VfGH G6/99,G26/99,G27/99,G85/99

VfGHG6/99,G26/99,G27/99,G85/99G6/99,G26/99,G27/99,G85/99G6/99,G26/99,G27/99,G85/99G6/99,G26/99,G27/99,G85/991.10.1999

Gleichheitswidrigkeit einer Bestimmung des KapitalverkehrsteuerG betreffend die Verpflichtung zur Entrichtung der Börsenumsatzsteuer für bedingte Anschaffungsgeschäfte einschließlich der eine verwaltungsbehördliche Bewilligung bedürfenden Anschaffungsgeschäfte

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
KapitalverkehrsteuerG §18 Abs2 Z3
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
KapitalverkehrsteuerG §18 Abs2 Z3

 

Spruch:

Die Worte "bedingte oder" in §18 Abs2 Z3 des Kapitalverkehrsteuergesetzes, DRGBl. 1/1934, S 1058, werden als verfassungswidrig aufgehoben.

Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 30. Juni 2000 in Kraft.

Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.

Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.1. Beim Verfassungsgerichtshof sind zu B2448/97, B2514/97 und B2586/97 Verfahren über Beschwerden nach Art144 B-VG gegen im Instanzenzug ergangene Bescheide der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland anhängig, die die u.a. auf §18 Abs2 Z3 KapitalverkehrsteuerG gestützte Vorschreibung von Börsenumsatzsteuer für aufschiebend bedingte, auf den Erwerb von Wertpapieren gerichtete Geschäfte zum Gegenstand haben.

1.2. Der Verfassungsgerichtshof hat aus Anlass dieser Beschwerden am 5. bzw. 16. Dezember 1998 beschlossen, gemäß Art140 Abs1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der im Spruch angeführten Worte in §18 Abs2 Z3 KapitalverkehrsteuerG einzuleiten.

2. Gemäß §17 Abs1 KapitalverkehrsteuerG unterliegt der Abschluss von Anschaffungsgeschäften über Wertpapiere dann der Börsenumsatzsteuer, wenn die Geschäfte im Inland oder unter Beteiligung wenigstens eines Inländers im Ausland abgeschlossen werden.

§18 KapitalverkehrsteuerG sieht unter der Überschrift "Anschaffungsgeschäfte" Folgendes vor (die in Prüfung gezogenen Worte sind hervorgehoben):

"(1) Anschaffungsgeschäfte sind entgeltliche Verträge, die auf den Erwerb des Eigentums an Wertpapieren gerichtet sind.

(2) Als Anschaffungsgeschäfte gelten auch

1. Geschäfte, die das Einbringen von Wertpapieren in eine Kapitalgesellschaft oder eine andere Personenvereinigung zum Gegenstand haben;

2. Geschäfte, durch die bei der Auseinandersetzung einer Kapitalgesellschaft mit ihren Gesellschaftern, bei der Auflösung einer anderen Personenvereinigung oder beim Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer Personenvereinigung den Gesellschaftern Wertpapiere aus dem Vermögen der Gesellschaft überwiesen werden;

  1. 3. bedingte oder befristete Anschaffungsgeschäfte;
  2. 4. die Versicherung von Wertpapieren gegen Verlosung, wenn der Versicherungsfall eintritt."

3. Seine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Bestimmung hat der Verfassungsgerichtshof in den Prüfungsbeschlüssen folgendermaßen begründet:

"Die in Prüfung gezogene Bestimmung dürfte dahin zu verstehen sein, dass unter den Begriff des 'bedingten' Anschaffungsgeschäftes auch solche auf den Erwerb des Eigentums an Wertpapieren gerichtete Verträge (= 'Anschaffungsgeschäfte') fallen, die (zu ihrer vollen Wirksamkeit) einer verwaltungsbehördlichen Bewilligung bedürfen ... Damit wären - anders etwa als gemäß §16 Abs7 GebührenG, wonach dann, wenn ein Rechtsgeschäft der Genehmigung oder Bestätigung einer Behörde bedarf, die Gebührenschuld für das beurkundete Rechtsgeschäft erst im Zeitpunkt der Genehmigung oder Bestätigung entsteht - auch Rechtsgeschäfte, die wegen Nichterteilung dieser Bewilligung letztlich nicht (voll) wirksam werden, solchen gleichgestellt, die entweder von vornherein (voll) wirksam sind oder wegen Erteilung der Bewilligung nachträglich (voll) wirksam werden. Der Verfassungsgerichtshof hat das Bedenken, dass der Gesetzgeber damit gegen das aus dem Gleichheitssatz erfließende Gebot, Gleiches gleich zu regeln und nur sachlich gerechtfertigte Differenzierungen vorzusehen, verstoßen hat. Die Gleichheitswidrigkeit der in Prüfung gezogenen Regelung könnte sich insbesondere daraus ergeben, dass - anders als etwa im §17 GrunderwerbsteuerG - die Möglichkeit einer Nichtfestsetzung (und damit im Effekt einer Rückerstattung) der Börsenumsatzsteuer für den Fall, dass die behördliche Bewilligung schlussendlich nicht erteilt wird, nicht vorgesehen ist.

Dabei geht der Verfassungsgerichtshof vorläufig davon aus, dass einer verfassungskonformen Auslegung der in Prüfung gezogenen Regelung dahingehend, dass im Falle eines auf den Erwerb des Eigentums an Wertpapieren gerichteten, entgeltlichen Vertrages, wenn er einer behördlichen Bewilligung bedarf, die Börsenumsatzsteuerpflicht erst mit der Erteilung dieser Bewilligung eintritt oder für den Fall ihrer Nichterteilung die Nichtfestsetzung (Rückerstattung) der Abgabe beantragt werden kann, der Wortlaut der in Prüfung gezogenen Bestimmung entgegenstehen dürfte ...

Weiters nimmt der Verfassungsgerichtshof vorläufig an, dass sich die oben geäußerten Bedenken auch nicht mit dem Argument entkräften lassen, der Gesetzgeber habe mit der auf das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft (arg.: "Verträge, die auf den Erwerb des Eigentums an Wertpapieren gerichtet sind"; vgl. auch Doralt/Ruppe, Grundriß des österreichischen Steuerrechts, Bd.II3, 91: 'Die BUSt knüpft an das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft an und nicht an den tatsächlich bewirkten Umsatz.') abstellenden - somit von den einschlägigen Regelungen des GrunderwerbsteuerG und des GebührenG zu unterscheidenden -, hier in Prüfung gezogenen Bestimmung bloß innerhalb des ihm zukommenden rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes gehandelt.

... Der Verfassungsgerichtshof hat weiters das Bedenken, dass die in Prüfung gezogene Regelung auch dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums zuwiderlaufen könnte. Dies deshalb, weil es unverhältnismäßig erscheint, eine im Hinblick auf §22 Abs1 Z5 KVG erhebliche Abgabenbelastung auch für den Fall vorzusehen, dass wegen der Nichterteilung einer für das Wirksamwerden des Rechtsgeschäftes notwendigen behördlichen Bewilligung das Rechtsgeschäft nicht (voll) wirksam wird."

4. Beim Verwaltungsgerichtshof ist ein Verfahren anhängig, in dem der Verwaltungsgerichtshof die Gesetzmäßigkeit eines Bescheides der Finanzlandesdirektion für Tirol zu prüfen hat. Mit diesem Bescheid wurde der beschwerdeführenden Partei Börsenumsatzsteuer für ein Anschaffungsgeschäft iSd. §17 KapitalverkehrsteuerG vorgeschrieben. Aus Anlass dieses Verfahrens hat der Verwaltungsgerichtshof - unter Übernahme der den Verfassungsgerichtshof im Prüfungsbeschluss vom 5. Dezember 1998, B2448/97, bestimmenden Bedenken - zu G85/99 den Antrag an den Verfassungsgerichtshof gerichtet, die Worte "bedingte oder" in §18 Abs2 Z3 KapitalverkehrsteuerG als verfassungswidrig aufzuheben.

5. Die Bundesregierung hat in den vom Amts wegen eingeleiteten Gesetzesprüfungsverfahren G6/99, G26/99 und G27/99 sowie in dem auf Antrag des Verwaltungsgerichtshofes eingeleiteten Verfahren G85/99 beschlossen, von der Erstattung meritorischer Äußerungen Abstand zu nehmen.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Die Anlassbeschwerden sind zulässig. Der Verfassungsgerichtshof wird daher über sie in der Sache zu entscheiden haben. Hiebei hätte er auch die in Prüfung gezogene Bestimmung anzuwenden.

Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen vorliegen, sind die von Amts wegen eingeleiteten Gesetzesprüfungsverfahren zulässig.

1.2. Auch der Antrag des Verwaltungsgerichtshofes ist zulässig; insbesondere findet der Verfassungsgerichtshof unter Zugrundelegung des von ihm zur Zulässigkeit von Gesetzesprüfungsanträgen von Gerichten anzuwendenden Prüfungsmaßstabes (vgl. zB VfSlg. 10296/1984, 12928/1991, 14512/1996) keinen Anlass, an der Präjudizialität jener Bestimmung zu zweifeln, die aufzuheben der Verwaltungsgerichtshof beantragt hat.

2. Im Gesetzesprüfungsverfahren ist nichts hervorgekommen, was die in den Prüfungsbeschlüssen geäußerten Bedenken zerstreut hätte.

2.1. Die in Prüfung gezogene Bestimmung ist dahin zu verstehen, dass unter den Begriff des "bedingten" Anschaffungsgeschäftes auch solche auf den Erwerb des Eigentums an Wertpapieren gerichtete Verträge (= "Anschaffungsgeschäfte") fallen, die (zu ihrer vollen Wirksamkeit) einer verwaltungsbehördlichen Bewilligung bedürfen. Damit sind aber - anders etwa als gemäß §16 Abs6 und 7 GebührenG, wonach dann, wenn ein Rechtsgeschäft der Genehmigung oder Bestätigung einer Behörde bedarf, die Gebührenschuld für das beurkundete Rechtsgeschäft erst im Zeitpunkt der Genehmigung oder Bestätigung entsteht - Rechtsgeschäfte, die wegen Nichterteilung dieser Bewilligung letztlich nicht (voll) wirksam werden, solchen gleichgestellt, die entweder von vornherein (voll) wirksam sind oder wegen Erteilung der Bewilligung nachträglich (voll) wirksam werden. Eine solche Bestimmung verstößt gegen das aus dem Gleichheitssatz erfließende Gebot, Gleiches gleich zu regeln und nur sachlich gerechtfertigte Differenzierungen vorzusehen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass - anders als etwa im §17 GrunderwerbsteuerG - die Möglichkeit einer Nichtfestsetzung der Börsenumsatzsteuer oder einer Abänderung der Börsenumsatzsteuerfestsetzung (und damit im Effekt einer Rückerstattung) für den Fall, dass die behördliche Bewilligung schlussendlich nicht erteilt wird, nicht vorgesehen ist.

2.2.1. Im Hinblick auf den Wortlaut der in Prüfung gezogenen Bestimmung (s. dazu oben Pkt. I.2.) erscheint auch ihre verfassungskonforme Auslegung dahingehend, dass im Falle eines auf den Erwerb des Eigentums an Wertpapieren gerichteten entgeltlichen Vertrages, wenn er einer behördlichen Bewilligung bedarf, die Börsenumsatzsteuerpflicht erst mit der Erteilung dieser Bewilligung eintritt oder für den Fall ihrer Nichterteilung die Nichtfestsetzung (Rückerstattung) der Abgabe beantragt werden kann, ausgeschlossen.

2.2.2. Das genannte Bedenken lässt sich aber auch nicht mit dem Argument entkräften, der Gesetzgeber habe mit der hier in Prüfung gezogenen Bestimmung, die auf das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft und nicht auf den tatsächlich bewirkten Umsatz abstellt, bloß innerhalb des ihm zukommenden rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes gehandelt.

3. Die in Prüfung gezogene bzw. angefochtene Regelung widerspricht sohin dem Art7 B-VG; sie ist daher allein aus diesem Grund als verfassungswidrig aufzuheben.

4. Dieser Beschluss konnte vom Verfassungsgerichtshof gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung gefasst werden.

Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung sowie die Bestimmung einer Frist für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Gesetzesvorschrift beruhen auf Art140 Abs5 B-VG, der Ausspruch, dass frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit treten, beruht auf Art140 Abs6

B-VG.

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