Normen
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungakt
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
ASVG §69 Abs1
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungakt
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
ASVG §69 Abs1
Spruch:
Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) ist schuldig, der Beschwerdeführerin die mit S 15.000,-- bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1.1. Der beschwerdeführenden Partei wurden mit Bescheid der Tiroler Gebietskrankenkasse vom 30. Dezember 1982 S 27.105,26 und vom 10. Jänner 1983 S 736.216,69 an Beitragsnachzahlungen vorgeschrieben, weil ein Teil der an die Dienstnehmer ausbezahlten Entfernungszulagen und Nächtigungsgelder nicht als beitragsfreie Leistungen iSd §49 Abs3 Z1 ASVG zu qualifizieren seien. Die Beschwerdeführerin zahlte den letztgenannten Betrag am 24. Jänner 1983 an die Tiroler Gebietskrankenkasse.
Im daraufhin von der Beschwerdeführerin angestrengten, mehrere Rechtsgänge umfassenden Rechtsstreit obsiegte diese letztlich 1991 vor dem Verwaltungsgerichtshof zur Gänze. Hierauf zahlte die Tiroler Gebietskrankenkasse, die der Beschwerdeführerin bereits am 21. August 1984 einen Teilbetrag von S 234.669,02 auf deren Konto gutgebracht hatte, den Restbetrag am 22. März 1992 zurück.
1.2. Mit Schreiben vom 3. März 1992 forderte die beschwerdeführende Partei die Tiroler Gebietskrankenkasse auf, aus dem Betrag von S 736.216,69 vom Zahlungstag, dem 24. Jänner 1983, bis zum Tag der Umbuchung des Betrages von S 234.669,02 auf ihr Konto am 21. August 1984 und aus dem Betrag von S 501.547,67 seit 22. August 1984 bis zu dessen Rückzahlung am 22. März 1992 für die getätigten Zahlungen 5 % Zinsen, insgesamt sohin S 248.147,22, zu bezahlen. Gegen den abweisenden Bescheid der Tiroler Gebietskrankenkasse erhob die Beschwerdeführerin Einspruch, der mit Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 17. Juni 1992, ZVd-3997/2, als unbegründet abgewiesen wurde.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes geltend gemacht werden und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
3. Der Landeshauptmann von Tirol hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der er die Abweisung der Beschwerde beantragt.
4. Aus Anlaß der vorliegenden Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof am 11. März 1993 beschlossen, gemäß Art140 Abs1 B-VG die Verfassungsmäßigkeit des §59 Abs1 des Bundesgesetzes vom 9. September 1955, BGBl. Nr. 189/1955, über die Allgemeine Sozialversicherung (Allgemeines Sozialversicherungsgesetz - ASVG) idF BGBl. Nr. 585/1980 und des §69 Abs1 ASVG idF BGBl. Nr. 676/1991 einzuleiten.
Mit Erkenntnis vom heutigen Tag, G85/93, hat der Verfassungsgerichtshof §69 Abs1 ASVG in der zitierten Fassung nicht als verfassungswidrig aufgehoben und das Gesetzesprüfungsverfahren im übrigen eingestellt.
5. Der angefochtene Bescheid stützt sich auf §69 Abs1 ASVG. Mit dem eben zitierten Erkenntnis hat der Verfassungsgerichtshof diese Gesetzesstelle nicht als verfassungswidrig aufgehoben, weil eine verfassungskonforme Auslegung gebietet, §69 Abs1 ASVG dahingehend auszulegen, daß im Falle der Verpflichtung zur Rückleistung zu Unrecht vereinnahmter Beiträge für die wegen mangelnden Rechtsgrundes zurückzuerstattenden Geldsummen Vergütungszinsen, denen bereicherungsrechtlicher Charakter zukommt, in Höhe der gesetzlichen Zinsen zu leisten sind. Die belangte Behörde hätte daher - wie sich aus dem Erkenntnis im Gesetzesprüfungsverfahren ergibt - Vergütungszinsen zuzusprechen gehabt. Da die belangte Behörde durch ihre verfassungswidrige Auslegung des §69 Abs1 ASVG das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt hat, ist der Bescheid aufzuheben.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 2.500,-- enthalten.
Dies konnte gemäß §19 Abs4 1.Satz VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung beschlossen werden.
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