Normen
B-VG Art83 Abs2
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
B-VG Art83 Abs2
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
Spruch:
Die beschwerdeführende Gesellschaft ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.
Der Bescheid wird daher aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten) ist schuldig, der beschwerdeführenden Gesellschaft zu Handen ihres Rechtsvertreters die mit S 18.000,- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 16. Juli 1996, Z556.115/41-VIII/6/96, wurde auf Antrag der mitbeteiligten Partei (Oberösterreichische Ferngas Aktiengesellschaft, "OÖF") "im Sinne des §4 EnWG 1935 GBlfdLÖ Nr. 156/1939 sowie gemäß §56 AVG 1950 i.d.g.F." festgestellt, "daß dem Grunde nach das Projekt einer Erdgashochdruckleitung 'Nord-Süd-Leitungssystem; Nordanbindung 1 A Oberkappl-Haag-Puchkirchen; System Nr. 039, Teilabschnitt Andorf-Haag-Puchkirchen' mit den für die generelle Trasse bestimmten Trassierungsräumen dann dem öffentlichen Versorgungsinteresse unter Berücksichtigung aller anderen berührten öffentlichen Interessen bestmöglich entspricht, wenn in diesem Trassierungsraum die Detailprojektierung in konkreter Ausführung der vorgenannten generellen Trasse dieses Teilabschnittes den ... (nachfolgend angeführten) Trassierungs- und Bauauflagen des gegenständlichen Bescheides im Interesse der sicheren und wirtschaftlichen öffentlichen Landesversorgung im Konzessionsrahmen der OÖ. Ferngas AG gemäß §5 lec cit.
vorgenommen wird". Unter der Überschrift "Spezielle Forderungen"
wird ua. festgelegt, daß "(d)ie Leitungsprojekte der OMV, RAG und
OÖ. Ferngas ... zu koordinieren (sind), sodaß nicht mehrere
parallele Leitungen gebaut werden" (Nr. 21), "(e)ine
Koordinierung der projektierten Gasleitungen der OMV, der RAG und
der OÖ. Ferngas AG in der Form (anzustreben ist), daß nur eine
Leitungstrasse gebaut wird" (Nr. 22), eine "rasche Kooperation
RAG - OÖ. Ferngas AG ... zur Hintanhaltung von Parallelleitungen
vorzusehen (ist)" (Nr. 32) sowie "(a)ufgrund der gemeinsamen
Forderung der betroffenen Gemeinden ... nur eine Trasse für eine
Gemeinschaftsleitung oder für 2 parallele Leitungen in technisch möglichem Mindestabstand geplant werden (darf)" und "die Errichtung in einem Bauvorgang erfolgen (soll)" (Nr. 34). Im Spruchpunkt III des genannten Bescheides wurden "(d)ie energiewirtschaftsrechtlichen Anträge der RAG gegen eine Genehmigung des gegenständlichen generellen Leitungsprojektes ... als sachlich unbegründet abgewiesen". Dieser Bescheid wird von der Beschwerdeführerin (Rohöl-Aufsuchungs-Aktiengesellschaft, "RAG") mit der vorliegenden Beschwerde bekämpft.
Der Beschwerdeführerin waren bereits mit zwei Bescheiden des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr vom jeweils 22. April 1996 gemäß §3 Abs1 iVm. §5 Rohrleitungsgesetz, BGBl. Nr. 411/1975 idF BGBl. Nr. 127/1993, (im folgenden: Rohrleitungsgesetz) die Konzessionen für die gewerbsmäßige Beförderung von Erdgas in der Austrian-Bavarian-Gasline ("ABG") sowie in der als RAG-Speicher-Pipeline bezeichneten Gasfernleitung ("RSP"), deren geplante Trasse im Streckenabschnitt Puchkirchen bis Haag praktisch ident mit jener des vom bekämpften Bescheid umfaßten Projektes verläuft, erteilt worden.
2. In der auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde wird die Verletzung in Rechten wegen Anwendung der als verfassungswidrig erachteten Bestimmung des §4 des Energiewirtschaftsgesetzes vom 13. Dezember 1935, DRGBl. I, S. 1451, (im folgenden: EnWG), in Kraft gesetzt mit Verordnung über die Einführung des Energiewirtschaftsrechts im Lande Österreich vom 26. Jänner 1939, DRGBl. I, S. 83, GBlÖ Nr. 156/1939, in der Fassung der Verordnung des Generalbevollmächtigten für die Wirtschaft vom 27. September 1939 über die Vereinfachung des Verfahrens nach §4 des Energiewirtschaftsgesetzes, DRGBl. 1939 I, S. 1950, GBlÖ Nr. 1381/1939, (im folgenden: Vereinfachungsverordnung), und der als verfassungswidrig erachteten Bestimmungen des §4 EnWG iVm.
§1 Abs2 Z2, §2 Abs4 und §43 Abs6 Rohrleitungsgesetz, soweit diese den Anwendungsbereich dieser Gesetze regeln, die Gleichheitswidrigkeit von "zwei völlig unterschiedliche(n) Bewilligungsverfahren (nach Energiewirtschaftsgesetz zum einen und nach Rohrleitungsgesetz zum anderen) ... für - in Wahrheit - völlig gleichartige Projekte" sowie die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und im Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gerügt.
3. Die mitbeteiligte Partei hat eine Äußerung erstattet, in der sie anregt, kein Gesetzesprüfungsverfahren einzuleiten und die Behandlung der Beschwerde abzulehnen, bzw. beantragt, der Beschwerde keine Folge zu geben und der Beschwerdeführerin den Ersatz der Kosten aufzutragen.
4. Die belangte Behörde hat unter Aktenvorlage eine Gegenschrift erstattet und beantragt, die Beschwerde mangels Parteistellung der Beschwerdeführerin zurückzuweisen, in eventu die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
II. Aus Anlaß der vorliegenden Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof am 10. Oktober 1997 beschlossen, die Verfassungsmäßigkeit des §4 EnWG idF der Vereinfachungsverordnung gemäß Art140 B-VG von Amts wegen zu prüfen.
III. 1. Mit Erkenntnis vom heutigen Tag, G454/97, hat der Verfassungsgerichtshof entschieden, daß die Beschwerde zulässig ist, und daß er bei seiner Entscheidung über die Beschwerde §4 EnWG idF der Vereinfachungsverordnung anzuwenden habe.
2. Mit demselben Erkenntnis hat der Verfassungsgerichtshof §4 EnWG idF der Vereinfachungsverordnung gemäß Art140 B-VG als verfassungswidrig aufgehoben.
IV. Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde ua. dann verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt (zB VfSlg 9461/1982, 12584/1990, 14713/1996 ua.).
Die belangte Behörde hat, wie im Erkenntnis vom heutigen Tag, G454/97, näher ausgeführt wurde, nicht nur Anträge der beschwerdeführenden Gesellschaft gestützt auf §4 EnWG idF der Vereinfachungsverordnung abgewiesen, sondern auch unter Berufung auf diese Rechtsvorschrift Verpflichtungen der beschwerdeführenden Gesellschaft begründet.
Gemäß Art140 Abs7 B-VG ist auf den vorliegenden Anlaßfall der vom Verfassungsgerichtshof aufgehobene §4 EnWG idF der Vereinfachungsverordnung nicht mehr anzuwenden. Gleichgültig, ob §4 EnWG dazu ermächtigte, in die Rechtssphäre der beschwerdeführenden Gesellschaft einzugreifen oder nicht (wie die belangte Behörde vermeint), hat die belangte Behörde, berücksichtigt man den oben kurz wiedergegebenen Inhalt des von ihr erlassenen, vor dem Verfassungsgerichtshof angefochtenen Bescheides, der beschwerdeführenden Gesellschaft gegenüber mit der Erlassung dieses, auf §4 EnWG gestützten Bescheides eine Zuständigkeit in Anspruch genommen, die ihr nicht zustand. Sie hat damit das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht der beschwerdeführenden Gesellschaft auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt.
Der Bescheid war demgemäß aufzuheben.
V. Der Kostenzuspruch stützt sich auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 3.000,-
enthalten.
Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG vom Verfassungsgerichtshof ohne mündliche Verhandlung beschlossen werden.
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