VfGH B1678/97

VfGHB1678/9723.2.1999

Verletzung im Gleichheitsrecht durch Vorschreibung von Beiträgen zum Wohlfahrtsfonds einer Ärztekammer aufgrund denkunmöglicher Anwendung der Bestimmungen über die Errechnung der gewinnabhängigen Beitragsobergrenze; krasse Verkennung der Rechtslage und Unterlassung jeder nachvollziehbaren Ermittlung und Begründung im entscheidungswesentlichen Punkt

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
BeitragsO für 1994 des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien
VwGG §63 Abs1
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
BeitragsO für 1994 des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien
VwGG §63 Abs1

 

Spruch:

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters Verfahrenskosten in Höhe von S 18.000,-- binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Beschwerdeführer ist Facharzt für Zahn- Mund und Kieferheilkunde sowie Universitätsprofessor und Klinikvorstand an der Universitätsklinik Wien. Darüber hinaus erzielt er Einkünfte aus selbständiger ärztlicher Tätigkeit.

Mit Bescheid des Verwaltungsausschusses des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien vom 7. August 1995 wurde dem Beschwerdeführer der Beitrag für das Jahr 1994 für den Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien vorgeschrieben. Die dagegen an den Beschwerdeausschuß des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien gerichtete Beschwerde blieb erfolglos, doch hob der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 19. Dezember 1996, 96/11/0121 den Bescheid des Beschwerdeausschusses auf. Dieses Erkenntnis wurde zusammenfassend damit begründet, daß die Annahme der Höhe der Bemessungsgrundlage aus dem Akt nicht erkennbar und die Prüfung der Rechtsrichtigkeit des Bescheides daher nicht möglich sei. Die belangte Behörde habe es unterlassen, Ermittlungen darüber anzustellen, in welcher Höhe der Beschwerdeführer Einkünfte aus ärztlicher Tätigkeit erzielt habe und auf Grund welcher Annahmen sie zu der im angefochtenen Bescheid festgesetzten Beitragsschuld gelangte. Im fortgesetzten Verfahren bestätigte der Beschwerdeausschuß u nach Beischaffung weiterer Unterlagen u mit Bescheid vom 17.4.1997 neuerlich die seinerzeitige Beitragsfestsetzung.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde. In ihr rügt der Beschwerdeführer zunächst eine Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht aller Staatsbürger auf Gleichheit vor dem Gesetz (Art7 B-VG, Art2 StGG).

Weiters bringt der Beschwerdeführer Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der Beitragsordnung 1994 des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien vor und richtet an den Verfassungsgerichtshof die Anregung, diese auf ihre Gesetzmäßigkeit zu prüfen und begehrt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

3. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die u zulässige u Beschwerde erwogen:

1. Der Beschwerdeführer wirft der belangten Behörde vor, die Höhe des zu entrichtenden Beitrages in einer nicht nachvollziehbaren Art und Weise und nach einer falschen u in der Beitragsordnung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien nicht vorgesehenen u Methode berechnet zu haben. Schon mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer im Recht:

1.1. Die als Verordnung zu qualifizierende Beitragsordnung für 1994 des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien, kundgemacht in der Zeitschrift "Wiener Arzt" 1994, Heft 4a, schreibt für die Berechnung der Beiträge folgende Berechnungsmethode vor:

Bemessungsgrundlage ist gemäß ArtI Abs1 dieser Beitragsordnung der gesamte Umsatz aus ärztlicher Tätigkeit. Unter Umsatz ist das Entgelt für die ärztliche Tätigkeit zu verstehen. Zur Bemessungsgrundlage gehört auch das aus einem Arbeitsverhältnis gebührende Bruttogrundgehalt. Die Höhe des Fondsbeitrages beträgt gemäß ArtI Abs2 der Beitragsordnung für 1994 9,9 vH der Bemessungsgrundlage.

Gemäß ArtI Abs4 der Beitragsordnung darf der Fondsbeitrag in absoluten Zahlen höchstens S 350,000,-- im Jahr betragen. Ferner darf der Fondsbeitrag 19,5 vH des Gewinnes aus ärztlicher Tätigkeit nicht übersteigen. Die Abs5 und 6 des ArtI der Beitragsordnung enthalten nähere Bestimmungen über die Berechnung des Gewinnes im Sinne der vorgenannten u die beiden Grenzbeträge regelnden u Bestimmung. Die Abs5 und 6 des ArtI der Beitragsordnung sind daher für die Berechnung der Bemessungsgrundlage nicht heranzuziehen. Ebensowenig ist der in ArtI Abs4 der Beitragsordnung genannte Höchstsatz von 19,5 vH des Gewinnes dem regelmäßig anzuwendenden Beitragssatz gleichzusetzen; dieser Prozentsatz bezeichnet vielmehr eine Höchstgrenze, die der nach ArtI Abs1 und 2 der Beitragsordnung zu errechnende Beitrag keinesfalls überschreiten darf.

1.2. Der Beschwerdeausschuß des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien hat diese eindeutige Rechtslage krass verkannt:

Zwar hat der Beschwerdeausschuß weitere u für die Berechnung des Umsatzes des Beschwerdeführers aus ärztlicher Tätigkeit wesentliche u Unterlagen beigeschafft. Sodann aber hat der Beschwerdeausschuß die Beitragsschuld des Beschwerdeführers berechnet, indem er zunächst nach ArtI Abs5 und 6 der Beitragsordnung für 1994 des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien den Gewinn des Beschwerdeführers im - entscheidenden - drittvorangegangenen Jahr errechnet hat. Diesem Gewinn hat der Beschwerdeausschuß gemäß ArtI Abs7 der Beitragsordnung die bereits entrichteten Fondsbeiträge hinzugeschlagen. Den sich daraus ergebenden Betrag hat der Beschwerdeausschuß als Bemessungsgrundlage angenommen und davon unter Anwendung des in ArtI Abs4 der Beitragsordnung festgesetzten Höchstsatzes von 19,5 vH als "für das Jahr 1994 geltenden Beitragssatz" die Beitragsschuld des Beschwerdeführers berechnet. Lediglich "(d)er Vollständigkeit halber" wird "noch erwähnt, daß die Alternativberechnung nach dem ... Umsatz" ebenso wie die tatsächlich vorgenommene Berechnung zur Vorschreibung des Höchstsatzes von S 350.000,-- führen würde.

2.1. Der Beschwerdeausschuß des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien hat somit zur Berechnung der Beitragsschuld des Beschwerdeführers Bestimmungen herangezogen, die nach dem klaren Wortlaut und Sinn der auf den Beschwerdefall anzuwendenden Beitragsordnung für 1994 ausschließlich der Errechnung jenes Betrages dienen, der in Abhängigkeit vom Gewinn des Beitragsschuldners keinesfalls überschritten werden darf.

Die vom Beschwerdeausschuß in Verkennung der Rechtslage als "Alternativberechnung" bezeichnete, in Wahrheit einzig richtige Berechnung wird hingegen im angefochtenen Bescheid nicht angestellt. Die Berechnung der Beitragsschuld nach ArtI Abs1 und 2 kann dem angefochtenen Bescheid somit nicht entnommen werden. Der Beschwerdeausschuß hat es sohin ungeachtet seiner gemäß §63 Abs1 VwGG bestehenden Bindung an das aufhebende Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Dezember 1996, 96/11/0121 abermals unterlassen, im entscheidungswesentlichen Punkt eine auf entsprechende Ermittlungen gestützte Begründung vorzunehmen, die eine nachprüfende Kontrolle des angefochtenen Bescheides ermöglicht.

2.2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes kann der Behörde unter anderem dann ein willkürliches Verhalten vorgeworfen werden, wenn sie den Beschwerdeführer aus unsachlichen Gründen benachteiligt hat oder aber, wenn der angefochtene Bescheid wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage in einem besonderen Maße mit den Rechtsvorschriften in Widerspruch steht (zB VfSlg. 10337/1985, 11436/1987).

Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 und die dort angeführte Rechtsprechung; VfSlg. 10338/1985, 11213/1987). Darüber hinaus begründet das Unterlassen jeglicher Begründung nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes Willkür (VfSlg. 12477/1990).

2.3. Mit der dargestellten Vorgangsweise hat der Beschwerdeausschuß die Bestimmungen über die Errechnung der gewinnabhängigen Beitragsobergrenze in denkunmöglicher Weise auf die Berechnung der Beitragsschuld des Beschwerdeführers angewendet, die Rechtslage krass verkannt und im entscheidungswesentlichen Punkt jede nachvollziehbare Ermittlung und Begründung unterlassen. Damit hat er gegenüber dem Beschwerdeführer Willkür geübt.

Der angefochtene Bescheid war daher schon deswegen aufzuheben, ohne daß auf das weitere Vorbringen des Beschwerdeführers einzugehen war.

3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von S 3.000,-- enthalten.

4. Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z2 VerfGG in nichtöffentlicher mündlicher Sitzung beschlossen werden.

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