VfGH B582/98

VfGHB582/9821.6.2000

Keine Bedenken gegen die pauschalierende Kostenregelung im Disziplinarverfahren für Rechtsanwälte; keine Unsachlichkeit und keine Einräumung eines schrankenlosen Ermessens; keine willkürliche oder denkunmögliche Gesetzesanwendung sowie kein Ermessensexzeß bei Vorschreibung der Pauschalkosten in einem Disziplinarverfahren gegen den beschwerdeführenden Rechtsanwalt

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art18 Abs1
StGG Art5
DSt 1990 §41
StPO §381
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art18 Abs1
StGG Art5
DSt 1990 §41
StPO §381

 

Spruch:

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.1. Der Beschwerdeführer ist Rechtsanwalt in Oberösterreich. Mit Bescheid des Disziplinarrates der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer (im folgenden: Disziplinarrat) vom 10. Juli 1995 wurde er wegen der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes zu einer Disziplinarstrafe von S 40.000,- verurteilt. Der Berufung an die Oberste Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (im folgenden: OBDK) wurde mit Bescheid vom 21. April 1997 hinsichtlich Schuld keine Folge gegeben, hingegen wurde der Berufung gegen den Strafausspruch dahingehend Folge gegeben, daß über den Beschwerdeführer unter Bedachtnahme auf das Erkenntnis des Disziplinarrates vom 15. Februar 1995 eine Zusatzstrafe in der Höhe von S 35.000,- verhängt wurde.

1.2. Mit Bescheid des Disziplinarrates vom 29. Juli 1997 wurden die vom Beschwerdeführer zu ersetzenden Kosten des Disziplinarverfahrens wie folgt festgesetzt:

Pauschalkosten für die 1. Instanz anteilig: S 7.000,-

Pauschalkosten für die 2. Instanz anteilig: S 4.000,-

Barauslagen: S 3.481,-

Summe: S 14.481,-

Der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde gab die OBDK mit Bescheid vom 1. Dezember 1997 keine Folge.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unverletzlichkeit des Eigentums sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides begehrt wird.

3. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, erstattete jedoch keine Gegenschrift.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1.1. Der Beschwerdeführer behauptet, der angefochtene Bescheid stütze sich auf die verfassungswidrige Bestimmung des §41 Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter, BGBl. 1990/474 (im folgenden: DSt 1990). Die in Abs2 der zitierten Gesetzesstelle enthaltene Regelung über die Pauschalkosten "leiste einer willkürlichen Ermessensausübung geradezu Vorschub": Es werde zwar der tatsächlich anfallende Verfahrensaufwand ins Zentrum der Festlegung der Verfahrenskosten gestellt, es würden jedoch keine Richtsätze etwa für die Kosten einer Disziplinarverhandlung existieren, sodaß die Kostenfestsetzung nur willkürlich geschehen könne.

1.2. §41 DSt 1990 lautet:

"(1) Nach Rechtskraft des Disziplinarerkenntnisses ist die Höhe der vom Beschuldigten zu ersetzenden Kosten (Pauschalkosten und Barauslagen) vom Vorsitzenden des Senats mit Beschluß festzusetzen.

(2) Die Pauschalkosten sind nach Maßgabe des Umfanges und des Ausgangs des Verfahrens unter Vermeidung unbilliger Härten zu bemessen; sie dürfen 5 vH des im §16 Abs1 Z2 genannten Betrags nicht übersteigen.

(3) Die Barauslagen des Disziplinarverfahrens erster und zweiter Instanz hat die Rechtsanwaltskammer am Sitz des Disziplinarrats vorläufig zu tragen.

(4) Wird der Beschuldigte freigesprochen oder sind die Verfahrenskosten uneinbringlich, so hat die Rechtsanwaltskammer, die die Barauslagen vorläufig getragen hat, diese endgültig zu tragen, in den Fällen der §§6 und 25 jedoch diejenige, in deren Liste der Rechtsanwalt eingetragen ist."

Der Beschwerdeführer behauptet im wesentlichen die Verfassungswidrigkeit einer Kostenpauschalierung, wie sie etwa §41 Abs2 DSt 1990 vorsieht. Dem ist entgegenzuhalten, daß es innerhalb des - zulässigen - rechtspolitischen Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers liegt, wenn sich der Gesetzgeber dafür entscheidet, daß die Kosten nicht für die einzelnen in Anspruch genommenen Leistungen, sondern mit einem Gesamtbetrag für das ganze Verfahren errechnet und bestimmt werden (vgl. etwa zur Zulässigkeit einer pauschalierenden Regelung im Steuerrecht VfSlg. 7136/1973, 8457/1978, 11615/1988, 11775/1988). Der Verfassungsgerichtshof vermag in dieser Regelung über die Bemessung der Pauschalkosten, insbesondere darin, daß die Pauschalkosten 5 % des im §16 Abs1 Z2 DSt 1990 genannten Betrages nicht übersteigen dürfen, jedenfalls keine Unsachlichkeit zu erblicken.

§41 Abs2 DSt 1990 wäre nur dann unter dem Aspekt des Art18 B-VG verfassungswidrig, wenn der Behörde bei der Bestimmung des Kostenbetrages durch eine mangelnde Determiniertheit des Gesetzes schrankenloses Ermessen eingeräumt werde, denn das im Art18 Abs1 B-VG verankerte Rechtsstaatsprinzip gebietet, daß die Gesetze einen Inhalt haben müssen, durch den das Verhalten der Behörde vorherbestimmt ist. Es ist jedoch - wie sich aus Art130 Abs2 B-VG ergibt - verfassungsgesetzlich zulässig, daß der einfache Gesetzgeber von einer bindenden Regelung des Verhaltens der Verwaltungsbehörde absieht und diese zur Ermessensausübung ermächtigt. Von diesem Ermessen kann die Behörde jedoch nur im Sinne des Gesetzes Gebrauch machen. In diesem Falle müßte das Gesetz die Kriterien, welche für die Ermessensausübung maßgebend sind, normieren (s. zB VfSlg. 5810/1968, 12399/1990, 12497/1990). Die Einräumung von Ermessen ohne jede Eingrenzung, in welchem Sinn das Ermessen auszuüben ist, ist verfassungswidrig (vgl. ua. VfSlg. 5240/1966, 12399/1990, 14715/1996).

Schon aufgrund des Wortlautes des §41 Abs2 DSt 1990 kann von einer verfassungswidrigen Einräumung schrankenlosen Ermessens im Sinne der dargestellten Judikatur des Verfassungsgerichtshofes keine Rede sein. §41 Abs2 DSt 1990 bindet die Behörde für die Festsetzung der Höhe der Pauschalkosten an folgende Kriterien: Es wird eine Obergrenze in der Höhe von 5% des im §16 Abs1 Z2 DSt 1990 genannten Betrages festgelegt und auf den Umfang und den Ausgang des Verfahrens sowie (arg. "Vermeidung unbilliger Härten") auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Disziplinarbeschuldigten abgestellt. Daß das Gesetz nicht konkret die Kosten für jede erdenkliche Leistung der Disziplinarbehörde in exakter Weise festlegt, sondern ausfüllungsbedürftige unbestimmte Gesetzesbegriffe verwendet, liegt im Wesen einer an sich zulässigen Kostenpauschalierung (wie sie etwa auch in §381 der Strafprozeßordnung zu finden ist).

1.3. Die dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegende Bestimmung des §41 Abs2 DSt 1990 verstößt weder gegen den Gleichheitsgrundsatz noch gegen das Bestimmtheitsgebot des Art18 B-VG. Der Beschwerdeführer ist daher nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

2. Zu den geltend gemachten Vollzugsfehlern:

2.1.1. Zur behaupteten Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz führt die Beschwerde aus, daß der Begründung des angefochtenen Bescheides hinsichtlich der Höhe der Pauschalkosten "kein Begründungswert" zukomme, weil eine Überprüfbarkeit der Kostenberechnung nicht möglich sei. Des weiteren bekämpft der Beschwerdeführer die Höhe der bescheidmäßig festgesetzten Pauschalkosten: Bei richtiger Handhabung der Kriterien "Ausgang des Verfahrens" und "Umfang des Verfahrens" in §41 Abs2 DSt 1990 hätte der Kostenbetrag geringer ausfallen müssen, weil die Höhe der festgelegten Pauschalkosten in keinem Verhältnis zur im Disziplinarverfahren verhängten (geringen) Strafe stehe. Völlig außer Acht gelassen habe die belangte Behörde, daß im vorangegangenen Disziplinarverfahren der Berufung hinsichtlich der Strafe Folge gegeben wurde. Dies hätte bei der Berechnung der Kosten berücksichtigt werden müssen, weil nach §41 Abs2 DSt 1990 auch auf den Ausgang des Disziplinarverfahrens abzustellen sei. Zudem habe es die belangte Behörde im Hinblick auf das geringe Einkommen des Beschwerdeführers unterlassen, eingehend zu begründen, warum keine unbillige Härte iS des §41 Abs2 leg.cit. vorliege.

2.1.2. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10413/1985, 11682/1988) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.

Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt ua. in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 und die dort angeführte Rechtsprechung; VfSlg. 10338/1985, 11213/1987).

2.1.3. Die belangte Behörde legte in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise dar, wie sie zur Annahme der Pauschalkosten in der Höhe von insgesamt S 11.000,- gelangt ist. Aus dem im Punkt II.2.1.2. dargestellten - vom Gerichtshof anzulegenden - Prüfungsmaßstab ergibt sich, daß der Verfassungsgerichtshof nicht zu befinden hat, ob die belangte Behörde die Festlegung der Höhe der Pauschalkosten richtig vorgenommen hat, also wie die OBDK von ihrem Ermessen Gebrauch gemacht hat. Davon, daß die belangte Behörde einen Ermessensexzeß und damit einen so schweren Fehler begangen hätte, daß der Bescheid der belangten Behörde wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage willkürlich ergangen wäre, kann keine Rede sein.

2.2.1. Der Beschwerdeführer behauptet weiters, die belangte Behörde habe aus den bereits sub titulo des Gleichheitsgrundsatzes genannten Gründen durch die Festsetzung der Kosten das Gesetz in denkunmöglicher Weise angewendet, sodaß der angefochtene Bescheid den Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums verletze.

2.2.2. Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides (vgl. Punkt II.1.2.) würde dieser das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums nur verletzen, wenn die Behörde das Gesetz in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre (zB VfSlg. 10370/1985, 11470/1987).

Zur Begründung, daß kein derartiger schwerer Fehler vorliegt, genügt es, auf die Ausführungen unter Punkt II.2.1.3. zu verweisen. Es kann der belangten Behörde sohin auch keine denkunmögliche Anwendung des §41 Abs2 DSt 1990 vorgeworfen werden.

Der Beschwerdeführer wurde nicht in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und Unverletzlichkeit des Eigentums verletzt.

2.3. Ob der angefochtene Bescheid in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde - wie im vorliegenden Fall - gegen eine Entscheidung einer Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG richtet, die beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann.

2.4. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde.

3. Die Beschwerde war daher abzuweisen.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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