben hat, abgeschlossenen Kaufvertrages und begehrt dessen Aufhebung. Irgendwelche tatsächliche Behauptungen, die letzteren Vertrag als nichtig oder gegen die guten Sitten verstoßend erscheinen ließen, hat die Klägerin weder in der Klagenoch im bisherigen Verfahren vorgebracht. Selbst wenn es richtig sein sollte, daß dem Beklagten die näheren Umstände des zwischen dem holländischen Verkäufer und dem Dorotheum abgeschlossenen Kaufvertrages bekannt gewesen seien, so hat dieser Umstand auf die Gültigkeit des zwischen der Klägerin und dem Beklagten abgeschlossenen Kaufvertrages überhaupt keinen Einfluß (§ 367 ABGB.). Die Klägerin ist nicht berechtigt, einen Kaufvertrag, der zwischen ihren Vormännern abgeschlossen wurde, wegen eines hiebei unterlaufenen Verstoßes gegen die guten Sitten oder Ausnützung einer Zwangslage anzufechten. Sie wäre lediglich dazu legitimiert, den zwischen ihr und dem Beklagten abgeschlossenen Kaufvertrag anzufechten, wenn dieser gegen die guten Sitten verstoßen sollte oder bei seinem Abschluß eine Zwangslage der Klägerin ausgenützt worden wäre. Daß durch die Londoner Deklaration die zwischen holländischen Verkäufern und deutschen oder österreichischen Käufern während der deutschen Besetzung Hollands abgeschlossene Kaufverträge als nichtig erklärt wurden, berechtigt, wie bereits ausgeführt, lediglich den holländischen Verkäufer zur Geltendmachung vonRückstellungsansprüchen; diese Deklaration hat aber auf das gegenständliche Geschäft nur insoweit Einfluß, als der Klägerin, der die von ihr gekauften Bilder von der amerikanischen Besatzungsmacht zwecks Übergabe an die holländische Regierung abgenommen wurden, das Recht zusteht, fristgerecht Gewährleistungsansprüche gegen den Beklagten als ihren Vertragspartner geltend zu machen; ein Anspruch auf Anfechtung des Vertrages nach § 879 ABGB. steht ihr aber nicht zu, da der zwischen ihr und dem Beklagten abgeschlossene Kaufvertrag, der im Gewerbebetrieb des Beklagten als Kunsthändlers zustande kam, weder gegen ein inländisches Gesetz noch gegen die guten Sitten verstößt und auch nicht unter Ausnützung irgend einer Zwangslage der Klägerin abgeschlossen wurde.

Soweit sich die Klage auf den Rechtsgrund der Gewährleistung oder des Schadenersatzes grundet, ist die Klägerin, wie die Untergerichte ohne Rechtsirrtum erkannt haben, von der Geltendmachung wegen Ablaufes der Frist des § 933 ABGB. ausgeschlossen bzw. ist ihr Anspruch gemäß § 1489 ABGB. verjährt.

Nach den in diesem Punkte unbekämpft gebliebenen Feststellungen der Untergerichte hat die Klägerin spätestens am 23. Oktober 1948 von dem Rechtsmangel erfahren; die Frist für die Geltendmachung des Gewährleistungsanspruches endete daher gemäß § 933 ABGB. am 23. April 1949, die Frist für die Geltendmachung eines Schadenersatzanspruches, der im übrigen ein Verschulden des Beklagten zur Voraussetzung hätte, gemäß § 1489 ABGB. am 23. Oktober 1951.

Diese Fristen wurden zwar durch das Fristengesetz auf die Dauer seiner Wirksamkeit verlängert, dieses ist aber mit 30. September 1952 abgelaufen, die Klage wurde erst am 1. Oktober 1952, somit nach Ablauf der Präklusionsfrist des § 933 ABGB. und der Verjährungsfrist des § 1489 ABGB., und nach Ablauf des Fristengesetzes bei Gericht eingebracht. Die Ansicht der Revision, § 89 GOG. gelte auch für materiell-rechtliche Fristen, die Klage sei bereits am 29. September 1952 und daher fristgerecht zur Post gegeben worden, ist verfehlt. Seit dem Plenissimarbeschluß vom 22. April 1902, GlUNF. Nr. 1858, vertritt der Oberste Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung, so SZ. XIII/166, SZ. XVI/215, SZ. XIX/336, den Standpunkt, daß § 89 GOG. nur für prozessuale, nicht aber für Fristen des materiellen Rechtes gelte und daß deshalb Gewährleistungsklagen innerhalb der Frist des § 933 ABGB. und Schadenersatzklagen innerhalb der Frist des § 1489 ABGB. bereits bei Gericht eingelangt sein müssen. Die Ausführungen der Revision sind nicht geeignet, den Obersten Gerichtshof zu einem Abgehen von dieser seiner Rechtsansicht zu veranlassen.

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