Normen
StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung
KAG §3 Abs2 lita
Oö KAG §3a Abs2
StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung
KAG §3 Abs2 lita
Oö KAG §3a Abs2
Spruch:
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Erwerbsausübungsfreiheit verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Das Land Oberösterreich ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit S 37.800,-- bestimmten Prozeßkosten binnen vierzehn Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit Bescheid der O.ö. Landesregierung vom 28. September 1992 wurde dem Beschwerdeführer (einem Facharzt für Radiologie in Freistadt) die Betriebsbewilligung gemäß dem
O.ö. Krankenanstaltengesetz 1976, LGBl. Nr. 10, (im folgenden kurz: O.ö. KAG) für ein Institut für bildgebende Verfahren - in der Rechtsform eines selbständigen Ambulatoriums gemäß §2 Z7 leg.cit. - erteilt.
Mit Schreiben vom 22. März 1994 ersuchte der Beschwerdeführer um die Erteilung der Errichtungsbewilligung für die Erweiterung des angeführten Institutes um eine Kernspintomographie-Einrichtung (MR-Diagnostikeinrichtung) sowie um ein Osteodensitometriegerät gemäß §5 Abs1 lith O.ö. KAG.
Die O.ö. Landesregierung sprach darüber mit Bescheid vom 26. Februar 1997 wie folgt ab:
"I. Das Ansuchen um Bewilligung der Erweiterung wird hinsichtlich der Kernspintomographie-Einrichtung (MR-Diagnostikeinrichtung) abgewiesen.
II. Das Ansuchen um Bewilligung der Erweiterung wird hinsichtlich des Osteodensitometriegerätes zurückgewiesen."
2. Gegen diesen Bescheid (und zwar erkennbar nur gegen Pkt. I. des Spruches) wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der in erster Linie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes (§3a Abs1 lita und Abs2 O.ö. KAG), ferner auch die Verletzung näher bezeichneter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
3.a) Die O.ö. Landesregierung legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie begehrt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
b) Drei der beteiligten Parteien haben Äußerungen erstattet.
c) Der Beschwerdeführer hat auf Gegenschrift und Äußerungen repliziert.
4.a) Der Verfassungsgerichtshof hat am 12. März 1998 beschlossen, aus Anlaß der vorliegenden Beschwerde gemäß Art140 Abs1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung nachstehender gesetzlicher Bestimmungen einzuleiten, nämlich
der Wortfolge "bei Errichtung einer Krankenanstalt in der Betriebsform eines selbständigen Ambulatoriums auch im Hinblick auf das Versorgungsangebot durch niedergelassene Kassenvertragsärzte, kasseneigene Einrichtungen und Vertragseinrichtungen der Kassen," im §3a Abs2 des
O.ö. Krankenanstaltengesetzes 1976, LGBl. Nr. 10 idF der
O.ö. Krankenanstaltengesetz-Novelle 1994, LGBl. Nr. 61, und der Wortfolge "bei Errichtung einer Krankenanstalt in der Betriebsform eines selbständigen Ambulatoriums auch im Hinblick auf das Versorgungsangebot durch niedergelassene Kassenvertragsärzte, kasseneigene Einrichtungen und Vertragseinrichtungen der Kassen," im §3 Abs2 lita des Krankenanstaltengesetzes, BGBl. Nr. 1/1957 idF BGBl. Nr. 801/1993.
b) Mit Erkenntnis vom heutigen Tage, G64,65/98, hob er die in Prüfung gezogenen Gesetzesbestimmungen nicht als verfassungswidrig auf.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige (s. neuerlich das Erkenntnis vom heutigen Tage, G64,65/98) - Beschwerde erwogen:
1.) Der Beschwerdeführer macht in erster Linie geltend, die den angefochtenen Bescheid tragenden Bestimmungen des O.ö. KAG seien verfassungswidrig.
Diese Annahme ist - wie sich aus dem wiederholt zitierten Erkenntnis G64,65/98 ergibt - unzutreffend.
Der Beschwerdeführer wurde sohin durch den angefochtenen Bescheid nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt.
2. Er bringt weiters vor, in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden zu sein, insbesondere wirft er der belangten Behörde vor, die Bestimmung des §3a O.ö. KAG in denkunmöglicher, das Recht des Beschwerdeführers auf Erwerbsfreiheit verletzender Weise angewendet zu haben.
Mit diesem Vorwurf ist der Beschwerdeführer im Ergebnis im Recht; dies aus folgenden Gründen:
a) Dem §3a Abs1 lita O.ö. KAG idF der Novelle 1994 zufolge ist eine der Voraussetzungen für die Erteilung einer Errichtungsbewilligung u.a., daß ein Bedarf iS des Abs2 gegeben ist.
aa) §3a Abs2 leg.cit. lautet auszugsweise:
"(2) Der Bedarf nach einer Krankenanstalt mit dem angegebenen Anstaltszweck und dem in Aussicht genommenen Leistungsangebot ist unter Beachtung der Höchstzahl der systemisierten Betten nach dem O.ö. Krankenanstaltenplan (§21 Abs4) im Hinblick auf das in angemessener Entfernung bereits bestehende Versorgungsangebot öffentlicher, privater gemeinnütziger und sonstiger Krankenanstalten mit Kassenverträgen sowie bei Errichtung einer Krankenanstalt in der Betriebsform eines selbständigen Ambulatoriums auch im Hinblick auf das Versorgungsangebot durch niedergelassene Kassenvertragsärzte, kasseneigene Einrichtungen und Vertragseinrichtungen der Kassen, bei Zahnambulatorien auch im Hinblick auf niedergelassene Dentisten mit Kassenvertrag, zu beurteilen. ...."
bb) Unter Krankenanstalt iS des O.ö. KAG sind - dessen §2 Z1 bzw. Z7 zufolge - sowohl "Allgemeine Krankenanstalten" als auch "selbständige Ambulatorien, ... das sind organisatorisch selbständige Einrichtungen, die der Untersuchung oder Behandlung von Personen dienen, die der Aufnahme in Anstaltspflege nicht bedürfen" zu verstehen.
cc) Gemäß §32 Abs1 leg. cit. (seit der Wiederverlautbarungs-Kundmachung im o.ö. LGBl. Nr. 132/1997: §50 Abs1) sind in öffentlichen Krankenanstalten (ua) der in §2 Z1 bezeichneten Art, Personen, die einer Aufnahme in Anstaltspflege nicht bedürfen, ambulant zu untersuchen oder zu behandeln, wenn es
"a) zur Leitung erster ärztlicher Hilfe oder
b) zur Behandlung nach erster ärztlicher Hilfe oder in Fortsetzung einer in der Krankenanstalt erfolgten Pflege, die im Interesse des Behandelten in derselben Krankenanstalt durchgeführt werden muß, oder
c) über ärztliche Zuweisung zur Anwendung von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden mit solchen Behelfen, die außerhalb der Anstalt in angemessener Entfernung vom Wohnort des Patienten nicht in geeigneter Weise oder nur in unzureichendem Ausmaß zur Verfügung stehen, oder
d) über ärztliche Zuweisung zur Befunderhebung vor Aufnahme in die Anstaltspflege oder
- e) im Zusammenhang mit Organ- oder Blutspenden oder
- f) zur Durchführung klinischer Prüfungen von Arzneimitteln oder Medizinprodukten oder
g) für Maßnahmen der Fortpflanzungsmedizin notwendig ist."
§32 Abs2 O.ö. KAG (nunmehr wiederlautbart als §50 Abs2) lautet:
"(2) Ferner steht den im Abs1 genannten Krankenanstalten das Recht zu, Vorsorgeuntersuchungen ambulant durchzuführen. Die Aufnahme dieser Tätigkeit ist der Landesregierung anzuzeigen."
b) Der Verwaltungsgerichtshof vertritt zur Bedarfsprüfung iS des §3a Abs2 leg. cit. (entspricht §3 Abs2 B-KAG) hinsichtlich von Krankenanstalten, die in der Betriebsform eines selbständigen Ambulatoriums geführt werden sollen, in nunmehr ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß bei dieser Bedarfsprüfung Krankenhausambulatorien nicht zu berücksichtigen seien (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 20. Jänner 1998, Zl. 96/11/0103 und vom 24. Februar 1998, Zl. 96/11/0155, mit Hinweisen auf die Vorjudikatur).
Der Verfassungsgerichtshof schließt sich dieser Auffassung an:
aa) Dafür spricht der Aufgabenkreis, den der Gesetzgeber den öffentlichen Krankenanstalten hinsichtlich ambulanter Untersuchungen und Behandlungen zugeordnet hat, von dem neben anderen - idR mit einem bevorstehenden oder bereits beendeten stationären Aufenthalt in Zusammenhang stehenden (§32 Abs1 litb und d O.ö. KAG) oder auf den hier interessierenden Fragenkreis keinerlei Bezug habenden (§32 Abs1 lite, f und g O.ö. KAG) - Behandlungen und Untersuchungen hervorzuheben ist, daß er - sofern nicht erste Hilfe iS des §32 Abs1 lita O.ö. KAG geboten ist oder eine Vorsorgeuntersuchung vorliegt (§32 Abs2 leg. cit.) - ambulante Behandlungen und Untersuchungen über ärztliche Zuweisung nur bei fehlender oder unzureichender Bedarfsdeckung außerhalb der Anstalt umfaßt.
bb) Es kann auf sich beruhen, ob einer öffentlichen Krankenanstalt die ambulante Behandlung und Untersuchung über den Rahmen des §32 O.ö. KAG hinaus erlaubt ist oder nicht: Da die ambulante Behandlung und Untersuchung jedenfalls nicht in erster Linie, sondern nur subsidiär, dh soweit und solange eine anderweitige Bedarfsdeckung fehlt, zu ihren Aufgaben gehört, kann und soll die Möglichkeit der Bedarfsdeckung durch eine Krankenhausambulanz der Errichtung eines selbständigen Ambulatoriums nach dem Willen des Gesetzgebers nicht im Wege stehen. Der zur Behandlung in einem Krankenhausambulatorium in erster Linie vorgesehene Personenkreis stationär aufgenommener (oder aufgenommen gewesener bzw. aufzunehmender) Personen ist ganz offenkundig verschieden von dem ambulant zu untersuchenden und zu behandelnden Personenkreis, für den (ua) ein selbständiges Ambulatorium bestimmt ist.
c) Demgegenüber hat die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides zwar eingeräumt, daß Kassenvertragspraxen, kasseneigene Einrichtungen und Vertragseinrichtungen der Kassen in angemessener Entfernung von dem in Aussicht genommenen Standort des Ambulatoriums des Beschwerdeführers nicht vorhanden seien, ihre Annahme des fehlenden Bedarfs jedoch nicht nur auf vorhandene (und im einzelnen festgestellte) selbständige Ambulatorien mit Kassenverträgen gestützt, sondern auch auf die Bedarfsdeckung durch drei Krankenanstalten in Linz. Damit hat sie aber - ohne daß sie das allfällige Vorliegen der oben (Punkt b) cc)) genannten besonderen Voraussetzungen näher geprüft und in der Begründung des angefochtenen Bescheides im einzelnen dargelegt hätte - einen Gesichtspunkt in die Bedarfsprüfung einbezogen, der nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes schon auf einfachgesetzlicher Ebene und nach der im Erkenntnis vom heutigen Tage, G64,65/98, dargelegten Rechtsanschauung des Verfassungsgerichtshofes auch aus verfassungsrechtlicher Sicht in keinem Sachzusammenhang mit den Bestimmungsgründen verfassungsrechtlich zulässiger Eingriffe in die Erwerbsfreiheit im hier in Rede stehenden Bereich steht.
3. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung wird nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes durch einen in das Schutzgut der Erwerbsausübungsfreiheit eingreifenden Bescheid ua dann verletzt, wenn mit diesem einem Staatsbürger der Antritt oder die Ausübung einer bestimmten Erwerbsbetätigung untersagt wird, ohne daß ein Gesetz die Behörde zu einem solchen die Erwerbstätigkeit einschränkenden Bescheid ermächtigt, oder wenn die Behörde bei der Erlassung des Bescheides ein verfassungsmäßiges Gesetz oder eine gesetzmäßige Verordnung in verfassungswidriger Weise angewendet hat (zB VfSlg. 10386/1995; 11501/1997).
Eine solche Rechtsverletzung liegt der belangten Behörde nach dem Gesagten hier zur Last.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 6.300,-- enthalten.
5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z1 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
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