VfGH B1249/99

VfGHB1249/9919.6.2000

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch die Versetzung eines Beamten aufgrund denkmöglicher Annahme des Vorliegens eines dienstlichen Interesses an der Versetzung infolge strafgerichtlicher Verurteilung und zu erwartender Spannungsverhältnisse am bisherigen Dienstort

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
EMRK Art10
BDG 1979 §38
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
EMRK Art10
BDG 1979 §38

 

Spruch:

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1.1. Der Beschwerdeführer steht als Staatsanwalt in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund.

1.1.2.1. Mit Bescheid des Leiters der Oberstaatsanwaltschaft Wien vom 16.12.1998 wurde er gemäß §38 (Abs2) Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, BGBl. 333, idF BGBl. I 1998/123, (BDG 1979) von Amts wegen zur Staatsanwaltschaft St. Pölten versetzt und St. Pölten damit zu seinem neuen Dienstort bestimmt; eine Änderung seiner Verwendung als Staatsanwalt oder seiner bezugsrechtlichen Stellung war mit seiner Versetzung laut dem genannten Bescheid nicht verbunden.

1.1.2.2. In der Begründung des Bescheides heißt es wörtlich ua. wie folgt:

"Das gegen Sie (im ersten Rechtsgang) beim Landesgericht für Strafsachen Wien und bei der Staatsanwaltschaft Wien anhängig gewesene Strafverfahren, während dessen Sie auf Antrag der Staatsanwaltschaft Wien vom Landesgericht für Strafsachen Wien rund sechs Monate in der Justizanstalt Wien-Josefstadt in Untersuchungshaft angehalten worden sind und das zu einer Verurteilung wegen einer - in Ihrer Eigenschaft als Referent der Staatsanwaltschaft Wien begangenen - Verletzung des Amtsgeheimnisses geführt hat, hat - nach wie vor bestehende - persönliche Spannungen zwischen Ihnen und Referenten der Staatsanwaltschaft Wien sowie Richtern des Landesgerichtes für Strafsachen Wien verursacht, die durch den von Ihnen jedenfalls mitinitiierten 'Medienrummel' im Zusammenhang mit Ihrem - nach Aufhebung der Suspendierung - am 4. November 1998 erfolgten Dienstantritt - auch in der Öffentlichkeit - sichtbaren Niederschlag gefunden haben. Diese Spannungen sind dem Dienstbetrieb innerhalb der Staatsanwaltschaft Wien, aber auch dem geordneten Dienstbetrieb dieser Staatsanwaltschaft mit dem Landesgericht für Strafsachen Wien im höchsten Maße abträglich. ...

Die im Spruch verfügte Versetzung zur Staatsanwaltschaft St. Pölten ist Ihnen auch unter Berücksichtigung Ihrer persönlichen, familiären und sozialen Verhältnisse zumutbar. Eine Übersiedlung nach St. Pölten ist im Hinblick auf die günstigen Verkehrsverbindungen zwischen Wien und St. Pölten nicht erforderlich. Für Ihre Mehraufwendungen durch die Fahrten von Wien nach St. Pölten und zurück sind in der Reisegebührenvorschrift bzw. im Gehaltsgesetz 1956 entsprechende Abgeltungen vorgesehen. Die von Ihnen gegen eine Versetzung ins Treffen geführte Betreuung durch Wiener Ärzte ist auch bei einem Dienstort St. Pölten möglich. Sämtliche von Ihnen vorgebrachten Einwendungen stehen daher der verfügten Versetzung nicht entgegen."

1.2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer das Rechtsmittel der Berufung an die Berufungskommission beim Bundeskanzleramt, worin er die ersatzlose Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragte.

1.3.1. Die Berufungskommission beim Bundeskanzleramt gab der Berufung mit Bescheid vom 7.5.1999 nicht Folge und bestätigte den angefochtenen Bescheid.

1.3.2. In der Berufungsentscheidung finden sich ua. die folgenden Ausführungen:

"Es trifft zwar zu, dass zur Begründung des Versetzungsvorhabens im Schreiben der Oberstaatsanwaltschaft Wien vom 12. November 1998 ... nur abstrakt 'wichtige dienstliche Gründe' genannt wurden. Näher determiniert wurde dieses dienstliche Interesse im Schreiben der Oberstaatsanwaltschaft vom gleichen Tag, mit dem die Personalvertretung von der beabsichtigten Maßnahme verständigt wurde.

Der (Beschwerdeführer; Bf.) räumte selbst ein, vom Inhalt dieses

Schreibens aus einem Gespräch mit dem Personalvertretungsorgan

Kenntnis erlangt zu haben. Mit den darin angesprochenen

Presseberichten wurde der (Bf.) dann unmittelbar im

Dienstaufsichtsweg befasst ... . Der (Bf.) machte sowohl im

dienstrechtlichen als auch dienstaufsichtsbehördlichen Verfahren von

seiner Äußerungsmöglichkeit Gebrauch ... .

Bei der Beurteilung der Frage, ob im gegebenen Fall objektive Merkmale vorliegen, die die Annahme eines wichtigen dienstlichen Interesses für eine Versetzung rechtfertigen, ist auf die schon im angefochtenen Bescheid hervorgehobenen besonderen Umstände dieses Falles näher einzugehen: Der umgangssprachlich als 'Graues Haus' bezeichnete Justizgebäudekomplex ist Sitz des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, der Staatsanwaltschaft Wien und der Justizanstalt Wien-Josefstadt. Der (Bf.) war dort seit seiner (mit Wirksamkeit vom 1.1.1985 erfolgten) Ernennung zum Staatsanwalt bei der Staatsanwaltschaft Wien tätig. Auf Grund dieser langjährigen Tätigkeit als Vertreter der Anklagebehörde mit - bei der Tätigkeit eines Staatsanwaltes vorgegebenen - vielfachen Berührungspunkten zum Landesgericht für Strafsachen Wien und den dort tätigen Richtern mußte es für ihn als Referent der Staatsanwaltschaft Wien um vieles einschneidender als für jeden anderen Betroffenen gewesen sein, als gegen ihn wegen schwerwiegender Tatvorwürfe zu 27 a Vr 599/95 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien ein Strafverfahren eingeleitet und auf Antrag der Staatsanwaltschaft Wien über ihn die Untersuchungshaft verhängt wurde. Die Anhaltung in der Untersuchungshaft dauerte vom 9. Februar bis 7. August 1996, also nahezu sechs Monate. Der (Bf.) fand sich damals am Sitz seiner Dienststelle in einer für ihn völlig unerwarteten und ungewohnten Situation vor, die ihn - wie er in seiner Stellungnahme vom 16. November 1998 ... eingestand, bei entsprechender Konfrontation immer noch sehr heftig bewegt. Zu einer solchen Konfrontation würde es aber fortlaufend kommen, wenn der (Bf.) im 'Grauen Haus' Dienst versehen und dort immer wieder mit jenen Personen zusammentreffen würde, die mit dem gegen ihn anhängig gewesenen Strafverfahren und der Anhaltung in der Untersuchungshaft befasst waren. Ein solches Zusammentreffen kann nur durch die verfügte Versetzung vermieden werden.

Aus dienstrechtlicher Sicht kann auch keinesfalls außer Acht gelassen werden, dass der (Bf.) wegen einer Verletzung des Amtsgeheimnisses nach §310 Abs1 StGB rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Monaten, bedingt auf drei Jahre, verurteilt wurde. Diese besonderen Umstände des Falles und Anhaltspunkte dafür, dass das Verhältnis zu Mitarbeitern bei der Staatsanwaltschaft Wien und Richtern des Landesgerichtes für Strafsachen Wien (zumindest so weit, als sie in das gegen den (Bf.) geführte Strafverfahren involviert waren) bei objektiver Betrachtung als beeinträchtigt anzusehen ist (mag dies subjektiv von dem einen oder anderen Teil auch nicht so empfunden werden), waren offenkundig Grund für das große Medieninteresse beim Dienstantritt des (Bf.) nach Aufhebung der Suspendierung. Diesen 'Medienrummel' hat der (Bf.) jedenfalls zumindest dadurch mitinitiiert, dass er sich den Fragen der Journalisten stellte und - von ihm nicht bestritten - Interviews gab. Ob und in welchem Umfang seine in Zitatform abgedruckten Erklärungen richtig oder, wie vom (Bf.) behauptet, sinnverfälscht oder überhaupt frei erfunden worden seien, kann hier letztlich dahingestellt bleiben, weil bereits aus den dargelegten objektiven Momenten eine weitere Tätigkeit des (Bf.) bei der Staatsanwaltschaft Wien sowohl für ihn selbst als auch für das Ansehen dieser Dienststelle abträglich wäre.

...

Was schließlich die bei einer Versetzung an einen anderen Dienstort gemäß §38 Abs4 BDG 1979 aufgetragene Berücksichtigung der persönlichen, familiären und sozialen Verhältnisse des Beamten anlangt, wurde bereits im angefochtenen Bescheid auf die günstigen Verkehrsbedingungen zwischen dem Wohnort und dem verfügten neuen Dienstort des (Bf.) hingewiesen. Es bedarf keiner näheren Erörterung, dass in Zeiten erhöhter Mobilität einem (als dienstfähig anzusehenden) Beamten die Bewältigung der Fahrtstrecke von rund 60 km zwischen Wien und St. Pölten auch dann zumutbar ist, wenn er Familienvater ist und Obsorgepflichten für minderjährige Kinder trägt. Bei dieser Entfernung zwischen den beiden Orten und den günstigen Verkehrsverbindungen kann das Vorliegen eines wesentlichen Nachteiles auf Grund der Versetzung nicht angenommen werden ... .

An dieser Beurteilung vermag auch die im Nachhang zur Berufung vorgelegte fachärztliche Bestätigung der Universitätsklinik für Psychiatrie des Allgemeinen Krankenhauses Wien vom 10. Mai 1999 nichts zu ändern. ...

Die(... darin enthaltenen) Ausführungen sind nicht schlüssig, weil sie nicht erkennen lassen, aus welchen Gründen und in welchem Ausmaß Dienstverrichtungen am Dienstort St. Pölten für den (Bf.) aus psychiatrisch-neurologischer Sicht belastender sein sollen als am Dienstort Wien. Überdies muß bei einem Beamten, bei dem dauernde Dienstunfähigkeit nicht festgestellt wurde, ein Mindestmaß an Frustrationstoleranz vorausgesetzt werden, die es ihm ermöglicht, sich auf dienstrechtlich notwendige Maßnahmen wie eine Versetzung einzustellen und damit zu Rande zu kommen."

1.4.1. Gegen diesen Bescheid der Berufungskommission beim Bundeskanzleramt wendet sich die vorliegende auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie auf Freiheit der Meinungsäußerung behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.

1.4.2. Die Beschwerde wird - auszugsweise wiedergegeben - wie folgt begründet:

"Ein krasser Begründungsmangel besteht zunächst darin, dass in den Bescheiden 1. und 2. Instanz keine klaren Sachverhaltsfeststellungen getroffen wurden und insgesamt unklar bleibt, was als Versetzungsgrund gewertet wurde oder nur - parlierend - angeführt, bzw. 'zusätzlich' berücksichtigt wurde. Das gilt ganz besonders für die Presseberichte, bzw. die mir dadurch unterstellten Äusserungen. ...

...

Rechtsstaatlich kann es selbstverständlich nicht genügen, einfach Medienberichte zu zitieren, sondern es wäre eine Beweisaufnahme insbesondere durch Zeugeneinvernahmen erforderlich gewesen. ...(E)s (gibt) für mich überhaupt keinen Zweifel daran (...), dass meine angeblichen Pressekontakte das wahre Versetzungsmotiv sind.

...

Festzuhalten ist hier im Hinblick auf den Willküraspekt, dass mir im gesamten erstinstanzlichen Verfahren behördlich überhaupt kein Versetzungsgrund zur Kenntnis gebracht worden war, im Umweg über die Personalvertretung habe ich davon erfahren, dass es um die Medienberichterstattung gehen sollte. Nicht einmal auf irgendeinem solchen Umweg aber ist mir darüber etwas zur Kenntnis gelangt, dass Spannungen im vorangeführten Sinne eine maßgebliche Rolle gespielt haben sollten. Die erstinstanzliche Behörde hat sich bewusst über die Erfordernisse der Gewährung des Parteiengehörs und der Beweisaufnahme zu strittigen Fragen hinweggesetzt.

...

Zudem bringt die belangte Behörde ihrerseits eine Neuerung, zu welcher mir kein Parteiengehör gewährt wurde. Sie knüpft daran an, dass ich sinngemäss ausgeführt habe, dass das Erleben in dieser Angelegenheit (vor allem Untersuchungshaft) insoweit nachwirkt, als ich bei 'entsprechender Konfrontation immer noch heftig bewegt' werde. Sie folgert, bei meiner weiteren Tätigkeit an der bisherigen Dienststelle würde es fortlaufend zu solchen Konfrontationen kommen. Was sie damit in tatsächlicher Hinsicht meint, ist völlig unklar. ...

...

Wie schon angeführt, bleibt es dementsprechend weitgehend im Dunkeln, was nach Ansicht der belangten Behörde überhaupt für die Versetzung entscheidend sein soll. Sie spricht von 'Anhaltspunkten' für ein gestörtes Verhältnis zu den Mitarbeitern bzw. Richtern des Landesgerichtes für Strafsachen Wien ... und bringt damit selbst zum Ausdruck, dass es einen Beweis dafür nicht gibt, weil Anhaltspunkt nach jeder Begriffsbedeutung weniger ist als ein Beweis. Daher fragt es sich in dieser Beziehung, ob die belangte Behörde entweder jenen Versetzungsgrund zugrunde gelegt hat, der nach ihren eigenen Worten nicht als erwiesen gelten kann oder ob sie der rechtlichen Ansicht ist, dass es eines solchen Beweises nicht bedarf. Beides stellt sich in eklatantester Weise als Willkür dar.

...

Weitere nachhaltige Willkürindizien betreffen die Frage, welchen Unterschied meine Verwendung in St. Pölten für die behaupteten Versetzungsgründe einerseits, andererseits aber für meine Gesundheit und die Gesundheit meiner Familie macht.

Hinsichtlich ersteren Aspektes fehlt jedes Argument, das mein Berufungsvorbringen über ein gleichwertiges Medieninteresse in St. Pölten auch nur in Frage stellen könnte, was die Sinnlosigkeit der Versetzung gerade im Hinblick auf die effektiv massgeblichen Motive beweist.

Hinsichtlich der gesundheitlichen Auswirkungen erklärt die belangte Behörde einfach nur die von mir vorgelegten ärztlichen Atteste als 'nicht schlüssig', ohne offensichtlich auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, dass sie eine amtswegige Ermittlungspflicht hat, die schon durch ein bloßes Parteienvorbringen begründet wird und die gerade insoweit wirksam ist, als seitens einer Verfahrenspartei vorgelegte Beweismittel nicht ausreichen.

Die angefochtene Entscheidung entbehrt somit insgesamt so vollständig jeder Beweis- und Tatsachengrundlage, ist durch eine so weitgehende Missachtung der Parteirechte und der Erfordernisse der amtswegigen Sachverhaltsermittlung gekennzeichnet, dass im einleitend dargestellten Sinne ein objektiver Entscheidungswille nicht als gegeben angesehen werden kann und damit Entscheidungswillkür vorliegt.

...

... (Zum Eingriff in die Meinungsfreiheit ...) ist zunächst zusammenfassend festzuhalten, dass puncto Vertrauensbeeinträchtigung oder Spannungsverhältnis zu anderen Staatsanwälten oder Richtern im dienstlichen Nahbereich in Wien absolut keine Beweisaufnahme durchgeführt wurde und daher nach rechtsstaatlichen Gesichtspunkten weder in dieser Beziehung noch auch hinsichtlich irgend welcher Ansehensprobleme von einem Versetzungsgrund ausgegangen werden kann, so lange auch nur das minimalste Maß an Rechtsstaatlichkeit als gewahrt zu gelten hat.

Dementsprechend stellt der Komplex 'Medienrummel' den einzigen Faktor dar, der aus tatsächlich-beweismäßiger Hinsicht für die Verwertung als Versetzungsgrund in Frage kommt. Diesbezüglich aber wiederum gilt gemäss den obigen Ausführungen, dass mir in faktischer Hinsicht allein unterstellt wird, dass ich mich 'Journalisten stellte' bzw. 'Interviews' gab, ohne dass irgend eine nähere Präzisierung vorgenommen wird. Damit wird sohin das Sprechen mit Journalisten, die Beantwortung von Journalistenfragen schlechthin zum Versetzungsgrund gemacht, d.h. zu einem Tatbestand, der schwere dienstrechtliche Nachteile nach sich ziehen kann und rechtlich dahingehend gewertet wird, dass er mit dem Weiterbleiben an meiner Dienststelle unvereinbar sei. ...

Das stellt selbstverständlich einen schwerwiegenden Eingriff in das Recht auf freie Meinungsäußerung dar. An einen 60 km weit entfernten Ort versetzt zu werden, bedeutet zunächst und jedenfalls einmal gut 1 1/2 Stunden täglichen Mehraufwand an Zeit für den dienstlichen Bereich und einen entsprechenden Zeitverlust für den Privatbereich (für die Freizeit). Allein dieser konkret in meinem Fall gegebene Nachteil ist schwer genug, um jede weitere Erörterung dieses Themas überflüssig zu machen. Es sei lediglich noch daran erinnert, dass derartige Versetzungen häufig auch zu Karrierenachteilen führen können. Wenn all das einem Beamten zugemutet werden darf, nur weil er eine zulässige freie Meinungsäußerung getätigt hat, ist dieses Grundrecht erheblich reduziert. ...

Die angefochtene Entscheidung verletzt mich jedenfalls im vorangeführten Grundrecht und gemäss den oben stehenden Ausführungen auch im verfassungsgesetzlich geschützten Gleichheitsrecht."

1.5.1. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, worin sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

1.5.2. In ihrer Gegenschrift führt die Behörde im Wesentlichen Folgendes aus:

"... (S)ubjektive Willkür liegt ... schon deswegen nicht vor, weil sich die eine Versetzung des Bf. rechtfertigenden wichtigen dienstlichen Interessen aus objektiv feststehenden, hier noch einmal zusammengefassten Umständen ergeben:

Bereits die Dienstbehörde 1. Instanz hat schon am Beginn der Begründung ihres Versetzungsbescheides darauf hingewiesen, dass der Bf. wegen des in seiner Eigenschaft als Referent der Staatsanwaltschaft Wien begangenen Vergehens der Verletzung des Amtsgeheimnisses nach §310 Abs1 StGB rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Monaten, deren Vollzug bedingt nachgesehen wurde, verurteilt worden war und dieser Umstand dem Dienstbetrieb innerhalb der Staatsanwaltschaft beim Landesgericht Wien in höchstem Maß abträglich ist. Die strafrechtliche Verurteilung des Bf. bzw. die mit der Straftat auch verbundene Dienstpflichtverletzung ist Gegenstand eines bei der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Justiz noch anhängigen Disziplinarverfahrens. Unabhängig von der Frage, welche disziplinarrechtlichen Folgen diese Verurteilung nach sich ziehen wird und ob im Fall der Verhängung einer Disziplinarstrafe auch der Tatbestand des §38 Abs3 Z4 BDG 1979 erfüllt sein wird, bestand hier ein für die Versetzung notwendiges dienstliches Interesse schon deswegen, weil ein mit der Verurteilung eines Staatsanwaltes wegen einer strafbaren Verletzung seiner Amtspflichten verbundener Ansehens- und Autoritätsverlust evident ist. ...

Ein Weiterverbleib des Bf. bei der Staatsanwaltschaft Wien wäre mit den Interessen des Dienstes keinesfalls vereinbar gewesen, weil sich auf Grund der Eigenart der Tätigkeit eines Staatsanwaltes und des Zusammenwirkens zwischen Gericht und Anklagebehörde immer wieder auch Berührungspunkte zwischen dem Bf. und jenen Staatsanwälten bzw. Richtern des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, die an seiner eigenen Strafsache sowie an der Strafsache gegen A. W. und V. H. beteiligt waren, ergeben hätten.

...

Die im angefochtenen Bescheid vertretene Rechtsauffassung, dass die Distanz zwischen dem Wohnort des Bf. und seinem nunmehrigen Dienstort nicht so groß und die Verkehrsverbindungen nicht so ungünstig seien, dass das Vorliegen eines wesentlichen Nachteiles auf Grund der Versetzung im Sinne des §38 Abs4 BDG 1979 angenommen werden könnte, steht im Einklang mit der herrschenden Judikatur ..., sie kann schon deswegen nicht einen Verstoß gegen das Willkürverbot begründen. Auch bei Berücksichtigung der besonderen persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Verhältnisse des Bf. hätte die Dienstbehörde auf Grund des vorliegenden strafbaren Verhaltens des Bf. zu keinem anderen Ergebnis als der vorgenommenen Versetzung kommen können ... .

Zusammenfassend ergibt sich, dass die belangte Behörde sich bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides ausschließlich von sachlichen Erwägungen leiten ließ und diese Erwägungen in der Begründung des angefochtenen Bescheides auch ausführlich darlegte. Eine Verletzung des Gleichheitsgebotes kann somit nicht vorliegen.

Einen Eingriff in sein Recht auf freie Meinungsäußerung erblickt der Bf. im wesentlichen darin, dass allein sein Gespräch mit Journalisten und die Beantwortung ihrer Fragen ihm zum Vorwurf gemacht und als Versetzungsgrund herangezogen worden sei. Dementgegen wurde bereits im angefochtenen Bescheid ... dargestellt, dass die Frage der richtigen oder allenfalls sinnverfälschten Wiedergabe der Äußerungen des Bf. in den Medien für das gegenständliche Versetzungsverfahren nicht relevant ist. Es wurden vielmehr nur jene objektiven Umstände, die einer weiteren Tätigkeit des Bf. bei der Staatsanwaltschaft Wien abträglich wären, hervorgehoben. Schon aus diesem Grund kann ein Eingriff in die Freiheit der Meinungsäußerung nicht vorliegen."

2. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

2.1. Die im vorliegenden Fall maßgebliche und mit "Versetzung" übertitelte Bestimmung des §38 BDG 1979 hat folgenden Wortlaut:

"§38. (1) Eine Versetzung liegt vor, wenn der Beamte einer anderen Dienststelle zur dauernden Dienstleisung zugewiesen wird.

(2) Die Versetzung ist von Amts wegen zulässig, wenn ein wichtiges dienstliches Interesse daran besteht. Während des provisorischen Dienstverhältnisses ist eine Versetzung auch ohne wichtiges dienstliches Interesse zulässig.

(3) Ein wichtiges dienstliches Interesse liegt insbesondere vor

1. bei Änderungen der Verwaltungsorganisation einschließlich der Auflassung von Arbeitsplätzen oder

2. bei Besetzung eines freien Arbeitsplatzes einer anderen Dienststelle, für den keine geeigneten Bewerber vorhanden sind, wenn der Beamte die für diesen Arbeitsplatz erforderliche Ausbildung und Eignung aufweist, oder

3. wenn der Beamte nach §81 Abs1 Z3 den zu erwartenden Arbeitserfolg nicht aufgewiesen hat oder

4. wenn über den Beamten eine Disziplinarstrafe rechtskräftig verhängt wurde und wegen der Art und Schwere der von ihm begangenen Dienstpflichtverletzung die Belassung des Beamten in der Dienststelle nicht vertretbar erscheint.

(4) Bei einer Versetzung an einen anderen Dienstort von Amts wegen sind die persönlichen, familiären und sozialen Verhältnisse des Beamten zu berücksichtigen. Eine Versetzung ist - ausgenommen in den Fällen des Abs3 Z3 und 4 sowie in jenen Fällen, in denen abweichend vom Abs3 Z4 noch keine rechtskräftige Disziplinarstrafe verhängt worden ist - unzulässig, wenn sie für den Beamten einen wesentlichen wirtschaftlichen Nachteil bedeuten würde und ein anderer geeigneter Beamter, bei dem dies nicht der Fall ist, zur Verfügung steht.

(5) ...

(6) Ist die Versetzung des Beamten von Amts wegen in Aussicht genommen, so ist er hievon schriftlich unter Bekanntgabe seiner neuen Dienststelle und seiner neuen Verwendung mit dem Beifügen zu verständigen, daß es ihm freisteht, gegen die beabsichtigte Maßnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung Einwendungen vorzubringen. Werden innerhalb der angegebenen Frist solche Einwendungen nicht vorgebracht, so gilt dies als Zustimmung zur Versetzung.

(7) Die Versetzung ist mit Bescheid zu verfügen; in diesem ist festzustellen, ob der Beamte die für die Versetzung maßgebenden Gründe gemäß §§141a, 145b oder 152c BDG 1979 zu vertreten hat oder nicht. Eine Berufung gegen diesen Bescheid hat keine aufschiebende Wirkung. Der vom Beamten zuletzt innegehabte Arbeitsplatz darf bis zur Rechtskraft des Bescheides nicht auf Dauer besetzt werden.

(8) Im Fall der Versetzung an einen anderen Dienstort ist dem Beamten eine angemessene Übersiedlungsfrist zu gewähren."

2.2.1. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10.413/1985, 11.682/1988) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde den angewendeten Rechtsvorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellte oder wenn sie bei der Erlassung des Bescheides Willkür übte.

2.2.2. Da der Verfassungsgerichtshof gegen die den angefochtenen Bescheid tragenden Rechtsvorschriften (so insbesondere gegen §38 BDG 1979) keine verfassungsrechtlichen Bedenken hegt (vgl. VfSlg. 14.573/1996, S 52; ferner VfSlg. 14.658/1996, 14.854/1997 uva.) und die Bescheidbegründung keinen Anhaltspunkt für die Annahme liefert, dass die Berufungskommission dem BDG 1979 einen verfassungswidrigen Inhalt beigemessen hätte, könnte der Beschwerdeführer durch den bekämpften Bescheid im genannten Grundrecht nur verletzt worden sein, wenn der Berufungskommission Willkür zum Vorwurf zu machen wäre.

2.2.3. Darüber, welche Umstände gegeben sein müssen, damit einer Behörde Willkür anzulasten ist, lässt sich keine allgemeine Aussage treffen. Ob Willkür vorliegt, kann nur dem Gesamtbild des Verhaltens der Behörde im einzelnen Fall entnommen werden (zB VfSlg. 5491/1967, 6404/1971, 6471/1971, 8808/1980, 14.573/1996 uva.).

Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungsphäre eingreift, liegt ua. in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkei in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 und die dort angeführte Rechtspr.; VfSlg. 10.338/1985, 11.213/1987). Auch eine denkunmögliche Gesetzesanwendung kann Willkür indizieren (VfSlg. 9561/1982, 14.573/1996).

2.2.4. Keiner dieser Mängel liegt jedoch hier vor. Der Verfassungsgerichtshof vermag nicht zu erkennen, dass das Ermittlungsverfahren mit einem in die Verfassungsphäre reichenden Mangel behaftet wäre; auch kann weder von einem gehäuften Verkennen der Rechtslage noch von denkunmöglicher Gesetzesanwendung die Rede sein.

Die belangte Behörde gab nämlich in der Begründung des angefochtenen Bescheides ihre Überlegungen zum Begriff des für eine Versetzung nach §38 BDG 1979 erforderlichen "wichtigen dienstlichen Interesses" - unter zutreffender Einbeziehung (s. VfSlg. 14.573/1996, S 52) auch der detaillierten Erläuterungen zur genannten gesetzlichen Vorschrift; RV 1577 BlgNR 18. GP - einlässlich wieder. Insbesondere ihre Rechtsmeinung, ein "wichtiges dienstliches Interesse" an der (amtswegigen) Versetzung des Beschwerdeführers sei zum einen dadurch begründet, dass der Beschwerdeführer wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses nach §310 Abs1 StGB rechtskräftig (zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Monaten, bedingt auf drei Jahre) verurteilt worden sei, und liege zum anderen - sinngemäß zusammengefasst - darin, dass bei Beobachtung aller Begleitumstände in der Folge des wohl nicht vermeidbaren laufenden Zusammentreffens des Beschwerdeführers mit jenen Bediensteten der Staatsanwaltschaft Wien und Richtern des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, die mit dem gegen ihn anhängig gewesenen Strafverfahren und mit seiner Anhaltung in Untersuchungshaft befasst waren, Spannungsverhältnisse zwischen dem Beschwerdeführer und den genannten Dienstnehmern am bisherigen Dienstort zu erwarten wären, welche dadurch hintangehalten werden könnten, dass er einer anderen Dienststelle zur (dauernden) Dienstleistung zugewiesen wird, ist unter den obwaltenden Verhältnissen keinesfalls als schlechterdings denkunmöglich zu qualifizieren. Vor diesem Hintergrund kann nicht - wie dies der Beschwerdeführer tut - davon gesprochen werden, dass letztlich unklar bleibe, "was nach Ansicht der belangten Behörde überhaupt für die Versetzung entscheidend sein soll". Wenn die belangte Behörde in ihrer Bescheidbegründung in diesem Zusammenhang im Übrigen auch auf die einschlägige Medienberichterstattung Bezug nimmt, tut dies der festgestellten Vertretbarkeit ihrer Rechtsmeinung keinen Abbruch. Es kann nicht davon die Rede sein, dass - wie der Beschwerdeführer moniert - "die Beantwortung von Journalistenfragen schlechthin zum Versetzungsgrund gemacht" worden wäre; deshalb kommt auch der damit in Verbindung stehenden Beschwerderüge des Vorliegens "schwerster Verfahrensmängel" - soweit der Beschwerdeführer nicht ohnedies Gelegenheit hatte, zu den Medienberichten Stellung zu nehmen - keine einen entscheidenden Ausschlag gebende Bedeutung zu. Was wiederum die Beschwerdeausführung, dass "puncto Vertrauensbeeinträchtigung oder Spannungsverhältnis zu anderen Staatsanwälten oder Richtern im dienstlichen Nahbereich in Wien absolut keine Beweisaufnahme durchgeführt" worden wäre, betrifft, ist der belangten Behörde ein Verfahrensmangel dieser besonders schwerwiegenden Art nicht anzulasten; denn - ausgehend von ihrer immerhin vertretbaren Auslegung des §38 BDG 1979 - nahm sie von der Aufnahme weiterer Beweise und einer damit zusammenhängenden Gewährung des Parteiengehörs ersichtlich nur deshalb Abstand, weil alle relevant erachteten Tatsachen - für die Behörde - bereits offen zu Tage lagen, wie aus der Bescheidbegründung deutlich genug hervorgeht.

Schließlich ist auch die Auseinandersetzung der belangten Behörde mit den persönlichen, familiären, sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Beschwerdeführers, wie sie gemäß §38 Abs4 BDG bei einer amtswegigen Versetzung eines Beamten an einen anderen Dienstort zu berücksichtigen sind, als nicht denkunmöglich zu bewerten.

2.2.5. Abschließend bleibt festzuhalten, dass der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nicht verletzt wurde.

2.3.1. Das Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung gemäß Art10 EMRK steht unter Gesetzesvorbehalt. Der Bescheid einer Verwaltungsbehörde kann es nur dann verletzen, wenn er ohne jede gesetzliche Grundlage erging oder auf einer verfassungswidrigen Norm beruht oder wenn bei seiner Erlassung eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet wurde (vgl. VfSlg. 9909/1983, 11.572/1987).

2.3.2. Da nach dem bereits Gesagten - zusammenfassend - von einem gesetzlosen oder einem einer Gesetzlosigkeit gleichkommenden Vorgehen der belangten Behörde nicht die Rede sein kann - die Versetzungsbestimmung des §38 BDG 1979 fand, wie bereits ausgeführt, eine zumindest vertretbare Auslegung -, wurde der Beschwerdeführer auch nicht im Recht der freien Meinungsäußerung verletzt.

2.4. Angesichts des Umstandes, dass schließlich auch keine Verletzung eines sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes oder eine Rechtsverletzung in Folge Anwendung einer rechtswidrigen generellen Rechtsnorm hervorkam, musste die Beschwerde als unbegründet abgewiesen werden.

2.5. Ob der bekämpften Entscheidung eine in jeder Hinsicht richtige Gesetzesanwendung zu Grunde liegt, hat der Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch nicht in einem wie hier vorliegenden Fall, in dem eine Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof nicht in Betracht kommt (vgl. VfSlg. 9541/1982 und die dort angeführte Rechtspr.; VfSlg. 14.807/1997 uva.).

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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