VfGH B1158/98

VfGHB1158/9830.11.1998

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Verneinung von Entschädigungsansprüchen nach dem VerteilungsG DDR mangels Besitz der österreichischen Staatsbürgerschaft zum Stichtag; keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Stichtagsregelung im VerteilungsG DDR (vgl VfSlg 12203/1989, 13130/1992)

Normen

VerteilungsG DDR §4
VerteilungsG DDR §4

 

Spruch:

Die beschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.a) V.G. war Eigentümerin eines Grundstückes in Mecklenburg/Deutschland (seinerzeit DDR). Sie verstarb 1955. Das Grundstück erwarb im Erbweg DDr. J.W., der seinerseits von O.K. beerbt wurde.

Im Jahre 1952 war das Grundstück seitens der damaligen DDR in staatliche Verwaltung genommen worden.

DDr. J.W. meldete als Erbe der verstorbenen V.G. gemäß §20 des Verteilungsgesetzes DDR, BGBl. 189/1988, Ansprüche auf Entschädigung an. Nach seinem Tod trat O.K. als seine Erbin und Gesamtrechtsnachfolgerin in das Verfahren ein.

b) Die Bundesverteilungskommission beim Bundesministerium für Finanzen stellte mit Bescheid vom 7. Mai 1998 gemäß §24 des VerteilungsG DDR fest, daß der angemeldete Anspruch nicht zu Recht besteht (Begründung s.u. II.2.a).

2. Gegen diesen Bescheid erhebt die Verlassenschaft nach O.K. die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde. Darin wird die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unversehrtheit des Eigentums sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes (§4 VerteilungsG DDR) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides beantragt (Begründung s.u. II.2.b).

3. Die Bundesverteilungskommission legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift. Sie begehrt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die zulässige Beschwerde erwogen:

1. Die hier maßgebende Rechtslage, insbesondere das Verhältnis des VerteilungsG DDR zum Vermögensvertrag DDR, BGBl. 188/1988, wurde in der Vorjudikatur bereits wiederholt dargestellt, so in VfSlg. 12203/1989, 12350/1990, 13130/1992 und 13132/1992.

Wesentlich ist im gegebenen Zusammenhang zunächst §2 Z1 VerteilungsG DDR, wonach Entschädigung zu leisten ist

"für Vermögensverluste österreichischer physischer oder juristischer Personen, die diesen Personen dadurch erwachsen sind, daß ihr Vermögen durch Übernahme in staatliche Verwaltung oder durch sonstige staatliche Maßnahmen der Deutschen Demokratischen Republik in deren ausschließliche Verfügungsgewalt gelangt ist".

Im besonderen ist §4 leg. cit. von Belang. Diese Bestimmung lautet:

"§4.(1) Eine österreichische physische Person im Sinne dieses Bundesgesetzes ist jede physische Person, die sowohl am 8. Mai 1945 als auch am 21. August 1987 die österreichische Staatsbürgerschaft besessen hat.

(2) Ist eine physische Person vor dem 21. August 1987 verstorben und besaß sie sowohl am 8. Mai 1945 als auch im Zeitpunkt ihres Todes die österreichische Staatsbürgerschaft, so ist die Entschädigung Rechtsnachfolgern von Todes wegen nach ihren Anteilen in der Rechtsnachfolge zu leisten, wenn sie am 21. August 1987 entweder als physische Personen die österreichische Staatsbürgerschaft besessen oder als juristische Personen ihren Sitz auf dem Gebiet der Republik Österreich gehabt haben."

2.a) Die Verteilungskommission hat ihre negative Entscheidung damit begründet, daß eine der Stichtagsvoraussetzungen nicht vorliege:

"Nach der Aktenlage erfüllen sowohl die Antragstellerin selbst wie auch DDr. J.W. die in §4 VG DDR angeführten Voraussetzungen, nicht jedoch die Geschädigte V.G. Diese hat laut Mitteilung des Magistrats der Stadt Wien vom 20.3.1996 die österreichische Staatsbürgerschaft gemäß §5 StbG 1949 erst am 18.3.1948 erworben.

Entgegen der Ansicht der Antragstellerin ist aber unabdingbare Voraussetzung, daß die Geschädigte selbst - sohin im vorliegendem Fall V.G. - die Anspruchsvoraussetzungen des §4 VG DDR erfüllt.

Da - wie bereits ausgeführt - die Geschädigte V.G. am 8.4.(Anm.: gemeint wohl: 8.5.) 1945 nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besaß, schließt dies gemäß §4 Abs2 VG DDR die Gewährung einer Entschädigung an die Antragstellerin O.K. aus."

b) Die beschwerdeführende Partei vertritt die Ansicht, daß §4 VerteilungsG DDR dem Gleichheitsgrundsatz widerspreche. Die getroffene Stichtagsregelung sei sachlich nicht begründbar. In anderen Verteilungsgesetzen seien andere Stichtage vorgesehen; es werde dort nicht eine starre Stichtagsregelung getroffen.

c) Zur Widerlegung dieser Bedenken ist die beschwerdeführende Partei auf die ständige, einschlägige Judikatur des Verfassungsgerichtshofes hinzuweisen:

So lautet es im Erkenntnis VfSlg. 12203/1989, S 383:

"Die ständige Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu vergleichbaren Gesetzen (so zum VerteilungsG Polen - VfSlg. 7659/1975, 8814/1980, zum EntschädigungsG Italien - VfSlg. 8422/1978 und zum EntschädigungsG CSSR - VfSlg. 8786/1980, 8873/1980, 9297/1981) - es besteht kein Anlaß von dieser Rechtsprechung abzurücken - geht davon aus, daß es sachlich gerechtfertigt ist, in den Verteilungsgesetzen bestimmte Voraussetzungen (insbesondere den Besitz der Staatsbürgerschaft zu bestimmten Zeitpunkten) für die Anspruchsberechtigung vorzusehen, sofern diese Voraussetzungen nur nicht strenger sind als die im entsprechenden Vermögensvertrag enthaltenen.

§4 des VerteilungsG DDR zieht nun den Kreis der Anspruchsberechtigten nicht enger als der Vermögensvertrag DDR; zwischen Gesetz und Vertrag besteht also in der hier maßgebenden Hinsicht die - verfassungsrechtlich gebotene - Kongruenz.

Im - das EntschädigungsG CSSR betreffenden - Erkenntnis VfSlg. 8873/1980 hat der Verfassungsgerichtshof dargetan, daß das Anknüpfen der Anspruchsberechtigung an die zu bestimmten Stichtagen bestandenen staatsbürgerschaftsrechtlichen Regelungen nicht unsachlich sei."

Ähnliche Ausführungen finden sich im Erkenntnis

VfSlg. 13130/1992, S 819:

"Der Verfassungsgerichtshof hat bereits wiederholt (z.B. VfSlg. 7659/1975, 8422/1978, 8786/1980) ausgesprochen, daß es verfassungsrechtlich unbedenklich ist, wenn ein Verteilungsgesetz (Entschädigungsgesetz) Stichtagsregelungen enthält; das Gesetz darf nur den Kreis der Anspruchsberechtigten nicht enger ziehen als der entsprechende Vermögensvertrag. Der Verfassungsgerichtshof rückt von dieser Rechtsprechung nicht ab.

Hier entsprechen §4 Abs1 und §4 Abs2 des VerteilungsG DDR inhaltlich dem Art4 Abs1 und dem Art5 (1. Halbsatz) des Vermögensvertrages DDR. (...) Demnach besteht auch in dieser Hinsicht keine Veranlassung, ein amtswegiges Gesetzesprüfungsverfahren einzuleiten."

Der Verfassungsgerichtshof sieht sich nicht veranlaßt, von dieser Rechtsprechung abzurücken. Wenn die beschwerdeführende Partei meint, eine Gleichheitswidrigkeit liege darin, daß andere Verteilungsgesetze andere Stichtagsregelungen als das VerteilungsG DDR enthalten, so ist sie - soweit derartige Gesetze untereinander überhaupt vergleichbar sind - auf die Vorjudikatur hinzuweisen, wonach es bei dieser Materie eben gerade darauf ankommt, daß der Vermögensvertrag und das Verteilungsgesetz einander entsprechen; das Verteilungsgesetz darf den Kreis der Anspruchsberechtigten nicht enger ziehen als der Vermögensvertrag. Diesem Grundsatz entspricht §4 VerteilungsG

DDR.

d) Der Verfassungsgerichtshof hegt unter dem Gesichtspunkt der vorliegenden Beschwerde gegen das VerteilungsG DDR auch keine sonstigen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. hiezu insbesondere die oben zu II.1. erster Absatz zitierte Vorjudikatur).

3.a) Die beschwerdeführende Partei ist also nicht dadurch in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden, daß der Bescheid auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruht. Ebensowenig ist sie in einem Recht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt worden.

b) Der Vollziehung anzulastende, vom Verfassungsgerichtshof wahrzunehmende Fehler hat das Verfahren nicht ergeben; solche werden auch von der beschwerdeführenden Partei nicht geltend gemacht.

c) Die Beschwerde war infolgedessen abzuweisen.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z2 VerfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung getroffen werden.

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