Normen
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
StGG Art5
EMRK Art6 Abs1 / civil rights
VerteilungsG DDR
VerteilungsG DDR §20 Abs2
VerteilungsG DDR §20 Abs6
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
StGG Art5
EMRK Art6 Abs1 / civil rights
VerteilungsG DDR
VerteilungsG DDR §20 Abs2
VerteilungsG DDR §20 Abs6
Spruch:
Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die österreichische Staatsbürgerin L B war seit 1934 Gesellschafterin der H & M OHG mit dem Sitz in Porschdorf/Deutschland. L B wurde 1961 von ihrer Adoptivtochter M M-H, gleichfalls einer österreichischen Staatsbürgerin, beerbt. Die H & M OHG wurde 1972 mit Beschluß des Präsidiums des Ministerrates der DDR in Volkseigentum übergeleitet und unter anderer Bezeichnung weitergeführt. 1974 erfolgte die Löschung der OHG im Handelsregister.
Die beiden Beschwerdeführer sind Erben und damit Gesamtrechtsnachfolger nach der 1991 verstorbenen M M-H.
Auf Grundlage des soeben (zusammengefaßt) geschilderten Sachverhaltes stellten die Beschwerdeführer zunächst einen Entschädigungsantrag nach dem deutschen Vermögensgesetz. Das (deutsche) Bundesamt zur Regelung offener Vermögensfragen ist den Einschreitern zufolge zum Ergebnis gelangt, daß in Anbetracht des "Staatsvertrages DDR - Österreich" (s. dazu näher unten) ein Entschädigungsanspruch nach deutschem Recht nicht bestünde.
2. Unter Bedachtnahme auf diese Umstände stellten die Beschwerdeführer mit Eingabe vom 16. Dezember 1998 bei der Bundesverteilungskommission beim Bundesministerium für Finanzen (im folgenden: Bundesverteilungskommission) einen Antrag auf Zuerkennung einer Entschädigung nach dem Verteilungsgesetz DDR, BGBl. 189/1988. Der Feststellungssenat der Bundesverteilungskommission wies den Antrag mit Bescheid vom 23. März 1999 zurück (Begründung s. unten).
Gegen diesen Bescheid erheben die Beschwerdeführer eine auf
Artikel 144 B-VG gestützte Beschwerde. Darin wird die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein faires Verfahren in Zivilsachen (Art6 EMRK) und auf Unversehrtheit des Eigentums sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides beantragt.
Die Bundesverteilungskommission legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1.a) Die hier maßgebliche Rechtslage wurde zum überwiegenden Teil in der Vorjudikatur des Verfassungsgerichtshofes bereits wiederholt dargestellt, so zuletzt im Erk. VfGH 30.11.1998, B1158/98.
Wesentlich auch im gegebenen Zusammenhang ist zunächst §2 Z1 VerteilungsG DDR, wonach eine Entschädigung zu leisten ist für "Vermögensverluste österreichischer physischer oder juristischer Personen, die diesen Personen dadurch erwachsen sind, daß ihr Vermögen durch Übernahme in staatliche Verwaltung oder durch sonstige staatliche Maßnahmen der Deutschen Demokratischen Republik in deren ausschließliche Verfügungsgewalt gelangt ist".
Gemäß §3 (zweiter Satz) VerteilungsG DDR ist der Anspruch auf Entschädigung vererblich.
Im III. Abschnitt des Verteilungsgesetzes DDR wird das Verfahren geregelt. §20 normiert die Verpflichtung des Bundesministeriums für Finanzen zur Veröffentlichung eines Aufrufes im "Amtsblatt zur Wiener Zeitung" unverzüglich nach Inkrafttreten des Verteilungsgesetzes DDR sowie die Frist, innerhalb welcher der Anspruch bei sonstigem Ausschluß von der Geltendmachung anzumelden ist. Die Absätze 1 bis 3 dieser Bestimmung lauten:
"§20.(1) Zur Erfassung der Entschädigungswerber hat das Bundesministerium für Finanzen unverzüglich nach Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes einen Aufruf im 'Amtsblatt zur Wiener Zeitung' zu veröffentlichen.
(2) Die Frist innerhalb der der Anspruch bei sonstigem Ausschluß von der Geltendmachung anzumelden ist, beträgt sechs Monate ab dem Tage der Veröffentlichung des Aufrufes.
(3) Die Anmeldungen sind schriftlich bei der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland einzureichen. Der Postlauf wird in die Frist nicht eingerechnet.
(4) - (5) ..."
b) §20 VerteilungsG DDR umfaßte ursprünglich auch einen Absatz 6, der folgenden Wortlaut hatte:
"(6) Solange der Verteilungsplan noch nicht in Kraft getreten ist, hat die Bundesverteilungskommission Nachsicht von der Wirkung der Versäumung der Anmeldefrist zu bewilligen, wenn der Verlust dem Bundesministerium für Finanzen bereits früher angezeigt worden war oder ausdrücklich Gegenstand der zwischenstaatlichen Verhandlungen mit der Deutschen Demokratischen Republik gewesen ist. In diesem Falle kann die Bundesverteilungskommission auch ohne Antrag sogleich über den Anspruch entscheiden und die Höhe des diesen Anspruch begründenden Verlustes feststellen."
Die eben zitierte Bestimmung ist gemäß ArtII Z1 des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 125/1997, mit dem das Entschädigungsgesetz CSSR und das Verteilungsgesetz DDR geändert werden, entfallen.
2.a) Im vorliegenden Fall wurde der Antrag auf Zuerkennung einer Entschädigung am 16. Dezember 1998 gestellt (Anmeldung des Entschädigungsanspruches). Der Feststellungssenat der Bundesverteilungskommission begründete die Zurückweisung dieses Antrages damit, daß
"der Antrag nicht innerhalb der Frist des §20 Verteilungsgesetz DDR gestellt wurde und eine Nachsicht von der Fristversäumnis, selbst wenn bereits eine Anmeldung des Vermögensverlustes früher einmal beim Bundesministerium für Finanzen erfolgt wäre, nach Artikel II BGBl. Nr. 1997/125 seit 6.11.1997 nicht mehr bewilligt werden kann".
b) Die Einschreiter bringen in ihrer Beschwerde vor, daß "eine frühere Anmeldung des Vermögensverlustes in Österreich nicht erfolgt ist, zumal wir bzw. unsere Rechtsvorgänger bis zur Einschaltung unseres nunmehrigen Rechtsvertreters keine Kenntnis von den maßgeblichen Gesetzesbestimmungen und den diesbezüglich vorgesehenen Verfahrensmodalitäten hatten."
Sie vertreten folgende Ansicht:
"Wir verweisen (...) darauf, dass sämtliche Anspruchsvoraussetzungen in materieller Hinsicht erfüllt sind. Es liegt ein Enteignungsvorgang im Sinne des §2 Verteilungsgesetz DDR vor und besteht daher grundsätzlich ein Entschädigungsanspruch. Der Umstand, dass wir den Entschädigungsantrag nicht innerhalb der Frist des §20 Vermögensgesetz DDR gestellt haben bzw. eine Frist auf Nachsicht von der Fristversäumnis nach Artikel II BGBl. 1997/125 vom 6.11.1997 bereits abgelaufen sei, kann uns nicht in dem Sinne zum Nachteil gereichen, dass wir weder in Österreich, noch in der Bundesrepublik Deutschland einen Anspruch auf Entschädigung geltend machen könnten.
Sollten wir tatsächlich in der Bundesrepublik Deutschland keinen Entschädigungsanspruch erlangen können, weil die DDR mit der Republik Österreich ein Entschädigungsübereinkommen getroffen hat, muss die Republik Österreich zur Wahrung unseres Menschenrechts auf Unverletzlichkeit des Eigentums sowie unseres Menschenrechts auf ein faires Verfahren in Zivilsachen durch geeignete Rechtsvorschriften dafür Sorge tragen, dass wir in Österreich einen entsprechenden Entschädigungsanspruch geltend machen können. Es kann jedenfalls nicht rechtens sein, dass die beteiligten Staaten (Österreich, DDR, Bundesrepublik Deutschland) Entschädigungsregelungen schaffen, die es uns faktisch und rechtlich unmöglich machen, unseren Entschädigungsanspruch durchzusetzen.
Wir gehen daher davon aus, dass vor diesem Hintergrund die Bestimmung des §20 Verteilungsgesetz DDR wegen Verletzung unserer Menschenrechte verfassungswidrig ist, ebenso die Bestimmung des Artikel II. BGBl. 1997/125."
3.a) Das Verteilungsgesetz DDR ist am 1. Juni 1988 in Kraft getreten (vgl. hiezu §31 leg. cit. iVm dem letzten Halbsatz im BGBl. 188/1988 (Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Deutschen Demokratischen Republik zur Regelung offener vermögensrechtlicher Fragen samt Schlußprotokoll und Anlagen)). Der Aufruf gem. §20 Abs1 VerteilungsG DDR wurde im Amtsblatt zur Wiener Zeitung vom 2. Juni 1988 veröffentlicht. Der diesbezüglichen gesetzlichen Verpflichtung wurde somit entsprochen.
Die gemäß §20 Abs2 VerteilungsG DDR vorgesehene Frist, innerhalb welcher der Anspruch bei sonstigem Ausschluß von der Geltendmachung anzumelden war, endete sechs Monate nach dem Tag der Veröffentlichung des Aufrufes.
b) Vorweg ist festzuhalten, daß es sich bei den von der Bundesverteilungskommission nach dem Verteilungsgesetz DDR zu behandelnden Ansprüchen nicht um "civil rights" iS des Art6 EMRK, sondern um Ansprüche öffentlichrechtlicher Natur handelt. Die betreffenden Zahlungen sind nicht Entschädigungen für erfolgte Enteignungen, sondern vom Staat aus Billigkeitsgründen gewährte Leistungen öffentlichrechtlicher Art (s. z.B. VfSlg. 13130/1992, S 816). Aufgrund der öffentlichrechtlichen Natur der in Rede stehenden Ansprüche ist es auch ausgeschlossen, daß die Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt wurden (s. etwa VfSlg. 13130/1992, S 820).
c) Es ist jedoch die Frage zu klären, ob die Regelung über die zuvor erwähnte Frist (§20 Abs2 VerteilungsG DDR) dem Gleichheitsgrundsatz widerspricht. Das ist nicht der Fall:
Mit der sachlichen Rechtfertigung von Fristen unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitsgrundsatzes hat sich der Verfassungsgerichtshof in den Erk. VfSlg. 5094/1965, 5484/1967 und 9314/1982 befaßt und festgestellt, daß die Bemessung einer Frist nur dann sachlich nicht gerechtfertigt wäre, wenn sie jeglicher Erfahrung entgegenstünde (s. VfSlg. 9314/1982 unter Verweis auf VfSlg. 5484/1967). Von einer Durchschnittsbetrachtung ausgehend, kann nicht gesagt werden, daß die hier in Rede stehende Frist von sechs Monaten nach Veröffentlichung des Aufrufes im Amtsblatt zur Wiener Zeitung für die in Betracht kommenden Fälle zu kurz bemessen wäre. Aus der von den Beschwerdeführern ins Treffen geführten fehlenden "Kenntnis von den maßgeblichen Gesetzesbestimmungen und den diesbezüglich vorgesehenen Verfahrensmodalitäten" ist keinesfalls die Unsachlichkeit der Frist abzuleiten.
Dazu kommt, daß es der Verfassungsgerichtshof in seinem Erk. VfSlg. 5094/1965 in Zusammenhang mit Anträgen auf Zuerkennung einer Entschädigung nach dem Umsiedler- und Vertriebenenentschädigungsgesetz für sachlich gerechtfertigt gehalten hat, wenn das Gesetz, um über den Umfang der angemeldeten Entschädigungsansprüche abschließend eine Übersicht zu erhalten, für deren Geltendmachung eine (zeitliche) Grenze setzt, die nicht mehr überschritten werden kann. Nichts anderes gilt hinsichtlich der Anmeldung der Entschädigungsansprüche nach dem Verteilungsgesetz DDR. Dies wird schon allein aus den in der Folge zitierten Ausführungen in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage betreffend das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 125/1997 deutlich, mit denen auf die durch die Verzögerung der Verfahrensabwicklung entstehenden Probleme hingewiesen wird.
Es kann auch nicht unbeachtet bleiben, daß zur Vermeidung von Härtefällen in Zusammenhang mit der Anmeldung des Anspruches bis zum Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 125/1997 - also von Juni 1988 bis November 1997 - gemäß §20 Abs6 VerteilungsG DDR unter bestimmten Voraussetzungen die Gewährung der Nachsicht von der Wirkung der Fristversäumnis vorgesehen war. Ob auch die Beschwerdeführer diese Voraussetzungen erfüllt und sie somit im Fall des Fortbestandes dieser Regelung von ihr profitiert hätten, kann dahingestellt bleiben. Auch die Beseitigung der Nachsichtsregelung (durch ArtII Z1 des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 125/1997) erweist sich nämlich nach dem zuvor (unter Verweis auf die Ausführungen im Erk. VfSlg. 5094/1965) Gesagten als sachlich gerechtfertigt. Dies wird insbesondere auch aus den das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 125/1997 betreffenden Materialien (846 BlgNR, 20. GP) deutlich, bei denen schon im Vorblatt der Erläuterungen zur Regierungsvorlage darauf hingewiesen wird, daß die Möglichkeit der Nachsicht von der Fristversäumnis den Abschluß der anhängigen Verfahren und die Ermittlung und Auszahlung der Restquote an die Antragsteller verhindere. In den Erläuterungen wird dann in Zusammenhang mit §20 Abs6 VerteilungsG DDR folgendes ausgeführt:
"Bei Betrachtung der Konsequenzen dieser Regelung ist es diese zum Vorteil vieler Antragsteller ins Gesetz aufgenommene Bestimmung, die den Abschluß der anhängigen Verfahren und somit die Erstellung des Verteilungsplanes verhindert. Seit dem Inkrafttreten des VG-DDR (= VerteilungsG DDR) haben zahlreiche Antragsteller von dieser Nachsichtsmöglichkeit Gebrauch gemacht. Eine weitere Verzögerung der Auszahlung der Restquote ist nicht mehr vertretbar, da viele der Antragsteller bereits ein sehr hohes Alter erreicht haben und auf Grund zum Teil sehr geringer Pensionen dringend auf die Überweisung der Restquote angewiesen sind."
d) Sowohl der die in Rede stehende Frist normierende §20 Abs2 VerteilungsG DDR als auch der Entfall der in §20 Abs6 leg.cit. vorgesehen gewesenen Nachsichtsregelung sind demnach nicht verfassungswidrig.
Der Verfassungsgerichtshof hegt unter dem Gesichtspunkt der vorliegenden Beschwerde gegen das Verteilungsgesetz DDR auch sonst keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
Die Beschwerdeführer sind also nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
Der Vollziehung anzulastende, in die Verfassungssphäre reichende Fehler hat das Verfahren nicht ergeben und wurden auch von den Beschwerdeführern nicht geltend gemacht.
e) Die Beschwerde war daher abzuweisen.
III. Diese Entscheidung konnte
gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)