VfGH B317/97

VfGHB317/9728.11.1997

(Quasi)Anlaßfallwirkung der Aufhebung der die Familienbesteuerung betreffenden Bestimmungen des EStG 1988 mit E v 28.11.97, G451/97 und E v 17.10.97, G168/96 ua.

Die belangte Behörde hat dadurch, daß sie den für die Kinder geleisteten Unterhaltszahlungen die steuerliche Anerkennung versagt hat (zur steuerlichen Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen an Ehegatten vgl. VfSlg. 13067/1992, S 567, und VfSlg. 13297/1992), Gesetzesbestimmungen angewendet, die vom Verfassungsgerichtshof mit den zitierten Erkenntnissen aufgehoben wurden. Es ist nach Lage des Falles nicht von vornherein ausgeschlossen, daß ihre Anwendung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war.

Normen

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall

 

Spruch:

Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.

Die Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Finanzen) ist schuldig, der Beschwerdeführerin zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit S 18.000,-- bestimmten Prozeßkosten binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.1. Mit dem vor dem Verfassungsgerichtshof bekämpften, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Finanzlandesdirektion für Kärnten wird der Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Umsatzsteuerbescheid und den Einkommensteuerbescheid für 1993 teilweise Folge gegeben und der angefochtene Einkommensteuerbescheid zum Nachteil der Beschwerdeführerin abgeändert; ihrem Begehren, die Unterhaltsleistungen an ihre drei Kinder in jeweils näher bezeichneter Höhe als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, wurde nicht Rechnung getragen.

2. Die Beschwerde, in der die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt wird, rügt die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit vor dem Gesetz wegen Anwendung eines für verfassungswidrig erachteten Gesetzes.

3. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II.Die Beschwerde ist im Ergebnis begründet.

1. Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis G168/96 ua. vom 17. Oktober 1997 die Worte "und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen" in §20 Abs1 Z1 EStG 1988, BGBl. 400, §33 Abs4 Z3, §34 Abs7 Z1 und §57 Abs2 Z3 lita EStG 1988 idF BGBl. 312/1992 sowie §33 Abs4 Z3 lita und §34 Abs7 Z1 und 2 EStG 1988 idF BGBl. 818/1993 als verfassungswidrig aufgehoben.

Mit Erkenntnis G451/97 vom heutigen Tag hat der Verfassungsgerichtshof weiters die Bestimmungen des §34 Abs7 Z2 und des §57 Abs2 Z3 litb EStG 1988 idF BGBl. 312/1992 als verfassungswidrig aufgehoben.

2. Gemäß Art140 Abs7 B-VG ist ein vom Verfassungsgerichtshof aufgehobenes Gesetz im Anlaßfall nicht mehr anzuwenden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sind einem Anlaßfall (im engeren Sinn) jene Fälle gleichzuhalten, die im Zeitpunkt des Beginns der mündlichen Verhandlung, bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in jenem des Beginns der nichtöffentlichen Beratung über eine in der Beschwerdesache präjudizielle Gesetzesstelle anhängig sind (vgl. VfSlg. 10616/1985, 11711/1988).

3. Die Beschwerde ist am 4. Februar 1997 beim Verfassungsgerichtshof eingelangt. Der Zeitpunkt des Beginns der mündlichen Verhandlung im Normenprüfungsverfahren G168/96 ua. war der 6. Oktober 1997; die nichtöffentliche Beratung im Normenprüfungsverfahren G451/97 begann am heutigen Tag. Die Gesetzesaufhebung (vgl. Pkt. II.1.) wirkt daher auch für sie.

Der angefochtene - hinsichtlich der Umsatzsteuer und der Einkommensteuer nicht trennbare - Bescheid ist unter anderem in Anwendung von als verfassungswidrig aufgehobenen Bestimmungen ergangen. Es ist nach Lage des Falles nicht von vornherein ausgeschlossen, daß sich ihre Anwendung für die Beschwerdeführerin als nachteilig erweist. Die Beschwerdeführerin ist demnach durch den angefochtenen Bescheide wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.

Der Bescheid war daher aufzuheben.

4. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von S 3.000,-- enthalten.

5. Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG in

nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

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