VfGH B114/99

VfGHB114/9912.6.2001

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch die Verhängung einer Disziplinarstrafe über einen Rechtsanwalt wegen Berufspflichtenverletzung in Zusammenhang mit Honorarforderungen

Normen

EMRK Art7
DSt 1990 §1
RAO §9
RechtsanwaltstarifG §23 Abs5
EMRK Art7
DSt 1990 §1
RAO §9
RechtsanwaltstarifG §23 Abs5

 

Spruch:

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Erkenntnis des Disziplinarrates der Rechtsanwaltskammer Wien (im folgenden: Disziplinarrat) vom 19. Mai 1995 wurde über den Beschwerdeführer gemäß §16 Abs1 Z2 Disziplinarstatut 1990, BGBl. 1990/474 (im folgenden: DSt 1990), eine Geldbuße in der Höhe von ATS 15.000,- verhängt. Ihm wurde vorgeworfen, er habe

"1. der Anzeigerin H H in der Zeit zwischen dem 15.10.1992 und dem 30.3.1993, trotz mehrfacher Urgenzen, keine detaillierte Aufstellung der in seiner Kanzlei aufgelaufenen Kosten zur Verfügung gestellt,

2. der Anzeigerin mit der am 30.3.1993 übergebenen Honorarnote zu Unrecht jeweils 50% Einheitssatz für die Verhandlungen am 25.2.1991, 11.11.1991, 30.3.1992 und 15.10.1992 im Betrag von insgesamt S 13.220,-- verrechnet und diesen im September 1993 zu 1 C1036/93k des Bezirksgerichtes Herzogenburg eingeklagt".

Nach Auffassung des Disziplinarrates habe der Beschwerdeführer durch das ihm in Spruchpunkt 1 vorgeworfene Verhalten die Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes, hinsichtlich des ihm zu Spruchpunkt 2 vorgeworfenen Verhaltens das Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung begangen.

Der Disziplinarrat hat folgenden Sachverhalt festgestellt und als erwiesen angenommen:

"Mit Schreiben vom 24.9.1992 ... wurde die Anzeigerin vom DB (Disziplinarbeschuldigten) einerseits von dem für den 15.10.1992 im Verfahren 1 C1130/90d des Bezirksgerichtes Herzogenburg anberaumten Verhandlungstermin informiert, anderseits zur Überweisung einer weiteren Akontozahlung von S 50.000,-- aufgefordert. Mit Rücksicht auf die bereits zuvor geleisteten Akontozahlungen vom 7.11.1990 in Höhe von S 10.000,-- und vom 11.4.1991 in Höhe von S 20.000,-- sah sich die Anzeigerin veranlaßt, den DB zur Übermittlung einer Abrechnung aufzufordern.

Dieses Ersuchen blieb zumindest ab dem 15.10.1992, dem Verhandlungstermin vor dem Bezirksgericht Herzogenburg, bis zum 30.3.1993, dem Tag der tatsächlichen Übergabe der Honorarnote ... - sohin über einen Zeitraum von 5 1/2 Monaten - trotz der von der Anzeigerin veranlaßten, vielfachen, auch wöchentlichen Urgenzen seitens des DB ohne Erledigung.

Mit Honorarvereinbarung, datiert mit 18.2.1990, wurde zwischen dem DB und der Anzeigerin für das Verfahren 1 C1130/90d des Bezirksgerichtes Herzogenburg - der Erbschaftsklage E T gegen H H - zur Berechnung des Honorars eine Bemessungsgrundlage von S 350.000,-- vereinbart. In der Verlassenschaftssache nach M T kann eine solche Vereinbarung zwar nicht als erwiesen angenommen werden, es ist aber davon auszugehen, daß der DB für die Anzeigerin nicht bloß als Erbenmachthaber eingeschritten ist, er hatte vielmehr für die Anzeigerin auch Forderungen geltendzumachen. Diese wurden ihm anläßlich der Erstbesprechung am 7.11.1990 von der Anzeigerin mit zumindest S 500.000,-- bekanntgegeben und betrugen letztlich S 2,780.294,70. Der Disziplinarrat geht daher davon aus, daß auch in der Verlassenschaft nach M T vom Anbeginn von einem S 350.000,-- übersteigenden Betrag die Rede war und daher auch für dieses Verfahren - wenn auch nicht ausdrücklich vereinbart - der Betrag von S 350.000,-- als Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Kosten zutreffend heranzuziehen war.

Bei Auflistung der Kosten ... verrechnete der DB seine Tätigkeit nach Einzelleistungen. Er verzeichnete ungeachtet dessen aber für die Verhandlungen vom 25.2.1990, 11.11.1991, 30.3.1992 und 15.10.1992 einen Einheitssatz von insgesamt S 13.220,--. Dieser Betrag wurde vom DB zu 1 C1036/93k des Bezirksgerichtes Herzogenburg eingeklagt und erging hierüber ein rechtskräftiger Zahlungsbefehl.

Ungeachtet der Übergabe der Honorarnote am 30.3.1993 erfolgte seitens der Anzeigerin keine weitere Zahlung. Ein vom DB von der Anzeigerin verlangtes Anerkenntnis seiner Honorarforderung wurde von dieser, ohne daß sie der DB in besonderer Weise hiezu gedrängt hätte, unterfertigt.

Ein Versuch des DB eine überhöhte Honorarforderung durch Überredung der Mandantin anerkannt zu erhalten, konnte nicht festgestellt werden."

In rechtlicher Hinsicht beurteilte der Disziplinarrat den Sachverhalt wie folgt:

"Der DB (der Disziplinarbeschuldigte) wäre verpflichtet gewesen den wiederholten Aufforderungen der Anzeigerin eine detaillierte Aufstellung der in seiner Kanzlei aufgelaufenen Kosten zur Verfügung zu stellen unmittelbar nachzukommen. Soweit er hiebei einen Zeitraum von 5 1/2 Monaten verstreichen ließ hat er in eklatanter Weise gegen die Interessen und Wünsche seiner Mandantin verstoßen. Dieser ist zuzugestehen und hat sie Anspruch darauf, nachdem das Mandatsverhältnis zum damaligen Zeitpunkt bereits mehr als zwei Jahre andauerte, prompt darüber informiert zu werden, welche Kosten für ihre Vertretung bisher aufgelaufen sind und welcher Betrag unberichtigt aushaftet.

Soweit der DB diesen Umständen und dem Anliegen seiner Klientin, der Anzeigerin, nicht Rechnung trug muß seine Vorgangsweise als gravierender Verstoß gegen die Treuepflicht zu seiner Klientin angesehen werden.

Es war daher hiezu mit Schuldspruch mit doppelter Qualifikation vorzugehen.

Was die Abrechnung der Kosten des DB nach Einzelleistungen einerseits und Einheitssatz andererseits betrifft erfolgte diese nicht korrekt. Der Rechtsanwaltstarif sieht ausdrücklich vor, daß neben Einzelleistungen ein Einheitssatz nicht verrechnet werden kann. Die Formulierung im §23 RATG ist eindeutig, wenn es heißt, daß bei der Entlohnung von Leistungen nach den Tarifposten 1, 2, 3, 4 oder 7 an Stelle aller unter Tarifpost 5, 6 und 8 fallenden Nebenleistungen und der Postgebühr ein Einheitssatz gebührt - auch wenn es weiter heißt, daß ein Rechtsanwalt, gegenüber der von ihm vertretenen Partei statt des Einheitssatzes die Nebenleistungen nach Tarifpost 5, 6 und 8 verrechnen kann. Dementsprechend ist die vom DB vorgenommene Verrechnung des Einheitssatzes im Betrag von insgesamt S 13.220,-- zu Unrecht erfolgt und war in diesem Ausmaß seine Kostennote überhöht und in entscheidendem Maße fehlerhaft.

Dieser Betrag wurde vom DB daher zu Unrecht eingeklagt, mag hierüber auch, mangels Abwehr durch die Anzeigerin, zu 1 C1036/93k des Bezirksgerichtes Herzogenburg ein rechtskräftiger Zahlungsbefehl ergangen sein.

Mangels Kenntnis dieses Fehlverhaltens durch einen größeren Personenkreis liegt hier nur eine Berufspflichtenverletzung vor."

2. Der gegen diese Entscheidung des Disziplinarrates erhobenen Berufung wurde mit Erkenntnis der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (im folgenden: OBDK) vom 6. November 1998 nicht Folge gegeben. Unter Zugrundelegung der Tatsachenfeststellungen des Disziplinarrates begründete die OBDK ihre Entscheidung im wesentlichen damit, daß der Mandant gegenüber dem Rechtsanwalt nicht nur anläßlich der Beendigung des Vollmachtsverhältnisses, sondern auch während aufrechter Vertretung einen Anspruch auf Honorarabrechnung habe, um ihm sowohl eine Beurteilung der Finanzierung bisher entstandener Kosten als auch eine Beurteilung der Finanzierbarkeit noch zu erwartender Kosten zu ermöglichen. Da der Beschwerdeführer im konkreten Fall eine solche Zwischenabrechnung trotz mehrfacher Aufforderung durch die Mandantin für einen Zeitraum von mehr als fünfeinhalb Monaten nicht gelegt habe, sei die Verurteilung des Beschwerdeführers im Spruchpunkt 1 des Bescheides des Disziplinarrates zu Recht erfolgt. Zu Spruchpunkt 2 führt die OBDK aus, daß die Verrechnung des doppelten Einheitssatzes nach §23 Abs5 Rechtsanwaltstarifgesetz (RATG), BGBl. 1969/189 idF des BG BGBl. I 1997/140, bei Leistungen nach Tarifpost 3 gemäß §23 Abs1 RATG die Verwendung von Einheitssätzen für Nebenleistungen voraussetze. Die zitierten Vorschriften seien eindeutig, sodaß die vom Beschwerdeführer getroffene Auslegung, wonach bei Verhandlungen außerhalb des Kanzleisitzes des Rechtsanwaltes nach §23 Abs5 RATG neben der Einzelverrechnung von Nebenleistungen dem Mandanten "noch die Hälfte des doppelten Einheitssatzes verrechnet werden dürfe", unvertretbar sei.

3. Gegen das als Bescheid zu wertende Erkenntnis der OBDK richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums, auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf ein faires Verfahren (Art6 EMRK) und eine Verletzung in dem durch Art7 EMRK gewährleisteten Recht geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides beantragt wird.

4. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, erstattete jedoch keine Gegenschrift.

II. Die maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:

1. §1 Abs1 DSt 1990 lautet:

"Ein Rechtsanwalt, der schuldhaft seine Pflichten seines Berufes verletzt oder inner- oder außerhalb seines Berufes durch sein Verhalten die Ehre oder das Ansehen des Standes beeinträchtigt, begeht ein Disziplinarvergehen."

2. §23 RATG lautet (auszugsweise):

"Einheitssatz für Nebenleistungen

(1) Bei Entlohnung von Leistungen, die unter die Tarifposten 1, 2, 3, 4 oder 7 fallen, gebührt an Stelle aller unter die Tarifposten 5, 6 und 8 fallenden Nebenleistungen und an Stelle des Ersatzes für die Postgebühren im Inland ein Einheitssatz.

(2) Der Rechtsanwalt kann jedoch gegenüber der von ihm vertretenen Partei statt des Einheitssatzes die einzelnen im Abs1 angeführten Nebenleistungen verrechnen.

(3) Der Einheitssatz beträgt bei einem Streitwert bis einschließlich 140 000 S 60 vH, bei einem Streitwert über 140 000 S 50 vH der Verdienstsumme ausschließlich der Reisekosten, der Entschädigung für Zeitversäumnis und der sonstigen Auslagen.

(4) ...

(5) Für Leistungen, die unter die Tarifpost 3 Abschnitt A ZII, Abschnitt B ZII, Abschnitt C ZII oder Tarifpost 4 Abschnitt I Z5, 6, Abschnitt II fallen, ist der auf diese Leistung entfallende Teil des Einheitssatzes doppelt zuzusprechen, wenn der Rechtsanwalt die Leistung an einem Ort außerhalb des Sitzes seiner Kanzlei vornimmt oder mit der Vornahme dieser Leistung einen anderen Rechtsanwalt beauftragt und keinen Anspruch auf Ersatz der Reisekosten und auf Entschädigung für Zeitversäumnis geltend macht oder das Gericht ihm einen solchen Anspruch nicht zuerkennt, weil er sich durch einen am Gerichtsort ansässigen Rechtsanwalt hätte vertreten lassen können.

(6) ... - (10) ... ."

3. §9 Abs1 erster Satz RAO lautet:

"Der Rechtsanwalt ist verpflichtet, die übernommenen Vertretungen dem Gesetz gemäß zu führen und die Rechte seiner Partei gegen jedermann mit Eifer, Treue und Gewissenhaftigkeit zu vertreten."

III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Der Beschwerdeführer macht zunächst geltend, der angefochtene Bescheid verletze ihn im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie - mangels Strafbarkeit des in den Spruchpunkten 1 und 2 des erstinstanzlichen Bescheides wiedergegebenen Verhaltens und mangels Konkretisierung der gegen ihn erhobenen Strafvorwürfe - in dem aus Art7 EMRK erfließenden verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht.

Aufgrund gefestigter Spruchpraxis der Standesbehörden könne ein Rechtsanwalt in eigener Sache keine Berufspflichtenverletzung gemäß §1 Abs1 DSt 1990 begehen. Der Rechtsanwalt werde bei Geltendmachung seiner Honorarforderungen in eigener Sache tätig, sodaß Disziplinarvergehen in Kostensachen keine Berufspflichtenverletzungen darstellen.

Worin die Standesbehörden im Vorwurf, er habe fünfeinhalb Monate verstreichen lassen, bis er der Aufforderung seiner Mandantin zur Legung einer detaillierten Zwischenabrechnung nachgekommen sei, auch eine Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes erblicken, sei von diesen nicht begründet worden und sei dem Beschwerdeführer vor allem wegen des Umstandes, daß dieses Verhalten keinem größeren Personenkreis bekannt geworden sei, nicht nachvollziehbar. Aufgrund der in diesem Punkt fehlenden Begründung habe die belangte Behörde nicht nur gegen den Gleichheitsgrundsatz und gegen Art7 EMRK verstoßen, sondern auch gegen Art6 EMRK. Eine Treuepflichtverletzung gemäß §9 Abs1 RAO sowie eine Verletzung einer anderen im Gesetz- oder Verordnungswege normierten bzw. aufgrund verfestigter Standesauffassung abzuleitenden Standesverpflichtung könne ihm in diesem Zusammenhang nicht vorgeworfen werden. Mit Beendigung des Vollmachtsverhältnisses habe er eine Kostennote gelegt und sei dadurch seinen Standesverpflichtungen nachgekommen. Im übrigen entspreche dieser Vorwurf nicht den Tatsachen, weil er seiner Mandantin anläßlich der mündlichen Verhandlung vor dem Bezirksgericht Herzogenburg vom 15. Oktober 1992 eine Zwischenabrechnung gezeigt und entgegen dem Wortlaut der - in diesem Punkt unrichtigen - Niederschrift der mündlichen Verhandlung vor dem Disziplinarrat auch übergeben habe.

Auch treffe der Vorwurf einer überhöhten Honorarabrechnung nicht zu. Bei richtiger Auslegung des §23 Abs5 RATG sei es zulässig, trotz Einzelverrechnung von Nebenleistungen (§23 Abs2 RATG) den in §23 Abs5 RATG normierten doppelten Einheitssatz in Form eines 50 %igen Zuschlages zu der für die Verhandlungen vor dem Bezirksgericht Herzogenburg jeweils veranschlagten Tarifpost 3A (bei einer Bemessungsgrundlage von ATS 350.000,-) zu verzeichnen.

Da zu Unrecht eine Geldstrafe rechtskräftig verhängt worden sei, erachtet sich der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt.

2. Zum Vorwurf der Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes sowie des durch Art7 EMRK gewährleisteten Rechts:

2.1. Wie der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg. 11776/1988 grundlegend ausführte, muß einer Verurteilung nach §1 DSt 1990 - verfassungskonform im Sinne des Art7 EMRK - zugrunde liegen, daß sie wegen einer Verletzung von Berufspflichten oder wegen eines Verstoßes gegen Ehre und Ansehen des Standes erfolgt, die sich aus gesetzlichen Regelungen oder aus verfestigten Standesauffassungen ergeben, die in einer dem Klarheitsgebot entsprechenden Bestimmtheit feststehen.

2.2. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers kommen die Standesbehörden diesen Erfordernissen nach, indem sie zum einen das zu Spruchpunkt 1 des Disziplinarrates festgestellte Verhalten des Beschwerdeführers als Verletzung der - in §9 RAO normierten - Treuepflicht des Rechtsanwaltes gegenüber seinen Mandanten qualifizieren sowie das dem Beschwerdeführer in Spruchpunkt 2 vorgeworfene Verhalten als Verstoß gegen §23 Abs5 RATG werten.

2.3. Zum anderen erfolgte der Vorwurf der Berufspflichtenverletzung gemäß §1 DSt 1990 in vertretbarer Weise:

2.3.1. Dem Beschwerdeführer ist zwar beizupflichten, daß nach der Spruchpraxis der Standesbehörden ein Rechtsanwalt in eigener Sache keine Berufspflichtenverletzung begehen kann. Nach der Standesauffassung liegt aber eine Berufspflichtenverletzung dann vor, wenn der Rechtsanwalt als Parteienvertreter tätig wird, dh. aufgrund einer ihm erteilten Vollmacht bzw. eines ihm erteilten Auftrages dritter Personen (Feil/Wennig, Anwaltsrecht2, 435). So begeht nach der Spruchpraxis der OBDK ein Rechtsanwalt eine Berufspflichtenverletzung etwa dann, wenn er bei der Vertretung eines Mandanten sorglos vorgeht, Aufträge seines Mandanten nicht beachtet, eine dem Mandanten "schädigende Nachlässigkeit" bei der Vertretung an den Tag legt oder dem Mandanten "offensichtlich überhöhte Kosten" verzeichnet. Es gehört zur Pflicht eines Rechtsanwaltes beim Verzeichnen seiner Kosten "peinlichst genau" zu sein (vgl. die Nachweise zur Spruchpraxis der OBDK in Feil/Wennig, Anwaltsrecht2, 443 - 455).

In Ansehung dieser Standesauffassung haben sich die Standesbehörden bei Beurteilung des inkriminierten Verhaltens - vor allem im Hinblick auf die Verpflichtung zur Legung einer Zwischenabrechnung bei Aufforderung durch den Mandanten und hinsichtlich der Verpflichtung, nicht den Bestimmungen des RATG widersprechende Kosten zu verzeichnen - als Berufspflichtenverletzung gemäß §1 DSt 1990, im Rahmen dessen gehalten, was bei vernünftiger Interpretation dieser Bestimmung für den Beschwerdeführer erkennbar sein mußte, nämlich daß er sich durch sein Verhalten dem Risiko einer Bestrafung aussetzt (vgl. Frowein/Peukert, EMRK-Kommentar2, Rz 4 zu Art7 EMRK mit Nachweisen auf die Rspr. des EGMR; Thienel in Korinek/Holoubek, Kommentar zum Bundesverfassungsrecht, Rz 17 zu Art7

EMRK).

2.3.2. Daran kann auch die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Auslegung des §23 Abs5 RATG nichts ändern, wonach bei Verhandlungen vor Bezirksgerichten an Orten außerhalb des Kanzleisitzes des Rechtsanwaltes noch der doppelte Einheitssatz in Form eines 50 %igen Zuschlages zu der für die Abgeltung der Verhandlungen vor dem Bezirksgericht Herzogenburg verzeichneten Tarifpost 3A verrechnet werden dürfe. Ungeachtet der Frage, ob sich diese - eigenwillige - Interpretation noch innerhalb des Rahmens des §23 RATG bewegt, liegen aufgrund des klaren Wortlautes des §23 Abs5 RATG die Voraussetzungen für einen Kostenzuschlag gemäß dieser Bestimmung schon deshalb nicht vor, weil der Beschwerdeführer seiner Mandantin - wie aus dem Verwaltungsakt des Disziplinarrates hervorgeht und wie der Beschwerdeführer selbst in seiner Beschwerde einräumt - auch gleichzeitig Reisekosten in Rechnung stellte.

2.3.3. Aus der Argumentation des Beschwerdeführers, er habe seiner Mandantin anläßlich der Verhandlung vor dem Bezirksgericht Herzogenburg vom 15. Oktober 1992 eine Zwischenabrechnung vorgelegt und (entgegen dem Wortlaut der Niederschrift zur mündlichen Verhandlung vor dem Disziplinarrat) auch übergeben, läßt sich für den Beschwerdeführer schon deshalb nichts gewinnen, weil er die Richtigkeit dieser Abrechnung dabei selbst in Zweifel zog, indem er gegenüber seiner Mandantin erwähnte, daß "er für die Vollständigkeit dieser Abrechnung nicht garantieren könne". Die Annahme einer Treuepflichtverletzung als Grundlage für den im Spruchpunkt 1 des Disziplinarrates erhobenen Strafvorwurf ist aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden.

2.3.4. Die Standesbehörden haben daher in vertretbarer Weise das Vorliegen von Disziplinarvergehen nach §1 Abs1 DSt 1990 angenommen. Ob sie dabei diese Bestimmung in jeder Hinsicht richtig angewendet haben - etwa ob auch der Vorwurf der Verletzung von Ehre und Ansehen des Standes zutrifft oder ob durch die klagsweise Einforderung des überhöhten Honorars auch Berufspflichten verletzt wurden - hat der Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, weil sich hieraus lediglich Fragen der Anwendung des einfachen Gesetzes ergeben, die vom Verfassungsgerichtshof nicht zu beurteilen sind; das gilt auch dann, wenn sich die Beschwerde - wie im vorliegenden Fall - gegen die Entscheidung einer Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG richtet, die beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl. VfSlg. 10659/1985, 12915/1991, 14408/1996).

2.4. Die behauptete Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes bzw. des Art7 EMRK liegt sohin nicht vor.

3. Der Verfassungsgerichtshof vermag auch die vom Beschwerdeführer behauptete, aber von ihm nicht näher ausgeführte Verletzung des Art6 EMRK nicht zu erkennen.

4. Zur behaupteten Verletzung des Rechts auf Unversehrtheit des Eigentums:

4.1. Der angefochtene Bescheid greift in das Eigentumsrecht ein. Angesichts der Unbedenklichkeit der dem Bescheid zugrundeliegenden Rechtsvorschriften wäre dieser Eingriff nur dann verfassungswidrig, wenn die belangte Behörde das Gesetz denkunmöglich angewendet hätte.

4.2. Dieser Vorwurf kann der belangten Behörde jedoch nicht gemacht werden. Daß der angefochtene Bescheid auf einer vertretbaren Rechtsansicht beruht, wurde bereits im Punkt III.2.3. dargetan. Da ihm auch sonst keine gravierenden Vollzugsfehler anzulasten sind, ist der Beschwerdeführer auch nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.

5. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat daher nicht stattgefunden.

Das Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof hat auch nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt wurde.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

6. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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