VfGH B1422/98

VfGHB1422/9829.2.2000

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch die Versetzung eines Beamten aufgrund der denkmöglichen Annahme von Führungsmängeln sowie des Vorliegens eines dienstlichen Interesses an der Abberufung; keine Maßnahmen zur Behebung von Konflikten seitens des Beschwerdeführers

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung
BDG 1979 §38
BDG 1979 §40
VfGG §88
VwGG §48 Abs2
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung
BDG 1979 §38
BDG 1979 §40
VfGG §88
VwGG §48 Abs2

 

Spruch:

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Kosten werden nicht zugesprochen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Beschwerdeführer steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Er wurde am 1. August 1986 zum Leiter der staatlichen pharmakologisch-balneologischen Untersuchungsanstalt bestellt.

Mit Schreiben vom 26. Juni 1997, GZ 610.838/3-2/97, teilte das Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales (BMAGS) dem Beschwerdeführer mit, dass beabsichtigt sei, ihn von seiner Verwendung als Leiter der staatlichen pharmakologisch-balneologischen Untersuchungsanstalt mit sofortiger Wirksamkeit abzuberufen und ihn auf einen Arbeitsplatz als Gutachter an der chemisch-pharmazeutischen Untersuchungsanstalt zu versetzen. Das BMAGS begründete diese in Aussicht genommene Entscheidung damit, dass der Beschwerdeführer seine Dienstpflichten als Leiter und Vorgesetzter fortwährend in einem Maße verletzt habe, das ein weiteres Verbleiben in der Funktion ausschließe. Gegen die beabsichtigte Versetzung erhob der Beschwerdeführer rechtzeitig mit Schreiben vom 3. Juli 1997 Einwendungen, in denen er den Vorwurf der Dienstpflichtverletzung als unberechtigt zurückwies und Akteneinsicht begehrte. Diese wurde ihm mit Schreiben des BMAGS vom 4. August 1997 gewährt, worauf der Beschwerdeführer (neuerlich) rechtzeitig Einwendungen gegen die beabsichtigte Versetzung erhob, wobei er den Vorwurf, seine Dienstpflichten verletzt zu haben, zurückwies und sich hinsichtlich aller weiteren Vorwürfe (Erledigungsrückstände, Berichte über Mitarbeitergespräche) auf die in der Untersuchungsanstalt herrschende Personalknappheit berief.

2. Mit Bescheid der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 22. September 1997, GZ 610.838/16-2/97, wurde der Beschwerdeführer gemäß §38 Abs1, 2, 6 und 7 BDG mit sofortiger Wirksamkeit von seiner Funktion als Leiter der staatlichen pharmakologisch-balneologischen Untersuchungsanstalt abberufen und auf den Arbeitsplatz eines Gutachters bei der chemisch-pharmazeutischen Untersuchungsanstalt versetzt. In der Begründung des Bescheides führt die Bundesministerin ua. Folgendes aus:

  1. "1. Nach dem Bekanntwerden tiefgreifender und vielschichtiger Unstimmigkeiten an Ihrer Dienststelle erfolgte am 24. Juni 1996 ein Lokalaugenschein durch Vertreter der Zentralleitung. Da Ihre Stellungnahmen hiebei den Verdacht, daß die Unzulänglichkeiten zu einem Großteil auf Schwächen Ihrer Dienststellenleitung zurückzuführen sind, nicht entkräften konnten, erging als Kontrollmaßnahme die schriftliche Weisung vom 28. Juni 1996, Zahl 127.070/0-I/D/12/96, womit Sie zur Abhaltung von Dienstbesprechungen - mindestens alle zwei Wochen - angehalten wurden. Aus besagten Kontrollgründen war weiterer Inhalt der Weisung, daß Sie in Protokollen jeweils die wesentlichen Diskussionsinhalte sowie die Sitzungsergebnisse darstellen sollten. (...) Als Tatsache wird jedenfalls festgehalten, daß Sie lediglich zweimal Besprechungsprotokolle vorlegten, obwohl Ihnen bewußt war, daß die diesbezügliche Weisung niemals geändert oder aufgehoben wurde.

  1. 2. Sie erhielten im September 1996 im Zuge einer Besprechung in der Zentralleitung die Weisung, Zahlungen der Europäischen Union für Ihre Rapporteurstätigkeiten auf das Konto des Bundesministeriums und nicht auf das der von Ihnen geleiteten Bundesanstalt überweisen zu lassen, weil ausgeschlossen werden sollte, daß diese Einnahmen als 'taxenfähig' behandelt werden. Diese vor Zeugen erteilte - wenn auch nicht ausdrücklich als solche bezeichnete - Weisung haben Sie nicht nur nicht befolgt, sondern Sie gaben auf schriftliche Anfrage der Buchhaltung zum nächsten überwiesenen Betrag die schriftliche Anweisung vom 9. Mai 1997, das Rapporteursgeld auf Untergliederung 901 zu verbuchen. Diese Falschbuchung hatte zur Konsequenz, daß der Betrag von S 475.125,-- der Berechnungsgrundlage für Ihre Taxanteile und jener von anderen Bediensteten zugeschlagen wurde. (...)

3.1. Es mehrten sich die - Ihnen bekannten - Klagen der MitarbeiterInnen ebenso wie jene der Fachaufsicht, daß Sie, von dem schon auf Grund seiner Habilitation ein überdurchschnittliches fachliches Engagement erwartet werden darf, das dienstliche Fortkommen einiger Ihrer MitarbeiterInnen im wesentlichen außer Acht lassen. (...)

3.2. Ihre Uneinsichtigkeit wurde bereits außenwirksam. Vertreter der Ärztekammer kündigten ob der Ausbildungsmängel an, der Bundesdienststelle ihre Qualifikation als Ausbildungsstätte entziehen zu wollen. (...) Gemäß §45 Abs1 BDG 1979 wären Sie als Vorgesetzter auch ohne schriftliche Weisung verpflichtet gewesen, unter anderem das dienstliche Fortkommen Ihrer MitarbeiterInnen zu fördern und ihre Verwendung so zu lenken, daß sie ihren Fähigkeiten weitgehend entspricht. Ihre Sichtweise, Informationen und Ausbildung als Holschulden der MitarbeiterInnen darzustellen, ist als Negierung einer wesentlichen Dienstpflicht eines Dienststellenleiters zu werten.

3.3. (...) Auch sind keine ernsthaften Versuche Ihrerseits bekannt, Abhilfe betreffend (die) auch von Ihnen nicht geleugneten Spannungen und Konflikte in der von Ihnen geleiteten Dienststelle zu schaffen. Insbesondere lang andauernde Spannungsverhältnisse innerhalb einer Dienststelle, die auf das mangelnde Handeln des Dienststellenleiters zurückzuführen sind, berechtigen auf Grund der ständigen Rechtsprechung zur Versetzung des leitenden Beamten, weil diesfalls das vom Gesetz geforderte besondere dienstliche Interesse an der Versetzung besteht.

4. Die Ihnen vorgeworfenen Erledigungsrückstände - laut Schreiben der Fachabteilung vom 23. Juli 1997 sind bei den zugelassenen Arzneispezialitäten 483 Geschäftsfälle und bei den Neuzulassungen von Arzneispezialitäten 1260 Geschäftsfälle offen - basieren auf belegbar ermittelten statistischen Daten. (...) Besonders in Zeiten großer Arbeitsbelastung ist es eben die Aufgabe von Dienststellenleitern, als Führungskräfte Prioritäten richtig zu setzen. Ihnen fehlte aber und fehlt weiterhin aus eigenem Verschulden sogar die Entscheidungsbasis hiefür. Es ist festzustellen, daß diese Erledigungsrückstände in Ihrer Dienststelle nicht nur absolut hoch, sondern auch im Vergleich zu anderen Dienststellen auffallend hoch sind. Sie beruhen, obwohl zugestandenermaßen allgemein die Personalressourcen knapper werden, vorwiegend auf Ihrem Versagen als Führungskraft. Die von Ihnen nicht behobenen Spannungen zwischen verschiedenen Bedienstetengruppen bewirkten nicht nur Prozesse der Demotivation, sondern auch massive Leerläufe des Dienstbetriebes durch das Ausleben intensiver Dauerkonflikte zwischen Ihnen und Bediensteten sowie von Bediensteten untereinander. Besprochene Lösungsvorschläge des Präsidiums ignorierten Sie. Die daraufhin erteilten Weisungen befolgten Sie nicht."

3. In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wendet der Beschwerdeführer im Wesentlichen ein, dass keine der Voraussetzungen, unter denen nach §38 BDG eine amtswegige Versetzung verfügt werden darf, erfüllt sei, weshalb die Abberufung bereits deshalb unzulässig sei. Weiters rügt der Beschwerdeführer, dass der Bescheid auf Grund mangelnder Begründung und Beweiswürdigung rechtswidrig sei.

4. Mit Bescheid vom 29. Mai 1998 wies die (gemäß §41a BDG eingerichtete) Berufungskommission beim Bundeskanzleramt (im Folgenden kurz: Berufungskommission) die Berufung des Beschwerdeführer ab und bestätigte die Entscheidung der Dienstbehörde. Dies im Wesentlichen mit folgender Begründung:

"Nach der Judikatur ist ein wichtiges dienstliches Interesse dann gegeben, wenn der vorliegende Sachverhalt den Schluß rechtfertigt, daß der Wille oder die Fähigkeit zur Erfüllung der durch die Rechtsordnung vorgezeichneten Aufgaben bei dem betreffenden Bediensteten nicht oder nicht mehr gegeben ist und daher der Bedienstete demnach die ihm obliegenden Aufgaben nicht erfüllen will oder aus inneren oder äußeren Gründen nicht mehr erfüllen kann.

Im vorliegenden Fall besteht das wichtige dienstliche Interesse an der Änderung der Verwendung des (Berufungswerbers) darin, daß durch sein weiter unten detailliert ausgeführtes Verhalten das Vertrauen in den (Berufungswerber) als Führungskraft verloren gegangen ist.

(...)

Zusammenfassend ergibt sich, daß der (Berufungswerber) in zwei Fällen Weisungen der zuständigen Stelle nicht befolgt hat, obwohl er dazu verpflichtet gewesen wäre. Dabei wird nicht übersehen, daß die Nichtbefolgung der Weisung bezüglich der Dienstbesprechungen als nicht so schwerwiegend einzustufen ist wie die Ignorierung der Weisung bezüglich der EU-Zahlungen für die Rapporteurstätigkeit. Durch das Zusammentreffen von gleich zwei Fällen der Nichtbefolgung einer Weisung gewinnt die Angelegenheit aber eine andere Dimension. Im gegenständlichen Fall kommt erschwerend hinzu, daß die beiden Weisungsverletzungen nicht in einer einmaligen Handlung bestanden, sondern sich in Dauerdelikten äußerten. Bezüglich der Dienstbesprechungen hat es der (Berufungswerber) über ein Jahr lang unterlassen, in zweiwöchigem Rhythmus Besprechungen abzuhalten und darüber Protokolle abzuliefern. Im Falle der EU-Zahlungen hat es der (Berufungswerber) einerseits von September 1996 bis Mai 1997 unterlassen, der EU die Kontoänderung bekanntzugeben, andererseits hat der (Berufungswerber) mit seiner Anweisung vom 9. Mai 1997 an die Buchhaltung versucht, den weisungswidrigen Zustand aufrechtzuerhalten. Damit kommt klar zum Ausdruck, daß es sich bei der Nichtbefolgung der Weisungen um kein Versehen oder eine einmalige Nachlässigkeit handelte, sondern um eine bewußte, fortgesetzte Mißachtung von bestehenden Weisungen durch den (Berufungswerber).

In einer hierarchisch gegliederten Organisation wie einem Bundesministerium muß sich die vorgesetzte Stelle darauf verlassen können, daß erteilte Weisungen befolgt werden. Stellt sich daher heraus, daß einem Beamten der Wille oder die Fähigkeit, erteilte Weisungen zu befolgen, fehlt, ist die vorgesetzte Stelle verpflichtet, ungeachtet einer allfälligen disziplinären Ahndung, entsprechend zu handeln. Handelt es sich bei diesem Beamten um eine Führungskraft, ist die Abberufung von dieser Funktion die adäquate Reaktion. Reagiert die vorgesetzte Stelle nicht entschieden in dieser Situation, begibt sie sich in die Gefahr, daß ihre Weisungen generell nur mehr als 'Empfehlungen' verstanden werden, deren Mißachtung praktisch ohne Konsequenzen bleibt. Damit würden sich die Organwalter der vorgesetzten Stellen im Falle von auftretenden Mißständen bei nachgeordneten Stellen aber selbst der Gefahr einer disziplinärem Verfolgung aussetzen, wenn sie die fortgesetzte Mißachtung erteilter Weisungen dulden.

Das Ermittlungsverfahren hat aber auch in anderer Hinsicht begründete Zweifel an der Eignung des (Berufungswerbers) zur Führungskraft ergeben, nämlich im Hinblick auf die Menschenführung. Die auffallende Häufung von Spannungen und Konflikten in der Anstalt, der Dauerkonflikt des (Berufungswerbers) mit gleich drei Ärzten und Gutachtern der Anstalt, können letzten Endes nur damit erklärt werden, daß dem (Berufungswerber) die Fähigkeit fehlt, eine Personengruppe mit ausgeprägten Eigenheiten, wie es im gegenständlichen Fall offenbar vorliegt, adäquat zu leiten. Dies heißt freilich nicht, daß dem (Berufungswerber) generell die Eignung für eine Führungsfunktion abgesprochen wird, sondern diese Feststellungen beziehen sich nur auf die mangelnde Eignung des (Berufungswerbers), die in Frage stehende Anstalt zu leiten. Das wichtige Interesse an der Abberufung des (Berufungswerbers) von seiner Funktion als Leiter der Anstalt und an seiner Versetzung besteht somit im Verlust des Vertrauens in die Führungsqualifikation des Beamten.

Die wichtigen dienstlichen Interessen sind in §38 Abs3 BDG demonstrativ aufgezählt, wobei im vorliegenden Fall keine der in Abs3 aufgezählten Tatsachen gegeben ist. Ein wichtiges dienstliches Interesse kann aber auch dann gegeben sein, wenn die festgestellten Tatsachen den Schluß rechtfertigen, daß ein Beamte(r) die ihm in seiner Verwendung übertragenen Aufgaben nicht erfüllen will oder aus inneren oder äußeren Gründen nicht oder nicht mehr erfüllen kann. Der Verwaltungsgerichtshof spricht in diesem Zusammenhang in laufender Rechtsprechung von Vertrauensverlust (Berufungskommission, 23. April 1996, Zl. 3/10-BK/96).

Weiters kann es keinem Zweifel unterliegen, daß Spannungsverhältnisse innerhalb einer Dienststelle, die überwiegend auf das Verhalten des Dienststellenleiters zurückzuführen sind, zu dessen Versetzung führen können. §45 Abs1 und 2 BDG weisen dem Vorgesetzten und dem Dienststellenleiter besondere mit ihren Funktionen untrennbar auf Dauer verbundene Aufgaben als Dienstpflichten zu. Damit ist aber zweifellos auch die Erwartung verbunden, daß nur jene Beamte mit diesen Funktionen von der Dienstbehörde betraut werden und in ihr belassen werden, von denen aufgrund der bisherigen Amtsführung erwartet werden kann, daß sie dem vom Gesetzgeber vorgegebenen Anforderungsprofil entsprechen und imstande sein werden, ihre Führungsaufgaben zu erfüllen. Werden diese Erwartungen nicht oder ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr hinreichend erfüllt und führt gerade dieser Mangel an Führungsqualität zu einem erheblichen Spannungsverhältnis innerhalb der Dienststelle, dann kann die Versetzung des Vorgesetzten unbeschadet der disziplinären Ahndung nach der Lage des Falles eine zulässige Personalmaßnahme sein, um diesen Konflikt zu lösen und eine Personalentscheidung, die sich als fehlerhaft herausgestellt hat, zu korrigieren (VwGH, 24. November 1995, Zl. 92/12/0130)."

5. Gegen diesen Bescheid der Berufungskommission wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG, Art7 Abs1 B-VG) und die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Erwerbsausübung (Art6 StGG) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird. Dazu führt der Beschwerdeführer zunächst aus, dass er in einem Disziplinarverfahren, das wegen jener Vorwürfe, die im Versetzungsverfahren erhoben worden sind, eingeleitet worden ist, zum überwiegenden Teil freigesprochen worden sei. Bloß in zwei Punkten sei der Beschwerdeführer mit der geringstmöglichen Disziplinarstrafe des Verweises belegt worden; diesen Teil des Disziplinarerkenntnisses habe der Beschwerdeführer jedoch mit Berufung bekämpft. Der Beschwerdeführer wirft der belangten Behörde nunmehr Folgendes vor (Hervorhebung im Original):

"Zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides ist der belangten Behörde das Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission vorgelegen, welches im Umfang des Freispruches in Rechtskraft erwachsen ist. Der Beschwerdeführer hat bereits dargelegt, daß beiden Verfahren idente Vorwürfe zugrunde lagen. Das Ergebnis des Disziplinarverfahrens ist für das Versetzungsverfahren präjudiziell. Das hat die belangte Behörde auch erkannt, indem sie zunächst den Ausgang des Disziplinarverfahrens abgewartet hat.

(...)

Wurde eine Frage bereits rechtskräftig entschieden, so sind innerhalb der Grenzen der Rechtskraft sowohl die Behörden als auch die Parteien gebunden.

Darüber hat sich die belangte Behörde willkürlich hinweggesetzt, hat das Disziplinarerkenntnis ganz einfach trotz Bindungswirkung ignoriert und ist zu einem gleichheitswidrigen Bescheidinhalt, der in die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte des Beschwerdeführers eingreift, gelangt."

Ferner wirft der Beschwerdeführer der belangten Behörde vor, die Bestimmungen des BDG über die Versetzung eines Beamten (qualifiziert) unrichtig gehandhabt zu haben (Hervorhebung im Original):

"Die belangte Behörde hat §38 Abs3 BDG einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt. Wichtige dienstliche Interessen liegen neben den Z1 und Z2 insbesondere dann vor, wenn der Beamte nach §81 Abs1 Z3 den zu erwartenden Arbeitserfolg nicht aufgewiesen hat oder wenn über den Beamten eine Disziplinarstrafe rechtskräftig verhängt wurde und wegen der Art und Schwere der von ihm begangenen Disziplinarpflichtverletzung (gemeint wohl: Dienstpflichtverletzung) die Belassung des Beamten in der Dienststelle nicht vertretbar erscheint.

Nach der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ist die Aufzählung des §38 Abs3 BDG nicht taxativ. Nicht in Z1 bis Z4 aufgezählte Gründe müssen aber den ausdrücklich geregelten Gründen gleichwertig sein.

Der von der belangten Behörde ins Spiel gebrachte Vertrauensverlust muß daher seine Ursache in einer Handlung haben, die den (in) §38 Abs3 Z1 bis 4 BDG genannten Tatbeständen zumindest gleichwertig ist.

Dem angefochtenen Bescheid ist nicht zu entnehmen, welches 'Verhalten des Beschwerdeführers' die belangte Behörde als maßgeblich ansieht.

Darüber hinaus geht die belangte Behörde infolge eines Wertungsexzesses von der Gleichwertigkeit eines nicht näher festgestellten Sachverhaltes aus.

Tatsächlich wäre das Verhalten des Beschwerdeführers an §38 Abs3 Z3 und 4 BDG zu messen und mangels Erfüllung des Tatbestandes dieser Bestimmungen der Berufung des Beschwerdeführers Folge zu geben.

Die 'Leistungsfeststellung' betrifft die vom Beamten im Beurteilungszeitraum erbrachten Leistungen. Diese umfassen neben den fachlichen Leistungen auch die Leistungen als Führungspersönlichkeit. Die belangte Behörde konnte (tatsachenentsprechend) nicht feststellen, daß die Voraussetzungen des §81 Abs1 Z3 BDG erfüllt wären, weil der Beschwerdeführer noch nie eine negative Leistungsfeststellung hatte. Zu betonen ist daher noch ausdrücklich, daß die Leistungsbeurteilung in (b)ezug auf den Beschwerdeführer auch die Leistung zur Führung der Anstalt umfaßt hat. Da der Beschwerdeführer keine zweimaligen nachweislichen Ermahnungen im Sinn des §81 Abs1 Z3 BDG erhalten hat, weil der Beschwerdeführer einen positiven Leistungserfolg aufweist, ist §38 Abs3 Z3 BDG nicht anwendbar.

§38 Abs3 Z4 BDG wurde von der belangten Behörde nach Einbringung der Berufung zunächst als wahrscheinliche Haftungsgrundlage (gemeint wohl: Handlungsgrundlage) herangezogen. Das wurde gegenüber dem Beschwerdeführer auch offen ausgesprochen. Aufgrund des Ausganges des Disziplinarverfahrens kommt §38 Abs3 Z4 BDG aber als mögliche Rechtsgrundlage für eine Versetzung nicht mehr in Frage, weil der Beschwerdeführer von den wesentlichen gegen ihn erhobenen Vorwürfen freigesprochen wurde. Der Beschwerdeführer wurde nur in zwei Punkten schuldig gesprochen und ihm ein Verweis erteilt, gegen den er Berufung erhoben hat. Der Verweis ist die mildeste Disziplinarstrafe (§134 Z1 BDG). Aufgrund der Berufung des Beschwerdeführers wollte man offensichtlich die Rechtskraft im Disziplinarverfahren aufgrund des Ausganges nicht abwarten, da die belangte Behörde offensichtlich selbst eingesehen hat, daß der Verweis wegen zweier geringfügiger Fakten jedenfalls nicht zu einer Subsumtion unter §38 Abs3 Z4 BDG ausreichen kann.

Die belangte Behörde verkennt offensichtlich, daß nur ein gravierendes Fehlverhalten den §38 Abs3 Z1 bis 4 BDG gleichwertig ist. Der Beschwerdeführer hat kein derartiges Verhalten gesetzt. Daher konnte die belangte Behörde auch keine dazu erforderlichen Feststellungen treffen und mußte daher einen Wertungsexzeß vornehmen, um zur Abweisung der Berufung zu gelangen.

Tatsächlich liegt kein wichtiges dienstliches Interesse vor, das eine Versetzung rechtfertigen würde.

Die belangte Behörde hat §38 Abs3 BDG einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt bzw. die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte des Beschwerdeführers dadurch verletzt, daß sie einen willkürlichen Wertungsexzeß begangen hat.

Hätte die belangte Behörde im Sinn des Gesetzes gehandelt, so hätte sie die Feststellungen der Disziplinarkommission übernehmen und feststellen müssen, daß keine wichtigen dienstlichen Interessen im Sinn des §38 Abs3 BDG vorliegen und der Berufung des Beschwerdeführers daher Folge zu geben ist. Derartige wichtige dienstliche Interessen lägen aber nicht einmal dann vor, wenn man vom unklaren Sachverhalt der belangten Behörde ausginge, da keine Gleichwertigkeit mit §38 Abs3 Z1 bis 4 BDG vorliegt."

Im Übrigen wirft der Beschwerdeführer der belangten Behörde Begründungsmängel sowie das Unterbleiben jeder Beweiswürdigung vor.

6. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie im Wesentlichen die im angefochtenen Bescheid gemachten - auszugsweise zuvor wiedergegebenen - Ausführungen wiederholt, und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

7. Der Beschwerdeführer erstattete hiezu eine Stellungnahme, in der er im Wesentlichen seinen - bereits in der Beschwerde erhobenen - Vorwurf wiederholt, die belangte Behörde habe verkannt, dass sie an jene Feststellungen gebunden sei, die im - gegen den Beschwerdeführer eingeleiteten - Disziplinarverfahren getroffen worden seien.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des BDG lauten:

"Versetzung

§38. (1) Eine Versetzung liegt vor, wenn der Beamte einer anderen Dienststelle zur dauernden Dienstleistung zugewiesen wird.

(2) Die Versetzung ist von Amts wegen zulässig, wenn ein wichtiges dienstliches Interesse daran besteht. Während des provisorischen Dienstverhältnisses ist eine Versetzung auch ohne wichtiges dienstliches Interesse zulässig.

(3) Ein wichtiges dienstliches Interesse liegt insbesondere vor

  1. 1. bei Änderungen der Verwaltungsorganisation einschließlich der Auflassung von Arbeitsplätzen oder

  1. 2. bei Besetzung eines freien Arbeitsplatzes einer anderen Dienststelle, für den keine geeigneten Bewerber vorhanden sind, wenn der Beamte die für diesen Arbeitsplatz erforderliche Ausbildung und Eignung aufweist, oder

  1. 3. wenn der Beamte nach §81 Abs1 Z3 den zu erwartenden Arbeitserfolg nicht aufgewiesen hat oder

  1. 4. wenn über den Beamten eine Disziplinarstrafe rechtskräftig verhängt wurde und wegen der Art und Schwere der von ihm begangenen Dienstpflichtverletzung die Belassung des Beamten in der Dienststelle nicht vertretbar erscheint.

...

(6) Ist die Versetzung des Beamten von Amts wegen in Aussicht genommen, so ist er hievon schriftlich unter Bekanntgabe seiner neuen Dienststelle und seiner neuen Verwendung mit dem Beifügen zu verständigen, daß es ihm freisteht, gegen die beabsichtigte Maßnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung Einwendungen vorzubringen. Werden innerhalb der angegebenen Frist solche Einwendungen nicht vorgebracht, so gilt dies als Zustimmung zur Versetzung."

"Verwendungsänderung

§40. (1) ...

(2) Die Abberufung des Beamten von seiner bisherigen Verwendung ist einer Versetzung gleichzuhalten, wenn

  1. 1. die neue Verwendung der bisherigen Verwendung des Beamten nicht gleichwertig ist oder

  1. 2. durch die neue Verwendung eine Verschlechterung für die Beförderung des Beamten in eine höhere Dienstklasse oder Dienststufe zu erwarten ist oder

3. dem Beamten keine neue Verwendung zugewiesen wird.

(3) Die neue Verwendung ist der bisherigen Verwendung gleichwertig, wenn sie innerhalb derselben Verwendungsgruppe derselben Funktions- oder Dienstzulagengruppe zuzuordnen ist."

2.1. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10.413/1985, 11.682/1988) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hat oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.

2.2. Da der Verfassungsgerichtshof gegen die den angefochtenen Bescheid tragenden Rechtsvorschriften (so insbesondere gegen §38 Abs2 und 3 BDG) keine verfassungsrechtlichen Bedenken hegt (vgl. VfSlg. 14.573/1996, S 52), könnte der Beschwerdeführer durch den bekämpften Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nur verletzt sein, wenn der Berufungskommission Willkür zum Vorwurf zu machen wäre.

2.3. Darüber, welche Umstände gegeben sein müssen, damit einer Behörde Willkür anzulasten ist, lässt sich keine allgemeine Aussage treffen. Ob Willkür vorliegt, kann nur dem Gesamtbild des Verhaltens der Behörde im einzelnen Fall entnommen werden (zB VfSlg. 5491/1967, 6404/1971, 6471/1971, 8808/1980 uva.)

Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt ua. in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 und die dort angeführte Rechtsprechung; VfSlg. 10.338/1985, 11.213/1987). Auch eine denkunmögliche Gesetzesanwendung kann Willkür indizieren (VfSlg. 9561/1982).

2.4. Keiner dieser Mängel liegt jedoch hier vor. Weder hat sich für den Verfassungsgerichtshof ergeben, dass das Ermittlungsverfahren an einem in die Verfassungssphäre reichenden Mangel leide, noch kann von einem gehäuften Verkennen der Rechtslage oder gar von denkunmöglicher Gesetzesanwendung die Rede sein.

Die Rechtsmeinung der belangten Behörde, dass ein wichtiges dienstliches Interesse an der Versetzung eines Beamten dann vorliegt, wenn das Vertrauen der Dienstbehörde in den Beamten als Führungskraft verloren gegangen ist, ist zumindest vertretbar (vgl. VfSlg. 14.854/1997, S 721). Es ist weiters jedenfalls denkmöglich, wenn die belangte Behörde dieses Vertrauen in die Qualifikation des Beamten als Führungskraft ua. dann als verloren gegangen ansieht, wenn der Beamte keinerlei (ausreichende) Maßnahmen trifft, um die in der von ihm geleiteten Dienststelle herrschenden Konflikte zu beheben (vgl. in ähnlichem Zusammenhang VfSlg. 14.814/1997, S 518). Wenn die belangte Behörde im Hinblick darauf ein wichtiges dienstliches Interesse gemäß §38 Abs2 und 3 BDG an der Abberufung des Beschwerdeführers von seiner bisherigen Verwendung angenommen hat, so belastet dies die getroffene behördliche Entscheidung jedenfalls nicht mit einem in die Verfassungssphäre reichenden Mangel; dies - mit Blick auf den hier vorliegenden Fall - insbesondere deshalb, weil auch ein disziplinär nicht zu ahndendes Verhalten des Beamten ein wichtiges dienstliches Interesse an seiner Versetzung begründen kann (vgl. VfSlg. 8450/1978, S 414).

3.1. Das - vom Beschwerdeführer ebenfalls als verletzt angesehene - verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung wird mit Rücksicht auf den in Art6 StGG enthaltenen Gesetzesvorbehalt nur verletzt, wenn einem Staatsbürger durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde der Antritt oder die Ausübung einer bestimmten Erwerbsbetätigung untersagt wird, ohne dass ein Gesetz die Behörde zu einem solchen die Erwerbstätigkeit einschränkenden Bescheid ermächtigt, oder wenn die Rechtsvorschrift, auf die sich der Bescheid stützt, verfassungswidrig oder gesetzwidrig ist, oder wenn die Behörde bei der Erlassung des Bescheides ein verfassungsmäßiges Gesetz oder eine gesetzmäßige Verordnung in denkunmöglicher Weise angewendet hat (zB VfSlg. 10.413/1985).

3.2. Angesichts der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des BDG (vgl. zuvor Pkt. 2.2.) könnte der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Erwerbsfreiheit somit nur verletzt sein, wenn die belangte Behörde der Vorwurf träfe, die einschlägigen Bestimmungen des BDG in denkunmöglicher Weise gehandhabt zu haben. Die bekämpfte behördliche Entscheidung erscheint dem Verfassungsgerichtshof jedoch, wie zuvor (Pkt. 2.4.) ausgeführt, jedenfalls vertretbar und denkmöglich und somit keinesfalls mit einem in die Verfassungssphäre eingreifenden Mangel behaftet.

4. Die getroffene behördliche Entscheidung weist somit keine in die Verfassungssphäre reichenden Mängel auf. Ob der bekämpften Entscheidung auch darüber hinaus eine in jeder Hinsicht richtige Gesetzesanwendung zugrunde liegt - etwa was die Frage betrifft, ob die behördliche Entscheidung ausreichend mit Gründen versehen sei und ob die belangte Behörde den maßgeblichen Sachverhalt umfassend erhoben habe -, hat der Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch nicht in jenem - hier vorliegenden - Fall, in dem eine Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof nicht in Betracht kommt (vgl. VfSlg. 9541/1982 und die dort angeführte Vorjudikatur; VfSlg. 14.807/1997 uva.).

5. Der Beschwerdeführer ist somit aus jenen Gründen, die in der Beschwerdeschrift aufgeführt sind, weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden. Im Beschwerdeverfahren ist auch nicht hervorgekommen, dass dies aus anderen, in der Beschwerde nicht behaupteten Gründen der Fall gewesen wäre.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

6. Der Ausspruch über die Kosten stützt sich auf §88 VerfGG 1953. Kosten an die belangte Behörde als Ersatz des Vorlage- und Schriftsatzaufwands waren nicht zuzusprechen, da dies im VerfGG 1953 nicht vorgesehen ist und eine sinngemäße Anwendung des §48 Abs2 VwGG im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof nicht in Betracht kommt (VfSlg. 10.003/1984).

7. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nicht öffentlicher Sitzung getroffen werden.

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