Spruch:
Die Beschwerdeführer sind durch die angefochtenen Bescheide im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.
Die Bescheide werden aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Finanzen) ist schuldig, den Beschwerdeführern zuhanden ihrer Rechtsvertreter die mit jeweils S 18.000,- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Am 24. Mai 1994 verstarb S E. Ihr Nachlaß enthielt auch Vermögenswerte, die "endbesteuert" waren, dh. einer Steuerabgeltung unterlagen, wie sie in §15 Abs1 Z17 Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955 BGBl. 141 (in der Folge: ErbStG) umschrieben ist.
Die Erblasserin hatte den Beschwerdeführern Bargeldbeträge von jeweils S 4,000.000,- vermacht. Ausgehend davon berücksichtigten die Abgabenbehörden jeweils Freibeträge von S 1.500,- (§14 Abs1 ErbStG) und schrieben jedem Beschwerdeführer eine 42%ige Erbschaftssteuer in der Höhe von S 1,679.370,- vor.
2. Die Beschwerdeführer machten in ihren Berufungen die Erbschaftssteuerbefreiung gemäß §15 Abs1 Z17 ErbStG geltend.
Die belangte Finanzlandesdirektion für Tirol wies die Berufungen als unbegründet ab.
3. Gegen die Berufungsbescheide richten sich die vorliegenden, auf Art144 B-VG gestützten Beschwerden, in denen die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes, nämlich des §15 Abs1 Z17 ErbStG, und die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte (der Sache nach des Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Bescheide beantragt wird.
4. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie beantragt, die zu B129/97 protokollierte Beschwerde als unbegründet abzuweisen und die beiden anderen Beschwerden als verspätet zurückzuweisen. Zur Rechtzeitigkeit dieser beiden Beschwerden führt sie aus, die angefochtenen Bescheide seien, wie sich aus den Rückscheinen ergebe, nachweislich am 3. Dezember 1996 zugestellt worden, sodaß die sechswöchige Beschwerdefrist am 14. Jänner 1997 geendet habe. Die am 15. Jänner 1997 zur Post gegebenen Beschwerden seien daher verspätet eingebracht worden.
5. Die Beschwerdeführer zu B130/97 und zu B132/97 beantragten daraufhin, ihnen die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist zu bewilligen. In diesem Antrag sowie in später eingebrachten, ergänzenden Ausführungen wird - zusammengefaßt wiedergegeben - behauptet, die angefochtenen Bescheide seien tatsächlich erst am 4. Dezember 1996 zugestellt worden. Dementsprechend sei auf den zugestellten Ausfertigungen der Bescheide dieses Datum vermerkt worden, unter dem selben Datum seien sie im Posteingangsbuch des Steuerberaters eingetragen worden, der die Wiedereinsetzungswerber im Abgabenverfahren vertreten habe. Die zuständige Mitarbeiterin des Steuerberaters könne sich nicht erklären, wie es dazu gekommen sei, daß auf den Rückscheinen (unter dem Stempel der Steuerberatungskanzlei) das Datum mit dem 3. Dezember 1996 gesetzt worden sei.
Die Wiedereinsetzungswerber legten ua. eine Kopie aus dem Posteingangsbuch des Steuerberaters und ein Schreiben des Steuerberaters an den Beschwerdevertreter vor.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. Zur Zulässigkeit:
1.1. Zur Beschwerde zu B129/97:
Der angefochtene Bescheid wurde der Beschwerdeführerin, wie in der Beschwerde behauptet und in der Gegenschrift eingeräumt wird und wie sich aus dem Rückschein ergibt, der in den Verwaltungsakten einliegt, am 4. Dezember 1996 zugestellt. Die sechswöchige Beschwerdefrist (§82 Abs1 VerfGG) endete daher am 15. Jänner 1997; die Beschwerde, die an diesem Tag zur Post gegeben wurde, ist somit rechtzeitig eingebracht worden. Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist die Beschwerde zulässig.
1.2. Zu den Beschwerden zu B130/97 und zu B132/97:
1.2.1. Die Rückscheine, die in den Verwaltungsakten einliegen, zeigen folgendes Bild: Sie enthalten einen Rundstempel des Zustellpostamtes vom 3. Dezember 1996 und im Feld für die Übernahmsbestätigung den Stempel der Steuerberatungskanzlei, eine Unterschrift und jeweils das Datum "3. 12. 96". Die Rückscheine langten am 6. Dezember 1996 bei der Vereinigten Einlaufstelle der belangten Behörde und anderer Stellen ein.
Die Eingangsstempel auf den zugestellten Ausfertigungen der angefochtenen Bescheide und die Eintragung im Eingangsbuch des Steuerberaters lauten auf das Zustelldatum 4. Dezember 1996.
1.2.2. Der Verfassungsgerichtshof würdigt die vorgelegten Urkunden dahin, daß die Bescheide erst am 4. Dezember 1996 zugestellt worden sind. Mit entsprechenden Eingangsstempeln waren sie dem Verfassungsgerichtshof vorgelegt worden, bevor die Beschwerdeführer die Einwände der belangten Behörde kannten; es ist daher auszuschließen, daß sie im Hinblick auf dieses Vorbringen im nachhinein manipuliert worden wären. Da das Datum im Eingangsbuch damit übereinstimmt, ist auch eine Manipulation in diesem Buch äußerst unwahrscheinlich. Es mag zwar nicht häufig vorkommen, ist aber nach der Lebenserfahrung durchaus denkbar, daß sich die Mitarbeiterin einer Steuerberatungskanzlei, die Schriftstücke übernimmt, im Datum irrt, wenn sie die Rückscheine unterschreibt. Daß sie sich anderthalb Jahre später (als sie mit der Behauptung der Gegenschrift konfrontiert wurde) nicht mehr an den Vorgang erinnern konnte, entspricht gleichfalls der Lebenserfahrung. Auch ein zweitägiger Postenlauf für die Rücksendung der Rückscheine (von Wien nach Innsbruck) ist nicht ungewöhnlich. Daß die Bescheide erst einen Tag nach jenem, der zu B129/97 angefochten ist, zugestellt worden sind, läßt sich damit erklären, daß sie einem anderen Steuerberater (und zwar in Wien) zuzustellen waren (der Steuerberater der Beschwerdeführerin zu B129/97 hat seinen Sitz in Graz).
Die beiden Beschwerden sind daher, da auch in diesen Fällen die Beschwerdefrist am 15. Jänner 1997, dem Tag der Postaufgabe, endete, rechtzeitig eingebracht worden. Auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen liegen vor, somit sind auch diese Beschwerden zulässig.
Da sie mithin als rechtzeitig eingebracht behandelt werden, erübrigt es sich, auf den Wiedereinsetzungsantrag einzugehen (VfSlg. 9462/1982, 10927/1986), der im übrigen nach seinem Inhalt gar nicht behauptet, sondern vielmehr bestreitet, daß die Wiedereinsetzungswerber eine Frist versäumt hätten.
2. In der Sache:
2.1. Gemäß §15 Abs1 Z17 ErbStG bleibt der todeswegige Erwerb von Kapitalvermögen steuerfrei, soweit dessen Erträge im Zeitpunkt des Todes des Erblassers der Steuerabgeltung gemäß §97 Abs1 erster Satz sowie §97 Abs2 erster bis dritter Satz EStG 1988 idF BGBl. 12/1993 unterliegen. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 12. Oktober 1998, G170/96 ua., ausgeführt, daß §15 Abs1 Z17 ErbStG genau den Inhalt hat, den er nach §1 Abs1 Z2 Endbesteuerungsgesetz haben muß. Die Befreiungsbestimmung erfaßt nämlich jene und nur jene Vorgänge, die gemäß dieser - in Verfassungsrang stehenden - Vorschrift des Endbesteuerungsgesetzes unter die dort vorgesehene Abgeltungswirkung fallen müssen. Die in den Beschwerden vorgebrachten Bedenken gegen §15 Abs1 Z17 ErbStG treffen daher nicht zu.
2.2.1. Die Beschwerdeführer erachten sich durch die angefochtenen Bescheide im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt.
2.2.2. Damit sind sie im Ergebnis im Recht:
Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 25. Februar 1999, B128/97 (das denselben Nachlaß wie die vorliegenden Beschwerden betraf), ausführlich dargelegt, welche Erwerbsvorgänge unter die Befreiungsbestimmung des §15 Abs1 Z17 ErbStG fallen, dies (auch) unter dem Aspekt verfassungskonformer Interpretation.
Danach gilt zunächst, daß die Erbschaftssteuer insoweit abgegolten ist, als endbesteuertes Vermögen als Erbschaft anfällt oder als Vermächtnis ausgesetzt wurde. Abgegolten ist die Steuer aber auch dann, wenn in Abgeltung des Pflichtteilsanspruchs oder im Zuge der Erbauseinandersetzung endbesteuertes Nachlaßvermögen zugewiesen wird. Ebenso ist schließlich vorzugehen, wenn ein (Geld-)Vermächtnis mittels endbesteuerten Nachlaßvermögens erfüllt wird. In all diesen Fällen hängt die Steuerfreiheit freilich davon ab, daß dem Steuerpflichtigen tatsächlich endbesteuertes Vermögen zugewendet wird. Dem Erben bleibt die Begünstigung auch dann erhalten, wenn er zwecks Entrichtung von (Bar-)Vermächtnissen oder des Pflichtteils endbesteuertes Vermögen verwertet.
Übersteigt jedoch das im Nachlaß enthaltene endbesteuerte Vermögen den Wert dessen, was dem Erben (gemeinsam mit anderen Empfängern derartigen Vermögens) verbleibt, dann steht es der Steuerbefreiung nicht entgegen, wenn der Erbschaftssteuerpflichtige zwar nicht selbst endbesteuertes Vermögen erwirbt, sein Erwerb sich aber von endbesteuertem Vermögen ableitet, an seine Stelle tritt und die Leistung endbesteuerten Vermögens ersetzt; denn im Ergebnis muß der Nachlaß in jenem Umfang steuerfrei bleiben, in dem er aus endbesteuertem Vermögen besteht. Pflichtteilsberechtigte und Vermächtnisnehmer können dann den überschießenden Steuervorteil für sich in Anspruch nehmen, und zwar gleichgültig, ob und in welchem Maße der Erbe zur Erfüllung des Pflichtteils oder zur Entrichtung des Legats endbesteuertes Vermögen "realisiert" oder auf andere Nachlaßgegenstände oder nicht aus dem Nachlaß stammendes Vermögen greift. Kommen solcherart für die Abgeltungswirkung endbesteuerten Vermögens mehrere Personen in Betracht, so ist ihnen die unverbraucht gebliebene Begünstigung anteilig zu gewähren.
2.2.3. In den vorliegenden Fällen sind - wie die Verwaltungsakten zeigen - eine größere Anzahl von Barlegaten ausgesetzt worden, die in ihrer Summe den Nachlaß erschöpfen oder sogar übersteigen. Feststellungen darüber, wer die endbesteuerten Vermögenswerte erhält und ob die wegen der Endbesteuerung anzunehmende Abgeltung der Erbschaftssteuer zum Tragen kommt, hat die Behörde - ausgehend von einer nach dem Gesagten verfassungswidrigen Rechtsansicht - unterlassen. Durch die Unterlassung, die ein Urteil darüber ausschließt, ob der Erwerb der Beschwerdeführer nach §15 Abs1 Z17 ErbStG teilweise steuerfrei zu bleiben hätte, hat sie die Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt.
3. Die Bescheide waren daher aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Beträgen sind jeweils S 3.000,- an Umsatzsteuer enthalten.
Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.
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