Normen
B-VG Art132
B-VG Art138 Abs1 litb
B-VG Art140 Abs1 / Allg
B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsgegenstand
AnerkennungsG §1
AnerkennungsG §2
B-VG Art132
B-VG Art138 Abs1 litb
B-VG Art140 Abs1 / Allg
B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsgegenstand
AnerkennungsG §1
AnerkennungsG §2
Spruch:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung
I. 1. Dem Antragsvorbringen zufolge leiten die vier in Österreich wohnhaften Einschreiter seit Jahren den österreichischen Zweig der unter dem Namen "Zeugen Jehovas" auf der ganzen Erde tätigen Religionsgemeinschaft.
Mit dem vorliegenden, auf Art140 (Abs1 letzter Satz) B-VG gestützten Antrag begehren sie, die §§1 und 2 des Gesetzes vom 20. Mai 1874, RGBl. 68, betreffend die gesetzliche Anerkennung von Religionsgesellschaften, (im folgenden kurz: "AnerkennungsG"), als verfassungswidrig aufzuheben. Diese Bestimmungen verstießen (aus näher dargelegten Gründen) gegen die Bundesverfassung.
Die Antragsteller meinen, die bekämpften Gesetzesstellen seien für sie unmittelbar wirksam (Näheres s.u. III.2.a).
2. Die §§1 und 2 des AnerkennungsG lauten:
"§.1.
Den Anhängern eines bisher gesetzlich nicht anerkannten Religionsbekenntnisses wird die Anerkennung als Religionsgesellschaft unter nachfolgenden Voraussetzungen ertheilt:
1. Daß ihre Religionslehre, ihr Gottesdienst, ihre Verfassung, sowie die gewählte Benennung nichts Gesetzwidriges oder sittlich Anstößiges enthält;
2. daß die Errichtung und der Bestand wenigstens Einer nach den Anforderungen dieses Gesetzes eingerichteten Cultusgemeinde gesichert ist.
§.2.
Ist den Voraussetzungen des §.1 genügt, so wird die Anerkennung von dem Cultusminister ausgesprochen. (Jetzt: Bundesminister für Unterricht und Kunst)
Durch diese Anerkennung wird die Religionsgesellschaft aller jener Rechte theilhaftig, welche nach den Staatsgesetzen den gesetzlich anerkannten Kirchen- und Religionsgesellschaften zukommen."
II. 1. Der Verfassungsgerichtshof hat einen weitestgehend gleichlautenden Individualantrag derselben Antragsteller mit Beschluß vom 25. Juni 1992, G282/91, mangels Legitimation zurückgewiesen.
Er hat diesen Beschluß im wesentlichen damit begründet, daß die Behörde, wenn sie im Zuge des Anerkennungsverfahrens das Vorliegen aller gesetzlichen Voraussetzungen (iS des AnerkennungsG) festgestellt hat, verpflichtet sei, die Anerkennung zu gewähren, und daß sie das Ergebnis ihrer Ermittlungen in einer Weise zu äußern habe, die rechtsstaatlichen Grundsätzen entspricht. Bei positivem Ergebnis ihrer Ermittlungen sei sie verpflichtet, die Anerkennung durch Verordnung auszusprechen; sie könne außerdem (zusätzlich) bescheidmäßig das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen feststellen. Bei negativem Ergebnis sei dieses jedenfalls bescheidmäßig auszusprechen und zu begründen. Bleibe die Anerkennungsbehörde untätig, so hätten die Anerkennungswerber die Möglichkeit, beim Verwaltungsgerichtshof Säumnisbeschwerde gemäß Art132 B-VG zu erheben. Der von den Antragstellern behauptete unmittelbare Eingriff in ihre Rechtssphäre liege sohin nicht vor. Es stehe ihnen nämlich - entgegen ihrer Meinung - bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen ein durchsetzbarer Rechtsanspruch zu, die Anerkennung der "Zeugen Jehovas" als Religionsgesellschaft nach dem AnerkennungsG zu erwirken.
2. Der Verwaltungsgerichtshof wies mit Beschluß vom 22. März 1993, Zl. 92/10/0155, eine auf Art132 B-VG gestützte Säumnisbeschwerde zurück, in der die Verletzung der Entscheidungspflicht durch den Bundesminister für Unterricht und Kunst (BMUK) geltend gemacht worden war. Die Beschwerdeführer hatten mit Schriftsätzen vom 17. Juni 1987 und vom 21. Juli 1990 beim BMUK gemäß §2 AnerkennungsG den Antrag gestellt, die "Zeugen Jehovas" als Religionsgesellschaft anzuerkennen. Über diesen Antrag hatte der Bundesminister nicht entschieden.
Der Verwaltungsgerichtshof vertrat im zitierten Beschluß die Meinung, den Beschwerdeführern mangle die Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde (§34 Abs1 VwGG) und begründete dies (nach einer Wiedergabe des oben zu II.1. erwähnten Beschlusses des Verfassungsgerichtshofes vom 25. Juni 1992 und der maßgebenden Rechtsvorschriften) im wesentlichen wie folgt:
"Der an die belangte Behörde gerichtete Antrag der Beschwerdeführer war auf Anerkennung der 'Zeugen Jehovas' nach §2 AnerkennungsG gerichtet.
Die Anerkennung eines Religionsbekenntnisses als Kirche oder Religionsgesellschaft ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. etwa das Erkenntnis vom 29. Februar 1988, V11/87, VfSlg. 11624) - durch Rechtsverordnung auszusprechen (vgl. die Beschlüsse vom 11. Mai 1953, Zl. 908/53, VwSlg. 2965/A, und vom 27. September 1982, Zl. 82/10/0138 und 0144, VwSlg. 10833/A).
Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem (...) Beschluß vom 27. September 1982 ausführlich begründend dargelegt, daß er der Auffassung, über die Ablehnung des Antrages auf Anerkennung müsse ein Bescheid ergehen, nicht beitritt. Der Gerichtshof sieht sich auch aufgrund der Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes nicht veranlaßt, von dieser Ansicht abzugehen. Die Entscheidung darüber, ob eine Verordnung zu erlassen ist, stellt seiner Ansicht nach - so lange vom Gesetzgeber nicht Gegenteiliges angeordnet ist - einen wesentlichen Teil des Verordnungsrechtes dar. Den Verordnungsgeber in seiner Entscheidung darüber, ob von ihm eine Verordnung erlassen wird, an einen individuellen Verwaltungsakt zu binden, ließe sich auch mit den von der Bundesverfassung vorausgesetzten Rechtsquellentypen der Verordnung und des Bescheides und ihres Verhältnisses zueinander mit dem hiefür eingerichteten, unterschiedlich ausgestalteten Rechtsschutzsystem sowie mit dem stufenförmigen Aufbau der Rechtsordnung nicht in Einklang bringen. Ebensowenig erscheint eine Auslegung des AnerkennungsG zulässig, nach der die Entscheidung über das ob der Erlassung der Verordnung nur für den Fall der Verneinung dem Verordnungsgeber entzogen und einem individuellen Verwaltungsakt vorzubehalten wäre.
Nach Ansicht des Gerichtshofes erscheint es aber auch nicht vertretbar, daß ein und derselbe Rechtsakt 'Anerkennung' sowohl in der Rechtssatzform der Verordnung als auch der des Bescheides zu ergehen hätte. Der Gerichtshof pflichtet in diesem Zusammenhang vielmehr der vom Verfassungsgerichtshof vertretenen Auffassung bei, daß eine in Bescheidform intendierte Anerkennung auf einen Rechtsformenmißbrauch hinausliefe (vgl. VfSlg. 11624/1988). Im übrigen würde auch ein lediglich an die Anerkennungswerber adressierter positiver Bescheid nicht eine an die Allgemeinheit der Rechtsunterworfenen gerichtete Anerkennung bewirken. Eine solche kann nur im Wege einer Verordnung erfolgen, deren Erlassung jedoch mit dem vorhandenen Rechtsschutzinstrumentarium nicht erzwungen werden kann. Der vom Verfassungsgerichtshof beabsichtigte Rechtsschutz der Anerkennungswerber muß somit letztlich auch nach der von ihm gewählten Konzeption versagen.
Was den Hinweis auf Art13 EMRK anlangt, so ist dieser nach Auffassung des Gerichtshofes nicht stichhältig, da im Beschwerdefall die Verletzung von in der Konvention festgelegten Rechten und Freiheiten nicht zur Diskussion steht.
Auf die Erlassung einer generellen Norm, sei es in der Form eines Gesetzes oder in der einer Verordnung, steht niemandem ein Rechtsanspruch zu (vgl. etwa den Beschluß vom 31. März 1977, Zl. 425/77, mit weiteren Judikaturhinweisen). Auch nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. den bereits mehrfach genannten Beschluß vom 25. Juni 1992) ist der Verwaltungsgerichtshof nicht ermächtigt, Verordnungen zu erlassen."
III. Der Verfassungsgerichtshof hat zur Frage der Zulässigkeit des nunmehr vorliegenden Antrages (s.o. I.1.) erwogen:
1.a) Der Verfassungsgerichtshof hält es bei Individualanträgen - ähnlich wie bei Anträgen von Gerichten auf Prüfung genereller Normen aus Anlaß von Rechtssachen, die bei ihnen anhängig sind, und ähnlich wie bei der Einleitung eines amtswegigen Normprüfungsverfahrens durch den Verfassungsgerichtshof (vgl. zB VfSlg. 7376/1974) - für seine Aufgabe, den Umfang der zu prüfenden und im Falle ihrer Rechtswidrigkeit aufzuhebenden Bestimmungen derart abzugrenzen, daß einerseits nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird, als zur Beseitigung der zulässigerweise geltend gemachten Rechtsverletzung erforderlich ist, daß aber andererseits der verbleibende Text keine Veränderung seiner Bedeutung erfährt. Es liegt auf der Hand, daß beide Ziele gleichzeitig niemals vollständig erreicht werden können. Der Verfassungsgerichtshof hat daher in jedem Einzelfall abzuwägen, ob und inwieweit diesem oder jenem Ziel der Vorrang vor dem anderen gebührt (VfSlg. 8156/1977, S 229 f.).
Diese Judikatur beruht auf dem Grundgedanken, daß ein Gesetzesprüfungsverfahren dazu führen soll, die geltend gemachte Verfassungswidrigkeit - wenn sie tatsächlich vorläge - zu beseitigen, daß aber der nach Aufhebung verbleibende Teil des Gesetzes möglichst nicht mehr verändert werden soll, als zur Bereinigung der Rechtslage unbedingt notwendig ist, daß also keine oder möglichst wenige Regelungen aufgehoben werden sollen, gegen die sich die vorgebrachten Bedenken nicht richten. Ein Anfechtungsantrag muß also (auch) diesen engstmöglichen Teil des Gesetzes erfassen, um dem Verfassungsgerichtshof die Möglichkeit zu geben, seine Aufhebungstätigkeit iS des vorstehenden Grundgedankens auszuüben (VfSlg. 8461/1978, S 483, mit Hinweis auf weitere Vorjudikatur).
b) Im vorliegenden Fall behaupten die Antragsteller, das AnerkennungsG sei mit einer - sie belastenden - Verfassungswidrigkeit deshalb behaftet, weil es keine Möglichkeit biete, die Anerkennung als Religionsgesellschaft - bei Vorliegen der vom Gesetz aufgestellten Anforderungen - durchzusetzen.
c) Diese - angenommene - Verfassungswidrigkeit würde durch die Aufhebung des §1 und des §2 Abs2 AnerkennungsG nicht beseitigt. Die Eliminierung dieser Vorschriften würde vielmehr bewirken, daß überhaupt keine Anerkennung als Religionsgesellschaft mehr möglich wäre und damit die Rechtslage zum Nachteil der Antragsteller verändern, also deren behauptete Belastung nicht beseitigen.
In diesem Umfang war der Antrag, weil er zu weit gefaßt war, zurückzuweisen.
2.a) Der Umfang der angefochtenen und zur Aufhebung beantragten Gesetzesbestimmung wird zwar mit §2 Abs1 AnerkennungsG zutreffend umschrieben; davon geht auch der erwähnte hg. Beschluß vom 25. Juni 1992, G282/91, implizit aus.
Der auf Aufhebung dieser Gesetzesstelle gerichtete Antrag war jedoch aus einem anderen Grund zurückzuweisen:
Der nunmehr vorliegende Antrag stimmt - mit Ausnahme des Anfechtungsumfanges - inhaltlich völlig mit dem Antrag überein, der mit dem zuletzt zitierten Beschluß vom 25. Juni 1992 erledigt wurde. Der einzige Unterschied besteht darin, daß die Antragsteller nunmehr auf den oben wiedergegebenen Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. März 1993, Zl. 92/10/0155, hinweisen, dessen tragende Begründung jener des Verfassungsgerichtshofes widerspreche. Ein Rechtsmittel gegen die Untätigkeit der Behörde (BMUK) stehe den Antragstellern somit nicht zur Verfügung; der Verwaltungsgerichtshof sei nicht an die vom Verfassungsgerichtshof geäußerte Rechtsansicht gebunden.
Wörtlich heißt es dazu im Antrag:
"Die Antragsteller sind daher durch die §§1 und 2 des Gesetzes über die Anerkennung von Religionsgesellschaften direkt in ihren Rechten verletzt, da diese Bestimmung nach der Praxis der Behörde und der ständigen Rechtsprechung des VwGH der Anerkennungsbehörde ein freies unüberprüfbares Ermessen einräumt und sowohl die Frage ob die Behörde überhaupt auf einen Antrag reagieren soll, als auch die inhaltliche Determinierung der Entscheidung ausschließlich der Willkür der Behörde überläßt (vgl. Pree, Staatskirchenrecht 77)."
b) Mit diesem Vorbringen weisen die Antragsteller nicht nach, daß es sich bei der zu G282/91 entschiedenen Sache einerseits und der nunmehr zu entscheidenden Angelegenheit andererseits nicht um dieselbe Rechtssache handelt, sind doch sowohl der den Anträgen zugrundeliegende Sachverhalt als auch die angefochtene Rechtsvorschrift ident (zur "res judicata" vgl. zB Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts5, Wien 1991, RZ 481 ff.; Ringhofer, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, I. Band, Wien 1987, Anm. 12 und
E 25 bis 52 zu §68 AVG). Neue, einer früheren Entscheidung allenfalls widersprechende Judikatur ändert an der Identität der Rechtssache nichts.
Sohin liegt res judicata vor, weshalb die Richtigkeit des früheren Beschlusses des Verfassungsgerichtshofes nicht zu überprüfen ist (vgl. zB VfSlg. 12661/1991 sowie die bei Ringhofer, aaO, E 45, wiedergegebene Rechtsprechung).
c) Der Verfassungsgerichtshof ist im gegenwärtigen Verfahrensstadium auch nicht dazu berufen, mit bindender Wirkung über die Zuständigkeit oder Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes zur Entscheidung über eine im gegebenen Zusammenhang bei diesem Gerichtshof erhobene Säumnisbeschwerde zu befinden (vgl. zB VfSlg. 1641/1948, S 104).
Jenen Personen, die seinerzeit beim Verwaltungsgerichtshof die oben (II.2.) erwähnte Säumnisbeschwerde eingebracht haben, steht es aber frei, beim Verfassungsgerichtshof eine an sich gleichartige - allerdings auf die behauptete Verletzung von Rechten, wie sie im Art144 B-VG aufgezählt sind, abgestellte - (Säumnis-)Beschwerde zu erheben; wenn sodann der Verfassungsgerichtshof diese Beschwerde mangels Zuständigkeit zurückweisen würde, könnten die Einschreiter in weiterer Folge gemäß Art138 Abs1 litb B-VG iVm §46 Abs1 VerfGG einen Antrag auf Entscheidung eines (verneinenden) Kompetenzkonfliktes stellen.
3. Diese Beschlüsse konnten gemäß §19 Abs3 Z2 lita und d VerfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.
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